Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Herbert Woerlein, Dr. Linus Förster, Dr. Simone Strohmayr, Harald Güller SPD vom 03.07.2014 Zuweisung erkrankter Asylbewerber an Landkreise und kreisfreie Städte In der Vergangenheit ist es offensichtlich mehrfach vorgekommen , dass Asylbewerber mit ansteckenden Erkrankungen vom Freistaat an die Landkreise und kreisfreien Städte zugewiesen wurden. Unabhängig davon, dass wohl nicht einmal eine entsprechende Information erfolgte, entstehen hierdurch erhöhte Risiken für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ehrenamtlich mit den Asylbewerbern Tätige, andere Asylbewerberinnen und Asylbewerber, aber auch die Bevölkerung allgemein. Außerdem entsteht für Landkreise und kreisfreie Städte zusätzlicher Aufwand, die betroffenen Asylbewerber in gesundheitlicher Hinsicht zu betreuen. Wir fragen daher die Staatsregierung: 1. a) Wie ist das Verfahren bei der Zuweisung von Asylbewerbern aus den Aufnahmeeinrichtungen des Freistaates in die Landkreise und kreisfreien Städte in jenen Fällen geregelt, in denen bereits in den Aufnahmeeinrichtungen ansteckende Erkrankungen bei den betreffenden Personen festgestellt werden, zum Beispiel ansteckende Krankheiten wie Krätze oder Tbc? b) Ist sichergestellt und ggf. wie, dass ansteckende bzw. schwere Erkrankungen von Asylbewerbern entdeckt und behandelt werden, ehe die betreffenden Personen den Unterkünften zugewiesen werden? c) Sieht die Staatsregierung im Sinne einer besseren gesundheitlichen Versorgung der Asylbewerber und dem Schutze Dritter vor der Zuweisung an die kreisfreien Städte und Landkreise Veränderungsbedarf und ggf. welchen? 2. a) Wie viele Fälle sind der Staatsregierung bekannt, in denen die bisherigen Regelungen nicht ausreichten und Asylbewerber mit ansteckenden Erkrankungen den Unterkünften zugewiesen wurden? b) In wie vielen Fällen wurden solche Erkrankungen erst in den Unterkünften entdeckt? 3. a) Ist es zutreffend, dass die Bezirke und Landkreise auch zur Abnahme von Asylbewerbern mit ansteckenden Krankheiten verpflichtet sind? b) Sind Fälle bekannt, in denen Asylbewerber zugewiesen wurden, ohne dass die aufnehmenden Behörden über eine Erkrankung informiert wurden, obwohl diese bereits bekannt war? c) Wie wird derzeit sichergestellt, dass im Zuge der Zuweisung erkrankter Asylbewerber in die Unterkünfte keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der betroffenen Personen selbst und keine Ansteckung von Mitbewohnern in den Unterkünften, von Mitarbeitern der Behörden bzw. von betreuenden ehrenamtlichen Mitarbeitern eintritt? 4. Ist es nach gängiger Praxis auszuschließen, dass in konkreten Fällen die aufnehmenden Behörden nicht über die Erkrankung eines Asylbewerbers informiert werden? 5. a) Wie viele Fälle von (Scabies) Krätze wurden 2013 und im bisherigen Verlauf 2014 bei Asylbewerbern in den Erstaufnahmeeinrichtungen diagnostiziert? b) Wie viele Fälle sind der Staatsregierung bekannt, in denen die Erkrankung in den Aufnahmeeinrichtungen nicht entdeckt wurde? 6. a) Wie viele Fälle von Tbc wurden 2013 und im bisherigen Jahresverlauf 2014 bei Asylbewerbern in Bayern diagnostiziert? b) Wie hoch ist die Zahl der Fälle, die in den Aufnahmeeinrichtungen nicht entdeckt wurden? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 21.08.