Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 02.06.2014 Blindenführhunde in bayerischen Reha-Einrichtungen Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 stellt ein generelles Verbot der Mitnahme eines Blindenführhundes oder eines anderen Assistenzhundes in aller Regel eine unzulässige Diskriminierung im Sinne von §§ 3 Abs. 2, 19 AGG dar. Dies gilt ungeachtet eines generellen Verbotes zur Mitnahme von Hunden und auch ungeachtet der Regelungen zum Hausrecht. Zu beachten sind auch die Ausführungen zur Barrierefreiheit in Artikel 9 im Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (Behindertenrechtskonvention – BRK). Dort heißt es, dass die zu ergreifenden Maßnahmen, Barrierefreiheit herzustellen, sowohl menschliche als auch tierische Assistenz einschließen (Absatz e). Blinde oder stark sehbehinderte Patienten und insbesondere die Mitnahme eines Blindenführhundes können die Organisation und die Regeln einer Reha-Klinik belasten. Trotzdem müssen blinde Menschen – mit oder ohne Blindenführhund – eine besondere Betreuung erfahren – und ggf. auf ihre besondere Situation mit einem Blindenführhund eingegangen werden. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie stellt die Staatsregierung die besondere Betreu- ung sicher, die blinde oder stark sehbehinderte Patienten in bayerischen Reha-Einrichtungen im Verlauf einer Therapie (bei Anreise/Abreise, Aufnahme, Information , Teilhabe,….) brauchen? a) Bekommen blinde Menschen während der Therapiestunden die nötige Hilfestellung, damit sie partizipieren können? b) Wie wird der besonderen Informations- und Hilfebedürftigkeit blinder Patienten Rechnung getragen, damit sie alle Möglichkeiten, die die Reha-Einrichtung bietet, nutzen können? c) Wie werden blinde Patienten über die Inhalte von Aushängen informiert, die sie nicht lesen können? d) Wer hilft blinden Patienten, die vor Ort auszufüllenden Fragebögen mit teilweise sehr persönlichen Fragen auszufüllen? 2. Ist der Staatsregierung bekannt, wie in den bayeri- schen Reha-Einrichtungen die Mitnahme eines Blindenführhundes gesehen und organisiert wird? a) Welche besonderen Vorgaben gibt es für blinde Patienten mit Führhund? b) Welche Einschränkungen müssen blinde Patienten mit Führhund in Kauf nehmen? c) Welche besonderen Angebote gibt es für blinde Patienten mit Führhund? 3. Wird blinden Patienten mit Führhund im Tagesablauf (Therapiesitzung, Essen, ….) entsprechend Freiraum gelassen, den Bedürfnissen eines Hundes wenigstens kurz nachzukommen? a) Kann es sein, dass blinde Patienten als Führhundehalter gezwungen sind, viele Stunden alleine mit dem Hund im Zimmer oder draußen zu verbringen und deshalb von den anderen Patienten isoliert und auch von den Freizeitaktivitäten der anderen Patienten ausgegrenzt werden? 4. Wie wird auf die besondere Betreuung blinder Men- schen bei der Essensausgabe insbesondere bei enger Taktung der Essenszeiten und für blinde Menschen ungeeignete Buffetangebote Rücksicht genommen? a) Stellt der Blindenführhund im Speisesaal ein Problem dar? 5. Treffen die bisher gemachten Aussagen auch auf Ein- richtungen zu, in denen psychische und psychosomatische Störungsbilder therapiert werden? 6. Treffen die bisher gemachten Aussagen auch auf an- dere Arten von Therapiehunden zu? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 04.08.