Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 28.05.2014 Verbraucherberatung in Bayern Die zunehmende Marktmacht von Unternehmen und die Komplexität vieler Produkte machen die Verbraucherberatung immer wichtiger. Häufig ist der einzelne Verbraucher nicht mehr in der Lage, Probleme mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu erkennen und ohne Hilfe zu seinem Recht zu kommen. Gerade die individuelle Verbraucherberatung und die öffentliche Information durch Verbraucherorganisationen sind von großer Bedeutung. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Wie viele Beraterstellen für die Verbraucherberatung standen in den letzten 10 Jahren, ausgewiesen nach einzelnen Jahren, dem Verbraucherservice Bayern und der Verbraucherzentrale Bayern jeweils zur Verfügung a) Aufgeteilt nach Beratungsbereichen. b) Wie viele Stellen sind Vollzeit, Teilzeit, nicht besetzt? c) Wie verteilen sich die o. g. Stellen auf die Landkreise und kreisfreien Städte (bitte getrennt ausweisen)? 2. Wie viele Beratungsgespräche wurden in den letzten 10 Jahren – aufgegliedert nach einzelnen Jahren – in den Landkreisen und kreisfreien Städten durchgeführt ? a) Insgesamt. b) Untergliedert nach Themenbereich. c) Im Durchschnitt pro Berater. 3. Wie viele öffentliche Haushaltsmittel standen, gemes- sen in pro Kopf der Bevölkerung, a) insgesamt im Freistaat, b) für den Verbraucherservice Bayern, c) für die Verbraucherzentrale Bayern in den letzten 10 Jahren zur Verfügung, ausgewiesen nach einzelnen Jahren? 4. Wie hoch ist bei der Verbraucherzentrale Bayern und dem Verbraucherservice Bayern der Anteil von a) zeitlich befristeten, b) projektfinanzierten und c) ehrenamtlichen Beraterstellen gegenüber unbefristeten hauptamtlichen Stellen in den letzten 10 Jahren, ausgewiesen nach einzelnen Jahren? 5. Ist die Staatsregierung der Auffassung, dass a) die bisher verwendeten Mittel für den Verbraucherser- vice Bayern und die Verbraucherzentrale Bayern für deren Ausgaben ausreichen? b) Wie begründet sie das? c) Welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus für die Zukunft? 6. a) Geht die Staatsregierung davon aus, dass der Bedarf an Beratungsleistung in Zukunft steigen oder fallen wird? b) In welchen Sach- und Themengebieten erwartet die Staatsregierung welche quantitativen Veränderungen des Beratungsbedarfs? c) Wie wird der Bedarf an Beratungsleistung von der Staatsregierung ermittelt? 7. a) Wie bewertet die Staatsregierung die Verbraucherbil- dung von Kindern und Jugendlichen in Schulen? b) Wie hat die Staatsregierung diese in den letzten 10 Jahren gefördert? c) Wie beabsichtigt die Staatsregierung diese in Zukunft zu fördern? 8. a) Wie beurteilt die Staatsregierung das rechtliche Instru- ment Musterklage, das die Verbraucherorganisationen nutzen? b) Wie sieht sie dessen Bedeutung in der Zukunft? c) Wie will sie dieses Instrument im Interesse der Ver- braucher in Zukunft ausgestalten? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 29.07.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten , dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und dem Staatsministerium der Justiz sowie unter Mithilfe der beiden Verbraucherverbände, Verbraucherservice Bayern und Verbraucherzentrale Bayern, wie folgt beantwortet: 1. Wie viele Beraterstellen für die Verbraucherbera- tung standen in den letzten 10 Jahren, ausgewiesen nach einzelnen Jahren, dem Verbraucherservice Bayern und der Verbraucherzentrale Bayern jeweils zur Verfügung? Verbraucherzentrale Bayern e.V. (VZ) Die Angaben erfolgen nach Vollzeitäquivalenten (Sollzahlen ). Die Angaben erfolgen ohne Honorarexperten, die zur Verstärkung eingesetzt werden; sie werden aus Eigeneinnahmen finanziert. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.09.2014 17/2842 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2842 Tabelle 1 (VZ) Stellen 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013/ 2014 Institutionelle(1) Vollzeit Teilzeit 20,5 16 9 20,5 17 8 20,5 17 8 20,0 17 7 20,0 15 9 20,5 16 10 20,5 16 9 20,5 16 9 22,0 16 9 Projektstellen Vollzeit Teilzeit 9,5 8 1 10,5 9 1 11,5 9 2 12 11 3 16 15 3 17 14 3 16,15 13 5 16,15 13 5 16,15 13 5 Verbraucherservice Bayern im KDFB e.V. (VSB) Der VSB hatte im angefragten Zeitraum folgende personelle Ressourcen für die Beratung, Aufklärung und Information von Verbrauchern (Angabe in Vollzeitäquivalenten): Tabelle 1 (VSB) 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Institutionelle Stellen 9,89 9,89 9,91 10,08 11,39 10,34 11,52 11,52 13,31 13,31 davon VZ- bzw. TZ-Stellen 5 18 5 17 5 21 5 18 6 19 5 20 6 18 6 18 6 21 6 21 Projektstellen 5,74 5,74 5,75 5,82 6,98 7,47 8,41 9,41 11,15 11,15 Projektstellen VZ bzw. TZ – 4 – 4 – 4 – 4 1 5 1 6 1 8 – 12 1 13 1 13 Gesamt-VZ-Äquivalente 15,63 15,63 15,66 15,90 18,37 17,81 19,93 20,93 24,46 24,46 VZ-Stellen TZ-Stellen Minijobber 5 22 1 5 21 1 5 25 1 5 22 2 7 24 2 6 26 2 7 26 2 6 30 3 7 34 3 7 34 4 Zur Unterstützung der Beratungskräfte werden beim VSB zusätzlich qualifizierte Beratungskräfte auf Honorarbasis auf Minijob-Basis angestellt. Hierfür wird regelmäßig im Haushaltsplan ein Budget festgelegt. Die Zahl der in der Beratung eingesetzten Minijob-Beschäftigten ist in der letzten Zeile von Tabelle 1 aufgeführt. a) Aufgeteilt nach Beratungsbereichen. Verbraucherzentrale Bayern e.V. (VZ) Tabelle 2 Projekte (VZ) 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013/ 2014 Altersvorsorge 3,5 3,5 4,5 4,5 4,5 4,5 4,5 4,5 4,5 Krankenversicherung 1 1 1 2 2 2 2 2 2 Grauer Kapitalmarkt – 1 1 1 1 1 0,65 0,65 0,65 Geldanlageberatung 3 3 3 3 3 Ernährung 4 4 4 4 4 4,5 4,5 4,5 4,5 Umwelt 1 1 1 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5 Verbraucherservice Bayern im KDFB e.V. (VSB) Tabelle 2 Projekte (VSB) 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013/ 2014 Ernährung 4,24 4,24 4,25 4,32 5,11 5,60 5,67 6,67 7,91 Nachhaltiger LM-Einkauf mit Kindern – – – – – – 0,87 0,87 – Finanzen/Geldanlage – – – – 0,37 0,37 0,37 0,37 1,00 Umwelt 1,50 1,50 1,50 1,50 1,50 1,50 1,50 1,50 2,24 Die im Bereich der Institutionellen Förderung beschäftigten Beratungskräfte bearbeiten Anfragen aus den verschiedenen Themenkreisen des wirtschaftlich-rechtlichen Verbraucherschutzes . Drucksache 17/2842 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 b) Wie viele Stellen sind Vollzeit, Teilzeit, nicht besetzt ? Die Angaben zur Zahl der Vollzeit- und Teilzeitstellen sind in Tabelle 1 (getrennt nach Verbänden) dargestellt. Die Besetzung von Stellen ist an haushaltsrechtliche Vorgaben gebunden. Die bewilligten Stellen sind alle besetzt, ausgenommen Zeiten der Wiederbesetzungssperre. Bei Personalwechsel werden regelmäßig Anträge zur Verkürzung oder Aufhebung der Wiederbesetzungssperre gestellt, die bei entsprechender Begründung auch genehmigt werden können. c) Wie verteilen sich die o. g. Stellen auf die Landkreise und kreisfreien Städte (bitte getrennt ausweisen )? Übersicht über die Beratungsstandorte der VZ ■ Beratungsstelle, ■ Nur Energieberatung Übersicht über die Beratungsstandorte der VSB Übersicht über die Beratungsstandorte des VSB Die Aktivitäten der an einem Beratungsstandort beschäftigten Beratungskräfte beschränken sich nicht allein auf den Standort. Sie werden auch für überregionale Aufgaben eingesetzt . Daher ist die Verteilung der Stellen allein nicht aussagekräftig . Telefonische Anfragen und Online-Anfragen, Messeeinsätze und Bildungsveranstaltungen in der Fläche sowie regelmäßige (Urlaubs-)Vertretungen sind nur einige Beispiele für solche Aktivitäten. Die Verbraucherverbände weisen darauf hin, dass die Präsenz und Erreichbarkeit vor Ort unabdingbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verbraucherarbeit sind. Nach wie vor überwiegt die Zahl der Beratungsanfragen, die im persönlichen Beratungsgespräch anhand von fallbezogenen Unterlagen beantwortet werden müssen. a) Insgesamt. Verbraucherzentrale Bayern e.V. (VZ) Tabelle 3 (VZ) 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Beratungen 64.024 61.622 60.200 65.000 66.000 65.000 55.000 42.800 33.000 Auskünfte 61.635 63.777 64.000 64.840 66.415 71.561 69.000 73.000 71.235 Verbraucherservice Bayern im KDFB e.V. (VSB) Tabelle 3 (VSB) 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Themenbez. Beratungen 59.544 45.732 37.640 32.866 30.919 30.368 26.803 21.745 16.240 Allgemeine Erstkontakte 9.693 7.445 8.830 14.258 18.931 24.921 27.490 22.326 24.308 2. Wie viele Beratungsgespräche wurden in den letzten 10 Jahren – aufgegliedert nach einzelnen Jahren – in den Landkreisen und kreisfreien Städten durchgeführt? Die Verbraucherverbände in Bayern beraten Ratsuchende persönlich in den Beratungsstellen, telefonisch über ein landesweites Beratungstelefon sowie per Anschreiben (Brief, E-Mail) und per Online-Beratung. Personenbezogene Daten wie die Herkunft der Ratsuchenden werden nicht dokumentiert, sodass keine belastbaren Aussagen zur regionalen Verteilung der Gespräche und Beratungen über alle Themen und Beratungsdienste hinweg möglich sind. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2842 Die Beratungsarbeit des VSB und der VZ hat sich in den letzten 10 Jahren deutlich gewandelt. Diese Statistik bildet die Realität insofern ab, als dass einzelne Beratungsfälle (sog. themenbezogene Beratungen) immer mehr Zeit binden und gleichzeitig die allgemeine Verunsicherung der Verbraucher zu immer mehr allgemeinen – überwiegend verbraucherrechtlichen – Anfragen führt. b) Untergliedert nach Themenbereich. Verbraucherzentrale Bayern e.V. (VZ) Ausführliche Angaben enthalten die Jahresberichte der Jahre 2005 bis 2013 auf der Homepage der VZ Bayern. Ab 2012 macht sich die Reduzierung einiger Massenprobleme bemerkbar, u. a. die Internetabofallen sowie die unerlaubte telefonische Werbung. Die Beratungszahlen sind im Finanzdienstleistungsbereich durch die Anzahl der Berater begrenzt. Verbraucherservice Bayern im KDFB e.V. (VSB) Tabelle 4 (VSB) 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Ernährung 10.385 7.445 6.040 4.184 2.541 2.821 2.010 1.500 1.218 Finanzen/ Geldanlage – – – – 768 944 2.144 2.588 1.916 Umwelt 4.847 4.254 3.718 2.273 2.329 2.059 1.796 1.479 2.436 Verbraucherrecht 44.312 34.033 27.882 26.409 25.281 24.544 20.853 16.178 10.670 Gesamt 59.544 45.732 37.640 32.866 30.919 30.368 26.803 21.745 16.240 c) Im Durchschnitt pro Berater. Dieser Wert ist nicht ermittelbar, da in der Beratungsstatistik des VSB und der VZ zwar die Beratungsanfragen erfasst werden, aber nicht mit dem Vermerk, ob diese durch eine Honorarkraft oder durch eine fest angestellte Beratungskraft bearbeitet wurden. Außerdem sind die Beratungskräfte nicht ausschließlich in der Beratung tätig, sondern haben vielfältige Aufgaben. Ein hoher Anteil der zeitlichen Kapazität der Beratungskräfte wird auch in die Bildungsarbeit investiert. Die Beratungskräfte sind zudem zum Teil als Referenten eingesetzt. Dass sich die Beratungsdauer je Fall über die Jahre stetig erhöht, weil die einzelnen Anfragen/Fälle immer komplizierter werden, spiegelt sich im Vergleich der Tabellen 1 und 3 wider. 3. Wie viele öffentliche Haushaltsmittel standen, gemessen in pro Kopf der Bevölkerung, a) insgesamt im Freistaat, b) für den Verbraucherservice Bayern, c) für die Verbraucherzentrale Bayern in den letzten 10 Jahren zur Verfügung, ausgewie- sen nach einzelnen Jahren? Die beiden Verbraucherverbände erhalten eine institutionelle Förderung, daneben werden seit vielen Jahren Projekte zu folgenden Themen gefördert: • Ernährung • Umwelt – Nachhaltiger Konsum • Private Altersvorsorge und Krankenversicherung • Wirtschaftlich-rechtlicher Verbraucherschutz • Geldanlageprodukte Die Ausgaben stellen sich in den vergangenen 10 Jahren wie folgt dar: Verausgabte Haushaltsmittel VSB Institutionelle Förderung VSB Projekte VZ Institutionelle Förderung VZ Projekte Pro Kopf der Bevölkerung in Bayern 2005 2.995.960 € 360.235 € 205.000 € 1.719.900 € 710.825 € 0,24 € 2006 3.091.435 € 369.460 € 207.715 € 1.763.000 € 751.260 € 0,25 € 2007 3.157.101 € 381.116 € 204.565 € 1.767.000 € 804.420 € 0,25 € 2008 3.226.005 € 384.000 € 217.200 € 1.790.700 € 834.105 € 0,26 € 2009 3.890.066 € 513.975 € 374.357 € 1.973.400 € 1.028.334 € 0,31 € 2010 4.102.010 € 510.842 € 450.847 € 2.055.020 € 1.085.301 € 0,33 € 2011 4.244.842 € 542.245 € 464.855 € 2.141.175 € 1.096.567 € 0,34 € 2012 4.360.508 € 568.440 € 511.816 € 2.175.279 € 1.104.973 € 0,35 € 2013 4.846.649 € 781.840 € 596.000 € 2.270.069 € 1.198.730 € 0,39 € 2014 5.320.655 € 944.000 € 669.510 € 2.371.151 € 1.335.994 € 0,43 € Drucksache 17/2842 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 4. Wie hoch ist bei der Verbraucherzentrale Bayern und dem Verbraucherservice Bayern der Anteil von a) zeitlich befristeten, b) projektfinanzierten und c) ehrenamtlichen Beraterstellen gegenüber unbe- fristeten hauptamtlichen Stellen in den letzten 10 Jahren, ausgewiesen nach einzelnen Jahren? Projekte sind immer zeitlich befristet. Daher sind alle Personalstellen in den Projekten zeitlich befristet. Darüber hinaus gibt es keine Befristungen. VZ und VSB arbeiten ausschließlich mit hauptamtlichen Beratungskräften und Honorarkräften. Ehrenamtlich tätige Mitglieder unterstützen im VSB die Öffentlichkeitsarbeit und fungieren zudem als Multiplikatoren. 5. Ist die Staatsregierung der Auffassung, dass a) die bisher verwendeten Mittel für den Verbraucher- service Bayern und die Verbraucherzentrale Bayern für deren Ausgaben ausreichen? b) Wie begründet sie das? c) Welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus für die Zukunft? Die in den letzten Jahren vorhandenen Mittel waren jeweils ausreichend, um eine qualitativ hochwertige Beratung in der Fläche Bayerns an 31 Beratungsstellen anbieten zu können. Zudem konnten mit der Förderung Schließungen von Beratungsstellen verhindert werden. Mit den eingesetzten Mitteln waren auch jeweils ein Ausgleich für Tariferhöhungen im TV-L und ein Inflationsausgleich möglich. Ein Ausbau des Beratungsstellennetzes (Bedarf wäre z. B. in der Planungsregion 17) oder die Etablierung weiterer Themenbereiche war nicht möglich. Für neu hinzukommende Problembereiche muss ggf. auch kurzfristig mit neuen Projektförderungen reagiert werden. Dies ist zuletzt geschehen ab dem Jahr 2009 mit dem Start eines Beratungsprojektes zu Geldanlageprodukten als Reaktion auf den hohen Bedarf nach der Finanzkrise sowie mit dem Aufbau eines Prozesskostenbudgets ab 2013. 6. a) Geht die Staatsregierung davon aus, dass der Bedarf an Beratungsleistung in Zukunft steigen oder fallen wird? Die Staatsregierung geht insgesamt davon aus, dass sich die Beratungsanforderungen in allen bisherigen Bereichen qualitativ und quantitativ erhöhen werden. Gleichwohl kann erwartet werden, dass sich die Gewichtung innerhalb des Themenspektrums in Abhängigkeit von besonderen Ereignissen verschieben wird. b) In welchen Sach- und Themengebieten erwartet die Staatsregierung welche quantitativen Veränderungen des Beratungsbedarfs? Nach Rückmeldung der Verbraucherverbände verändern sich die Verbraucheranfragen im Bereich Ernährung hin zu komplexeren Fragestellungen (z. B. Fragen bei Lebensmittelunverträglichkeiten ), die eine intensivere Recherchetätigkeit und damit einen höheren Zeitbedarf für die Erarbeitung der Antwort erfordern. Auch im wirtschaftlich-rechtlichen Bereich werden die Fragestellungen komplexer. Sie sind zudem mit großen wirtschaftlichen Konsequenzen für die Beratungsuchenden verbunden (z. B. Beratungsbereich Altersvorsorge und Krankenversicherung , Beratung zu Geldanlageprodukten und Versicherungen). Immer größeren Raum nimmt auch das Thema Internet und Datenschutz bzw. Datensicherheit ein. Im Projekt Bildung zum nachhaltigen Konsum kristallisiert sich das Thema Energie (Energieeinsparung, Energiewende , Anbieterwechsel) mehr und mehr als Schwerpunkt heraus . c) Wie wird der Bedarf an Beratungsleistung von der Staatsregierung ermittelt? Neben den vielen Gesprächen mit der Spitze der Verbände findet ein regelmäßiger Austausch (Jour fixe) mit den Verbänden statt. Intensiv werden die Beratungssituationen und der Bedarf an Beratungsleistungen (institutionell und in den Projekten) im Vorfeld der jährlichen Antragstellung für das Folgejahr besprochen. Beide Verbraucherverbände führen eine umfangreiche Statistik über die jährlich erbrachten Beratungsleistungen , Internetzugriffe, Presseanfragen etc., die auch bei der Prüfung des Verwendungsnachweises ausgewertet wird. 7. a) Wie bewertet die Staatsregierung die Verbraucherbildung von Kindern und Jugendlichen in Schulen? Die Bayerische Staatsregierung betrachtet die Vorbereitung von Kindern und Jugendlichen auf die Beteiligung am heutigen Marktgeschehen als wichtigen Bestandteil einer ganzheitlichen Bildung und Erziehung. Es wurden deshalb in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um eine nachhaltige Bildung der heranwachsenden Generationen über alle Jahrgangsstufen und Schularten hinweg zu gewährleisten. Die Kinder und Jugendlichen sollen dadurch befähigt werden, zu reflektierten und begründeten Entscheidungen als Verbraucher zu gelangen, verantwortungsvoll mit Finanzen umzugehen und sich als mündige Personen in das Wirtschaftsleben werteorientiert einzubringen. b) Wie hat die Staatsregierung diese in den letzten 10 Jahren gefördert? • In Bayern existieren – anders als in den meisten anderen Ländern der Bundesrepublik – seit Jahren sogenannte Leitfächer, in denen wirtschaftliche Zusammenhänge und Mechanismen in besonderer Art und Weise im Fokus stehen. Dabei handelt es sich um die Fächer „Arbeit – Wirtschaft – Technik“ an Mittelschulen bzw. „Wirtschaft und Recht“ an bayerischen Realschulen und Gymnasien. Für den Unterricht in diesen Fächern stehen fundiert ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung, die im Rahmen ihres Studiums und des zweijährigen Vorbereitungsdienstes vertieftes Wissen erworben haben. • Um die Verbraucherbildung der heranwachsenden Generationen zusätzlich zu intensivieren, veröffentlichte das damalige Staatsministerium für Unterricht und Kultus gemeinsam mit dem damaligen Bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Februar 2010 Richtlinien für die ökonomische Verbraucherbildung . Die Richtlinien gelten verbindlich für alle Schularten und unterstreichen den mehrperspektivischen und werteorientierten Bildungsansatz, die Einbindung externer Partner und Lernorte, die gesamte Schulfamilie als Adressaten und den fächerübergreifenden Ansatz. Als zentrale Lernfelder im Zusammenhang mit Verbraucherbildung werden die drei Bereiche Finanz-, Markt-, Daten- und Informationskompetenzen ausgewiesen. Als bayernspezifische Informations- und Materialplattform zur Verbraucherbildung wurde die Website https://www. verbraucherbildung.bayern.de eingerichtet, die vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz betrieben wird. Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2842 • Von 2010 bis 2012 fand ein zweijähriger Schulversuch unter Beteiligung von Grund-, Mittel-, Real- und Wirtschaftsschulen sowie Gymnasien aus allen Regierungsbezirken Bayerns in Kooperation mit dem Verbraucherschutzministerium statt. Im Rahmen dieser Maßnahme wurden von Lehrkräften der beteiligten Schulen Materialien für verschiedene Fächer, aber auch fächerübergreifende Projekte für unterschiedliche Altersstufen erarbeitet . Einige dieser Materialien sind bereits sowohl über die Homepage des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) (vgl. http://www.isb.bayern. de/schulartuebergreifendes/schule-und-gesellschaft/ver braucherbildung) als auch über die Plattform Verbraucherbildung Bayern (vgl. http://www.verbraucherbildung. bayern.de/schule/materialien-unterrichtshilfen) einsehbar und verfügbar. Für weitere Unterrichtsmaterialien läuft derzeit die Rechteeinholung, um anschließend eine Publikation zu ermöglichen. • Interessierten Lehrkräften im Freistaat stehen zu Aspekten der Verbraucherbildung seit Jahren vielfältige Angebote der staatlichen Lehrerfortbildung offen, die sowohl an der zentralen Lehrerfortbildungsstätte, der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen (ALP), als auch auf regionaler Ebene durchgeführt werden. Es sind dabei sowohl Präsenzlehrgänge als auch OnlineFortbildungen zur Vertiefung der Kenntnisse und Fähigkeiten verfügbar. Hinzu kommen Veranstaltungen, die durch externe Anbieter, etwa Verbraucherverbände, gemeinnützige Organisationen oder Verbände, durchgeführt werden. Die thematische Bandbreite der Fortbildungsveranstaltungen reicht von Schuldenpräventionsprogrammen über Ernährungsbildung und Schülerfirmen bis hin zum Nutzerverhalten im Umgang mit Handys und deckt vielfältige Aspekte zur zeitgemäßen Behandlung von aktuellen verbraucherrelevanten Themen im Unterricht ab. • Auf bayerische Initiative hin wurden im Schulausschuss der Ständigen Kultusministerkonferenz im Jahr 2013 unter bayerischer Federführung Empfehlungen für die Verbraucherbildung an Schulen erarbeitet. Der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.09.2013 zur „Verbraucherbildung an Schulen“ betont die Bedeutung entsprechender Lerninhalte für die schulische Bildung und benennt Themen und Handlungsfelder, die den vier Bereichen „Finanzen, Marktgeschehen und Verbraucherrecht“, „Ernährung und Gesundheit“, „Medien und Information“ sowie „Nachhaltiger Konsum“ zugerechnet werden. • Mit dem Beschluss des Bayerischen Landtags vom 20. Juni 2013 zu ,Alltagskompetenz und Lebensökonomie ‘ als verpflichtender Unterrichtsgegenstand“ (LT-Drucksache 16/17387) erfuhr die Verbraucherbildung eine weitere Stärkung durch die Einbettung in einen größeren Kontext von alltagsrelevanten Fragestellungen und die verbindliche Verankerung in den Lehrplänen der bayerischen Schularten ohne Ausweisung eines zusätzlichen Unterrichtsfachs. Neben den oben skizzierten Maßnahmen fördert/e das Verbraucherschutzministerium zahlreiche Schulprojekte und Handreichungen, ab 2008 insbesondere mit dem Schwerpunkt wirtschaftlicher Verbraucherschutz. Beispiele sind: • Kaufen Tauschen Herstellen. Was ist mir das wert? Mate- rialien für die Grundschule • Webhelm – Selbstverantwortung im Web 2.0: Daten, Rechte, Persönlichkeit, Materialien für Sekundarstufe 1 und 2 • Online-Werbung mit Jugendlichen zum Thema machen – Jugendliche als Verbraucher im Social Web • „Handy trendy und wann klingelt’s bei dir?“– Ökoprojekt Mobilspiel München • „Finanzgenie & Cyber cops“ – Diakonie Passau / Universität Passau • „Fit in die Zukunft“ und „Mit Wissen zum finanziellen Kissen“ für Ganztagsschulen – Bayerischer Landesausschuss für Hauswirtschaft Mit Förderung des Landwirtschaftsministeriums wird ernährungsbezogene Verbraucherbildung von Kindern und Jugendlichen insbesondere durch die nichtstaatliche, ernährungsbezogene Verbraucherarbeit der Verbände über spezielle Angebote für Kitas und Schulen unterstützt (z. B. Die kleine Lok; Detektiv Schmecker; Nachhaltiger Lebensmitteleinkauf ). Mit dem seit dem Jahr 2002 laufenden „Landfrauen machen Schule“ (Projektnehmer: Bildungswerk des Bayerischen Bauernverbandes) erfahren Grundschulkinder im Rahmen von speziellen Lerneinheiten auf