Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 05.06.2014 Schwangerschaftsabbrüche in Bayern Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik werden in Bayern jährlich rund 12.000 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2008–2013 ein Abbruch nach der 12. Schwangerschaftswoche vorgenommen ? 2. Wie hoch ist der Anteil der unter 18-Jährigen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchgeführt haben, aufgelistet nach Alter und Jahr seit 2008? 3. Wie hat sich die Zahl von Schwangerschaften bei Jugendlichen in Bayern in den Jahren 2008–2013 entwickelt? 4. In wie vielen Fällen hat der Freistaat die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz übernommen, aufgelistet nach Jahr seit 2008? 5. In welcher Art und in welchem Umfang wird im Sexualkundeunterricht in Bay ern, aufgeteilt nach Schularten, über Verhütung gesprochen? 6. Wie häufig wird in Bayern die sog. „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel verschrieben? Antwort der Staatsministerin für Gesundheit und Pflege vom 28.07.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und dem Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst wie folgt beantwortet: 1. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2008–2013 ein Abbruch nach der 12. Schwangerschaftswoche vorgenommen? Die Bundesstatistik der Schwangerschaftsabbrüche weist bis 2009 Schwangerschaftsabbrüche ab der 12. Schwangerschaftswoche , nach einer Änderung des Erfassungsformulars 2010 ab der 13. Schwangerschaftswoche aus. Die etwas geringeren Fallzahlen 2008 und 2009 sind auf diese Differenz zurückzuführen. Der Anteil der Abbrüche nach der 13. Schwangerschaftswoche lag in Bayern 2013 bei 4,2 %. Schwangerschaftsabbrüche in Bayern nach Dauer der abgebrochenen Schwangerschaft 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Insgesamt 12.736 12.054 11.696 12.325 12.040 11.886 12 SW und mehr 431 431 13 SW und mehr 476 565 509 498 Anteil 3,4 % 3,6 % 4,1 % 4,6 % 4,2 % 4,2 % Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen LGL 2. Wie hoch ist der Anteil der unter 18-Jährigen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchgeführt haben, aufgelistet nach Alter und Jahr seit 2008? Der Anteil der unter 18-Jährigen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchgeführt haben, liegt in Bayern bei ca. 4 %. In den letzten 20 Jahren gab es nur vergleichsweise geringe Schwankungen, am höchsten waren die Anteile 2004 und 2005 mit 5,7 %. Die absoluten Fallzahlen von Schwangerschaftsabbrüchen bei unter 18-Jährigen waren seit den 1990erJahren gestiegen, im Jahr 2004 lag die Zahl mit 918 Fällen am höchsten, seitdem sind die Fallzahlen wieder rückläufig. 2013 gab es gegenüber 2012 eine Zunahme um 50 Fälle, ob damit der Rückgang der Fallzahlen beendet ist oder nur eine Zufallsschwankung vorliegt, bleibt abzuwarten. Schwangerschaftsabbrüche in Bayern nach Alter der Schwangeren 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Insgesamt 12.736 12.054 11.696 12.325 12.040 11.886 10 bis unter 15 Jahre 54 35 38 48 37 34 15 bis unter 18 Jahre 546 505 438 416 395 448 unter 18 Jahren 600 540 476 464 432 482 Anteil der unter 18-Jährigen 4,7 % 4,5 % 4,1 % 3,8 % 3,6 % 4,1 % Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen LGL Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.09.2014 17/2841 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2841 3. Wie hat sich die Zahl von Schwangerschaften bei Jugendlichen in Bayern in den Jahren 2008–2013 entwickelt ? Es gibt keine Statistik über Schwangerschaften. Dies gilt auch für Schwangerschaften bei Jugendlichen. Für ihre Zahl lässt sich nur eine Untergrenze aus der Summe der Schwangerschaftsabbrüche und der Geburten bestimmen. Dabei können bei den Geburten nur die Lebendgeborenen einbezogen werden, die Totgeburten werden aus Geheimhaltungsgründen nicht nach Ländern und dem Alter der Mutter differenziert ausgewiesen. Auf der Basis der deutschlandweiten Zahlen sind für Bayern jährlich lediglich 3–6 Fälle von Totgeburten bei Müttern unter 18 Jahren zu erwarten. Fasst man die Schwangerschaftsabbrüche und die Lebendgeborenen zusammen, so ergibt sich eine Untergrenze für die Zahl der Schwangerschaften bei den unter 18-Jährigen. Verfügbar sind die Daten bis 2012, die Daten der Lebendgeborenen für 2013 liegen noch nicht vor. Demnach gab es 2012 mindestens 882 Schwangerschaften bei Mädchen unter 18 Jahren in Bayern. Die Zahl ist rückläufig und liegt ca. 40 % niedriger als im Jahr 2000. Schwangerschaften bei Jugendlichen, Schätzung der Untergrenze, Bayern 2008 2009 2010 2011 2012 Lebendgeborene, Mutter unter 18 Jahre 615 514 485 415 450 Abbrüche, Schwangere unter 18 Jahre 600 540 476 464 432 Untergrenze der Schwangerschaften bei Jugendlichen 1.215 1.054 961 879 882 Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Datenzusammenführung LGL Hinzuzuzählen wären die Spontanaborte. Ihre Zahl ist nicht bekannt. In der Literatur wird berichtet, dass ca. 15 % der Teenagerschwangerschaften durch Spontanabort enden (Henshaw SK 2004, US teenage pregnancy statistics, with comparative statistics for women aged 20–24. New York). Inwieweit diese Schätzungen auf Bayern zu übertragen sind, ist unklar. 