Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 10.07.2014 Hürden bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf In Hinblick auf eine familienfreundlichere Arbeitswelt und eine leistungsstärkere Kinderbetreuung frage ich die Staatsregierung : 1. Wie unterstützt der Freistaat bei ihm im Vorbereitungs- dienst für Rechtsreferendare angestellte Frauen oder Männer, die bereits ein Kind oder mehrere erziehen, in dem Ziel, das zweite juristische Staatsexamen erfolgreich zu absolvieren? a) Ist es möglich, das Referendariat in Teilzeit abzuleisten ? b) Gibt es spezielle Kinderbetreuungsangebote für Rechtsreferendare/-referendarinnen? c) Besteht die Möglichkeit, Sonderurlaub zur Betreuung erkrankter Kinder zu beantragen, ohne dass sich hierdurch der Vorbereitungsdienst verlängert? d) Inwieweit werden Kinder bei Ortswünschen der Bewerber berücksichtigt? e) Kann eine finanzielle Unterstützung (Kinderzuschlag o. Ä.) zur Unterhaltsbeihilfe beantragt werden, und wenn ja, in welcher Höhe? f) Wie wird den Rechtsreferendaren/-referendarinnen der Wiedereinstieg in den Vorbereitungsdienst nach Mutterschutz/Elternzeit ermöglicht? 2. Wie viele sorgeberechtigte Mütter minderjähriger Kin- der sind derzeit im Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare in Bayern angestellt? 3. Wie viele sorgeberechtigte Väter minderjähriger Kin- der sind derzeit im Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare in Bayern angestellt? 4. Wie unterstützt der Freistaat Bayern Staatsanwälte/ -anwältinnen und Richter/-innen, die ein Kind oder mehrere erziehen, in dem Ziel, Familie und Beruf bestmöglich zu vereinbaren? a) Inwieweit und in welcher Form sind Teilzeitlösungen vorhanden? b) Gibt es spezielle Kinderbetreuungsangebote für Staatsanwälte/-anwältinnen und Richter/-innen? c) Inwieweit werden familienbezogene Ortswünsche bei der Einstellung/Versetzung berücksichtigt? d) Mit welchen Maßnahmen wird der Wiedereinstieg in den Beruf nach Mutterschutz/Elternzeit ermöglicht, welche Arbeitszeitmodelle können gewählt werden? 5. Wie viele sorgeberechtigte Mütter minderjähriger Kinder sind derzeit als Staatsanwältinnen und Richterinnen in Bayern angestellt? 6. Wie viele sorgeberechtigte Väter minderjähriger Kin- der sind derzeit als Staatsanwälte und Richter in Bayern angestellt? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 27.08.2014 1. Wie unterstützt der Freistaat bei ihm im Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare angestellte Frauen oder Männer, die bereits ein Kind oder mehrere erziehen, in dem Ziel, das zweite juristische Staatsexamen erfolgreich zu absolvieren? a) Ist es möglich, das Referendariat in Teilzeit abzuleisten ? Eine Ableistung des juristischen Vorbereitungsdienstes in Teilzeit ist aufgrund bundesgesetzlicher Vorgaben bislang nicht möglich. § 5 b Abs. 1 Deutsches Richtergesetz (DRiG) bestimmt, dass der Vorbereitungsdienst zwei Jahre dauert. Im Falle eines Teilzeitreferendariats müsste der Vorbereitungsdienst zwangsläufig entsprechend verlängert werden (z. B. auf vier Jahre bei einer Ableistung des Vorbereitungsdienstes zu 50 % der Arbeitskraft). § 5 b Abs. 1 DRiG schließt eine derartige Verlängerung indes aus. Der für die Juristenausbildung zuständige Fachausschuss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat jedoch in seiner letzten Sitzung am 19. Mai 2014 in Magdeburg beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, welche den Bedarf und die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung eines Teilzeitreferendariats untersuchen soll. b) Gibt es spezielle Kinderbetreuungsangebote für Rechtsreferendare/-referendarinnen? Spezielle Kinderbetreuungsangebote für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare bestehen nicht. In München gibt es jedoch eine Kinderkrippe für Beamtinnen und Beamte , für welche auch Referendarinnen und Referendare Plätze beantragen können. Ferner besteht in Nürnberg eine Vereinbarung mit einer dortigen Kinderkrippe, wonach Justiz- angehörige (also auch Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare ) bei der Platzvergabe bevorzugt werden. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.10.2014 17/2959 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2959 c) Besteht die Möglichkeit, Sonderurlaub zur Betreuung erkrankter Kinder zu beantragen, ohne dass sich hierdurch der Vorbereitungsdienst verlängert ? Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Sicherung des juristischen Vorbereitungsdienstes (SiGjurVD) finden für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare die beamtenrechtlichen Vorschriften entsprechende Anwendung. Für die Betreuung eines erkrankten Kindes kann daher gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 e, Abs. 3 Urlaubsverordnung (UrlV) Dienstbefreiung gewährt werden. Hierdurch verlängert sich der Vorbereitungsdienst nicht, § 53 Abs. 2 Satz 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO). Bei längerfristigen Erkrankungen kann ggf. kurzfristig Elternzeit beantragt werden, welche aber in der Regel nicht auf den Vorbereitungsdienst angerechnet wird (§ 53 Abs. 2 Satz 3 JAPO). d) Inwieweit werden Kinder bei Ortswünschen der Bewerber berücksichtigt? Ortswünsche von Bewerbern mit minderjährigen Kindern werden stets berücksichtigt. e) Kann eine finanzielle Unterstützung (Kinderzuschlag o. Ä.) zur Unterhaltsbeihilfe beantragt werden , und wenn ja, in welcher Höhe? Die Unterhaltsbeihilfe der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare umfasst gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SiGjurVD auch einen Familienzuschlag. Dessen Höhe richtet sich nach den beamtenrechtlichen Vorschriften. Hiernach beträgt beispielsweise der Familienzuschlag für einen verheirateten Rechtsreferendar mit einem Kind 229,26 €. Für das zweite zu berücksichtigende Kind erhöht er sich um 105,68 €, für jedes weitere zu berücksichtigende Kind um 327,55 € (Art. 35 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage 5 Bayerisches Besoldungsgesetz). f) Wie wird den Rechtsreferendaren/-referendarinnen der Wiedereinstieg in den Vorbereitungsdienst nach Mutterschutz/Elternzeit ermöglicht? Die betroffenen Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare werden in der Regel anlässlich ihres Wiedereinstiegs in den Vorbereitungsdienst individuell beraten. Hierbei werden ihnen die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt . Grundsätzlich sollte der Wiedereinstieg ohne Verlust von theoretischen und praktischen Ausbildungsveranstaltungen erfolgen. Es wird daher empfohlen, das Ende der Elternzeit dergestalt zu beantragen, dass der Wiedereintritt in einen späteren Ausbildungsjahrgang zu einem Zeitpunkt erfolgt , der im Ausbildungsablauf dem Zeitpunkt des Beginns des Mutterschutzes entspricht. Soweit gewünscht, werden aber auch andere Wiedereintrittszeitpunkte ermöglicht. Der bzw. die Betreffende erhält ein Schreiben des jeweiligen Oberlandesgerichts, in welchem die noch abzuleistenden Ausbildungsabschnitte und der Termin der zweiten juristischen Staatsprüfung bezeichnet sind. 2. Wie viele sorgeberechtigte Mütter minderjähriger Kinder sind derzeit im Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare in Bayern angestellt? 3. Wie viele sorgeberechtigte Väter minderjähriger Kinder sind derzeit im Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare in Bayern angestellt? Die Fragen nach „sorgeberechtigten“ Müttern und Vätern minderjähriger Kinder, die als Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare angestellt sind, kann nicht beantwortet werden. Aufzeichnungen nach der Sorgeberechtigung werden nicht geführt; eine Erhebung wäre mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Derzeit sind in Bayern 100 Rechtsreferendarinnen mit Kindern (hiervon 30 in Mutterschutz oder Erziehungsurlaub) und 34 Rechtsreferendare mit Kindern (davon drei in Erziehungsurlaub ) im Vorbereitungsdienst angestellt. 4. Wie unterstützt der Freistaat Bayern Staatsanwälte/ -anwältinnen und Richter/-innen, die ein Kind oder mehrere erziehen, in dem Ziel, Familie und Beruf bestmöglich zu vereinbaren? a) Inwieweit und in welcher Form sind Teilzeitlösungen vorhanden? Staatsanwältinnen und Staatsanwälten sowie Richterinnen und Richtern kann im Rahmen und unter den Voraussetzungen der gesetzlichen Bestimmungen des Bayerischen Beamtengesetzes (Art. 88, 89) sowie des Bayerischen Richtergesetzes (Art. 8, 8 a) die Arbeitszeit bzw. der Dienst bis auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit bzw. die Hälfte des regelmäßigen Dienstes ermäßigt werden. In der überwiegenden Zahl der bewilligten Arbeitszeit- bzw. Dienstermäßigungen leisten die Bediensteten Teilzeit im Umfang der Hälfte des regelmäßigen Dienstes. Soweit die dienstlichen Verhältnisse dies erlauben und keine unbesetzten Stellenreste entstehen, werden auch Anträge auf Ermäßigung in anderem Umfang (z. B. von drei Vierteln, zwei Dritteln o. Ä.) bewilligt. b) Gibt es spezielle Kinderbetreuungsangebote für Staatsanwälte/-anwältinnen und Richter/-innen? Spezielle Kinderbetreuungsangebote setzen haushaltstechnisch einen entsprechenden Titel im Einzelplan 04 voraus. Das Staatsministerium der Justiz hat sich seit vielen Jahren für die Zurverfügungstellung von Haushaltsmitteln zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften eingesetzt. In den kommenden Doppelhaushalt 2015/2016 wird nunmehr ein entsprechender Titel mit einer Dotierung von 50.000 € pro Jahr eingestellt. Mit diesen Mitteln können Angebote wie z. B. Ferienprogramme für Kinder von Justizbediensteten finanziert werden. Bereits