Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Angelika Weikert, Arif Taşdelen SPD vom 16.07.2014 Elternkurse für Familien mit erhöhtem Integrationsbedarf In einer Pressemitteilung vom 19. August 2011 kündigte der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer, an, alle im Bildungsprozess Beteiligten einladen zu wollen, um mit ihnen gemeinsam ein Konzept für die Einrichtung von Elternschulen zu erarbeiten. Elternschulen sollen Herrn Neumeyers Ausführungen nach ein freiwilliges Serviceangebot für Familien sein, die aufgrund eines Migrationshintergrunds oder wegen schwieriger sozialer Verhältnisse, einen erhöhten Integrationsbedarf haben. Eltern sollen dort Hilfestellung in den Bereichen Erziehung, Wertevermittlung und Bildungsförderung erhalten . In einer weiteren Pressemitteilung vom 30. März 2012 regte Integrationsbeauftragter Martin Neumeyer zudem an, Kurse in den Bereichen Gesundheitserziehung und Vermittlung von Medienkompetenz anzubieten. Als Konsequenz aus dem Berufsbildungsbericht der Bundesregierung 2012 nannte der Integrationsbeauftragte der Staatsregierung, Martin Neumeyer, Elternschulen erneut als Mittel, um mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit für Kinder aus Familien mit Integrationsbedarf herzustellen. Die Staatsregierung hat das angekündigte Konzept für die Ausgestaltung von Elternschulen auch drei Jahre nach der ersten Ankündigung noch nicht vorgelegt. Wir fragen die Staatsregierung: 1. a) Wird vonseiten der Staatsregierung an der Ausarbeitung eines Konzeptes für Elternkurse für Familien mit erhöhtem Integrationsbedarf in den von Herrn Neumeyer genannten Bereichen gearbeitet? b) Wer ist an der Ausarbeitung des Konzeptes beteiligt? Bei wem liegt die Federführung? c) Wann wird das vom Integrationsbeauftragten der Staatsregierung Martin Neumeyer angekündigte Konzept für die Ausgestaltung der Elternschulen vorgelegt ? 2. Wurden vonseiten der Staatsregierung Kursangebote für Familien mit erhöhtem Integrationsbedarf als Modellprojekte eingerichtet? Wenn ja, welche Erkenntnisse konnten bisher aus diesen Modellprojekten gezogen werden? 3. Wo bestehen auf Initiative von Kommunen, von freien Trägern oder auf ehrenamtlicher Basis Kursangebote für Familien mit erhöhtem Integrationsbedarf in den von Herrn Neumeyer genannten Bereichen? 4. Werden diese Angebote vonseiten der Staatsregierung unterstützt? Wenn ja, in welchem Umfang und zu welchen Konditionen? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 12.08.2014 1. a) Wird vonseiten der Staatsregierung an der Ausarbeitung eines Konzeptes für Elternkurse für Familien mit erhöhtem Integrationsbedarf in den von Herrn Neumeyer genannten Bereichen gearbeitet ? Die Staatsregierung hat mit einem Beschluss des Ministerrats zum Thema „Eltern stärken“ vom 1. Juli 2013 ein entsprechendes Konzept verabschiedet. Im Ausgangspunkt ist festzustellen: Eltern tragen für die Zukunft ihrer Kinder Verantwortung und werden dieser in der Regel auch gerecht – unabhängig, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Der Migrationshintergrund ist in der Regel also nicht das wesentliche Unterscheidungsmerkmal. Bestehende Regelangebote und Projekte der staatlichen Förderung richten sich daher stets an alle Familien mit entsprechendem Bedarf. Für Eltern mit Migrationshintergrund werden allerdings oft Integrationsbrücken gebaut, die den Zugang zu Angeboten erleichtern oder diese gezielt ergänzen sollen. Unter Berücksichtigung des Prinzips der Vielfalt vor Ort werden deshalb bestehende Angebote