Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harry Scheuenstuhl SPD vom 24.06.2014 Sitzungszeiten von Kommunalgremien Es haben uns Anfragen erreicht, dass Stadt-, Gemeinderats- Kreistagssitzungen an Werktagen um z. B. 8:00/9:00 Uhr angesetzt werden. Darin sehen Arbeiter, Lehrer, selbstständige Handwerker und Angestellte (abhängig Beschäftigte) starke Benachteiligungen. Trotz Regelungen, dass man für ehrenamtliche Tätigkeiten freigestellt werden muss, sind häufige Fehlzeiten über einen längeren Zeitraum in Arbeitsverhältnissen von großem Nachteil. Bei Beförderungen, Höhergruppierungen und Weiterbildung sind Fehlzeiten wenig hilfreich. In kleineren Betrieben ist so ein/e Mitarbeiter/-in nicht lange tragbar. Lehrer/-innen haben ständig das Problem der Vertretung . Ich frage die Staatsregierung: 1. Gibt es für kommunale Sitzungen rechtliche Vorgaben zu Sitzungszeiten? 2. Welche Möglichkeiten hat ein Ratsmitglied, wenn die Mehrheit des Gremiums die arbeitnehmerfeindlichen Zeiten beschlossen hat? 3. Wie kann man auf einen Sitzungsleiter Einfluss nehmen, um die Sitzungen auf einen späteren Zeitpunkt verlegen zu lassen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 19.07.2014 Zu 1.: Verbindliche gesetzliche Vorgaben zum Beginn von Sitzungen kommunaler Gremien gibt es nicht. Bei der Festlegung der Sitzungszeiten ist die von der Gemeindeordnung (GO) und der Landkreisordnung (LKrO) vorgegebene Aufgabenverteilung zwischen dem ersten Bürgermeister bzw. dem Landrat und dem Gemeinderat bzw. Kreistag zu beachten (im Folgenden wird der Übersichtlichkeit halber die Situation auf Gemeindeebene dargestellt, der die Situation auf Landkreisebene im Wesentlichen entspricht). Nach Art. 46 Abs. 1 Satz 2 GO ist es Aufgabe des ersten Bürgermeisters, den Gemeinderat unter Angabe der Tagesordnung zur Gemeinderatssitzung einzuberufen. Zeit und Ort der Sitzungen setzt der erste Bürgermeister im Rahmen seines Gestaltungsspielraums nach sachlichen Erwägungen fest. Sofern der Gemeinderat in seiner Geschäftsordnung einen üblichen Termin für die Sitzungen bestimmt hat, wird sich der erste Bürgermeister regelmäßig hieran orientieren. Erwägungen , die in die Entscheidung über den Zeitpunkt der Sitzung einfließen können, sind z. B. berufliche Verpflichtungen der einzelnen Gemeinderatsmitglieder, damit diese ihr Ehrenamt wahrnehmen können, die Möglichkeit für Gemeindebürger , an den öffentlichen Sitzungen teilzunehmen oder die Belange des Verwaltungspersonals, das bei den Sitzungen dienstlich anwesend sein muss. Letztlich ist es Aufgabe des ersten Bürgermeisters, unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der Zusammensetzung des Gemeinderats im Einzelfall eine Regelung zu finden, die den widerstreitenden Interessen vor Ort am besten entspricht. Unzulässig wären allenfalls Sitzungszeiten, die gezielt gewählt werden, um einem Gemeinderatsmitglied die Teilnahme an den Sitzungen unmöglich zu machen. Allein die Tatsache, dass die Sitzungszeit während der Arbeitszeit eines Gemeinderatsmitglieds liegt, reicht für diese Annahme jedoch nicht aus. Zu 2.: Das Ratsmitglied kann zunächst mit einem entsprechenden Antrag versuchen, dass das Gremium sich für eine andere Sitzungszeit ausspricht. Ebenso kann sich das Ratsmitglied an den Sitzungsleiter wenden und ihn bitten, im Einzelfall eine andere Sitzungszeit festzusetzen. Allerdings gilt auch insoweit, dass die Festsetzung der Sitzungszeit im pflichtgemäßen Ermessen des Sitzungsleiters steht, der hierbei verschiedene Belange zu berücksichtigen hat (s. o.). In prozessualer Hinsicht käme eine kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit vor den Verwaltungsgerichten in Betracht. Soweit die Sitzungszeit mit den Arbeitszeiten des Gemeinderatsmitglieds kollidiert, kann das Gemeinderatsmitglied versuchen, sich vom Arbeitgeber von der Arbeit freistellen zu lassen (s. dazu die Antwort des Staatsministeriums des Innern vom 6. April 2009 auf die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Linus Förster vom 26. Februar 2009 (LT-Drs. 16/1129 vom 14. Mai 2009)). Als Ausfluss seines Teilhaberechts kann ein Gemeinderatsmitglied jederzeit beantragen, dass ein bestimmter Gegenstand (erneut) auf die Tagesordnung gesetzt wird. Dies setzt allerdings regelmäßig voraus, dass bei der Beratung über den Antrag neue Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Mehrfache Wiederholungen des gleichen Antrags können unzulässig sein. Zu 3.: Es besteht immer die Möglichkeit, im Rahmen der kollegialen Zusammenarbeit den Sitzungsleiter um eine Verlegung der Sitzungszeiten zu ersuchen. Besteht die Vermutung, dass der Sitzungsleiter sein Ermessen bei der Festlegung der Sitzungszeiten missbraucht, kann die Rechtsaufsichtsbehörde um Prüfung gebeten werden. Zur Möglichkeit einer gerichtlichen Durchsetzung s. die Antwort zu Frage 2. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.08.2014 17/2815 Bayerischer Landtag