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. a) Wie ist das Verfahren bei der Zuweisung von Asylbewerbern aus den Aufnahmeeinrichtungen des Freistaates in die Landkreise und kreisfreien Städte in jenen Fällen geregelt, in denen bereits in den Aufnahmeeinrichtungen ansteckende Erkrankungen bei den betreffenden Personen festgestellt werden, zum Beispiel ansteckende Krankheiten wie Krätze oder Tbc? b) Ist sichergestellt und ggf. wie, dass ansteckende bzw. schwere Erkrankungen von Asylbewerbern entdeckt und behandelt werden, ehe die betreffenden Personen den Unterkünften zugewiesen werden ? Wegen des inhaltlichen Zusammenhangs werden die Fragen 1 a und 1 b gemeinsam beantwortet: Nach § 62 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) sind Ausländer , die in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen haben, Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 26.09.2014 17/2929 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2929 verpflichtet, eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten zu dulden. Diese Untersuchung erfolgt durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst nach Maßgabe der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz vom 07.06.2002 als oberster Landesgesundheitsbehörde und umfasst im Einzelnen eine körperliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten, eine Röntgenuntersuchung zum Ausschluss einer Tuberkulose der Atmungsorgane (bei Schwangeren und Kindern, zwischen dem vollendeten 10. Lebensjahr bis zum vollendeten 15. Lebensjahr mittels Bluttest), eine Stuhluntersuchung auf Durchfallerreger (Typhus-Paratyphus-Enteritis-Erregergruppe einschließlich Ruhr-Shigellen, Darmparasiten und bei Verdacht auf Choleravibrionen ) sowie eine serologische Blutuntersuchung auf HIV I und II und Hepatitis B bei Asylbewerbern verbunden mit einer Beratung. Die Gesundheitsuntersuchung ist vom für die Aufnahmeeinrichtung zuständigen Gesundheitsamt auf Veranlassung der zuständigen Unterbringungsverwaltung binnen 3 Tagen nach Erstaufnahme durchzuführen. Eine Weiterverlegung durch die Unterbringungsverwaltung soll grundsätzlich erst dann erfolgen, wenn die Untersuchungen durchgeführt und befundet wurden. Falls ansteckende Krankheiten festgestellt werden, trifft das zuständige Gesundheitsamt die notwendigen Maßnahmen nach den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes. Zum Beispiel erfolgt keine Verteilung von Personen mit ansteckungsfähiger Tuberkuloseerkrankung; diese werden zunächst in einer Lungenfachklinik stationär behandelt, bis eine Weiterverbreitung nicht mehr zu besorgen ist. Die erforderlichen Schutzmaßnahmen nach §§ 28 ff Infektionsschutzgesetz (IfSG) liegen grundsätzlich im Ermessen des für die Erstaufnahmeeinrichtung zuständigen Gesundheitsamtes. Die notwendigen Schutzmaßnahmen unterscheiden sich je nach dem festgestellten Erreger, unter Berücksichtigung von Übertragungswegen und Wahrscheinlichkeiten , nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft. Ist eine Weiterverbreitung in der Gemeinschaftsunterkunft auszuschließen, können die Asylbewerber weiterverlegt werden. Dabei arbeitet das für die Erstaufnahmeeinrichtung zuständige Gesundheitsamt mit dem Gesundheitsamt des aufnehmenden Landkreises zusammen und informiert dieses über relevante Befunde. Die medizinische Versorgung von Asylbewerbern, unter die auch das Feststellen etwaiger schwerer Erkrankungen fällt, richtet sich nach Bundesrecht, und zwar nach §§ 4, 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Asylbewerber nehmen zur Krankenbehandlung am allgemeinen