Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 06.05.2014 Kontoabfragen durch bayerische Behörden Seit 2005 können Behörden beim Bundeszentralamt für Steuern Kontoinformationen von Bürgerinnen und Bürgern anfragen, um z. B. Steuerbetrüger ausfindig zu machen oder den Missbrauch von Sozialleistung einzudämmen. Seit dem Jahr 2013 können überdies auch Gerichtsvollzieher beim Bundeszentralamt Kontoinformationen erfragen. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Abfragen laut Medienberichten gegenüber dem Vorjahr auf 141.640 verdoppelt. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. In welchen Fallgruppen, außer Steuerdelikten, unternehmen welche bayerische Behörden Kontoanfragen beim Bundeszentralamt für Steuern? 2. Unter welchen Voraussetzungen nehmen insbesondere bayerische Gerichtsvollzieher Kontoabrufersuchen beim Bundeszentralamt für Steuern vor? 3. Wie viele Kontoabrufersuchen haben bayerische Behörden (inkl. Finanzbehörden) seit 2009 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und Behörde) aufgrund welcher Rechtsgrundlage durchgeführt? 4. Wie viele Kontoabrufersuchen haben bayerische Behörden seit 2009 insgesamt jährlich durchgeführt? 5. Wie viele dieser Abfragen wurden vom Bundeszentralamt für Steuern positiv beschieden? 6. Wie viele dieser Abfragen wurden vom Bundeszentralamt für Steuern negativ beschieden und mit welcher Begründung ? 7. In wie vielen Fällen erfolgten die Abfragen ohne Begründung ? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 28.07.2014 Die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Osgyan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vom 6. Mai 2014 betreffend „Kontoabfragen durch bayerische Behörden“ wird im Einvernehmen mit den Staatsministerien für Arbeit und Soziales, Familie und Integration; des Innern, für Bau und Verkehr; der Justiz; sowie für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage bezieht sich auf Medienberichte, nach denen sich die Zahl der über das Bundeszentralamt für Steuern (kurz: BZSt) von anderen Behörden und – seit kurzem auch – Gerichtsvollziehern abgefragten Kontodaten bei Kreditinstituten im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr bundesweit verdoppelt habe. Dabei geht es nur um die seit dem Jahr 2005 bestehende Kontoabrufmöglichkeit über das BZSt, bei der in begründeten Einzelfällen (lediglich) sogenannte Kontostammdaten, nicht aber Kontostände oder Kontobewegungen automatisiert abgefragt werden können. 1. In welchen Fallgruppen, außer Steuerdelikten, unternehmen welche bayerische Behörden Kontoanfragen beim Bundeszentralamt für Steuern? Ein mit der Schriftlichen Anfrage angesprochener Abruf der von den Kreditinstituten nach § 93 b Abs. 1 Abgabenordnung (AO) hinterlegten Kontostammdaten über das BZSt dient im Wesentlichen einer gleichmäßigen Besteuerung, der Bekämpfung des Sozialleistungsbetrugs und (seit 2013) zivilrechtlichen Zwangsvollstreckungsverfahren. – Finanzbehörden können einen automatisierten Kontenabruf über das BZSt gemäß § 93 Abs. 7 Abgabenordnung (AO) vornehmen, wenn dies für die Besteuerung im Einzelfall erforderlich ist. Im Besteuerungsverfahren kommt dieses Instrument hauptsächlich in Vollstreckungsfällen, also bei säumigen Steuerzahlern, zur Anwendung. Auch Kommunen haben im Rahmen der Erhebung von Gewerbe- und Grundsteuern eine Kontenabrufmöglichkeit über das BZSt. – Für sozialrechtliche Zwecke dürfen nach § 93 Abs. 8 Satz 1 AO unter Umständen auch die zuständigen Sozialbehörden im Rahmen der Verwaltung • der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [§ 93 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 AO; zuständig: bayernweit 93 Jobcenter, von denen nur die 10 Optionskommunen der Aufsicht des Landes unterliegen] Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.09.2014 17/2824 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2824 4. Wie viele Kontoabrufersuchen haben bayerische Behörden seit 2009 insgesamt jährlich durchgeführt? Vgl. Antwort auf Frage 3. 5. Wie viele dieser Abfragen wurden vom Bundeszentralamt für Steuern positiv beschieden? 6. Wie viele dieser Abfragen wurden vom Bundeszentralamt für Steuern negativ beschieden und mit welcher Begründung? 