Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 02.07.2014 Betriebliche Gesundheitsförderung 3 – Betriebe der freien Wirtschaft Die Ansprüche von Gesellschaft und Arbeitsmarkt an die Arbeitnehmer verändern sich stetig – insbesondere durch einen schnelllebigen Arbeitsalltag und den demografischen Wandel. Zur Prävention sind Maßnahmen des Gesundheitssektors zur Verbesserung und Erhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz wichtiger denn je. Umso bedeutender sind die Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung . Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Maßnahmen sind der Staatsregierung bekannt , um im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung in Betrieben der freien Wirtschaft a) die Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen , b) die Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung, c) die Stärkung persönlicher Kompetenzen zu erreichen? 2. Welche Art von Unterstützungen gewährt die Staatsregierung den Betrieben bei der Einführung und Umsetzung der betrieblichen Gesundheitsförderung über das Angebot der Krankenkassen hinaus? 3. Gibt es für die Einführung und Umsetzung der betrieblichen Gesundheitsförderung in Betrieben der freien Wirtschaft nennenswerte Pilotprojekte? a) Wenn ja, welche Erfahrungen wurden damit gemacht? b) Sind (weitere) Pilotprojekte in naher Zukunft geplant? 4. Welche Fördermaßnahmen gibt es zur Ausbildung und zur Bereitstellung von Personal in den Betrieben, die die Nutzung betrieblicher Vorsorge- und Präventionsangebote erläutern und begleiten, aber auch Evaluierungen durchführen und Verbesserungsvorschläge umsetzen können? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 05.08.2014 Die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Ruth Müller wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet: 1. Welche Maßnahmen sind der Staatsregierung be­ kannt, um im Rahmen der betrieblichen Gesund­ heitsförderung in Betrieben der freien Wirtschaft a) die Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen, b) die Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung, c) die Stärkung persönlicher Kompetenzen zu erreichen? Die betriebliche Gesundheitsförderung bzw. mit einem komplexeren Ansatz das betriebliche Gesundheitsmanagement kann als eine Weiterentwicklung des bestehenden Arbeitsschutzes betrachtet werden. Maßnahmen in diesem Zusammenhang sind jedoch für die Arbeitgeber rein freiwillig. Aber: Ein Betrieb, der attraktiv sein und auch die älteren Beschäftigten langfristig an sich binden will (Stichwort: Fachkräftemangel ), kann mit einer betrieblichen Gesundheitsförderung /Gesundheitsmanagement punkten. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der aktuellen Entwicklungstendenzen im Arbeitsschutz wurde vom Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) ein kostenloses Konzept für ein „Ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagementsystem GABEGS“ entwickelt. Mit GABEGS und den dazugehörigen Hilfsmitteln (wie Fragebögen zur Mitarbeiterbeteiligung) wird den Unternehmen ein leistungsfähiges Instrument an die Hand gegeben, um den Herausforderungen durch eine immer älter werdende Belegschaft gerecht zu werden und die Gesundheit der Beschäftigten nachhaltig zu erhalten und zu fördern. Der ganzheitliche Ansatz beinhaltet alle Bereiche der Gesundheitserhaltung und -förderung bezogen auf den Arbeitsschutz und reicht von der Suchtberatung bis hin zur Berücksichtigung der psychischen Belastungen (Burn-out) und der sozialen Verhältnisse am Arbeitsplatz (Mobbing, etc.). Die Gewerbeaufsicht, mit den Gewerbeärzten als arbeitsmedizinischen Spezialisten, unterstützt die bayerischen Unternehmen bei der Einführung von GABEGS und überprüft auf Wunsch auch die erfolgreiche Einführung. Zum Thema „Ältere und Arbeitswelt“ hat das StMAS bereits im März 2011 zusammen mit den Wirtschaftsorganisationen , dem DGB Bayern und der Regionaldirektion Bayern die Initiative „Ältere und Arbeitswelt“ ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist es, die Erwerbstätigkeit noch stärker in Einklang mit den Bedürfnissen einer älter werdenden Gesellschaft zu bringen. Die Partner haben sich auf eine gemeinsame Herangehensweise sowie auf folgende Themen verständigt: Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.10.2014 17/2876 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2876 • Weiterbildung/Lebenslanges Lernen • Gesundheitsmanagement/Beschäftigungsfähigkeit • Demografieorientierte Arbeitsorganisation Ein erstes Maßnahmenkonzept wurde am 7. Mai 2012 im StMAS von allen Partnern vorgestellt. Im Rahmen von steten medienwirksamen Veranstaltungen und weiteren Aktionen werden Arbeitgeber und Beschäftigte für die Wichtigkeit dieser Themen sensibilisiert und aufgefordert, aktiv einen entsprechenden „Eigenbeitrag“ zu leisten. Eine Auflistung der wichtigsten Aktionen im Rahmen der Initiative „Ältere und Arbeitswelt“ ist unter http://www.stmas.bayern. de/arbeit/initiative/aeltere.php abrufbar. Die hier ebenso abrufbare Beispielsammlung zeigt auf, wie Berufliche Weiterbildung / Lebenslanges Lernen, Gesundheitsmanagement/ Beschäftigungsfähigkeit und Demografie orientierte Arbeitsorganisation entsprechend gefördert werden können. Die der Aufsicht des StMAS unterstehenden Unfallversicherungsträger (Kommunale Unfallversicherung Bayern und Bayerische Landesunfallkasse) sind nicht für Betriebe der freien Wirtschaft zuständig. Zusätzliche Informationen von dieser Seite liegen dementsprechend nicht vor. Im Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbringen die gesetzlichen Krankenkassen in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger Leistungen der Gesundheitsförderung im Betrieb (seit dem GKV-WSG 2007 Pflichtleistung nach § 20 a SGB V). Zu den Leistungen gehören Vorschläge zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation im Betrieb sowie die Hilfe bei der betrieblichen Umsetzung dieser Vorschläge. Auch wenn die Krankenkassen gesundheitsförderliche Maßnahmen in Betrieben fördern, entbindet dies aber nicht die Arbeitgeber von ihrer Verantwortung, für gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen zu sorgen, um arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu vermeiden. Der GKV-Spitzenverband Bund hat in Umsetzung des gesetzlichen Auftrages einen Leitfaden Prävention erstellt, der u. a. Handlungsfelder und Kriterien für Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung festlegt. Nach dem Präventionsbericht des GKV-Spitzenverbandes 2013 für das Geschäftsjahr 2012 haben die Krankenkassen ihr Engagement im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung weiter ausgebaut. In rund 8.000 Betrieben haben die Krankenkassen Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) (+ 20 % im Vergleich zu 2011) mit mehr als 46 Mio Euro (+ 4 Mio. Euro im Vergleich zu 2011) unterstützt. Umfassende Informationen zu Maßnahmen der Krankenkassen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung finden sich auf den Internetseiten des GKV-Spitzenverbandes (www.gkv-spitzenverband.de) und der Krankenkassen in Bayern. Nach Auswertung der vorliegenden Stellungnahmen von Krankenkassen und Krankenkassenverbänden in Bayern engagieren sich diese in vielfältiger Weise in den Betrieben. Sie erheben unter Beteiligung der Mitarbeiter und der Unternehmen die gesundheitliche Situation der Beschäftigten im Betrieb einschließlich Analysierung von Risiken und Feststellung der Potenziale, entwickeln Vorschläge zur Verbesserung der Gesundheit und unterstützen die Umsetzung präventiver und gesundheitsfördernder Ansätze im Betrieb. Von den mitgeteilten zahlreichen Maßnahmen der Gesundheitsförderung werden beispielhaft herausgegriffen: • Analyse des Krankenstands (betriebliche Gesundheitsberichte ) • Analyse von Arbeitsplatz und Arbeitssituation • Mitarbeiterbefragung • Diskurs arbeitsbedingter Gesundheitsrisiken • Beratung und Unterstützung bei der Implementierung von geeignetem und bedarfsgerechtem betrieblichen Gesundheitsmanagement • Gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung (z. B. Workshops für Führungskräfte) • Durchführung von Kampagnen und Fachveranstaltungen • Durchführung betrieblicher Gesundheitstage einschließ- lich Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen • Gesundheitszirkel • Optimierung der Betriebs- und Gemeinschaftsverpfle- gung • „Self-Care-Training“ (Stärkung der individuellen Stress- bewältigungskompetenzen) • Gesundheitsprogramm für Azubis 2. Welche Art von Unterstützungen gewährt die Staatsregierung den Betrieben bei der Einführung und Umsetzung der betrieblichen Gesundheitsför­ derung über das Angebot der Krankenkassen hi­ naus? Siehe Antwort zu Frage 1. 3. Gibt es für die Einführung und Umsetzung der be­ trieblichen Gesundheitsförderung in Betrieben der freien Wirtschaft nennenswerte Pilotprojekte? a) Wenn ja, welche Erfahrungen wurden damit ge­ macht? b) Sind (weitere) Pilotprojekte in naher Zukunft ge­ plant? Das StMGP fördert im Rahmen der Gesundheitsinitiative Gesund.Leben.Bayern. im Bereich der „Gesunden Arbeitswelt “ verschiedenste Modellprojekte, die wissensbasiert, qualitätsgesichert, evaluiert und sowohl auf Verhaltens- als auch auf Verhältnisprävention ausgerichtet sind. Das Spektrum der Antragsteller und Projektteilnehmer ist vielfältig und schließt Vereine, Wohlfahrtsorganisationen, Universitäten und Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes ein. Ziel der Gesundheitsinitiative ist insbesondere die Förderung und Begleitung von Präventionsmaßnahmen in den folgenden sechs Schwerpunktbereichen: • Gesunde