ärztlichen Versorgungsangebot teil. c) Sieht die Staatsregierung im Sinne einer besseren gesundheitlichen Versorgung der Asylbewerber und dem Schutze Dritter vor der Zuweisung an die kreisfreien Städte und Landkreise Veränderungsbedarf und ggf. welchen? Die medizinische Versorgung von Asylbewerbern richtet sich nach Bundesrecht, und zwar nach §§ 4, 6 AsylbLG. Asylbewerber nehmen zur Krankenbehandlung am allgemeinen ärztlichen Versorgungsangebot teil. Zusätzlich unterstützt die Staatsregierung Asylbewerber in den beiden bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen durch eine niederschwellige medizinische Versorgung vor Ort: In beiden Ein- richtungen bieten Allgemeinmediziner ihre Hilfe an; in München sind außerdem Fachärzte für Psychiatrie tätig. Dieses ärztliche Hilfsangebot in den Erstaufnahmeeinrichtungen wird ausgebaut: an beiden Standorten sollen vor Ort zukünftig Fachärzte für Psychiatrie, Frauen- und Kinderheilkunde die Menschen versorgen. 2. a) Wie viele Fälle sind der Staatsregierung bekannt, in denen die bisherigen Regelungen nicht ausreichten und Asylbewerber mit ansteckenden Erkrankungen den Unterkünften zugewiesen wurden ? b) In wie vielen Fällen wurden solche Erkrankungen erst in den Unterkünften entdeckt? Wegen des inhaltlichen Zusammenhangs werden die Fragen 2 a und 2 b gemeinsam beantwortet: Angesichts der stark steigenden Zahlen an Asylsuchenden ist es in Einzelfällen zu einer verzögerten bzw. nicht vollständigen Weiterleitung auch von positiven Befunden an die Gesundheitsbehörden der aufnehmenden Landkreise gekommen. Nach Informationen des StMGP konnten die erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen jedoch trotzdem durch die Gesundheitsämter der aufnehmenden Landkreise sichergestellt werden. Durch eine Reihe von Sofortmaßnahmen, die u. a. die Optimierung der Weiterleitungsverfahrens der Befunde sowie die personelle Verstärkung der für die Gesundheitsuntersuchung zuständigen Gesundheitsämter und die Unterstützung dieser Gesundheitsämter durch die Beleihung niedergelassener Ärzte vorsehen, wurden die notwendigen Verbesserungen vorgenommen. 3. a) Ist es zutreffend, dass die Bezirke und Landkreise auch zur Abnahme von Asylbewerbern mit ansteckenden Krankheiten verpflichtet sind? Nach § 47 AsylVfG sind Asylbewerber zum Aufenthalt in einer Aufnahmeeinrichtung lediglich bis zu sechs Wochen, längstens bis zu drei Monaten verpflichtet. Sie sind nach § 50 AsylVfG unverzüglich aus der Aufnahmeeinrichtung zu entlassen und innerhalb des Landes zu verteilen. Nach Durchführung der Gesundheitsuntersuchung nach § 62 AsylVfG erfolgt die Verteilung in Bayern nach Art. 4, 6 Aufnahmegesetz in Gemeinschaftsunterkünfte und Unterkünfte der Kreisverwaltungsbehörden beziehungsweise kreisfreien Städte unter Sicherstellung der infektionsschutzrechtlichen Belange durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Eine Weiterverlegung durch die Unterbringungsverwaltung soll grundsätzlich erst dann erfolgen, wenn die Gesundheitsuntersuchungen nach § 62 AsylVfG durchgeführt und befundet wurden. Werden ansteckende Krankheiten festgestellt, werden die notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen im Einzelfall im Ermessen des für die Erstaufnahmeeinrichtung zuständigen Gesundheitsamtes getroffen. Falls z. B. eine ansteckungsfähige Lungentuberkulose festgestellt wird, erfolgt eine Weiterverlegung erst, wenn durch eine ausreichend lange medikamentöse Behandlung in Zusammenarbeit mit der Lungenfachklinik, in der der Asylsuchende aufgenommen wird, eine Weiterverbreitung auszuschließen ist. b) Sind Fälle bekannt, in denen Asylbewerber zuge- wiesen wurden, ohne dass die aufnehmenden Behörden über eine Erkrankung informiert wurden, obwohl diese bereits bekannt war? Drucksache 17/2929 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Siehe Antwort zu den Fragen 2 a und 2 b. c) Wie wird derzeit sichergestellt, dass im Zuge der Zuweisung erkrankter Asylbewerber in die Unterkünfte keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der betroffenen Personen selbst und keine Ansteckung von Mitbewohnern in den Unterkünften , von Mitarbeitern der Behörden bzw. von betreuenden ehrenamtlichen Mitarbeitern eintritt? Durch die Gesundheitsuntersuchung nach § 62 AsylVfG wird sichergestellt, dass relevante Infektionskrankheiten, wie z. B. eine Tuberkulose, entdeckt werden, die Asylsuchenden einer entsprechenden Behandlung zugeführt und die notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen durch die Gesundheitsämter eingeleitet werden, um eine Weiterverbreitung bei Bewohnern und Personal sowohl in den Erstaufnahmeeinrichtungen als auch in den dezentralen Unterkünften zu verhindern. 4. Ist es nach gängiger Praxis auszuschließen, dass in konkreten Fällen die aufnehmenden Behörden nicht über die Erkrankung eines Asylbewerbers informiert werden? Siehe Antwort zu den Fragen 2 a und 2 b. 5. a) Wie viele Fälle von (Scabies) Krätze wurden 2013 und im bisherigen Verlauf 2014 bei Asylbewerbern in den Erstaufnahmeeinrichtungen diagnostiziert? b) Wie viele Fälle sind der Staatsregierung bekannt, in denen die Erkrankung in den Aufnahmeeinrichtungen nicht entdeckt wurde? Wegen des inhaltlichen Zusammenhangs werden die Fragen 5 a und 5 b gemeinsam beantwortet: Da es sich bei Scabies (Krätze) nicht um eine meldepflichtige Infektionskrankheit nach IfSG handelt, liegen dem StMGP hierzu keine Zahlen vor. Von Scabies geht keine unmittelbare Gesundheitsgefahr aus. 6. a) Wie viele Fälle von Tbc wurden 2013 und im bisherigen Jahresverlauf 2014 bei Asylbewerbern in Bayern diagnostiziert? Die rückwirkende Ermittlung der Tbc-Fälle bei Asylsuchenden für 2013 ist nicht möglich. Eine Abfrage der aktuellen Zahlen für 2014 bei den für die Erstaufnahme zuständigen Gesundheitsämtern ergab bis zur 30. KW 68 nach IfSG gemeldete Tuberkulosefälle bei Asylsuchenden bei der Erstaufnahme . Im Vergleich dazu sind in Bayern im selben Zeitraum 404 Tuberkulosefälle (alle meldepflichtigen Tbc-Fälle bayernweit) nach IfSG an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) gemeldet worden. b) Wie hoch ist die Zahl der Fälle, die in den Aufnahmeeinrichtungen nicht entdeckt wurden? Konkret sind dem StMGP bisher zwei Fälle bekannt, bei denen ein Asylsuchender weiterverlegt wurde, ohne dass die Behandlung einer in der Gesundheitsuntersuchung bei Erstaufnahme entdeckten Tuberkulose abgeschlossen war. In beiden Fällen ist es zu einer verzögerten Information der aufnehmenden Gesundheitsverwaltung gekommen. In beiden Fällen waren die Personen ausreichend behandelt und somit zum Zeitpunkt der Weiterverlegung nicht mehr als ansteckend anzusehen. Dementsprechend haben die vor Ort unverzüglich eingeleiteten Umgebungsuntersuchungen keine Folgefälle aufgedeckt. Durch die bereits getroffenen Maßnahmen (siehe Nr. 2 b) wird davon ausgegangen, dass der Informationsfluss zukünftig reibungslos funktioniert.