vor Ort unter der Dachmarke „Eltern stärken“ noch stärker untereinander koordiniert und miteinander vernetzt, um sie damit für Eltern transparenter zu machen. Die Dachmarke „Eltern stärken“ besteht im Kern aus zentralen Bausteinen der bestehenden Säulen (Eltern- und Familienbildung, Migrationsberatung, Schule), die interkulturelle Aspekte berücksichtigen und deren Arbeit und Planung verknüpfen bzw. weiterentwickeln, ohne Doppelstrukturen zu schaffen. b) Wer ist an der Ausarbeitung des Konzeptes beteiligt ? Bei wem liegt die Federführung? Dieses Konzept wird in der jeweiligen Ressortzuständigkeit umgesetzt. Als Querschnittsfunktion ist die bayerische Integrationspolitik im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration als Integrationsministerium verankert. Die Freie Wohlfahrtspflege Bayern (FW) ist über dieses Konzept informiert. Auch haben sich die Länder in der Integrationsministerkonferenz (IntMK) auf Initiative Bayerns einstimmig für eine Kultur aktiver Eltern- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.10.2014 17/2949 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2949 verantwortung ausgesprochen und ein landesweites Netzwerkkonzept , das verschiedene Struktursäulen effizient miteinander verknüpft, als Querschnittselement gebilligt. Weiter ist die Bundesebene (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF) informiert. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgehalten: „Wir wollen Eltern mit Migrationshintergrund besser erreichen . Hierzu werden wir ein Bundesprogramm „Eltern stärken “ auflegen, durch das Eltern mit Migrationshintergrund direkt in die Arbeit von Kitas und Schulen einbezogen werden sollen.“ c) Wann wird das vom Integrationsbeauftragten der Staatsregierung Martin Neumeyer angekündigte Konzept für die Ausgestaltung der Elternschulen vorgelegt? Siehe Antwort zu 1 a. 2. Wurden vonseiten der Staatsregierung Kursangebote für Familien mit erhöhtem Integrationsbedarf als Modellprojekte eingerichtet? Wenn ja, welche Erkenntnisse konnten bisher aus diesen Modellprojekten gezogen werden? Für die Stärkung der Erziehungskompetenz sind im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe die Kommunen zuständig. Der Freistaat Bayern engagiert sich neben seinen gesetzlichen Leistungen nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz auch nachhaltig im Bereich der freiwilligen Leistungen. Der o. g. konzeptionelle Ansatz beruht auf der bayernweiten Vervollständigung und Vernetzung der örtlich vorhandenen Strukturen. Kern ist, die Transparenz bestehender Angebote weiter zu erhöhen (Integrationsbrücken). Die Staatsregierung informiert daher über außerschulische Angebote der Elternbildung und -beratung, insbesondere der Erziehungsberatungsstellen, die im Allgemeinen darauf abzielen, über die Information und sprachliche Qualifikation hinaus z. B. in der Form von möglichst niedrigschwelligen Eltern-Kind-Angeboten, Beratungen und Veranstaltungen auf Einstellungen und Haltungen eher bildungsferner Eltern mit Zuwanderungsgeschichte einzuwirken. Darunter sind beispielsweise zu nennen (s. auch Antwort zu Frage 3): • staatliche, kommunale oder private Initiativen und Maßnahmen wie die Elternintegrationskurse des BAMF (mehrsprachige Info-Broschüre „Deutsch lernen. Deutschland kennen lernen“: bestellung@zeitbild.de), Hippy, Mama lernt Deutsch, Elternlotsen, • ELTERNTALK der Aktion Jugendschutz, • Integrationspolitische Angebote, z. B. Elternkurse des Kinderschutzbundes, • Elternbriefe des Bayerischen Landesjugendamts – ZBFS • mehrsprachige Elternbriefe des Instituts für Frühpädago- gik – IFP An den Schulen bestehen zahlreiche Initiativen zur Motivation und Information von Migranteneltern wie Elterncafés, vgl. die Ergebnisse des staatlichen Modellprojekts KommMIT auf dem Portal des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung http://www.kompetenz-interkulturell.de. 3. Wo bestehen auf Initiative von Kommunen, von freien Trägern oder auf ehrenamtlicher Basis Kursangebote für Familien mit erhöhtem Integrations- bedarf in den von Herrn Neumeyer genannten Bereichen ? Angebote für Familien sind Maßnahmen der Jugendhilfe, für welche die Landkreise und kreisfreien Städte im eigenen Wirkungskreis zuständig sind. Ausgehend von dem Ziel, die Elternkompetenz zu stärken, stehen die Einrichtungen und Maßnahmen – Koordinierende Kinderschutzstellen – KoKi, Erziehungsberatungsstellen, Jugendsozialarbeit an Schulen , Familienstützpunkte – in jedem Jugendamtsbezirk mit staatlicher Unterstützung zur Verfügung. ELTERNTALK gibt es aktuell an 25 Standorten in Bayern. Zusätzlich werden integrationspolitische Projekte unterstützt, beispielsweise türkischsprachige Elternkurse des Deutschen Kinderschutzbundes , ein Elternbildungsprogramm zur gewaltfreien Erziehung , und die Kontaktstelle für Migranten des IBF Schweinfurt , die neben sprachfördernden Elementen auch Angebote zur Familienbildung zur Verfügung stellt. Im Einzelnen: JaS Maßnahmen der Jugendsozialarbeit dienen der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind nach § 13 Abs. 1 SGB VIII zuständig für die Jugendsozialarbeit. Seitens des Freistaats werden bestmögliche Rahmenbedingungen für Kommunen geschaffen, um ihrer Verantwortung in diesem sekundär-präventiven Bereich nachzukommen und entsprechende Angebote vorzuhalten . Seit 2003 wird die Jugendsozialarbeit an Schulen – JaS – an Haupt-, Berufs- und Förderschulen etabliert. Sozialpädagogische JaS-Fachkräfte sind gewissermaßen die „Filiale“ des Jugendamtes an der Schule. Problemlagen wie etwa Konflikte im familiären oder schulischen Umfeld können frühzeitig erkannt und z. B. durch intensive Einzelgespräche mit den jungen Menschen und deren Eltern Chancen eröffnet und riskante Entwicklungen verhindert werden. Zielgruppe der Maßnahmen sind sozial benachteiligte junge Menschen. Hierzu gehören auch junge Menschen mit Migrationshintergrund , wenn sie in sozioökonomisch schwierigen Verhältnissen aufwachsen und ihnen die nötige Unterstützung von zu Hause fehlt. Seit 2009 kann die JaS auch an Grundschulen mit einem Migrantenanteil von mindestens 20 % mit staatlicher Förderung zum Einsatz kommen. Damit wurde gezielt ein Beitrag dazu geleistet, Kinder mit Migrationshintergrund zu fördern und die in den Kindertageseinrichtungen bereits erfolgten Unterstützungsleistungen konsequent weiterzuführen, bzw. die Migrantenkinder, die bis zur Grundschule keine Kindertageseinrichtung besucht haben , zu unterstützen. Derzeit werden 656 JaS-Stellen an 907 Schulen gefördert . ELTERNTALK Das Projekt ELTERNTALK der Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e. V. ist besonders geeignet, die elterlichen Erziehungskompetenzen gezielt zu fördern: In privater Atmosphäre treffen sich Eltern in Gesprächsrunden, um Erziehungsfragen rund um Medien, Gesundheit und Konsum zu klären. Dieser Erfahrungsaustausch wird von geschulten, ehrenamtlichen Moderatoren geleitet und dreht sich beispielsweise um die Frage: „Was kann ich tun, wenn mein Kind zu lange vor dem Computer sitzt?