Ernährung und Bewegung • Rauchfrei Leben • Verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol • Gesunde Arbeitswelt • Gesundheit im Alter • Prävention von psychischen Erkrankungen Speziell im Bereich der „Gesunden Arbeitswelt“ wurden und werden folgende Modellprojekte gefördert: • „Initiierung einer nachhaltigen gesundheitsfördernden Kultur im Betrieb – Erlanger Modell“: Dieses Projekt wurde von 2004 bis 2008 in Kooperation mit der Stadt Erlangen und der BKK Siemens durchgeführt und verfolgte das Ziel, interessierte Unternehmen beim Aufbau eines auf die Bedürfnisse des jeweiligen Betriebes zugeschnittenen , praktikablen und nachhaltigen betrieblichen Gesundheitsmanagements zu unterstützen. Mit der Etablierung des Netzwerks „Bewegte Unternehmen“ konnte das Projekt auch über den Förderzeitraum hinaus erfolgreich weitergeführt werden. Drucksache 17/2876 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 • „Mit dem Rad zur Arbeit“: Diese erfolgreiche Gemeinschafts - und Wettbewerbsaktion des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), der AOK Bayern, der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), des Deutschen Gewerkschaftsbundes Bayern (DGB Bayern) sowie verschiedener weiterer Partner wurde seit dem Jahr 2002 ideell und teilweise finanziell unterstützt. • „Betriebsübergabe – ein Gesundheitsthema“: Dieses Projekt wurde 2010 bis 2012 in Kooperation mit der landund forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niederbayern /Oberpfalz und Schwaben sowie der Deutschen Sporthochschule Köln durchgeführt. Im Rahmen speziell konzipierter Seminare wurden potenziellen Übergebern von land- und forstwirtschaftlichen Familienbetrieben sowie deren Ehepartnern verschiedene Angebote zur Förderung der Betriebsübergabe, der Pläne für das Alter und der Gesundheit vermittelt. Die Resonanz war laut dem Abschlussbericht der Evaluation des Projektes äußerst positiv, die Mehrzahl der Teilnehmer würde den Besuch der Seminare weiterempfehlen. • „Kein Disstress in der Ausbildung!“: Dieses 2013 initiierte Projekt ist ein Kooperationsvorhaben des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie INIFES gGmbH und des bbw e.V. Wirtschaft im Dialog (Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft). Über den Arbeitskreis SCHULEWIRTSCHAFT ist darüber hinaus eine enge Zusammenarbeit mit den Berufsschulen und eine ständige Rückkoppelung mit der Praxis gewährleistet. Ziel des Projektes ist es, Informationen über die konkrete Verbreitung und die Auslöser psychischer Belastungen während der Berufsausbildung zu erarbeiten, Maßnahmen zur Verhaltensund Verhältnisprävention zu konzipieren und im Setting Berufsschule anzuwenden. • „Flexibilisierung, Erreichbarkeit und Entgrenzung in der Arbeitswelt – FlexA“: Dieses erst kürzlich begonnene Projekt wird vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Kooperation mit dem Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt und dient der Entwicklung eines betrieblichen Handlungskonzeptes zur Prävention psychischer Fehlbeanspruchungen und Stärkung psychischer Gesundheit. Über die oben genannten aktuell laufenden Modellprojekte hinaus liegen dem StMGP derzeit keine weiteren Anträge vor. Interessierte Unternehmen können für Modellprojekte im Bereich der „Gesunden Arbeitswelt“ Fördermittel der Gesundheitsinitiative Gesund.Leben.Bayern. beantragen. Konkrete Hinweise zum Antragsverfahren stehen im Internet unter http://www.stmgp.bayern.de/aufklaerung_vorbeugung/ giba/index.htm. Die Krankenkassen in Bayern initiieren und unterstützen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung Projekte, die den Aufbau eines strukturierten betrieblichen Gesundheitsmanagements zum Gegenstand haben. Von den zahlreichen von den Krankenkassen in ihren Stellungnahmen genannten Aktivitäten werden beispielhaft folgende Projekte herausgegriffen: AOK Bayern: • BGM-Netzwerke, z. B. BGF-Netzwerk Wirtschaftsraum Franken • Kooperationsprojekte z. B. mit Berufsschulen • Betriebsbezogene Projekte BKK-Landesverband: • Projekt „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – psyGA“ Ziel ist, betriebliche und überbetriebliche Entscheider sowie wichtige Multiplikatoren für das Thema zu sensibilisieren und ihre Aufmerksamkeit für das Thema zu erhöhen . Vdek, Landesvertretung Bayern: • Projekt „Bayerns fitteste Firma“ • Kooperationsprojekte, z. B. mit der Stadtsparkasse Mün- chen • Projekt „GABEGS“ (vgl. Antwort zu Frage 1) 4. Welche Fördermaßnahmen gibt es zur Ausbildung und zur Bereitstellung von Personal in den Betrie­ ben, die die Nutzung betrieblicher Vorsorge­ und Präventionsangebote erläutern und begleiten, aber auch Evaluierungen durchführen und Verbes­ serungsvorschläge umsetzen können? Staatliche Fördermaßnahmen im Sinne der Fragestellung existieren nicht.