Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 14.07.2014 Rote Listen der bayerischen Staatsanwaltschaften für Gerichtsgutachter und Sachverständige Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung über einen angeklagten Gerichtsgutachter ist dieser bereits vor der Anklage auf eine rote Liste der Staatsanwaltschaft gesetzt worden und damit wurde er, in diesem Fall vermutlich zurecht, nicht mehr für Aufträge in Erwägung gezogen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Gibt es bei allen Staatsanwaltschaften „rote Listen“, die einzelne Gutachter von Aufträgen ausschließen? 2. Wenn ja, wie viele und welche Gutachter befinden sich auf diesen Listen? 3. Ist die „rote Liste” der Münchner Staatsanwaltschaft mit den Gerichten abgestimmt? 4. Welche Kriterien werden zugrunde gelegt, um einen Gutachter nicht mehr mit Aufträgen zu betrauen? 5. Wer entscheidet über die Aufnahme der Gutachter auf diese Listen? 6. Werden die betroffenen Sachverständigen vorher informiert und können sie Stellung nehmen? 7. Wusste der Generalstaatsanwalt in München davon und hat er die Listen gebilligt? 8. Wusste das Staatsministerium der Justiz davon und hat man den bayerischen Justizminister informiert? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 26.08.2014 1. Gibt es bei allen Staatsanwaltschaften „rote Listen“, die einzelne Gutachter von Aufträgen ausschließen? Die Generalstaatsanwälte in München, Nürnberg und Bamberg haben übereinstimmend berichtet, dass es in ihren Geschäftsbereichen „rote Listen“, die einzelne Gutachterinnen und Gutachter von Aufträgen ausschließen würden, nicht gibt. Die Auswahl der jeweiligen Sachverständigen im Ermittlungsverfahren erfolge im Rahmen von Nr. 70 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie in (entsprechender) Anwendung von § 73 StGB; sie stehe im pflichtgemäßen Ermessen eines jeden Staatsanwalts und richte sich insbesondere nach fachlicher Qualifikation und persönlicher Eignung des bzw. der Sachverständigen. Die Generalstaatsanwälte haben ferner berichtet, dass sachliche Gründe, einen/eine Sachverständige nicht zu beauftragen , beispielsweise sein können: fachliche Mängel bereits erstellter Gutachten, inakzeptable Dauer für die Gutachtenerstellung (insbesondere dann, wenn trotz Fristsetzung und Fristverlängerung das Gutachten nicht rechtzeitig erstellt werde) sowie unsachliche Ausführungen, die zu einer Ablehnung wegen Befangenheit des/der Sachverständigen Anlass geben könnten. Eine Beauftragung von Sachverständigen unterbleibe zeitweise auch dann, wenn Erkenntnisse bestünden, dass der/die Sachverständige bereits durch andere Aufträge überlastet sei. In Einzelfällen erfolge (zeitweise) auch keine Beauftragung, wenn beispielsweise eine psychische Erkrankung des/der Sachverständigen, relevante Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen einen/eine Sachverständige oder die Kenntnis von Nebentätigkeiten trotz nicht vorhandener Nebentätigkeitsgenehmigung vorlägen . Vor diesem Hintergrund sieht die Staatsanwaltschaft München II derzeit von einer weiteren Beauftragung von Dr. S. ab. Ergänzend wird ferner Folgendes ausgeführt: Bei strafrechtlich relevantem Verhalten eines/einer Sachverständigen wird eine Information der für die Berufs- und Standesaufsicht zuständigen Behörde und der gegebenenfalls zuständigen Berufskammer durch die Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) gewährleistet. Nr. 26 MiStra legt fest, dass in Strafsachen gegen Angehörige der Heilberufe bei Verletzung berufsbezogener Pflichten oder bei anderweitigen Zweifeln an der Eignung, Zuverlässigkeit oder Befähigung das Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft der zuständigen Behörde (in Bayern regelmäßig das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) und der zuständigen Berufskammer (z. B. Bayerische Landesärztekammer , Bayerische Apothekerkammer) bestimmte Sachverhalte mitzuteilen hat. Dies umfasst grundsätzlich den Erlass und Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls, Entscheidungen im Zusammenhang mit einem vorläufigen Berufsverbot und die Erhebung der öffentlichen Klage sowie der Ausgang des Verfahrens, wenn eine Mitteilung aus den zuvor genannten Gründen zu machen war. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass die jeweilige Behörde und Berufskammer bei entsprechendem Verdacht über das Strafverfahren in Kenntnis gesetzt wird und dienstrechtliche bzw. berufsaufsichtsrechtliche Maßnahmen in eigener Zuständigkeit treffen kann. Eine generelle Mitteilungspflicht bezüglich der Einleitung eines jeden Ermittlungsverfahrens besteht hingegen nicht. Die Beschränkung der Mitteilungspflichten auf bestimmte Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.10.2014 17/2950 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2950 Sachverhalte, in denen der Verdacht bereits eine gewisse Erheblichkeits- bzw. Dringlichkeitsschwelle erreicht hat, ist Ausdruck der verfassungsrechtlich erforderlichen Interessenabwägung bei der Übermittlung personenbezogener Daten, in die insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einfließt. Nr. 26 MiStra setzt die in §§ 12 ff. EGGVG, insbesondere durch § 14 Abs. 1 Nr. 4 EGGVG getroffenen Regelungen um. Im Einzelfall können unter bestimmten engen Voraussetzungen auch frühzeitigere Mitteilungen zulässig sein, z. B. zur Abwehr einer erheblichen Gefährdung Minderjähriger (Nr. 35 MiStra). Werden gegen Sachverständige relevante Ermittlungs- oder Strafverfahren geführt, so liegt ferner regelmäßig ein Fall vor, in dem nach Nr. 1 der Bekanntmachung über Berichtspflichten in Strafsachen (BeStra) vom 7. Dezember 2005 (JMBl 2006, S. 2) dem Staatsministerium der Justiz zu berichten ist. Die entsprechende Vorschrift lautet: „Die Staatsanwaltschaften berichten dem Staatsministerium der Justiz in allen Strafsachen, die wegen der Persönlichkeit oder der Stellung eines Beteiligten, wegen der Art oder des Umfangs der Beschuldigung oder aus anderen Gründen weitere Kreise beschäftigen oder voraussichtlich beschäftigen werden, oder die zu Maßnahmen der Justizverwaltung oder der Gesetzgebung Anlass geben können.“ 2. Wenn ja, wie viele und welche Gutachter befinden sich auf diesen Listen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. 3. Ist die „rote Liste“ der Münchner Staatsanwaltschaft mit den Gerichten abgestimmt? Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. 4. Welche Kriterien werden zugrunde gelegt, um einen Gutachter nicht mehr mit Aufträgen zu betrauen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. 5. Wer entscheidet über die Aufnahme der Gutachter auf diese Listen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. 6. Werden die betroffenen Sachverständigen vorher informiert und können sie Stellung nehmen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. 7. Wusste der Generalstaatsanwalt in München davon und hat er die Listen gebilligt? Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. 8. Wusste das Staatsministerium der Justiz davon und hat man den bayerischen Justizminister informiert? Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen.