Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 01.09.2014 Bagatelldelikte Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie häufig wurde jeweils in den letzten fünf Jahren Strafanzeige wegen Diebstahls von Gütern mit geringem Wert gestellt? 1.1 Wie oft wurden deshalb jeweils in den letzten fünf Jahren Ermittlungsverfahren eingeleitet? 1.2 Wie viele wurden jeweils gegen Auflagen eingestellt? 1.3 In wie vielen Fällen kam es jeweils zu Gerichtsverfah- ren? 1.4 Wie häufig wurden dabei jeweils Freiheitsstrafen ver- hängt? 2. Wie häufig wurde jeweils in den letzten fünf Jahren Strafanzeige wegen geringfügigen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gestellt? 2.1 Wie oft wurden deshalb jeweils in den letzten fünf Jahren Ermittlungsverfahren eingeleitet? 2.2 Wie viele wurden jeweils gegen Auflagen eingestellt? 2.3 In wie vielen Fällen kam es jeweils zu Gerichtsverfah- ren? 2.4 Wie häufig wurden dabei jeweils Freiheitsstrafen ver- hängt? 3. Wie häufig wurde jeweils in den letzten fünf Jahren Strafanzeige wegen Beförderungserschleichung gestellt ? 3.1 Wie oft wurden deshalb jeweils in den letzten fünf Jahren Ermittlungsverfahren eingeleitet? 3.2 Wie viele wurden jeweils gegen Auflagen eingestellt? 3.3 In wie vielen Fällen kam es jeweils zu Gerichtsverfah- ren? 3.4 Wie häufig wurden dabei jeweils Freiheitsstrafen ver- hängt? 4. Wie häufig wurde jeweils in den letzten fünf Jahren Strafanzeige wegen Verstößen gegen die Residenzpflicht durch Asylbewerber/-innen und Geduldete gestellt ? 4.1 Wie oft wurden deshalb jeweils in den letzten fünf Jahren Ermittlungsverfahren eingeleitet? 4.2 Wie viele wurden jeweils gegen Auflagen eingestellt? 4.3 In wie vielen Fällen kam es jeweils zu Gerichtsverfah- ren? 4.4 Wie häufig wurden dabei jeweils Freiheitsstrafen ver- hängt? 5. Wie sind für die Fragen 1 bis 4 jeweils die Vergleichs- werte der einzelnen Bundesländer? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 02.10.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: Vorab ist darauf hinzuweisen, dass aus Sicht der Staatsregierung die Bezeichnung als „Bagatelldelikte“ nicht dazu verleiten darf, den Unrechtsgehalt entsprechender Straftaten zu marginalisieren. Es handelt sich dabei teilweise um Straftaten, die in ihrer Gesamtheit einen erheblichen, volkswirtschaftlich bedeutsamen Gesamtschaden verursachen oder nicht unerhebliche Gesundheitsgefahren mit sich bringen können. So beklagt etwa der Einzelhandelsverband jährliche Schäden in Milliardenhöhe durch Ladendiebstähle . Die Androhung und Verhängung von Strafe dient auch in anderen Fällen leichter Kriminalität der im Interesse eines geordneten menschlichen Zusammenlebens liegenden Normbekräftigung und Normverdeutlichung. Überdies vermeidet eine einheitliche Behandlung als Strafunrecht die mit einer materiell-rechtlichen Entkriminalisierung verbundenen Schwierigkeiten, namentlich bei der willkürfreien Abschichtung von Straf- gegenüber bloßem Ordnungsunrecht (man denke etwa an die Festsetzung von Wertgrenzen bei Vermögensdelikten), der Behandlung von Wiederholungstätern und der Registrierung von Taten zur Feststellung wiederholter Zuwiderhandlungen. Gerade im Bereich der sogenannten „Bagatellkriminalität“ gibt es Täter, die wiederholt und hartnäckig gegen das geltende Recht verstoßen . Bei diesen Tätern muss auch für solche Delikte die Möglichkeit eröffnet sein, Freiheitsstrafen zu verhängen. Gegenüber Tätern, deren Schuld im Einzelfall gering ist, bieten die Regelungen des Strafverfahrensrechts (v. a. Strafantragserfordernisse im Bereich der leichten Kriminalität , Opportunitätsregelungen in §§ 153 ff. der Strafprozessordnung ) flexible und angemessene Möglichkeiten, Nachsicht zu üben. 1. Wie häufig wurde jeweils in den letzten fünf Jahren Strafanzeige wegen Diebstahls von Gütern mit geringem Wert gestellt? 1.1 Wie oft wurden deshalb jeweils in den letzten fünf Jahren Ermittlungsverfahren eingeleitet? 1.2 Wie viele wurden jeweils gegen Auflagen eingestellt ? 1.3 In wie vielen Fällen kam es jeweils zu Gerichtsverfahren ? 1.4 Wie häufig wurden dabei jeweils Freiheitsstrafen verhängt? Nach § 248 a des Strafgesetzbuchs (StGB) werden der Diebstahl und die Unterschlagung (§§ 242, 246 StGB) geringwertiger Sachen nur auf Antrag und in den Fällen, in Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 00.00.2014 17/3261 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3261 denen die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält, verfolgt. Bei dem Begriff der „Geringwertigkeit“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Grenze in der Rechtsprechung und der juristischen Fachliteratur im Einzelnen nicht einheitlich bestimmt wird. Derzeit wird diese bei einem Wert zwischen 25 € und 50 € gezogen. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist die Fälle des § 248 a StGB nicht gesondert aus. Diese werden unter der Obergruppe „Sonstiger einfacher Diebstahl“ erfasst und gemeinsam mit den sonstigen Diebstählen nach § 242 StGB und § 247 StGB geführt. Auch in der bayerischen Strafverfolgungsstatistik und den Geschäftsstatistiken der Staatsanwaltschaften und Gerichte werden die Fälle des § 248 a StGB nicht gesondert erfasst, sodass hierzu insgesamt keine Zahlen mitgeteilt werden können. 2. Wie häufig wurde jeweils in den letzten fünf Jahren Strafanzeige wegen geringfügigen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gestellt? 2.1 Wie oft wurden deshalb jeweils in den letzten fünf Jahren Ermittlungsverfahren eingeleitet? 2.2 Wie viele wurden jeweils gegen Auflagen eingestellt ? 2.3 In wie vielen Fällen kam es jeweils zu Gerichtsverfahren ? 2.4 Wie häufig wurden dabei jeweils Freiheitsstrafen verhängt? Die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegenden Stoffarten sind generell dazu geeignet, erhebliche gesundheitliche Schäden bei den konsumierenden Personen zu verursachen. Aus diesem Grund sind Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz grundsätzlich nicht als geringfügig zu erachten. Entsprechend dieser Haltung der Staatsregierung können zu dieser Frage keine Daten geliefert werden. Ein Straftatbestand für sogenannte geringfügige Verstöße findet sich im Betäubungsmittelgesetz nicht. 3. Wie häufig wurde jeweils in den letzten fünf Jahren Strafanzeige wegen Beförderungserschleichung gestellt? 3.1 Wie oft wurden deshalb jeweils in den letzten fünf Jahren Ermittlungsverfahren eingeleitet? 3.2 Wie viele wurden jeweils gegen Auflagen eingestellt ? 3.3 In wie vielen Fällen kam es jeweils zu Gerichtsverfahren ? 3.4 Wie häufig wurden dabei jeweils Freiheitsstrafen verhängt? In der Polizeilichen Kriminalstatistik des Freistaates Bayern werden für die Jahre 2009 bis 2013 nachfolgend dargestellte Fallzahlen zu Straftaten nach § 265 a StGB ausgewiesen : Straftat 2013 2012 2011 2010 2009 Beförderungserschleichung 18.181 17.103 18.177 15.814 13.564 In den Geschäftsstatistiken der Staatsanwaltschaften und Gerichte werden Straftaten nach § 265a StGB nicht gesondert erfasst. In der bayerischen Strafverfolgungsstatistik wird insoweit nur die Zahl der Ab- und Verurteilungen aufgeführt , insbesondere zur Anzahl der gerichtlichen Einstellungen gegen Auflage und der verhängten Freiheitsstrafen können dieser keine Angaben entnommen werden. Auch die Anzahl der wegen Straftaten nach § 265 a StGB geführten Gerichtsverfahren wird in der bayerischen Strafverfolgungsstatistik nicht unmittelbar aufgeführt. Erfasst wird allerdings die Zahl der Aburteilungen wegen entsprechender Delikte. Abgeurteilte sind Angeklagte, gegen die Strafbefehle erlassen wurden oder bei denen das Strafverfahren nach Eröffnung der Hauptverhandlung durch Urteil oder Einstellungsbeschluss endgültig und rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Ihre Zahl setzt sich zusammen aus den Verurteilten und aus Personen, gegen die andere Entscheidungen getroffen wurden. Zu beachten ist dabei, dass bei der Aburteilung von Straftaten, die in Tateinheit oder Tatmehrheit begangen wurden, nur die Straftat statistisch erfasst wird, die nach dem Gesetz mit der schwersten Strafe bedroht ist. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz liegen für den Zeitraum von 2009 bis 2013 insoweit folgende Zahlen vor: § 265 a StGB 2013 2012 2011 2010 2009 Aburteilungen 7.201 7.091 7.146 6.451 4.459 4. Wie häufig wurde jeweils in den letzten fünf Jahren Strafanzeige wegen Verstößen gegen die Residenzpflicht durch Asylbewerber/-innen und Geduldete gestellt? 4.1 Wie oft wurden deshalb jeweils in den letzten fünf Jahren Ermittlungsverfahren eingeleitet? 4.2 Wie viele wurden jeweils gegen Auflagen eingestellt ? 4.3 In wie vielen Fällen kam es jeweils zu Gerichtsverfahren ? 4.4 Wie häufig wurden dabei jeweils Freiheitsstrafen verhängt? Die Bayerische Polizei erhebt keine konkreten Statistiken zu Verstößen gegen die Residenzpflicht nach § 85 Nr. 2 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). In der Polizeilichen Kriminalstatistik sind Straftaten nach dem Asylverfahrensgesetz zwar grundsätzlich einzeln angeführt, Auflagenverstöße und Verstöße gegen die Residenzpflicht sind jedoch als Tatbestände des § 85 AsylVfG (= 2013: 974) zusammengefasst. Eine Beantwortung der Frage wäre daher nur mit nicht vertretbarem Aufwand durch Einzelauswertung der polizeilichen Akten möglich. Auch in der bayerischen Strafverfolgungsstatistik und den Geschäftsstatistiken der Staatsanwaltschaften und Gerichte werden Verstöße gegen die Residenzpflicht nach § 85 Nr. 2 AsylVfG nicht gesondert erfasst, sodass hierzu insgesamt keine Daten mitgeteilt werden können. 5. Wie sind für die Fragen 1. bis 4. jeweils die Vergleichswerte der einzelnen Bundesländer? Die Polizeiliche Kriminalstatistik für die Bundesrepublik Deutschland wird vom Bundeskriminalamt auf der Grundlage der von den 16 Landeskriminalämtern gelieferten Landesdaten erstellt. Die Ländervergleichszahlen zu dem Deliktsfeld „Beförderungserschleichung“ für die Jahre 2009 bis 2013 sind in der nachfolgenden Tabelle aufgelistet: Drucksache 17/3261 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Straftat Bundesland 2013 2012 2011 2010 2009 Beförderungserschleichung Bayern 18.181 17.103 18.177 15.814 13.564 Beförderungserschleichung Bund 235.343 253.312 243.012 227.388 219.573 Beförderungserschleichung Nordrhein-Westfalen 78.270 87.915 77.019 50.199 48.988 Beförderungserschleichung Baden-Württemberg 32.395 32.167 30.719 30.670 31.063 Beförderungserschleichung Hessen 20.838 23.204 22.403 23.927 22.750 Beförderungserschleichung Niedersachsen 16.637 15.726 14.051 21.606 20.754 Beförderungserschleichung Sachsen 14.148 17.003 16.586 14.630 13.308 Beförderungserschleichung Rheinland-Pfalz 8.645 7.661 6.745 8.109 6.458 Beförderungserschleichung Hamburg 8.443 9.232 9.420 13.037 10.292 Beförderungserschleichung Sachsen-Anhalt 7.065 7.882 8.677 10.606 8.099 Beförderungserschleichung Berlin 7.038 8.914 15.167 11.955 18.369 Beförderungserschleichung Thüringen 6.358 5.995 4.124 6.723 6.927 Beförderungserschleichung Mecklenburg-Vorp. 5.046 6.666 7.687 8.599 7.844 Beförderungserschleichung Bremen 4.068 4.627 4.216 4.225 4.468 Beförderungserschleichung Brandenburg 3.235 3.300 2.597 2.674 1.898 Beförderungserschleichung Schleswig-Holstein 3.118 3.939 3.929 2.611 2.866 Beförderungserschleichung Saarland 1.858 1.978 1.495 2.003 1.925 Das Statistische Bundesamt stellt die Länderergebnisse aus der Strafverfolgungsstatistik zu einem Bundesergebnis zusammen. Darin wird eine Differenzierung nach der Art der Straftat jedoch nur für das Bundesgebiet insgesamt und nicht bezogen auf die einzelnen Bundesländer vorgenommen . Die Vergleichswerte der einzelnen Bundesländer zu den Aburteilungen wegen Straftaten nach § 265 a StGB liegen dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz daher nicht vor. Insoweit wird auf die jeweiligen Strafverfolgungsstatistiken der einzelnen Bundesländer verwiesen. Auch zu Diebstählen von Gütern mit geringem Wert, „geringfügigen Verstößen“ nach dem Betäubungsmittelgesetz und Verstößen gegen die Residenzpflicht liegen keine Ländervergleichswerte vor. Auf die Ausführungen zu den Fragen 2 und 4 wird verwiesen.