Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joachim Unterländer CSU vom 04.08.2014 Betreuungsgeld und seine Wirkungen Presseberichten ist zu entnehmen, dass die Universität Dortmund und das Deutsche Jugendinstitut eine Studie zu den Auswirkungen des Betreuungsgeldes erstellt haben. Ich frage in diesem Zusammenhang die Staatsregierung: 1. Ist der Staatsregierung bekannt, zu welchem Zeitpunkt die Studie erstellt worden ist? 2. Ist abgefragt worden, ob sich die Verhaltensweise von betroffenen Eltern ändern würde, wenn es diese Leistung nicht gäbe? 3. Teilt die Staatsregierung meine Auffassung, dass Personen mit Migrationshintergrund und mit geringerem Einkommen bei der Bewertung der Studie diskriminiert werden ? 4. Welchen Stellenwert nimmt in der Studie und ihrer Bewertung die Erziehungsleistung von Eltern ein? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 03.09.2014 Vorbemerkung: Die Medienberichte zu den Auswirkungen des Betreuungsgeldes beziehen sich auf das Forschungsprojekt „Kommunale Bedarfserhebung U3 – Der regionalspezifische Betreuungsbedarf und seine Bedingungsfaktoren“, das vom Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut und Technische Universität Dortmund durchgeführt wird. Forschungsgegenstand ist also im Kern die kleinräumige Erfassung der Betreuungsbedarfe für unter Dreijährige. Dem Forschungsprojekt liegt eine Elternbefragung zugrunde, wobei sich nur eine Frage den Einflüssen des Betreuungsgeldes auf die Betreuungsentscheidung der Eltern widmet. 1. Ist der Staatsregierung bekannt, zu welchem Zeitpunkt die Studie erstellt worden ist? Die Elternbefragung wurde von März bis Juni 2013 durchgeführt , also vor Einführung des Betreuungsgeldes zum 1. August 2013. Das Forschungsprojekt ist noch nicht vollständig abgeschlossen . Der Abschlussbericht ist bislang nur auszugsweise , insbesondere betreffend das Betreuungsgeld veröffentlicht worden. 2. Ist abgefragt worden, ob sich die Verhaltensweise von betroffenen Eltern ändern würde, wenn es diese Leistung nicht gäbe? Zum besseren Verständnis wird die Frage zum Betreuungsgeld zunächst wiedergegeben: „Frage 13: Nach der Einführungsphase zum Betreuungsgeld (nur Einjährige bekommen 100 Euro monatlich) erhalten ab dem 1. August 2014 Ein- und Zweijährige ein Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich, wenn das Kind keine Kindertageseinrichtung bzw. Kindertagespflege besucht. Die Möglichkeit, das Betreuungsgeld für Kinder zwischen einem und zwei Jahren zu erhalten, hat mich dazu veranlasst , in Frage 9 anzugeben, dass mein Kind nicht in einer Kindertageseinrichtung oder bei einer Tagesmutter betreut werden sollte (Antwortvorgaben 1=ja, 2=nein). Die Möglichkeit , das Betreuungsgeld für Kinder zwischen zwei und drei Jahren zu erhalten, hat mich dazu veranlasst, in Frage 11 anzugeben, dass mein Kind nicht in einer Kindertageseinrichtung oder bei einer Tagesmutter betreut werden sollte (Antwortvorgaben 1=ja, 2=nein).“ Zum Betreuungsgeld wurden nur diejenigen Eltern befragt , die sich gegen eine Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflege entschieden haben. Die Frage ist eng geführt und lässt keine Alternativen zu: Es wird ausschließlich auf die Ursächlichkeit der Geldleistung für die Betreuungsentscheidung abgestellt. Beispielsweise wird nicht ausdrücklich erfragt, ob sich die Verhaltensweise der Eltern ändern würde , wenn es das Betreuungsgeld nicht gäbe. Eine korrekte Interpretation der Fragestellung durch die Eltern ist darüber hinaus fraglich: Die Frage ist sprachlich schwer verständlich und kompliziert aufgebaut, indem sie auf zwei Fragen vorher Bezug nimmt. Faktisch konnte das Betreuungsgeld vielfach keinen Einfluss auf die Betreuungsentscheidung nehmen, da die Befragung vor Einführung des Betreuungsgeldes durchgeführt wurde und nur ein kleiner Teil der befragten Eltern , deren Kind ab dem 1. August 2012 geboren ist, grundsätzlich Anspruch auf Betreuungsgeld gehabt hätte. Aus diesen Gründen sind die Aussagen der Studie zu den Auswirkungen des Betreuungsgeldes mit großer Skepsis zu betrachten. 3. Teilt die Staatsregierung meine Auffassung, dass Personen mit Migrationshintergrund und mit geringerem Einkommen bei der Bewertung der Studie diskriminiert werden? Ja, es wird implizit unterstellt, dass insbesondere für Eltern mit Migrationshintergrund und mit geringerem Einkommen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.10.2014 17/2980 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2980 die frühe Inanspruchnahme einer Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflege für ihr Kind vorzugswürdig gegenüber der familiären Erziehung wäre. Teile der Elternschaft werden damit in pauschalierender Weise diffamiert. Gerade in den ersten Lebensjahren kommt es besonders auf die emotionale Zuwendung der wichtigsten Bezugspersonen an. Diese ist keine Frage des Einkommens oder der Herkunft der Eltern. Auch wird die pauschale Annahme, dass etwa Kinder mit Migrationshintergrund vom frühen Krippenbesuch besonders profitieren, durch vorliegende Forschungsbefunde nicht bestätigt. 4. Welchen Stellenwert nimmt in der Studie und ihrer Bewertung die Erziehungsleistung von Eltern ein? Die Auswertungen der Befragungsergebnisse zum Betreuungsgeld lassen erkennen, dass die Autoren für einen Teil der Elternschaft die möglichst frühe Inanspruchnahme außerfamiliärer frühkindlicher Bildungsangebote für besonders sinnvoll halten. Verstärkt durch die Medienberichterstattung und Äußerungen vonseiten der Politik wird Eltern das Signal gegeben, sie würden Bildungschancen verpassen, wenn sie sich für die familiäre Erziehung entscheiden. Es gibt jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach die Krippenbetreuung der familiären Erziehung generell überlegen ist. Vielmehr wird in der Forschung überwiegend die Auffassung vertreten, dass es gerade in den ersten Lebensjahren eines Kindes vor allem auf eine gelingende Bindung zu den primären Bezugspersonen ankommt. Statt einseitig Druck auf Eltern auszuüben, hält es die Staatsregierung für wichtig, die von den Eltern jeweils getroffene Betreuungsentscheidung wertzuschätzen. Denn sie wissen am besten, was gut für ihr Kind ist.