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet : Vorbemerkungen: Die Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen am öffentlichen Leben ist der Bayerischen Staatsregierung ein sehr wichtiges Anliegen. Der Blindenführhund ist ein Hilfsmittel zur Verbesserung der Mobilität blinder und hochgradig sehbehinderter Menschen, der dieser Personengruppe die Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglicht. Die Bayeri- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.09.2014 17/2852 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2852 sche Staatsregierung unterstützt daher das Anliegen, dass Blindenführhunde möglichst überall mitgenommen werden können. Die Zuständigkeit für die bayerischen Reha-Einrichtungen liegt nicht bei der Bayerischen Staatsregierung, sondern bei den Leistungsträgern der Rehabilitation (gesetzliche Rentenversicherung, gesetzliche Krankenversicherungen, gesetzliche Unfallversicherung). Die Leistungsträger der Rehabilitation sind Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts, die die Staatsregierung nur rechtsaufsichtlich zu prüfen hat. Bei den Reha-Einrichtungen ist zu unterscheiden zwischen den Reha-Einrichtungen in der Trägerschaft der gesetzlichen Rentenversicherung und den Reha-Einrichtungen, die für die gesetzlichen Krankenkassen stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen erbringen . Die Fragen der Schriftlichen Anfrage können daher nur im Rahmen der vorliegenden Stellungnahmen der Reha-Träger beantwortet werden. 1. Wie stellt die Staatsregierung die besondere Betreuung sicher, die blinde oder stark sehbehinderte Patienten in bayerischen Reha-Einrichtungen im Verlauf einer Therapie (bei Anreise/Abreise, Aufnahme , Information, Teilhabe,….) brauchen? Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen grundsätzlich nur in gemäß § 20 Abs. 2 a SGB IX zertifizierten Einrichtungen erbringen lassen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht. Stationäre Rehabilitationseinrichtungen mit einem solchen Versorgungsvertrag sind – nach Maßgabe des § 137 d SGB V – verpflichtet, sich an Maßnahmen der externen Qualitätssicherung zu beteiligen sowie einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen. Die Maßnahmen der externen Qualitätssicherung sind zwischen dem GKV-Spitzenverband und den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Leistungserbringer zu vereinbaren. Dabei sind auch die trägerübergreifenden Gemeinsamen Empfehlungen der Rehabilitationsträger nach § 20 Abs. 1 SGB IX zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität zu berücksichtigen. Diese sehen u. a. vor, dass Leistungen zur Teilhabe (hier stationäre medizinische Rehabilitation) in ausreichendem Maße barrierefrei (Zugang und Kommunikation ) zur Verfügung stehen. Der GKV-Spitzenverband und die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer haben das „QS-Reha ®?- Verfahren“ als bundesweit verbindliches Verfahren zur Qualitätssicherung vereinbart. Im Rahmen dieses Verfahrens werden bei den Rehabilitationseinrichtungen – getrennt nach Indikationen – mittels sog. Einrichtungsbögen turnusgemäß die erforderlichen Daten u. a. auch zur Strukturqualität erhoben und bundesweit zentral ausgewertet. Dabei werden auch die vorhandenen Möglichkeiten bzw. Vorkehrungen für die (barrierefreie) Aufnahme von blinden oder stark sehbehinderten Patientinnen und Patienten mit psychischen und psychosomatischen Störungsbildern abgefragt. Die Ergebnisse der noch laufenden Auswertung der aktuellen Datenerhebung sollen den Krankenkassen in einer bundesweiten Datenbank zur Verfügung gestellt werden. Diese Datenbank enthält dann auch Informationen über die Rehabilitationseinrichtungen , die in besonderem Maße auf die Aufnahme von blinden oder stark sehbehinderten Patientinnen und Patienten mit psychischen und psychosomatischen Störungsbildern sowie ggf. die Mitnahme von Blindenführhunden oder Therapiehunden eingerichtet sind. Umfassende Informationen