Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 26.08.2014 Qualitätssicherung der Forensischen Gerichtsgutachter In einem Interview mit der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Münchner Merkur vom 07.07.2014 stellt diese die Forderung nach stärkeren Kontrollen für Forensische Gerichtsgutachter auf. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. Wie viele Forensische Gerichtsgutachter gibt es in Bayern? 2. Nachdem Frau Leutheusser-Schnarrenberger in diesem Interview eine Studie der Justizministerkonferenz zum Thema „Abhängigkeit der Gutachter von Gerichten “ erwähnt hat, die im Jahr 2013 in Auftrag gegeben worden ist, frage ich, gibt es bereits Ergebnisse aus dieser Studie für Bayern? 3. Wird die fachliche Eignung eines Gutachters in regelmäßigen Abständen überprüft? a) Wenn ja, wie wird diese Überprüfung vorgenommen? b) Wenn nein, warum nicht, und gibt es Bestrebungen, dies zu ändern? 4. Erfolgt die Beauftragung von Gutachtern nach freiem Ermessen der Richter oder wird die Auftragsvergabe nach festen Regeln vorgenommen? 5. Hält die Staatsregierung hinsichtlich der Bestellung von Gerichtsgutachtern das geltende Recht für ausreichend oder strebt sie über den Bundesrat Änderungen an? 6. Nachdem die Staatsregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage zum Plenum von MdL Franz Schindler, vom 24.02.2014 (Drucksache 17/899) die Auswertung der Studie „Begutachtungsmedizin in Deutschland am Beispiel Bayern“ der LMU München ankündigte, frage ich, ist dies inzwischen geschehen? a) Wenn ja, haben sich daraus Handlungsfelder ergeben? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 30.09.2014 Die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein vom 26. August 2014 betreffend das Thema „Qualitätssicherung der forensischen Gerichtsgutachter“ wird aufgrund der Bezugnahme auf das Interview mit Frau Bundesjustizministerin a. D. Sabine Leutheusser-Schnar- renberger im Münchner Merkur vom 7. Juli 2014 dahingehend verstanden, dass sie sich auf forensisch tätige ärztliche Sachverständige im Bereich des Strafrechts bezieht. Die Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet : 1. Wie viele Forensische Gerichtsgutachter gibt es in Bayern? Im Bereich der Forensischen Psychiatrie gibt es zwei Formen der speziellen ärztlichen Qualifizierung: Zum einen das von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) vergebene Zertifikat „Forensische Psychiatrie“, zum anderen den Schwerpunkt „Forensische Psychiatrie“ des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie nach der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns. Mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 2. Juli 2014 wurden die Präsidenten der Oberlandesgerichte und die Generalstaatsanwälte in Bayern zuletzt gebeten, die von der Bayerischen Landesärztekammer aktualisierte Liste der Ärzte mit Schwerpunkt-Bezeichnung „Forensische Psychiatrie“ (Stand: 20.05.2014) sowie die Liste der Inhaber des Zertifikats „Forensische Psychiatrie“ der DGPPN (Stand: 03.12.2013) den Gerichten und Staatsanwaltschaften zur Verfügung zu stellen. Auf der Liste der Bayerischen Landesärztekammer, die sich nur auf Bayern bezieht, stehen 52 Personen, auf der Liste der DGPPN stehen 35 Personen in Bayern. Ergänzend ist anzumerken, dass dabei 18 Personen auf beiden Listen genannt sind. Neben Gutachtern mit den genannten besonderen Qualifizierungen sind weitere Sachverständige im forensischen Bereich für die Gerichte und Staatsanwaltschaften tätig. Entsprechende Zahlen liegen dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz nicht vor. 2. Nachdem Frau Leutheusser-Schnarrenberger in diesem Interview eine Studie der Justizministerkonferenz zum Thema „Abhängigkeit der Gutachter von Gerichten“ erwähnt hat, die im Jahr 2013 in Auftrag gegeben worden ist, frage ich, gibt es bereits Ergebnisse aus dieser Studie für Bayern? Die Thematik der „Abhängigkeit der Gutachter von Gerichten “ stand im Jahr 2013 auf der Tagesordnung keiner der beiden Tagungen der Justizministerkonferenz. Weder durch die Justizministerkonferenz in Perl-Nennig am 12./13. Juni 2013 noch durch die in Berlin am 14. November 2013 wurde der Beschluss gefasst, eine entsprechende Studie in Auftrag zu geben. Möglicherweise bezog sich Frau Bundesministerin a.D. in diesem Interview auf den Beschluss der Justizministerkonferenz vom November 2013, zur Reform des Rechts der Unterbringung gemäß § 63 StGB eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, die sich in diesem Zusammenhang auch mit der Sachverständigenbegutachtung beschäftigen sollte. Die Arbeit dieser Expertengruppe ist noch nicht abgeschlossen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.11.2014 17/3173 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3173 3. Wird die fachliche Eignung eines Gutachters in regelmäßigen Abständen überprüft? Eine systematische, anlassunabhängige Überprüfung der fachlichen Eignung eines Gutachters erfolgt nicht. Die gutachterliche Betätigung eines Arztes ist nicht von einer Zulassung o. Ä. seitens der Bayerischen Landesärztekammer oder einer anderen Stelle abhängig. Nach § 4 Abs. 3 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns ist die ärztliche Begutachtung integraler Bestandteil jeder ärztlichen Weiterbildung und damit auch der ärztlichen Tätigkeit als solcher. Für die Betätigung als Gutachter gelten die einschlägigen Pflichten der ärztlichen Berufsordnung, insbesondere § 2 („Allgemeine ärztliche Berufspflichten“), § 4 („Fortbildung“) und – speziell für Gutachten – § 25 („Ärztliche Gutachten und Zeugnisse“). a) Wenn ja, wie wird diese Überprüfung vorgenommen ? Entfällt. b) Wenn nein, warum nicht, und gibt es Bestrebungen , dies zu ändern? Für eine systematische, anlassunabhängige Überprüfung der fachlichen Eignung eines Gutachters existiert keine Rechtsgrundlage. Für die Schaffung einer solchen Rechtsgrundlage besteht auch keine Notwendigkeit. Die Betreffenden sind approbierte Ärzte, die grundsätzlich eine mehrjährige Facharztweiterbildung durchlaufen haben und zudem der Fortbildungspflicht nach dem Heilberufe-Kammergesetz und der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns unterliegen. Dabei ist jeder Arzt verpflichtet, sich in dem Umfang beruflich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zu seiner Berufsausübung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist. Umfang und Art der erforderlichen Fortbildung liegen in der Eigenverantwortung des Arztes. Die Erfüllung der Fortbildungspflicht aller Ärzte wird von der Landesärztekammer regelmäßig überprüft. Eine entsprechende gesetzliche Regelung könnte sich auch nicht auf die Überprüfung von forensisch tätigen Sachverständigen beschränken, sondern müsste alle Ärzte umfassen , zumal eine gutachterliche Tätigkeit zum regulären Tätigkeitsspektrum jedes Arztes gehört und grundsätzlich auch jeder Arzt in richterlicher Unabhängigkeit als Sachverständiger herangezogen werden kann. Eine flächendeckende Überprüfung wäre bei mehr als 50.000 Ärztinnen und Ärzten in Bayern mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu leisten. Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte, dass ein Arzt seiner Fortbildungspflicht oder anderen Berufspflichten nicht nachkommt, findet selbstverständlich eine Überprüfung und ggf. Ahndung des Fehlverhaltens durch die Standesvertretung statt. Die DGPPN überarbeitet momentan das Zertifikat „Forensische Psychiatrie“ und sieht dabei vor, es in einer neuen Version nur noch für die Dauer von fünf Jahren zu vergeben und eine Verlängerung an den Nachweis von eng definierten Weiterbildungsstunden und die Teilnahme an regelmäßigen Gutachtenintervisionsgruppen zu knüpfen. 