Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Markus Ganserer, Martin Stümpfig, Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 07.11.2013 Reaktivierungen im Schienenpersonennahverkehr In verschiedenen Regionen Bayerns besteht der Wunsch, Bahnlinien für den Schienenpersonennahverkehr zu reaktivieren . Der Freistaat ist zwar u. U. zur Bestellung von Verkehrsleistungen bereit, die Ertüchtigung der Infrastruktur in einen Zustand, die einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht, muss aber ohne Zuschuss des Freistaats erfolgen. Aktuell hat der Freistaat eine Bestellung von Zügen des Schienenpersonennahverkehrs auf den Reaktivierungsstrecken Senden – Weißenhorn und Selb – Aš (CZ) zugesagt. Bezüglich der Hesselbergbahn hat der Freistaat die Bestellung von Zügen für den Streckenteil Dombühl – Dinkelsbühl in Aussicht gestellt. Für die Bahnstrecke Gotteszell – Viechtach soll ein Probebetrieb geprüft werden. Ein Gutachten hat für die Staudenbahn (Bahnstrecke Gessertshausen – Fischach – Langenneufnach) nachgewiesen, dass das Aufkommen mit 1.170 Reisenden täglich ausreicht, um eine Reaktivierung der Strecke im Schienenpersonennahverkehr zu prüfen . Das Gutachten zur Fuchstalbahn (Landsberg am Lech – Schongau), das 2002 erstellt und dann nicht wirklich ausgewertet worden war, soll überarbeitet werden. In diesem Zusammenhang fragen wir die Staatsregierung: 1. Wie hat der Freistaat ermittelt, dass erst ab einer zu erwartenden Nachfrage von mehr als 1.000 Reisenden pro Werktag (1.000 Reisenden-km pro km betriebene Strecke ) eine Bestellung von Verkehrsleistungen seitens des Freistaats geprüft wird? 2. Aus welchen Gründen beteiligt sich der Freistaat nicht an den Kosten der Ertüchtigung der Infrastruktur von zu reaktivierenden Eisenbahnstrecken, wie dies Praxis in anderen Bundesländern ist und der Freistaat an die 400 Mio. Euro Regionalisierungsmittel angespart hat? 3. Warum wurde bei der Machbarkeitsstudie/Potenzialanalyse für die Hesselbergbahn keine Streckenhöchstgeschwindigkeit von 100 km/h untersucht, was der früheren zulässigen Geschwindigkeit entspricht und kürzere Fahr- bzw. Reisezeiten und damit höheres Reisendenpotenzial erwarten ließe? 4. Inwieweit wäre der Freistaat bereit, eine Machbarkeitsstudie /Potenzialanalyse für die Hesselbergbahn zu bezuschussen , der eine Streckenhöchstgeschwindigkeit von 100 km/h zugrunde liegt? 5. Inwieweit ist zumindest ein Probebetrieb auf der Bahnstrecke Gotteszell – Viechtach gesichert, nachdem dies vom StMWIVT mit Pressemitteilung vom 19.07.2013 in Aussicht gestellt wurde? 6. Welche Fragen sind aus Sicht der Staatsregierung noch zu klären, dass der Freistaat eine Bestellgarantie für die Staudenbahn abgeben kann? 7. Wie ist der Sachstand bei der Überarbeitung des Gutachtens für die Fuchstalbahn? 8. Hinsichtlich welcher weiterer Strecken wird eine Zugbestellung durch den Freistaat geprüft? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 06.12.2013 1. Wie hat der Freistaat ermittelt, dass erst ab einer zu erwartenden Nachfrage von mehr als 1.000 Reisenden pro Werktag (1.000 Reisenden-km pro km betriebene Strecke) eine Bestellung von Verkehrsleistungen seitens des Freistaats geprüft wird? Der Freistaat hat den Benchmark des Bundes übernommen. Der Bund hat in der aktuellen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn AG vom 18.11.2008 in Anlage 8.7 unter Ziffer 6 Folgendes festgeschrieben: „Verbesserungs- und Ausbaumaßnahmen für den Schienenpersonennahverkehr , deren Umsetzung volkswirtschaftlich nicht zu vertreten ist, sind zu unterlassen. Eine Förderung aus Infrastrukturbeiträgen des Bundes {…} ist ausgeschlossen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nachfolgende Grenzwerte nicht erreicht werden: Strecken (einschließlich zugehöriger Bahnhöfe und Stationen): Querschnittsbelastung mindestens 1.000 Reisenden-km je km Betriebslänge / Werktag.“ 2. Aus welchen Gründen beteiligt sich der Freistaat nicht an den Kosten der Ertüchtigung der Infrastruktur von zu reaktivierenden Eisenbahnstrecken, wie dies Praxis in anderen Bundesländern ist und der Freistaat an die 400 Mio. Euro Regionalisierungsmittel angespart hat? Der Freistaat Bayern hat keine Aufgabenverantwortung für die Eisenbahninfrastruktur außerhalb der S-Bahnen, wohl aber für die Bestellung von Schienenpersonennahverkehr. Entsprechend prüft der Freistaat Bayern eine Bestellung von Zügen des Schienenpersonennahverkehrs auf Reaktivierungsstrecken , wenn eine ausreichende Nachfrage nach- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 17.01.2014 17/284 Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/284 gewiesen wird. In anderen Bundesländern, z. B. in BadenWürttemberg , fördert das Land zwar die Ertüchtigung von Infrastruktur, im Gegenzug finanzieren die Landkreise und kreisfreien Städte aber die Zugbestellung mit und übernehmen diese auf Reaktivierungsstrecken in vielen Fällen sogar vollständig. In der Regel ist diese Belastung in Summe sogar höher als die Investitionen in die Infrastruktur. Soweit der Freistaat Bayern vom Bund ausgereichte Regionalisierungsmittel nicht unmittelbar verausgabt, sind die verbleibenden Mittel bereits für konkrete Projekte gebunden. 