Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 18.06.2014 Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt Seit 1. Mai 2014 ist das „Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt “ in Kraft. Das Gesetz soll Frauen schützen, die ihre Schwangerschaft verdrängen oder verheimlichen. Auch die Schwangeren, die bisher nicht den Weg in eine Beratungsstelle gefunden haben, sollen für die Annahme von Hilfen gewonnen werden. Ziel des Gesetzes ist es, heimliche Geburten außerhalb von medizinischen Einrichtungen so unnötig wie möglich zu machen und Fälle zu verhindern, in denen Neugeborene ausgesetzt oder getötet werden. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. In welcher Form ist sie dieser gesetzlichen Änderung bislang nachgekommen? 2. Bietet die Staatsregierung diese angeforderten Hilfekonzepte an? a) Falls nein, warum nicht? b) Falls ja, bitte alle in dem Zusammenhang stehenden Hilfsangebote auflisten, aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk . c) Welche dieser Hilfekonzepte sind für die folgenden zwei Jahre in Bayern in Planung? 3. Welche finanziellen Hilfen werden vonseiten der Staatsregierung zur Umsetzung des Gesetzes für die folgenden Jahre in den Haushalt eingestellt? 4. Wie viele Babyklappen gibt es in bayerischen Krankenhäusern und/oder anderen Einrichtungen? 5. Plant die Staatsregierung eine Meldepflicht für Babyklappen , und falls nein, warum nicht? 6. Wird die Staatsregierung der Empfehlung des Detuschen Ethikrates folgen und ein Verbot für Babyklappen initiieren, und falls nein, warum nicht? 7. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, wie viele Neugeborene in Bayern seit dem Jahr 2008 ausgesetzt oder getötet wurden, aufgeschlüsselt nach – den einzelnen Jahren, – den einzelnen Landkreisen, – der Anzahl der ausgesetzten Kinder, – der Anzahl der getöteten Neugeborenen? 8. Wie können die in Bayern tätigen Hebammen stärker in die Präventivarbeit eingebunden werden, um das Aussetzen von Kindern bzw. die Tötung Neugeborener zu verhindern? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 25.07.2014 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet: 1. In welcher Form ist sie dieser gesetzlichen Änderung bislang nachgekommen? Das Verfahren der vertraulichen Geburt wird durch das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt unmittelbar geregelt. Landesrechtliche Bestimmungen zur Umsetzung des Gesetzes sind nicht erforderlich. Zu den Beratungsangeboten im Freistaat Bayern wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 2. Bietet die Staatsregierung diese angeforderten Hilfekonzepte an? a) Falls nein, warum nicht? b) Falls ja, bitte alle in dem Zusammenhang stehen- den Hilfsangebote auflisten, aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk. Bayern hat mit dem Bayerischen Schwangerenberatungsgesetz (BaySchwBerG), das über die Vorgaben des Schwangerschaftskonfliktgesetzes des Bundes (SchKG) hinausgeht , gesetzliche und organisatorische Rahmenbedingungen für einen glaubwürdigen Lebensschutz geschaffen und diese mit einem breiten Hilfsangebot der „Landesstiftung Hilfe für Mutter und Kind“ fachlich abgesichert. Mit dem Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt wurde das Be- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.09.2014 17/2853 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2853 ratungsangebot zur vertraulichen Geburt zum 1. Mai 2014 eingeführt. Nach dem Gesetz ist dieses Angebot zwingend an den Schwangerschaftsberatungsstellen anzubieten. Im Freistaat Bayern stehen derzeit für die Durchführung der Beratung zur vertraulichen Geburt an folgenden Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen geschulte Fachkräfte zur Verfügung: Oberbayern • Landratsamt Landsberg am Lech Staatl. anerkannte Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen , Suchtprävention und Sexualpädagogik Bgm.