7. In wie vielen Fällen erfolgten die Abfragen ohne Begründung ? Statistische Erhebungen zu der Frage, in wie vielen Fällen Kontoabrufersuchen vom BZSt positiv bzw. negativ verbeschieden werden, werden – auch beim BZSt – nicht geführt. • der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch [§ 93 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 AO; zuständig: Sozialhilfeverwaltungen bei den Landratsämtern, kreisfreien Städten und Bezirken] • der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) [§ 93 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 AO; zuständig: Ämter für Ausbildungsförderung] • der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) [§ 93 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 AO; zuständig: Ämter für Ausbildungsförderung ] und • des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz [§ 93 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 AO; zuständig: Wohngeldbehörden ] das BZSt in begründeten Einzelfällen um einen Abruf von Kontostammdaten ersuchen. – Darüber hinaus ist ein automatisierter Abruf von Kontostammdaten über das BZSt gemäß § 93 Abs. 8 Satz 2 AO in folgenden Fallgruppen durch Bundesgesetz zulässig: • Im Rahmen der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung sind Gerichtsvollzieher aufgrund einer am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Regelung in § 802 l Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) befugt, im Auftrag des Gläubigers das BZSt um einen Kontenabruf zu ersuchen . • Seit 1. Juli 2013 besteht für die bei den Landratsämtern und kreisfreien Städten für den Vollzug des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) zuständigen Jugendämter bzw. für das – für die gerichtliche Geltendmachung der nach dem UVG auf den Freistaat Bayern übergegangenen Unterhaltsansprüche zuständige – Landesamt für Finanzen gemäß § 6 Abs. 6 UVG die Möglichkeit eines automatisierten Kontenabrufs über das BZSt. 2. Unter welchen Voraussetzungen nehmen insbesondere bayerische Gerichtsvollzieher Kontoabrufersuchen beim Bundeszentralamt für Steuern vor? Der Gerichtsvollzieher als Angehöriger der Justizverwaltung führt ein Kontoabrufersuchen nur durch, wenn er hierzu vom Gläubiger nach § 802 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO beauftragt wurde. Rechtliche Grundlage für das Kontoabrufersuchen des Gerichtsvollziehers ist § 802 l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 ZPO. Danach darf der Gerichtsvollzieher das BZSt ersuchen, bei den Kreditinstituten die in § 93 b Abs. 1 AO bezeichneten Daten abzurufen, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt oder bei der Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist. Das Ersuchen ist allerdings nur zulässig, soweit dies zur Vollstreckung erforderlich ist und die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500 € betragen; Kosten der Zwangsvollstreckung und Nebenforderungen sind bei der Berechnung nur zu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand des Vollstreckungsauftrags sind. 3. Wie viele Kontoabrufersuchen haben bayerische Behörden (inkl. Finanzbehörden) seit 2009 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und Behörde) aufgrund welcher Rechtsgrundlage durchgeführt? Statistische Angaben liegen nur zu tatsächlich durchgeführten Kontenabrufen des BZSt vor. Die Zahl der Abrufersuchen der einzelnen Behörden oder Verwaltungszweige wird nicht erfasst. Hinsichtlich der Zahl der Kontenabrufe der in Bayern angesiedelten Jobcenter ist eine Unterscheidung danach, ob diese der Landes- oder Bundesaufsicht unterliegen (vgl. Antwort zu Frage 1), nicht möglich. Abgesehen davon liegen keine – nach Ländern regionalisierte – Zahlen über Kontenabrufe der Gemeinden im Rahmen der Erhebung von Gewerbe- und Grundsteuern vor. Dies vorausgeschickt im Folgenden die vom BZSt erhobenen Daten: Zeitraum § 93 Abs. 7 AO § 93 Abs. 8 Satz 1 Nr. (…) AO § 6 Abs. 6 UVG § 802 l Abs. 1 ZPO Nr. 1 Nr. 2 Nrn. 3 und 4 Nr. 5 Finanzämter Jobcenter Sozialhilfe- verwaltungen Ämter für Ausbildungsförderung Wohngeldbehörden Jugendämter bzw. Landesamt f. Finanzen Gerichtsvollzieher Gesamt 2009 3.506 701 59 0 3 4.269 2010 3.349 967 133 0 2 4.451 2011 2.979 889 108 0 3 3.979 2012 3.992 849 91 3 4 4.939 2013 4.430 763 86 3 9 97 6.869 12.257 1–6/2014 2.246 286 44 4 2 179 6.436 9.197