Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Inge Aures SPD vom 30.07.2014 Finanzielle Verwerfungen in der Stadt Wunsiedel – Teil 1 Im Gutachten des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes (Gutachter Nr. I 33812, Verbandsprüfer M.) und auch im Konsolidierungsbericht G05214 ist – neben einer Fülle von Rechtswidrigkeiten – die eigenverschuldete finanziell dramatische Situation der Stadt Wunsiedel eindringlich dargestellt worden (Gutachten G 33812 RZ3). Dennoch hat das Landratsamt Wunsiedel den Haushalt 2011/2012 der Stadt am 18.08.2011 genehmigt. Trotz der nunmehr festgestellten eindeutigen Rechtswidrigkeiten hat die Staatsanwaltschaft Hof mit Einstellungsverfügungen vom 17.12.2009 (Az. 16 Js 16705/08) und mit gleichem Aktenzeichen vom 01.08.2011 Einstellungen getätigt. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. a) Wie konnte es ab 2008 zu einer derart katastrophalen Finanzsituation der Stadt Wunsiedel, geduldet vom Landratsamt Wunsiedel ausweislich dessen Haushaltsgenehmigung vom 18.08.2011, kommen? b) Wer trägt hierfür die persönliche Verantwortung? 2. a) Nachdem auch die Regierung von Oberfranken sowie die zuständigen Staatsministerien, insbesondere das Innen- und Justizministerium sowie die Staatskanzlei selbst hiervon jeweils dezidiert in Kenntnis gesetzt worden sind, frage ich die Staatsregierung, warum haben sie nicht rechtzeitig reagiert und diesem rechtswidrigen Tun Einhalt geboten? b) Warum ist angesichts dieser eindeutig vorsätzlich rechtswidrigen, in beiden Gutachten festgestellten massiven Rechtsverstöße nicht, insbesondere nicht gegen den verantwortlichen Bürgermeister sowie die Stadträte und die Verwaltung, sofern nicht remonstriert , eingeschritten worden? c) Wer trägt hierfür die persönliche Verantwortung? 3. a) Nachdem das Landratsamt Wunsiedel mit Haushalts- genehmigung vom 18.08.2011, wenn auch unter Auflagen , eindeutig rechtswidrig verbeschieden hat, frage ich die Staatsregierung, weshalb hat das Landratsamt Wunsiedel nicht einmal die Beachtung der selbst verfügten Auflagen kontrolliert? b) Weshalb ist das Landratsamt Wunsiedel nicht eingeschritten , obwohl die Gutachter eindeutig festgestellt haben, dass die finanzielle Schieflage der Stadt auf ein strukturelles, nicht der Einnahmesituation angepasstes Ausgabeverhalten zurückzuführen ist? c) Weshalb ist das Landratsamt Wunsiedel nicht eingeschritten , obwohl die Verbandsprüfer festgestellt ha- ben, dass die Stadt Wunsiedel im haushaltslosen Jahr 2013 gegenüber den Jahren 2011 und 2012 sich entgegen den Auflagen der Haushaltsgenehmigung vom 18.08.2011 keinerlei Abstriche bzw. Einschränkungen auferlegt hat und die Verbandsprüfer festgestellt haben , dass die Vorgehensweise der Stadt mit den gesetzlichen Vorgaben des Art. 69 GO nicht zu vereinbaren ist? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 09.09.2014 1. a) Wie konnte es ab 2008 zu einer derart katastrophalen Finanzsituation der Stadt Wunsiedel, geduldet vom Landratsamt Wunsiedel ausweislich dessen Haushaltsgenehmigung vom 18.08.2011, kommen ? Die Haushaltslage der Stadt Wunsiedel i. Fichtelgebirge verschlechterte sich in den vergangenen Jahren dramatisch . Der Schuldenstand der Stadt im Kameralhaushalt erhöhte sich allein im Zeitraum von 2010 bis 2012 von rd. 36,28 Mio. € auf rd. 44,65 Mio. € (+ 23 %). Hinzu kommen Verbindlichkeiten aus Geschäftsbesorgungsverträgen in Höhe von rd. 3,56 Mio. € (Ende 2012). Die Stadt weist damit zum Stand 31.12.2012 einen Gesamtschuldenstand von rd. 48,21 Mio. € auf, was einer Verschuldung von 5.189 € je Einwohner entspricht (Landesdurchschnitt: 841 € je Einwohner ). Die Gründe hierfür sieht das Landratsamt Wunsiedel i. Fichtelgebirge vor allem in den strukturellen Gegebenheiten , denen sich fast alle Gemeinden im Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge ausgesetzt sehen. Die demografische Entwicklung und der Verlust von mehr als 10.000 Arbeitsplätzen führten zu verringerten Einnahmen und zu einer Auszehrung der gemeindlichen Haushalte. Das von der Stadt Wunsiedel i. Fichtelgebirge in Auftrag gegebene Gutachten zur Haushaltskonsolidierung