3. Warum wurde bei der Machbarkeitsstudie/Potenzialanalyse für die Hesselbergbahn keine Streckenhöchstgeschwindigkeit von 100 km/h untersucht, was der früheren zulässigen Geschwindigkeit entspricht und kürzere Fahr- bzw. Reisezeiten und damit höheres Reisendenpotenzial erwarten ließe? Zunächst ist festzustellen, dass die Strecken der sogenannten Hesselbergbahn vor der Einstellung des Personenverkehrs nicht mit 100 km/h befahrbar waren. Die 2012 fertiggestellte Machbarkeitsstudie wurde von einem projektbezogenen Arbeitskreis begleitet, in welchem neben dem Bayerischen Verkehrsministerium und der Bayerischen Eisenbahngesellschaft auch Vertreter der Region sowie die Eisenbahninfrastrukturunternehmen vertreten waren. Im Zuge der Arbeitskreissitzungen wurde deutlich, dass eine Geschwindigkeit von 100 km/h zu Sprungkosten bei der Infrastrukturertüchtigung führen, aber die Reisezeiten nicht nennenswert verkürzen würde. Dies liegt daran, dass die bestehenden Begegnungsbahnhöfe auf die bisherigen Höchstgeschwindigkeiten ausgelegt sind. Bei höheren Geschwindigkeiten müsste die gewonnene Zeit entweder im nächsten Begegnungsbahnhof abgestanden oder mit hohem finanziellen Aufwand ein neuer Begegnungsbahnhof an einer Stelle gebaut werden, wo die notwendigen Flächen und Verknüpfungsanlagen fehlen. Nach Abwägung aller Argumente beschloss der projektbegleitende Arbeitskreis, je nach Abschnitt eine Höchstgeschwindigkeit von 60 bzw. 80 km/h sowie die Beseitigung bestehender Geschwindigkeitseinbrüche zugrunde zu legen . 4. Inwieweit wäre der Freistaat bereit, eine Machbarkeitsstudie /Potenzialanalyse für die Hesselbergbahn zu bezuschussen, der eine Streckenhöchstgeschwindigkeit von 100 km/h zugrunde liegt? Aus den in der Antwort zu Frage 3 genannten Gründen wäre der Freistaat nicht bereit, sich an einer solchen Untersuchung zu beteiligen. 5. Inwieweit ist zumindest ein Probebetrieb auf der Bahnstrecke Gotteszell – Viechtach gesichert, nach- dem dies vom StMWIVT mit Pressemitteilung vom 19.07.2013 in Aussicht gestellt wurde? Die Bayerische Staatsregierung befürwortet im Interesse der Stärkung des öffentlichen Verkehrs im ländlichen Raum einen Probebetrieb auf der Strecke Gotteszell – Viechtach. Allerdings setzt dieser zwingend die Einrichtung eines Sonderbudgets aus Landesmitteln für Probebetriebe im Schienenpersonenverkehr voraus, für das sich die Bayerische Staatsregierung einsetzt. Das Probebetriebsbudget könnte bereits im Rahmen des Nachtragshaushalts vom Landtag beschlossen werden. 6. Welche Fragen sind aus Sicht der Staatsregierung noch zu klären, dass der Freistaat eine Bestellgarantie für die Staudenbahn abgeben kann? Nach den von der Bayerischen Staatsregierung einheitlich gehandhabten Kriterien wird eine Bestellung von Zügen des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) u. a. nur dann zugesagt , wenn die Ertüchtigung und der Betrieb der Schieneninfrastruktur durch Dritte bei marktüblichen Nutzungsentgelten gesichert sind. Derzeit liegt für die Infrastruktur, insbesondere die Finanzierung der Ertüchtigungsmaßnahmen , noch kein endgültiges Konzept des Infrastrukturbetreibers vor. Die baldige Klärung der offenen Fragen wurde von der Region zugesagt. Sobald ein belastbares Konzept vorliegt , wird der Freistaat eine Bestellung im SPNV abschließend prüfen und – ein positives Ergebnis vorausgesetzt – eine Bestellgarantie abgeben. 7. Wie ist der Sachstand bei der Überarbeitung des Gutachtens für die Fuchstalbahn? Die Anfertigung einer aktualisierten Machbarkeitsstudie für eine mögliche Reaktivierung der Fuchstalbahn wurde durch die Region zugesagt. Die Federführung liegt bei den Landkreisen Landsberg am Lech und Weilheim-Schongau. Nach den mir vorliegenden Informationen wurde bislang kein Auftrag für ein Gutachten vergeben. 8. Hinsichtlich welcher weiterer Strecken wird eine Zugbestellung durch den Freistaat geprüft? Weitere Prüfungen für eine Zugbestellung auf Reaktivierungsstrecken laufen derzeit nicht. Bezüglich der Strecke Senden – Weißenhorn hat der Freistaat ab dem 15.12.2013 ein stündliches Zugangebot bei der DB ZugBus Regionalverkehr Alb – Bodensee (RAB) bestellt. Für die Strecke Selb-Plößberg – Aš (CZ) hat der Freistaat eine Zugbestellung nach Ertüchtigung der Infrastruktur zugesagt . Eine konkrete Prüfung möglicher Probebetriebe erfolgt erst, wenn das Probebetriebsbudget eingerichtet wird, da es nur dann zu deren Einrichtung kommen kann.