4. Erfolgt die Beauftragung von Gutachtern nach freiem Ermessen der Richter oder wird die Auftragsvergabe nach festen Regeln vorgenommen? Die Auswahl eines Sachverständigen liegt im gerichtlichen Verfahren im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts und hat maßnahmespezifisch nach den für die Begutachtung erforderlichen Sachkenntnissen zu erfolgen. Grundlagen für die Auswahlentscheidung des Gerichts sind insbesondere die forensische Erfahrung des Gutachters, ggf. eine weitergehende fachliche Spezialisierung auf bestimmte Krankheitsformen, die zu erwartende Qualität des Gutachtens im Sinne einer Belastbarkeit auch in höheren Instanzen sowie eine zügige Erstellung aufgrund des insbesondere in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatzes. Diese Gesichtspunkte müssen vor der Auftragserteilung für jeden konkreten Einzelfall überprüft und miteinander abgewogen werden, wobei das Gericht in richterlicher Unabhängigkeit entscheidet. 5. Hält die Staatsregierung hinsichtlich der Bestellung von Gerichtsgutachtern das geltende Recht für ausreichend oder strebt sie über den Bundesrat Änderungen an? Im Hinblick auf die in Frage 4 angesprochene erforderliche Einzelfallentscheidung des Gerichts erscheinen generellabstrakte Vorgaben für die Gutachterauswahl problematisch. Ein Losverfahren beispielsweise würde die o.g. Spezifika des Einzelfalls nicht ausreichend berücksichtigen und in die richterliche Unabhängigkeit eingreifen. Die ebenfalls in der öffentlichen Diskussion vorgeschlagene Vergabe der Gutachtensaufträge durch eine zentrale Stelle würde darüber hinaus nicht unerhebliche zeitliche Verzögerungen mit sich bringen und damit dem Beschleunigungsgrundsatz widersprechen. Zudem ist es den Verfahrensbeteiligten im konkreten Fall stets möglich, eigene Vorschläge zur Bestellung eines geeigneten Sachverständigen zu machen bzw. Bedenken gegen den bestellten Gutachter zu erheben. Vor diesem Hintergrund wird das geltende Recht hinsichtlich der Bestellung von Gutachtern als nicht reformbedürftig angesehen. Um eine möglichst hohe Qualität der Gutachten zu erreichen und entsprechend qualifizierte Gutachter auch bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften bekannt zu machen, hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz bereits in der Vergangenheit Gespräche zu Möglichkeiten und Instrumenten der Qualitätssicherung bzw. Fortbildung im Bereich der Forensischen Psychiatrie geführt, u. a. mit der DGPPN und der Bayerischen Landesärztekammer. Das Justizministerium hat den Gerichten und Staatsanwaltschaften in der Folge Listen mit qualifizierten bzw. zertifizierten Gutachtern zur Verfügung gestellt (s. Antwort zu Frage 1). Diese Listen werden auch in Zukunft regelmäßig aktualisiert. 6. Nachdem die Staatsregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage zum Plenum von MdL Franz Schindler vom 24.02.2014 (Drucksache 17/899) die Auswertung der Studie „Begutachtungsmedizin in Deutschland am Beispiel Bayern“ der LMU München ankündigte, frage ich, ist dies inzwischen geschehen ? a) Wenn ja, haben sich daraus Handlungsfelder ergeben ? Die zitierte Studie ist nach Auskunft des Promotionsbüros der Ludwig-Maximilians-Universität München bislang nicht als Promotionsschrift eingereicht und auch nicht veröffentlicht . Daher konnten lediglich die Veröffentlichungen im Deutschen Ärzteblatt vom 7. Februar 2014 und in der Zeitschrift „Der Sachverständige“ 2014, S. 71 ff, ausgewertet werden. Die Thematik steht auf der Tagesordnung der Gemeinsamen Dienstbesprechung mit den Präsidentinnen und Präsidenten der Land- und Amtsgerichte sowie den Leiterinnen und Leitern der bayerischen Staatsanwaltschaften, die am 8. und 9. Oktober 2014 stattfinden wird.