des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes (BKPV) vom 12.05.2014 (G 05214) weist allerdings auf Konsolidierungspotenziale hin, die sowohl die Verbesserung der Ertragslage als auch eine Verringerung der Ausgaben zum Gegenstand haben. Man wird daher davon ausgehen müssen, dass die Entwicklung auf eine Mehrzahl von Faktoren zurückzuführen ist. Das Landratsamt Wunsiedel i. Fichtelgebirge genehmigte mit Bescheid vom 18.08.2011 für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 jeweils nur Teilbeträge der vorgesehenen Kredit- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 25.10.2014 17/3032 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3032 aufnahmen. Diese Teilbeträge dienten nach Mitteilung des Landratsamts der Umsetzung von Maßnahmen, die entweder durch rechtliche Vorschriften oder aus anderen Gründen zwingend notwendig waren bzw. sich durch Einsparungen kompensierten. Der Prüfbericht des BKPV über die Prüfung der Jahresrechnungen 2003 bis 2010 und der Kassen der Stadt Wunsiedel (G 33812) vom 21.02.2013 und das genannte Gutachten zur Haushaltskonsolidierung (G 05214) vom 12.05.2014 lagen zu diesem Zeitpunkt nicht vor. b) Wer trägt hierfür die persönliche Verantwortung? Bei einer multikausalen, von strukturellen, demografischen und wirtschaftlichen Faktoren überlagerten Entwicklung ist die Zuordnung zu einzelnen Personen nicht möglich. 2. a) Nachdem auch die Regierung von Oberfranken sowie die zuständigen Staatsministerien, insbesondere das Innen- und Justizministerium sowie die Staatskanzlei selbst hiervon jeweils dezidiert in Kenntnis gesetzt worden sind, frage ich die Staatsregierung, warum haben sie nicht rechtzeitig reagiert und diesem rechtswidrigen Tun Einhalt geboten? Die Rechtsaufsicht über die Stadt Wunsiedel i. Fichtelgebirge führt das Landratsamt Wunsiedel i. Fichtelgebirge. Obere Rechtsaufsichtsbehörde ist die Regierung von Oberfranken, oberste Rechtsaufsichtsbehörde das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr. Diese handeln jeweils im Rahmen ihrer Zuständigkeiten. In die Prüfung und Würdigung der Sachverhalte durch die Rechtsaufsichtsbehörden fließen auch die Informationen, die Bürger der Stadt Wunsiedel i. Fichtelgebirge verschiedensten Stellen auch auf ministerieller Ebene zukommen lassen, ein. Die Stadt Wunsiedel i. Fichtelgebirge hat erstmals im Jahr 2012 die Gewährung von Stabilisierungshilfen beantragt. Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat in einer Besprechung am 11.12.2012 mit dem Landrat des Landkreises Wunsiedel i. Fichtelgebirge und dem Regierungspräsidenten von Oberfranken die Regierung beauftragt, das Landratsamt bei der rechtsaufsichtlichen Würdigung insbesondere der Haushalte und der Kreditgenehmigungen für Gemeinden im Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge zu unterstützen. Diese Aufforderung ist auch im Zuweisungsschreiben des Staatsministeriums der Finanzen , für Landesentwicklung und Heimat vom gleichen Tage enthalten. Seitdem ist für damit zusammenhängende Entscheidungen des Landratsamtes eine enge Abstimmung mit der Regierung herzustellen und für Kreditgenehmigungen das Einvernehmen der Regierung von Oberfranken einzuholen . Die von der Stadt Wunsiedel i. Fichtelgebirge beantragten Kreditgenehmigungen für die Haushaltsjahre 2013 und 2014 konnten nicht erteilt werden. Das Zuweisungsschreiben des Finanzministeriums vom 11.12.2012 enthält auch die Anregung, die Finanzlage der Stadt Wunsiedel i. Fichtelgebirge vom Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband analysieren zu lassen, was zu dem bereits erwähnten Gutachten zur Haushaltskonsolidierung führte. Im Zuweisungsschreiben des Finanzministeriums vom 16.08.2013 wird die Stadt aufgefordert, die Resultate des BKPV-Gutachtens – sobald dieses vorliegt – in das fortzuschreibende Haushaltskonsolidierungskonzept einzuarbeiten . Das Landratsamt Wunsiedel i. Fichtelgebirge hat die Stadt Wunsiedel i. Fichtelgebirge im Übrigen mit Schreiben vom 25.03.2013 zur Erledigung der Prüfungsbeanstandungen im BKPV-Prüfbericht vom 21.02.2013 aufgefordert und mit Schreiben vom 28.05.2014 dazu, sämtlichen Konsolidierungsvorschlägen des BKPV in seinem