Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.08.2014 Zur Personalsituation und Verfahrensdauer am Sozialgericht Nürnberg Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Richterinnen und Richter sind am Sozialgericht Nürnberg beschäftigt? 1.1 Sind alle Planstellen besetzt? 1.2 Sind in den letzten fünf Jahren bei Pensionierungen alle Richterinnen- und Richterstellen umgehend neu besetzt worden? 1.3 Wurden in den letzten fünf Jahren zusätzliche Richterinnen - und Richterstellen geschaffen? 2. Wie hoch ist am Sozialgericht Nürnberg die Arbeitsbe- lastung nach PEBB§Y? 2.1 Gibt es bei der Arbeitsbelastung zwischen den einzel- nen Kammern, bei Service- und sonstigen Einrichtungen des Gerichts größere Unterschiede? 2.2 Wie stellt sich die Arbeitsbelastung des Sozialgerichts Nürnberg im Vergleich zum Durchschnittswert der bayerischen Sozialgerichte dar? 2.3 Wie hat sich die Arbeitsbelastung in den letzten fünf Jahren entwickelt? 3. Wie hoch ist am Sozialgericht Nürnberg die durch- schnittliche Verfahrensdauer? 3.1 Gibt es bei der Verfahrensdauer zwischen den einzel- nen Kammern größere Unterschiede? 3.2 Ist die Verfahrensdauer am Sozialgericht Nürnberg vergleichbar mit der an den anderen bayerischen Sozialgerichten ? 3.3 Was waren jeweils in den letzten fünf Jahren bei den einzelnen Kammern die Spitzenwerte bei den Verfahrenslaufzeiten ? 4. Wie ist beim Sozialgericht Nürnberg die Situation bei den Verfahrensbeständen? 4.1 Gibt es zwischen den einzelnen Kammern bei den Ver- fahrensbeständen gravierende Abweichungen? 4.2 Wie ist für die letzten fünf Jahre die Entwicklung bei der Zahl der offenen Verfahren? 4.3 Liegt die Zahl der Verfahrensbestände über bzw. unter dem Durchschnitt der bayerischen Sozialgerichte? 5. Ist bekannt, ob in den letzten Jahren an der Verfah- rensdauer am Sozialgericht Nürnberg und/oder wegen der Bearbeitungsrückstände Kritik geäußert wurde? 5.1 Welche konkreten Maßnahmen wurden vom Gericht ergriffen, um die Verfahren zu beschleunigen und Rückstände abzuarbeiten? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 22.09.2014 1. Wie viele Richterinnen und Richter sind am Sozialgericht Nürnberg beschäftigt?“ Gegenwärtig sind beim Sozialgericht Nürnberg 21 Richterinnen und Richter beschäftigt, davon zwei mit einer Ermäßigung auf jeweils 50 % des regelmäßigen Dienstes. 1.1 Sind alle Planstellen besetzt? Derzeit sind alle 20 zugewiesenen Planstellen besetzt. 1.2 Sind in den letzten fünf Jahren bei Pensionierun- gen alle Richterinnen- und Richterstellen umgehend neu besetzt worden? Das StMAS ist stets bestrebt, für einen möglichst frühzeitigen Ersatz ausscheidender Richterinnen und Richter zu sorgen. Aufgrund der Ausschreibungspflicht für höherwertige Richterstellen, der beim Ausscheiden aus dem Staatsdienst eintretenden haushaltsrechtlich vorgeschriebenen Stellenwiederbesetzungssperre (derzeit drei Monate) und einer im Einzelfall ggf. nicht sofortigen Verfügbarkeit ist eine nahtlose Nachbesetzung jedoch nicht immer zu erreichen. Eine Richterplanstelle musste aufgrund eines verwaltungsgerichtlichen Konkurrentenstreitverfahrens in den Jahren 2009/2010 längere Zeit frei gehalten werden. Darüber hinaus wurden in den letzten fünf Jahren beim Sozialgericht Nürnberg sämtliche frei gewordenen Richterplanstellen so zeitnah als möglich nachbesetzt. 1.3 Wurden in den letzten fünf Jahren zusätzliche Richterinnen- und Richterstellen geschaffen? In den letzten fünf Jahren blieb die Zahl der dem Sozialgericht Nürnberg zugewiesenen Richterplanstellen unverändert . Zum Abbau von Altfällen und zur Überbrückung krankheitsbedingter Personalausfälle waren jedoch in den Jahren 2012 und 2013/2014 je ein Richter von einem anderen Gericht an das Sozialgericht Nürnberg zeitweise abgeordnet bzw. teilabgeordnet. 2. Wie hoch ist am Sozialgericht Nürnberg die Arbeitsbelastung nach PEBB§Y? Das System PEBB§Y-Fach (Personalbedarfsberechnung für alle Berufsgruppen des richterlichen und nichtrichterlichen Dienstes in den Fachgerichtsbarkeiten) ist zur Berechnung des Personalbedarfs vorgesehen und nicht dazu geeignet eine Arbeitsbelastung an den Gerichten darzustellen . Es ist jedoch möglich, den errechneten Personalbedarf den tatsächlich vorhandenen Stellen bzw. den tatsächlichen Arbeitskraftanteilen gegenüberzustellen und so eine Mehr- oder Minderbelastung darzustellen. Dies ist aber nur eine stichtagsbezogene Momentaufnahme, die sich am nächsten Tag bereits wieder ganz anders darstellen kann. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.11.2014 17/3117 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3117 Stichtage für die Betrachtung sind jeweils der 01.01. und der 1.7. eines Jahres. Die Datenbasis (richterliche Eingangsmengen ) ist immer der Durchschnitt der letzten 3 Geschäftsjahre . Die Stichtage für den Vergleich des Personalbestandes und der Personalverwendung sind jeweils der 31.12. und 30.06. eines Jahres. Die Berechnung des Personalbedarfs erfolgt nach der Formel richterliche Eingangsmenge des Fachgebiets * Basiszahl des Fachgebiets Jahresarbeitszeit 2.1 Gibt es bei der Arbeitsbelastung zwischen den einzelnen Kammern, bei Service- und sonstigen Einrichtungen des Gerichts größere Unterschiede? Ein Vergleich der Arbeitsbelastung zwischen den einzelnen Kammern eines Gerichts ist mit PEBB§Y-Fach nicht zu ermitteln . 2.2 Wie stellt sich die Arbeitsbelastung des Sozialge- richts Nürnberg im Vergleich zum Durchschnittswert der bayerischen Sozialgerichte dar? Das Ergebnis der Personalbedarfsberechnung im Vergleich mit den tatsächlichen richterlichen Arbeitskraftanteilen zum 1.1.2014 ergibt folgende richterliche Arbeitsbelastung: Sozialgericht Richterliche Arbeitsbelastung Augsburg 112,14 % Bayreuth 107,61 % Landshut 104,78 % München 108,14 % Nürnberg 105,01 % Regensburg 109,11 % Würzburg 101,22 % 2.3 Wie hat sich die Arbeitsbelastung in den letzten fünf Jahren entwickelt? Die Arbeitsbelastung im richterlichen Bereich am Sozialgericht Nürnberg lag jeweils zum Stichtag 01.01.2010 bei 113,32 %, 2011 bei 109,06 %, 2012 bei 105,56 %, 2013 bei 109,89 % und 2014 bei 105,01 %. 3. Wie hoch ist am Sozialgericht Nürnberg die durch- schnittliche Verfahrensdauer? Die durchschnittliche Verfahrensdauer am Sozialgericht Nürnberg lag im 1. Halbjahr 2014 bei 11,4 Monaten. 3.1 Gibt es bei der Verfahrensdauer zwischen den ein- zelnen Kammern größere Unterschiede? Die Verfahrensdauer bei den einzelnen Kammern am Sozialgericht Nürnberg variierte im 1. Halbjahr 2014 zwischen 5,1 Monaten und 19,8 Monaten. Dies ist vor allem mit der unterschiedlichen Arbeitsintensität in den verschiedenen Kammern zu erklären, da diese davon abhängig ist, ob in einem Fachgebiet vorrangig rechtliche oder medizinische Fragen zu klären sind. Fachgebiete mit überwiegend medizinisch gelagerten Verfahren haben durchweg längere Laufzeiten , da in der Regel teils mehrere medizinische Gutachten eingeholt werden müssen. 3.2 Ist die Verfahrensdauer am Sozialgericht Nürnberg vergleichbar mit der an den anderen bayerischen Sozialgerichten? Ja, sie lag im 1. Halbjahr 2014 unter der durchschnittlichen Verfahrensdauer aller bayerischen Sozialgerichte von 11,9 Monaten. 3.3 Was waren jeweils in den letzten fünf Jahren bei den einzelnen Kammern die Spitzenwerte bei den Verfahrenslaufzeiten?“ In den letzten fünf Jahren lag der Spitzenwert der durchschnittlichen Verfahrenslaufzeit einer Kammer jeweils am 31.12. eines Jahres: 2009: 17,2 Monate 2010: 21,9 Monate 2011: 20,4 Monate 2012: 18,6 Monate 2013: 17,8 Monate Ein Einzelwert eines Verfahrens kann aus der Statistik nicht ermittelt werden. Ein direkter Vergleich der Verfahrenslaufzeiten der einzelnen Kammern ist nicht möglich. Die Ursachen für die unterschiedlichen Verfahrenslaufzeiten sind, wie unter 3.1 bereits erläutert, abhängig von den Fachgebieten der einzelnen Kammern und der Frage, ob es eher um die Klärung von rechtlichen oder medizinischen Sachverhalten geht. 4. Wie ist beim Sozialgericht Nürnberg die Situation bei den Verfahrensbeständen? Die Situation bei den Verfahrensbeständen am Sozialgericht Nürnberg zeigt im Vergleich zu den anderen bayerischen Sozialgerichten keine Auffälligkeiten. 