-Dr.-Hartmannstr. 58 86899 Landsberg am Lech Tel.: 08191 129-186 Fax: 08191 129-5186 E-Mail: schwangerschaftsberatung@lra-ll.bayern.de • pro familia München-Schwabing Türkenstraße 103 80799 München Tel.: 089 330084-0 Fax: 089 330084-16 E-Mail: muenchen-schwabing@profamilia.de Niederbayern • Landratsamt Landshut Staatlich anerkannte Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen Veldener Straße 15 84036 Landshut Tel.: 0871 4084-138 Fax: 0871 4081-002 E-Mail: schwangerenberatung@landkreis-landshut.de Oberfranken • pro familia Bamberg Willi-Lessing-Straße 16 96047 Bamberg Tel.: 0951 13390-0 Fax: 0951 13390-29 E-Mail: bamberg@profamilie.de Mittelfranken • Katholische Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen Caritasverband Nürnberg e.V. Tucherstr. 15 90403 Nürnberg Tel.: 0911 2354-231 Fax: 0911 2354-239 E-Mail: schwangerenberatung@caritas-nuernberg.de c) Welche dieser Hilfekonzepte sind für die folgenden zwei Jahre in Bayern in Planung? Am 23./24.Juli 2014 fand die 3. Pilotveranstaltung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) statt. Im Rahmen dieser Schulung wurden für Bayern fünf weitere Beratungsfachkräfte geschult. Demzufolge stehen ab Ende Juli bayernweit 10 geschulte Fachkräfte in den Schwangerschaftsberatungsstellen zur Verfügung. Bei der Auswahl der Teilnehmer für die Pilotveranstaltungen wurde ausdrücklich auf die Träger- sowie auf die Regionalpluralität geachtet, sodass nach Ende der 3. Pilotveranstaltung in jedem Regierungsbezirk mindes- tens eine Fachkraft eine Beratung zur vertraulichen Geburt durchführen kann. Darüber hinaus hat Bayern den Trägern bereits angeboten , dass pro Schwangerschaftsberatungsstelle in Bayern (insgesamt 151) je eine Fachkraft geschult werden kann. Diese Schulungen sind für Herbst 2014 und das Jahr 2015 geplant. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration geht davon aus, dass das Schulungsangebot zur vertraulichen Geburt von ca. 140 Schwangerschaftsberatungsstellen in Bayern angenommen wird. Demzufolge stehen spätestens ab 2016 voraussichtlich ca. 140 Beratungskräfte in den bayerischen Schwangerschaftsberatungsstellen zur Verfügung. Ebenso wurde den Trägern angeboten, eine trägereigene Schulung anhand der vom BMFSFJ in Auftrag gegebenen Beratungsstandards, die voraussichtlich Ende August vorliegen werden, durchzuführen. Die Kosten hierfür werden vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration übernommen. 3. Welche finanziellen Hilfen werden vonseiten der Staatsregierung zur Umsetzung des Gesetzes für die folgenden Jahre in den Haushalt eingestellt? In Bayern gibt es derzeit insgesamt 151 Schwangerschaftsberatungsstellen . Zu den 127 staatlich anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen gehören 56 Schwangerschaftsberatungsstellen der freien Träger (Donum Vitae, Diakonisches Werk, Frauen Beraten und pro familia) und 71 Schwangerschaftsberatungsstellen in den Landratsämtern /Gesundheitsverwaltungen. Zu den 24 staatlich nicht anerkannten Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen zählen die katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen (Sozialdienst katholischer Frauen und Caritas). Für die staatlich anerkannten Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen der freien Träger richtet sich der Umfang der öffentlichen Förderung nach Art. 18 des Bayerischen Schwangerenberatungsgesetzes (BaySchwBerG). Danach betragen die Zuschüsse des Staates 50 v. H. und die Zuschüsse der beteiligten