Gutachten vom 12.05.2014 Rechnung zu tragen. Das Schreiben vom 28.05.2014 enthält eine Reihe weiterer Punkte, zu denen eine Stellungnahme erbeten wurde. Das Landratsamt hat darüber hinaus gegenüber den beiden Kommunalunternehmen WUN-Immobilien und WUN-Infrastruktur Restriktionen bei deren Kreditaufnahmen verfügt. b) Warum ist angesichts dieser eindeutig vorsätzlich rechtswidrigen, in beiden Gutachten festgestellten massiven Rechtsverstöße nicht, insbesondere nicht gegen den verantwortlichen Bürgermeister sowie die Stadträte und die Verwaltung, sofern nicht remonstriert, eingeschritten worden? Die Stadt Wunsiedel i. Fichtelgebirge hat nach Mitteilung des Landratsamts Wunsiedel i. Fichtelgebirge mittlerweile in Umsetzung der o. g. Aufforderungen des Landratsamtes Stellung zu verschiedenen Punkten des Konsolidierungsgutachtens des BKPV genommen. Die Prüfung durch das Landratsamt und die Regierung ist noch nicht abgeschlossen . Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wird sich vom Ergebnis der Prüfung unterrichten lassen, was in einer weiteren Besprechung mit dem Landrat des Landkreises Wunsiedel i. Fichtelgebirge und dem Regierungspräsidenten von Oberfranken am 02.06.2014 so festgelegt wurde. Nach Abschluss der rechtsaufsichtlichen Prüfung wird zu entscheiden sein, ob und ggf. welche aufsichtlichen Maßnahmen zu ergreifen sind. Sollte die Prüfung persönlich vorwerfbares Handeln Einzelner ergeben, kommen auch disziplinarische Maßnahmen in Betracht. c) Wer trägt hierfür die persönliche Verantwortung? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 2 b verwiesen. 3. a) Nachdem das Landratsamt Wunsiedel mit Haushaltsgenehmigung vom 18.08.2011, wenn auch unter Auflagen, eindeutig rechtswidrig verbeschieden hat, frage ich die Staatsregierung, weshalb hat das Landratsamt Wunsiedel nicht einmal die Beachtung der selbst verfügten Auflagen kontrolliert ? Das Landratsamt Wunsiedel i. Fichtelgebirge hat im Bescheid vom 18.08.2011 für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 jeweils Teilbeträge für Kreditaufnahmen genehmigt. Als Auflagen wurde bestimmt, dass die Stadt ihre eigenen Einnahmemöglichkeiten so weit wie möglich ausschöpft und evtl. Mehreinnahmen bzw. Minderausgaben zur Verringerung des Kreditbedarfs einsetzt. Wegen der Kreditkürzungen seien die bevorstehenden Investitionen z. B. durch Setzen von Prioritäten unter Berücksichtigung der Folgelasten im Hinblick auf Notwendigkeit und Zeitpunkt genau zu überprüfen . Das vorhandene Vermögen der Stadt sei daraufhin zu untersuchen, inwieweit es für öffentliche Zwecke noch benötigt wird; soweit das nicht der Fall und eine Veräußerung wirtschaftlich sinnvoll sei, sei das Vermögen zu veräußern. Jede Ausgabenstelle sei kritisch auf Einsparungen hin zu überprüfen. Die Vorschriften über die vorläufige Haushaltsführung seien strikt zu beachten. Die Umsetzung dieser Auflagen lässt der Stadt Wunsiedel i. Fichtelgebirge einen gewissen Spielraum, um in Aus- Drucksache 17/3032 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 übung der kommunalen Selbstverwaltung eigene Prioritäten setzen zu können. Im Übrigen ist die aufsichtliche Prüfung noch nicht abgeschlossen, vgl. die Antworten auf die Fragen 2 a und 2 b. b) Weshalb ist das Landratsamt Wunsiedel nicht eingeschritten , obwohl die Gutachter eindeutig festgestellt haben, dass die finanzielle Schieflage der Stadt auf ein strukturelles, nicht der Einnahmesituation angepasstes Ausgabeverhalten zurückzuführen ist? Hierzu wird auf die Antworten zu den Fragen 2 a und 2 b verwiesen. c) Weshalb ist das Landratsamt Wunsiedel nicht eingeschritten, obwohl die Verbandsprüfer festgestellt haben, dass die Stadt Wunsiedel im haushaltslosen Jahr 2013 gegenüber den Jahren 2011 und 2012 sich entgegen den Auflagen der Haushaltsgenehmigung vom 18.08.2011 keinerlei Abstriche bzw. Einschränkungen auferlegt hat und die Verbandsprüfer festgestellt haben, dass die Vorgehensweise der Stadt mit den gesetzlichen Vorgaben des Art. 69 GO nicht zu vereinbaren ist? Zunächst wird auf die Antwort zu den Fragen 2 a und b verwiesen . Im Übrigen bleibt das Ergebnis der weiteren Prüfungen abzuwarten.