4.1 Gibt es zwischen den einzelnen Kammern bei den Verfahrensbeständen gravierende Abweichungen ?“ Die Verfahrensbestände bei den einzelnen Kammern am Sozialgericht Nürnberg variierten im 1. Halbjahr 2014 zwischen 30 und 394 offenen Verfahren. Ein direkter Vergleich der Verfahrensbestände der einzelnen Kammern ist nicht möglich. Die Anzahl der Verfahrensbestände in den einzelnen Kammern können maßgeblich davon abhängen, ob in den Kammern Verfahren mit einer hohen PEBB§Y-Fach Basiszahl bearbeitet werden oder nicht. Für eine ausgewogene Belastungsverteilung in den einzelnen Kammern sorgt das jeweilige Präsidium des Gerichts. Die Kammer des Präsidenten hat durchwegs einen geringeren Verfahrensbestand, weil er neben seinen richterlichen Aufgaben auch noch für Verwaltungsaufgaben zuständig ist. 4.2 Wie ist für die letzten fünf Jahre die Entwicklung bei der Zahl der offenen Verfahren? Die Zahl der offenen Verfahren am Sozialgericht Nürnberg stellte sich in den letzten 5 Jahren wie folgt dar: 2009: 5.690 offene Verfahren 2010: 5.955 offene Verfahren 2011: 5.628 offene Verfahren 2012: 5.251 offene Verfahren 2013: 5.128 offene Verfahren Nach einer Spitze im Jahre 2010 konnten die offenen Verfahren bis Ende 2013 um etwa 15 % abgebaut wer- den. 4.3 Liegt die Zahl der Verfahrensbestände über bzw. unter dem Durchschnitt der bayerischen Sozialgerichte ? Die Anzahl der Verfahrensbestände am Sozialgericht Nürnberg lag am Ende des 1. Halbjahres 2014 unter dem Durschnitt der bayerischen Sozialgerichte. Drucksache 17/3117 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 5. Ist bekannt, ob in den letzten Jahren an der Verfahrensdauer am Sozialgericht Nürnberg und/oder wegen der Bearbeitungsrückstände Kritik geäußert wurde? Beim Sozialgericht Nürnberg sind seit Einführung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren im Dezember 2011 25 Verzögerungsrügen (2012 18, 2013 6 und 2014 1) eingegangen. Damit lag das Sozialgericht Nürnberg in den genannten Jahren jeweils immer unter dem Durchschnitt der Eingänge von Verzögerungsrügen aller bayerischen Sozialgerichte. Bis dato sind beim Bayer. Landesssozialgericht 4 Entschädigungsklagen aufgrund des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren aus dem Zuständigkeitsbereich des Sozialgerichts Nürnberg eingegangen . Über 2 Klagen wurde bisher noch nicht entschieden . Eine Klage wurde zurückgenommen, eine Klage durch außergerichtliche Einigung erledigt. 5.1 Welche konkreten Maßnahmen wurden vom Gericht ergriffen, um die Verfahren zu beschleunigen und Rückstände abzuarbeiten? Seit 2011 hat die Präsidentin des Bayerischen Landessozialgerichts angeordnet, dass die Sozialgerichte monatlich den Stand der Altfälle ermitteln und dem Bayer. Landessozialgericht mitteilen. Zum Jahresende ist durch die Gerichtsleitungen ein Bericht über die Entwicklung der Altverfahren in den jeweiligen Kammern zu übersenden und zu berichten , welche Maßnahmen getroffen wurden, falls sich die Zahl der Altfälle tendenziell erhöht bzw. die Zahl der Altfälle nicht verringert hat. Als Altfälle werden Verfahren definiert, die ab Eingangsjahr älter als 2 Jahre sind. Bei den bayerischen Sozialgerichten ist die Gesamtzahl der Altfälle vom 01.05.2011 zum 01.05.2014 von 3966 auf 2683 Verfahren gesunken. Aktuell zum 01.09.2014 liegt sie bei 1823 Verfahren. Beim SG Nürnberg ist die Anzahl der Altfälle vom 1.5.2011 zum 01.05.2014 von 491 auf 301 Verfahren gesunken. Aktuell zum 01.09.2014 beträgt sie 213 Verfahren. Der Altfallbestand aller Sozialgerichte liegt zum 01.07.2014 bei 5,56 %, der des SG Nürnberg bei 5,30 %.