4. In wie vielen Fällen hat der Freistaat die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz übernommen, aufgelistet nach Jahr seit 2008? Bei Schwangerschaftsabbrüchen mit medizinischer oder kriminologischer Indikationsstellung nach § 218 a Abs. 2, 3 StGB werden für Frauen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, die Kosten von der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten getragen. Hingegen sind bei einem Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungsregelung (§ 218 a Abs. 1 StGB) der Eingriff selbst und die Nachbehandlung bei komplikationsfreiem Verlauf keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung . Die Kosten für eine solche Maßnahme sind grundsätzlich von den Frauen selbst zu tragen. Frauen in schwieriger wirtschaftlicher Lage haben in diesen Fällen Anspruch auf eine Kostenübernahme nach den §§ 19 ff. Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG). Der Anteil der Frauen, die eine entsprechende Kostenübernahmebescheinigung erhalten , liegt in Bayern durchschnittlich bei 70 bis 80 %. Kostenträger dieser Erstattungsleistungen sind die Länder. Zuständige Vollzugsbehörde ist für den Freistaat Bayern das Zentrum Bayern Familie und Soziales. Übersicht über die in Bayern abgerechneten Fälle seit 2008 2008 2009 2010 2011 2012 2013* 10.241 9.438 9.853 9.685 9.006 Fallzahlen liegen noch nicht abschließend vor Quelle: Zentrum Bayern Familie und Soziales *Gemäß § 3 Abs. 3 der Verwaltungsvereinbarung vom 01.01.2012 über die Kostenerstattung nach dem SchKG zwischen dem Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und den gesetzlichen Krankenkassen sowie den Ersatzkassen auf Landesebene, wird die Abrechnung der Kosten nach § 22 SchKG für das jeweilige laufende Kalenderjahr erst im darauffolgenden Kalenderjahr vorgenommen . 5. In welcher Art und in welchem Umfang wird im Sexu- alkundeunterricht in Bayern, aufgeteilt nach Schularten , über Verhütung gesprochen? Art, Umfang, Themen, Regelungen etc. der schulischen Sexualerziehung sind festgelegt in den „Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung an den bayerischen Schulen “ (Bekanntmachung vom 12.08.2002 Nr. VI.8-S 4402/41 – 6/71325). Diese Richtlinien fließen einerseits in die Lehrpläne ein und geben andererseits den Lehrkräften wichtige Orientierung und Hinweise für den Unterricht. Danach wird Familien- und Sexualerziehung altersgemäß, im Rahmen mehrerer Fächer als Teil einer werteorientierten Gesamterziehung durchgeführt. Familien- und Sexualerziehung hat neben der Vermittlung fachlicher Inhalte die Aufgabe , die Bedeutung eines verantwortlichen geschlechtlichen Verhaltens für die Dauerhaftigkeit menschlicher Beziehungen und für die Entfaltung der Persönlichkeit herauszustellen . Der Klärung humanbiologischer Sachverhalte dient in erster Linie der Biologieunterricht, der Wertevermittlung die Religionslehre oder Ethik. Die übrigen einschlägigen Fächer, wie z. B. Deutsch, Sozialkunde, Sozialarbeit oder Erziehungskunde, leisten einen ergänzenden Beitrag zu diesem Erziehungsauftrag. Auch außerschulische Experten (z. B. Ärztinnen und Ärzte) können in die schulische Sexualerziehung einbezogen werden. Je nach Thema wird auch Unterricht in geschlechtsgetrennten Gruppen empfohlen. Das Thema Verhütung ist gemäß den einschlägigen Lehrplänen in allen weiterführenden Schularten für die Jahrgangsstufen 7 oder 8 vorgesehen. Der zeitliche Umfang für einzelne Themen ist nicht festgelegt, da er u. a. von der jeweiligen Situation in der Klasse abhängt. Die Richtlinien empfehlen für die Behandlung der vorgesehenen Themen in einer Jahrgangsstufe allerdings insgesamt 3 bis höchstens 10 Unterrichtsstunden. 6. Wie häufig wird in Bayern die sog. „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel verschrieben? Der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) liegen hierzu nachfolgende Informationen zur Anzahl der Verordnungen im ambulanten vertragsärztlichen Bereich vor. Diese Daten erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit , da Daten über die Abgabe dieser Notfallkontrazeptiva in Notfallambulanzen und Kliniken hierbei ggf. nicht erfasst sind. Privatverordnungen können nicht abgebildet werden. Drucksache 17/2841 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Anzahl der Verordnungen 2007 2008 2009* 2010* 2011* 2012* 2013* 8.698 10.139 11.224 12.106 12.861 14.119 14.868 Quelle: Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns *) seit 2009 ist zusätzlich zum Standardwirkstoff Levonorgestrel auch Ulipristal verfügbar, welcher bis zu 120 h nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr bzw. Versagen der Kontrazeption eingesetzt werden kann. (Levonorgestrel bis zu 72 h)