“ Das Projekt ist auch wesentlicher Bestandteil der Kampagne der Bayerischen Staatsregierung „Was spielt mein Kind?“, die dieses Jahr mit dem Schwerpunkt exzessive Mediennutzung läuft. Aktuell gibt es ELTERNTALK an 25 Standorten in Bayern. Drucksache 17/2949 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Aufgrund der nachgewiesenen Wirksamkeit des Projekts ELTERNTALK und der Zufriedenheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat der Freistaat die Weichen für den flächendeckenden Ausbau in Bayern gestellt. Nach aktueller Auswertung (2012) haben fast 75 % der teilnehmenden Eltern einen Migrationshintergrund (26,80 % russisch, 37,60 % türkisch, 9,40 % andere Kulturkreise). Familienstützpunkte Familienstützpunkte erfüllen eine Lotsen- und Wegweiserfunktion im Bereich der Eltern- und Familienbildung. Dadurch werden auf kommunaler Ebene die Angebote der Eltern- und Familienbildung eruiert, ausgebaut und vernetzt und somit wesentliche Strukturen für eine Koordination und Planung geschaffen. Familienstützpunkte werden an bestehende Einrichtungen vor Ort (z. B. Mütterzentren, Erziehungsberatungsstellen aber auch Kindertagesstätten) angegliedert. Dies ermöglicht es, bereits vorhandene Kompetenzen zu nutzen, einen niedrigschwelligen Ansatz zu verfolgen sowie den Aufbau von Doppelstrukturen zu vermeiden . Das Angebot orientiert sich am sozialräumlichen Bedarf und beinhaltet entsprechend ggf. migrationsspezifische Komponenten. 4. Werden diese Angebote vonseiten der Staatsregierung unterstützt? Wenn ja, in welchem Umfang und zu welchen Konditionen? Das StMAS stärkt den Kinderschutz mit rd. 4,58 Mio. €/Jahr, insb. durch die Förderung Koordinierender Kinderschutzstellen (KoKi-Netzwerk frühe Kindheit zur systematischen Vernetzung Früher Hilfen), die in Bayern flächendeckend bei den Jugendämtern eingerichtet sind, sowie der Förderung der bayernweiten Kinderschutzambulanz beim Institut für Rechtsmedizin der LMU München. Das StMAS fördert flächendeckend rd. 180 Erziehungsberatungsstellen mit rd. 7,5 Mio. € /Jahr. Seit dem 1. Januar 2005 wird auch das gemeinsame Länderprojekt „Virtuelle Beratungsstelle – Erziehungsberatung im Internet“ der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) im Regelbetrieb durchgeführt. Für die Organisation und technische Abwicklung erbringt Bayern einen finanziellen Anteil (2014 rd. 38.000 Euro), die erforderliche Beratung leisten die Fachkräfte der beteiligten Erziehungsberatungsstellen. Die Kontaktstelle für Migranten des IBF Schweinfurt wird 2014 mit rund 50.000 Euro, die Elternkurse des DKSB werden voraussichtlich mit rund 30.000 Euro unterstützt. JaS Die Förderung von JaS-Maßnahmen erfolgt auf der Grundlage der staatlichen JaS-Förderrichtlinie, in der die Kriterien festgelegt sind (Details unter www.jugendsozialarbeit.ba yern.de). Ziel ist der kontinuierliche Ausbau des staatlichen Regelförderprogramms Jugendsozialarbeit an Schulen auf 1.000 JaS-Stellen (Vollzeitäquivalente) bis zum Jahr 2019. Die Fördersumme beträgt 16.360 €/Stelle (Vollzeitäquivalent ). ELTERNTALK Das Projekt ELTERNTALK wird vom StMAS im Jahr 2014 mit 720.000 EUR gefördert. Familienstützpunkte Die Förderung der strukturellen Weiterentwicklung der kommunalen Familienbildung und von Familienstützpunkten erfolgt auf der Grundlage einer Förderrichtlinie (Details unter www.zbfs.bayern.de/foerderung/familie/stuetzpunkte/index. php). Ziel ist der kontinuierliche Ausbau von Familienstützpunkten in ganz Bayern. Im Haushaltsjahr 2014 stehen als Fördersumme 2,5 Mio. Euro zur Verfügung.