dem Bauernhof und in der Schule, wie Grundnahrungsmittel erzeugt und wie sie mit einfachen Rezepten zubereitet werden können. c) Wie beabsichtigt die Staatsregierung diese in Zukunft zu fördern? Der Beschluss des Bayerischen Landtags vom 20. Juni 2013 weist die Richtung für die künftige Verankerung der Verbraucherbildung an bayerischen Schulen. Zentrale Aspekte hierfür sind: – Verankerung von Themen der Alltagskompetenz und Le- bensökonomie in allen Schularten von der ersten bis zur zehnten Jahrgangsstufe – Unterteilung von „Alltagskompetenz und Lebensökonomie “ in die Bereiche Ernährungs- und Gesundheitsbildung , hauswirtschaftliche Grundkenntnisse, Verbraucherbildung , Vorsorge sowie nachhaltige Lebensführung – Verankerung des Unterrichtsgegenstands „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ bei Ganztagsangeboten unter Beteiligung externer Partner und ggfs. an außerschulischen Lernorten – Berücksichtigung bzw. Ausweisung entsprechender Lerninhalte in der neuen Lehrplangeneration LehrplanPLUS, die derzeit für die bayerischen Schularten erarbeitet wird – Angebote der Lehrerfortbildung zu Aspekten der „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ Um diesem Beschluss des Bayerischen Landtags Rechnung zu tragen, wurden folgende Schritte für eine zukunftsträchtige Ausgestaltung einer zeitgemäßen Verbraucherbildung im Zusammenhang mit dem Unterrichtsgegenstand „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ in die Wege geleitet: • Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsfor- schung (ISB) wurde vom Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst im Juli 2013 beauftragt , hierfür u. a. den Unterrichtsgegenstand „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ in den Lehrplänen zu verankern, diesen Unterrichtsgegenstand im „Serviceteil online“ des Lehrplans als eigenständigen Bereich auszuweisen und ein pädagogisches Gesamtkonzept in Form einer Handreichung zu entwickeln. Drucksache 17/2842 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 7 • Im Schuljahr 2013/2014 tagte ein Arbeitskreis am ISB. Dieser Arbeitskreis setzt sich sowohl aus Lehrkräften als auch aus je einer Vertreterin des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, des Staatministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (bzw. der Fortbildungszentren für Landwirtschaft und Hauswirtschaft Triesdorf) und des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, zusammen. Bei der Auswahl der Lehrkräfte wurde auf eine ausgewiesene Expertise in den Bereichen Ernährung, Haushalt, Verbraucherbildung /Finanzkompetenz, Ganztagsschule sowie Kooperationen mit externen Partnern geachtet. • Durch die Arbeit des Arbeitskreises am ISB wurde sichergestellt , dass eine umfassende und vielfältige Verankerung der Verbraucherbildung auch in den neuen Lehrplänen erfolgt. Diese konkrete Verankerung wird derzeit unter großer Sorgfalt erarbeitet. Den Ergebnissen des Arbeitskreises sowie der Lehrplankommissionen kann und soll deshalb an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden. • Der eingerichtete Beirat wird die Umsetzung des Landtagsbeschlusses mittelfristig begleiten. Neben der intensiven Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium , der ALP und dem ISB wird das Verbraucherministerium weiterhin im Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten durch gezielte Projektförderungen, Fortbildungsimpulse für schulische und außerschulische Lehrkräfte sowie den Ausbau des Portals https://www.verbraucherbildung.bayern.de/ unterstützen. Mit dem neuen Programm „Erlebnis Bauernhof“ für Grundschüler setzt das Landwirtschaftsministerium sein Engagement in der Verbraucherbildung fort. Die Verknüpfung der theoretischen Inhalte mit anwendungsbezogenen praktischen Bezügen wird als wesentlich erachtet, um Verbraucherbildung erfolgreich vermitteln zu können. 