darüber, ob und in welchem Umfang die Ausstattung von Rehabilitationseinrichtungen den besonderen Bedürfnissen blinder oder stark sehbehinderter Patientinnen bzw. Patientinnen mit psychischen und psychosomatischen Störungsbildern entspricht und wie dort die Mitnahme eines Blindenführhundes bzw. von Therapiehunden gesehen und organisiert wird, liegen daher derzeit nicht vor. Die gesetzlichen Krankenkassen klären deshalb unter Berücksichtigung der medizinischen Erfordernisse im jeweiligen Einzelfall ab, welche Rehabilitationseinrichtung für die Aufnahme der vorgenannten Personenkreise bzw. die Mitnahme eines Blindenführhundes oder Therapiehundes geeignet ist. Eine Abfrage bei den bayerischen Rentenversicherungsträgern und der KUVB/LUK hat folgende Erkenntnisse erbracht : Im Regelfall werden blinde Rehabilitanden Spezialeinrichtungen zugewiesen, in denen auf die besonderen Bedürfnisse blinder Menschen umfassend Rücksicht genommen werden kann. Zudem kann zur Unterstützung des blinden bzw. stark sehbehinderten Rehabilitanden eine Begleitperson bewilligt werden. a) Bekommen blinde Menschen während der Therapiestunden die nötige Hilfestellung, damit sie partizipieren können? b) Wie wird der besonderen Informations- und Hilfebedürftigkeit blinder Patienten Rechnung getragen , damit sie alle Möglichkeiten, die die RehaEinrichtung bietet, nutzen können? c) Wie werden blinde Patienten über die Inhalte von Aushängen informiert, die sie nicht lesen können? d) Wer hilft blinden Patienten, die vor Ort auszufüllenden Fragebögen mit teilweise sehr persönlichen Fragen auszufüllen? Zu den Fragen 1 a–1 d liegen der Staatsregierung grundsätzlich keine Erhebungen und Erkenntnisse vor. Auch den hierzu befragten Rehabilitationsträgern liegen keine detaillierten Angaben vor. 2. Ist der Staatsregierung bekannt, wie in den bayerischen Reha-Einrichtungen die Mitnahme eines Blindenführhundes gesehen und organisiert wird? a) Welche besonderen Vorgaben gibt es für blinde Patienten mit Führhund? b) Welche Einschränkungen müssen blinde Patienten mit Führhund in Kauf nehmen? c) Welche besonderen Angebote gibt es für blinde Patienten mit Führhund? Zu den Fragen 2, 2 a–2 c liegen der Staatsregierung grundsätzlich keine Erhebungen und Erkenntnisse vor. 3. Wird blinden Patienten mit Führhund im Tagesablauf (Therapiesitzung, Essen, ….) entsprechend Freiraum gelassen, den Bedürfnissen eines Hundes wenigstens kurz nachzukommen? a) Kann es sein, dass blinde Patienten als Führhundehalter gezwungen sind, viele Stunden alleine mit dem Hund im Zimmer oder draußen zu verbringen und deshalb von den anderen Patienten isoliert und auch von den Freizeitaktivitäten der anderen Patienten ausgegrenzt werden? Zu den Fragen 3 und 3 a liegen der Staatsregierung grundsätzlich keine Erhebungen und Erkenntnisse vor. Drucksache 17/2852 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4. Wie wird auf die besondere Betreuung blinder Menschen bei der Essensausgabe insbesondere bei enger Taktung der Essenszeiten und für blinde Menschen ungeeignete Buffetangebote Rücksicht genommen? a) Stellt der Blindenführhund im Speisesaal ein Problem dar? Zu den Fragen 4 und 4 a liegen der Staatsregierung grundsätzlich keine Erhebungen und Erkenntnisse vor. 5. Treffen die bisher gemachten Aussagen auch auf Einrichtungen zu, in denen psychische und psychosomatische Störungsbilder therapiert werden? Zu Frage 5 liegen der Staatsregierung grundsätzlich keine Erhebungen und Erkenntnisse vor. 6. Treffen die bisher gemachten Aussagen auch auf andere Arten von Therapiehunden zu? Zu Frage 6 liegen der Staatsregierung grundsätzlich keine Erhebungen und Erkenntnisse vor.