bisher existierende Maßnahmen wie z. B. ein Kindertag am Buß- und Bettag können ausgeweitet werden. Auch künftig wird sich das Staatsministerium der Justiz für eine erweiterte Unterstützung von Kinderbetreuungsangeboten einsetzen. Kindererziehende Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richterinnen und Richter können zudem aus familienpolitischen Gründen die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes beantragen. Sie werden hierdurch in die Lage versetzt, ihre Arbeit von zu Hause aus an einem IT-Arbeitsplatz mit Anschluss an das Justiznetz zu erledigen, soweit nicht spezielle Tätigkeiten die Anwesenheit im Gericht erfordern, wie das z. B. bei öffentlichen Sitzungen der Fall ist. Durch die Nutzung der technischen und organisatorischen Möglichkeiten wird der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in besonderer Weise Rechnung getragen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 1 b Bezug genommen. Drucksache 17/2959 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 c) Inwieweit werden familienbezogene Ortswünsche bei der Einstellung/Versetzung berücksichtigt? Familienbezogene Ortswünsche spielen sowohl bei der Einstellung als auch bei Versetzungen im Rahmen der Besetzung von freien Stellen eine wichtige Rolle. Soweit es möglich ist, wird solchen Wünschen nachgekommen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine Einstellung bzw. Versetzung nur dann möglich ist, wenn bei der angestrebten Dienststelle eine freie Stelle zu besetzen ist und dass es im Einzelfall aus rechtlichen Gründen (z. B. weil jemand einen Rechtsanspruch auf Rückkehr auf eine bestimmte Stelle hat, etwa bei Rückkehr aus Elternzeit oder einer Abordnung) oder zwingenden dienstlichen Gründen (z. B. weil jemand Richter in einem lang dauernden Gerichtsverfahren ist, welches nicht durch eine Wegversetzung gefährdet werden kann) geboten sein kann, eine freie Stelle mit einer anderen Person zu besetzen als mit einem Versetzungsbewerber. Im Rahmen der Möglichkeiten sind jedoch familiäre Belange ein wichtiges Kriterium bei der Einstellung/Versetzung an einem bestimmten Ort. d) Mit welchen Maßnahmen wird der Wiedereinstieg in den Beruf nach Mutterschutz/Elternzeit ermöglicht , welche Arbeitszeitmodelle können gewählt werden? Richterinnen und Richter haben einen gesetzlichen Anspruch auf Gewährung von Dienstermäßigung aus familiären Gründen, wenn sie ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreuen oder pflegen und die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 des Bayerischen Richtergesetzes vorliegen. Danach ist einem Antrag auf Dienstermäßigung zu entsprechen , wenn die Richterin oder der Richter zustimmt, mit Beginn oder bei Änderung des Umfangs oder bei Beendigung der Ermäßigung des Dienstes auch in einem anderen Richteramt desselben Gerichtszweigs verwendet zu werden. Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, die mindestens ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreuen oder pflegen, ist die Arbeitszeit ihrem Antrag entsprechend zu ermäßigen, wenn zwingende dienstliche Gründe nicht entgegenstehen (Art. 89 Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes). Der Wiedereinstieg in den Beruf nach Mutterschutz und Elternzeit ist für erziehende Richterinnen und Staatsanwältinnen auch deshalb attraktiv, weil diese Berufsgruppen nicht der Zeiterfassung unterliegen und die Gestaltung der Arbeits- oder Dienstzeit im Rahmen der dienstlichen Gegebenheiten flexibel möglich ist. Um neue Entwicklungen innerhalb der für sie relevanten Fachgebiete mitverfolgen und sich ggf. gezielt auf den Wiedereinstieg vorbereiten zu können, steht Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten auch während einer Elternzeit die Möglichkeit offen, an den in Bayern sowie bei der Deutschen Richterakademie angebotenen Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Über die Fortbildungsangebote werden daher jeweils nach Möglichkeit auch beurlaubte Bedienstete informiert. 5. Wie viele sorgeberechtigte Mütter minderjähriger Kinder sind derzeit als Staatsanwältinnen und Richterinnen in Bayern angestellt? 6. Wie viele sorgeberechtigte Väter minderjähriger Kinder sind derzeit als Staatsanwälte und Richter in Bayern angestellt? Die Fragen nach „sorgeberechtigten“ Müttern und Vätern minderjähriger Kinder, die als Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie als Richterinnen und Richter tätig sind, kann nicht beantwortet werden. Aufzeichnungen nach der Sorgeberechtigung werden nicht geführt; eine Erhebung wäre mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Gegenwärtig ist familienpolitische Ermäßigung der Arbeitszeit oder des Dienstes 54 Staatsanwältinnen und 391 Richterinnen sowie zwei Staatsanwälten und sieben Richtern bewilligt.