Landkreise und kreisfreien Gemeinden 30 v. H. der zuschussfähigen Gesamtkosten. Darüber hinaus wird für sie gemäß den Fördergrundsätzen für die ergänzende freiwillige Förderung von staatlich anerkannten Schwangerenberatungsstellen mit festgelegtem Einzugsbereich ein zusätzlicher freiwilliger staatlicher Zuschuss in Höhe von bis zu 15 v. H. der zuwendungsfähigen Ausgaben einer Schwangerschaftsberatungsstelle gewährt. Diese Förderung erfolgt ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Für die staatlich anerkannten Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen der freien Träger verbleibt somit ein Eigenanteil in Höhe von 5 v. H. Die Personalkosten der 71 staatlichen Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen an den Landratsämtern/ Gesundheitsverwaltungen werden in vollem Umfang vom Freistaat Bayern übernommen, die der fünf städtischen Gesundheitsämter von den jeweiligen Kommunen. Darüber hinaus trägt der Freistaat Bayern die Kosten für Öffentlichkeitsarbeit , Supervision und Fortbildung. Die freiwillige Förderung der 24 staatlich nicht anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen erfolgt gemäß den Fördergrundsätzen für die freiwillige Förderung der staatlich nicht anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen und wird als Festbetragsfinanzierung im Rahmen einer Projektförderung gewährt. Die Förderung erfolgt mit pauschalen Zuwendungen. Für jede Schwangerschaftsberatungsstelle Drucksache 17/2583 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 wird ein Ausgabenpauschalbetrag in Höhe von 27.000 € gewährt . Als zusätzliche finanzielle Hilfe werden vonseiten der Bayerischen Staatsregierung zur Umsetzung des Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt die Fortbildungskosten für je eine Beratungsfachkraft pro Schwangerschaftsberatungsstelle in Bayern übernommen. Finanzierungsmittel stehen in ausreichendem Umfang im Haushalt des StMAS zur Verfügung. Über den Haushalt der Folgejahre entscheidet der Bayerische Landtag als Haushaltsgesetzgeber. 4. Wie viele Babyklappen gibt es in bayerischen Krankenhäusern und/oder anderen Einrichtungen? Auf Nachfrage bei den Regierungen im Juli 2014 wurden dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration 14 Babyklappen an folgenden Orten benannt: • Kreisklinik Altötting • Klinikum Ingolstadt • Kloster St. Gabriel – München, Schwestern vom guten Hirten • Klinikum Schwabing, München • Klinikum Weilheim • Klinikum Schongau • Goldberg-Klinik, Kelheim • Kinderkrankenhaus St. Marien, Landshut • Klinikum St. Elisabeth, Straubing • Kreiskrankenhaus Ilmtalklinik Mainburg • Klinikum St. Hedwig, Regensburg • Klinikum Roth • Zentralklinikum Augsburg • Klinikum Kempten-Oberallgäu 5. Plant die Staatsregierung eine Meldepflicht für Babyklappen , und falls nein, warum nicht? Eine gesetzliche „Meldepflicht“ für Babyklappen in den Fällen , in denen ein Kind in einer Babyklappe abgelegt wurde, existiert bereits. Nach § 24 Absatz 1 Satz 1 des Personenstandsgesetzes muss derjenige, der ein neugeborenes Kind findet, dieses spätestens am folgenden Tag der Gemeindebehörde anzeigen. Diese Pflicht trifft beim Ablegen eines Kindes in einer Babyklappe deren Betreiber. Für die Einführung weiterer Meldepflichten für Babyklappen wird vonseiten der Staatsregierung kein Bedürfnis gesehen. 6. Wird die Staatsregierung der Empfehlung des Detuschen Ethikrates folgen und ein Verbot für Babyklappen initiieren, und falls nein, warum nicht? Die Staatsregierung beabsichtigt nicht, ein Verbot für Babyklappen zu initiieren. Babyklappen ermöglichen keine Geburt unter medizinischer Betreuung und sind deshalb als Hilfsangebot für den Lebensschutz Neugeborener weniger wünschenswert als eine anonyme oder vertrauliche Geburt. Dennoch stellt auch die Babyklappe aus Sicht der Staatsregierung ein unverzichtbares Instrument des Lebensschutzes bei neugeborenen Kindern dar. Sie soll vor allem in den Fällen als Ultima Ratio zur Verfügung stehen, in denen die Schwangere ihre Schwangerschaft bis zuletzt verdrängt hat oder aus anderen Gründen nicht in der Lage war, den Weg einer anonymen oder vertraulichen Geburt zu wählen. Der Bayerische Landtag hat die Staatsregierung mit einstimmigem Beschluss vom 10. Juni 2010 (Drs. 16/5078) aufgefordert, sich ausdrücklich für den Bestand von sog. Babyklappen einzusetzen und den Empfehlungen des Deut- schen Ethikrates insofern nicht nachzugeben. Mit weiterem Beschluss vom 18. Juli 2012 (Drs. 16/13324) hat der Landtag die Staatsregierung aufgefordert, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass es keinesfalls zu einem expliziten Verbot der Babyklappen kommt. 7. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, wie viele Neugeborene in Bayern seit dem Jahr 2008 ausgesetzt oder getötet wurden, aufgeschlüsselt nach – den einzelnen Jahren, – den einzelnen Landkreisen, – der Anzahl der ausgesetzten Kinder, – der Anzahl der getöteten Neugeborenen? Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) enthält Angaben zur Anzahl der vorsätzlichen Tötungsdelikte nach §§ 211, 212 StGB und Aussetzungen nach § 221 StGB. Vor dem Hintergrund, dass als Neugeborene diejenigen Opfer gewertet wurden, die zum Zeitpunkt der Tat unter 3 Monate alt waren, liegen dem Bayerischen Staatsministerium des Innern insoweit für die Jahre 2008 bis 2013 folgende Zahlen und Tatortlandkreise vor: 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Anzahl vorsätzlich getöteter Neugeborener 2 1 7 4 3 2 Anzahl ausgesetzter Neugeborener 0 3 0 0 1 1 Tatortlandkreise Tö tu ng en Haßberge 2x MainSpessart NeuburgSchroben - hausen Rosenheim 2x Passau GarmischPartenkir - chen Landshut Fürstenfeldbruck Bamberg Altötting Bad Griesbach Bad TölzWolfrats - hausen Bayreuth Bamberg Augsburg München 2x A us se tz un g Aichach-Friedberg GarmischPartenkir - chen Stadt Nürnberg Oberallgäu Neu-Ulm 8. Wie können die in Bayern tätigen Hebammen stärker in die Präventivarbeit eingebunden werden, um das Aussetzen von Kindern bzw. die Tötung Neugeborener zu verhindern? Bei der Präventivarbeit von Hebammen, um das Aussetzen von Kindern bzw. die Tötung Neugeborener zu verhindern, handelt es sich nicht um klassische Hebammenaufgaben nach dem Gesetz über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers und der Bayerischen Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger (Begleitung der regelgerecht verlaufenden Schwangerschaft, Durchführung der notwendigen Untersuchungen zur Beobachtung des Verlaufs, Betreuung der Gebärenden während der Geburt, Wochenbettbetreuung). Es gibt für familienpädagogische und psychosoziale Unterstützung speziell weitergebildete und zertifizierte Hebammen , sog. Familienhebammen, die Aufgaben im Bereich der frühen Hilfen in der Kinder- und Jugendhilfe übernehmen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2853 Inhalte dieser Weiterbildung sind sozialpädagogische und rechtliche Themen wie z. B. „was tue ich wenn mir Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung bekannt werden“. Familienhebammen sind aufsuchend tätig im sekundärpräventiven Bereich. Es handelt sich dabei um ein freiwil- liges Angebot im Bereich der Frühen Hilfen, das vor Ort in die KoKi-Netzwerke frühe Kindheit und damit bereits in die Prävention eingebunden ist. (Näheres s. Kapitel 6 im Kinder - und Jugendprogramm der Bayerischen Staatsregierung , Fortschreibung 2013.)