8. a) Wie beurteilt die Staatsregierung das rechtliche Instrument Musterklage, das die Verbraucherorganisationen nutzen? b) Wie sieht sie dessen Bedeutung in der Zukunft? c) Wie will sie dieses Instrument im Interesse der Verbraucher in Zukunft ausgestalten? Die Staatsregierung unterstützt die vorhandenen rechtlichen Instrumente, mit denen Verbraucherverbände die Einhaltung verbraucherschützender Vorschriften durchsetzen können . Abmahnungen und Unterlassungsklagen haben sich als wirkungsvolle Mittel der Rechtsdurchsetzung erwiesen, die dank der finanziellen Absicherung von Prozesskostenrisiken durch das StMUV nun auch zunehmend von den bayerischen Verbraucherverbänden Verbraucherzentrale Bayern und VerbraucherService Bayern genutzt werden. Zum Ausgleich der Prozesskostenrisiken sind für die Verbände jeweils Mittel in Höhe von 45.000 Euro bereitgestellt. Besondere Bedeutung für die Verbraucher haben Klagen, mit denen die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen überprüft wird, da die Auswirkungen eine Vielzahl von Verbrauchern betreffen. Nach § 11 Unterlassungsklagegesetz können sich Verbraucher grundsätzlich auf die einmal gerichtlich festgestellte Unwirksamkeit einer bestimmten Vertragsklausel berufen. Insofern kann eine gegen die Verwendung bestimmter Vertragsklauseln gerichtete Unterlassungsklage Wirkungen einer „Musterklage“ haben. Verbesserungswürdig aus Sicht des Verbraucherschutzes erscheinen die Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung. In der vergangenen Legislaturperiode hat sich das Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz dafür eingesetzt , dass die rechtlichen Hürden für eine Abschöpfung von Gewinnen aus wettbewerbs- oder kartellrechtswidrigem Verhalten gesenkt werden. Für die Durchsetzung individueller Rechtsansprüche bietet das bestehende Zivilprozessrecht bereits Möglichkeiten der verfahrenstechnischen Bündelung von Klagen. Auch können die Verbraucherverbände nach § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Zivilprozessordnung die Forderungen von Verbrauchern gerichtlich einklagen. Von dieser Möglichkeit wird vor allem zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen Gebrauch gemacht. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass gerade bei geringfügigen Schäden Verbraucher aufgrund des unverhältnismäßigen Aufwands häufig von der individuellen Durchsetzung ihrer rechtlichen Ansprüche absehen. Insoweit kann die bevorstehende Schaffung flächendeckender Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten zu einer erleichterten Rechtsdurchsetzung beitragen. Die Europäische Kommission hat sich in ihrer Empfehlung zu kollektiven Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren vom 11. Juni 2013 ausdrücklich für „Opt-in-Verfahren“ ausgesprochen, bei denen jeder Anspruchsinhaber aktiv dem Prozess beitreten muss. Die Bundesregierung prüft derzeit, ob insoweit Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Das StMUV und StMJ begrüßen die diesbezüglichen Aktivitäten des BMJV, das unter anderem für 2015 eine Evaluierung der Vorschriften zur Gewinnabschöpfung angekündigt hat. Inwieweit sich die „Musterklage“ im eigentlichen Sinne, die bislang für Klagen von Kapitalanlegern gesetzlich geregelt ist, für die Durchsetzung von Forderungen in herkömmlichen Verbraucherangelegenheiten eignet, bedarf näherer Untersuchung. Denn selbst in ähnlich gelagerten Fällen müssen regelmäßig die Anspruchsvoraussetzungen und Schadenshöhe individuell festgestellt werden und sind damit einer bindenden Wirkung durch ein Musterverfahren nicht zugänglich. Allerdings sind bestimmte Fallgestaltungen wie beispielsweise bei Reiseleistungen denkbar, in denen durchaus eine einheitliche Feststellung möglich erscheint, dass ein bestimmter Anspruch oder einzelne Anspruchsvora ussetzungen dem Grunde nach bestehen.