Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 28.08.2014 Alleenschutz und Winterdienst Alleebäume sind besonders durch das alljährlich ausgebrachte Tausalz gefährdet. Verschlämmung und Verdichtung der Böden im Bereich des Straßenrands sind die Folge. Zudem wird der Boden nicht mehr ausreichend durchlüftet und die Fähigkeit, Wasser aufzunehmen und zu speichern, wird gestört. Erhöhte Natriumchloridkonzentrationen behindern die Nährstoffaufnahme der Bäume und führen mittelfristig zur Erkrankung und längerfristig zum Absterben ohnehin durch die Verkehrsemissionen gestresster Straßenbäume. Im Bereich von Alleen kann der Einsatz von Tausalzen daher nur in engen Grenzen erfolgen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Gibt es eine Prioritätenliste, nach der Auftaumittel und abstumpfende Streumittel eingesetzt werden (z. B. nach DTV, Straßenkategorie, Wasserschutzgebiet, Baumbestand )? 2. Werden Alleenbestände beim Straßenwinterdienst gesondert behandelt? 3. Welche Auftaumittel werden bei Temperaturen unter – 10°C verwendet? 4. Wie viele Tonnen Salz in jeglicher Form wurden in den Wintermonaten seit 2005 in den einzelnen Kalenderjahren unterteilt in Bundes-, Staats- und Kreisstraßen in Bayern ausgebracht und wie viel ist das pro Kilometer Straße durchschnittlich? 5. Wurde vonseiten eines Ministeriums oder eines Straßenbauamtes eine Analyse zur Belastung des Wurzelbereiches an Bäumen durch Auftausalz, Salzrückstände im Boden, in Auftrag gegeben? 6. Wenn ja, welche Ergebnisse brachte diese Analyse und wo kann man diese einsehen? 7. Werden generell Schäden durch Tausalz an Gehwegbelägen , Straßenbelägen, Brücken, Regenwasserkanälen, Straßenbegleitgrün, Alleen, privaten Vorgärten, Grundwasser aufgenommen? Sind dafür Ausgleichs- und Reparaturmittel finanzieller Art eingeplant? 8. Ist es geplant, generell umweltverträglichere Methoden bzw. salzfreie Abstumpfungsmittel anzuwenden, so wie es in einigen Regionen mit Rücksicht auf die Straßenbäume bereits der Fall ist? Wenn ja, welche, und mit welchem Zeithorizont soll die Umstellung erfolgen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 06.10.2014 1. Gibt es eine Prioritätenliste, nach der Auftaumittel und abstumpfende Streumittel eingesetzt werden (z. B. nach DTV, Straßenkategorie, Wasserschutzgebiet , Baumbestand)? Sämtliche im Zuständigkeitsbereich der Bayerischen Straßenbauverwaltung liegenden Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen sowie die im Auftrag der Landkreise verwalteten Kreisstraßen sind aufgrund ihrer Anforderungen an die Verkehrssicherheit und der Verkehrsfunktion priorisiert. Damit eignen sich zur Bekämpfung der Fahrbahnglätte nur auftauende Streustoffe. Mit abstumpfenden Stoffen kann die Glätte nur entschärft werden. Mit Auftausalzen hingegen lässt sich Glättebildung sowohl verhindern (Präventivstreuung ) als auch andauernd beseitigen. Abstumpfende Stoffe werden allenfalls auf Straßen mit geringer Verkehrsbedeutung sowie auf Geh- und Radwegen verwendet. 2. Werden Alleenbestände beim Straßenwinterdienst gesondert behandelt? Grundsätzlich werden Alleenbestände beim Straßenwinterdienst nicht gesondert behandelt. Bei einer konkreten Gefährdung von Alleenbeständen oder Einzelbäumen mit besonderer naturschutzrechtlicher Bedeutung (z. B. FFHGebiet , Naturdenkmal, etc.) durch regelmäßigen Streusalzeinsatz werden im Einzelfall die Streusalzbelastung mindernde Alternativen geprüft. Dabei werden auch Schutzmaßnahmen zur Verhinderung von Streusalzeinträgen in Betracht gezogen. Ob konkrete Gefährdungen von geschützten Bäumen im Einzelfall vorliegen, wird im Rahmen der Baumkontrolle überprüft. Die dazu eingeführten „Hinweise zur Durchführung von Baumkontrollen in der Bayerischen Straßenbauverwaltung“ geben eine regelmäßige sorgfältige Inaugenscheinnahme von Straßenbäumen im Zuständigkeitsbereich der Obersten Baubehörde vor. Die im Zuge der Baumkontrolle festgestellten Schäden an den Straßenbäumen werden durch die zuständigen Staatlichen Bauämter und Autobahndirektionen dokumentiert und, falls erforderlich, Pflegemaßnahmen eingeleitet. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.11.2014 17/3289 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3289 5. Wurde vonseiten des Ministeriums oder eines Straßenbauamtes eine Analyse zur Belastung des Wurzelbereiches an Bäumen durch Auftausalz, Salzrückstände im Boden, in Auftrag gegeben? Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat bisher keine Analysen über die Belastung des Wur- zelbereiches an Bäumen durch Auftausalze und Salzrückstände im Boden in Auftrag gegeben. Von der Autobahndirektion Südbayern wurde ein Gutachten im Bereich des Naturdenkmals „Kalter Baum“ (Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab) an der A 6 mit Untersuchungen in den Jahren 2009 und 2010 unter anderem zur Belastung mit Streusalz in Auftrag gegeben. Über weitere Analysen an Straßen- bauämtern im Zuständigkeitsbereich des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr liegen keine Erkenntnisse vor. 6. Wenn ja, welche Ergebnisse brachte diese Analyse und wo kann man diese einsehen? Das von der Autobahndirektion in Auftrag gegebene Gutachten geht in diesem Einzelfall von einer Komplexerkrankung des Baumes aus. Der schlechte Zustand des Baumes zu diesem Zeitpunkt lag neben der Chloridbelastung als Teilursache auch an weiteren Krankheitsursachen. Das Gutachten kann bei der Autobahndirektion Südbayern eingesehen werden. 3. Welche Auftaumittel werden bei Temperaturen unter –10°C verwendet? Das in Bayern als Auftaumittel nahezu ausschließlich verwendete Natriumchlorid (NaCl) ist für einen Temperaturbereich von bis zu –20°C einsetzbar. Bei sehr tiefen Temperaturen (unter –15°C) besitzt Calciumchlorid allerdings eine bessere Wirksamkeit. Vereinzelt wird daher auch noch Calciumchlorid (CaCl2) – überwiegend als Sole, punktuell auch in fester Form als CaCl2-Schuppen – ausgebracht, jedoch nur in sehr geringen Mengen. Im Winter 2013/2014 wurden 64 Tonnen CaCl2 gestreut, Tendenz abnehmend. Bis 2016 wird die Umstellung hin zur ausschließlichen Nutzung von NaCl als Streustoff abgeschlossen sein. 4. Wie viele Tonnen Salz in jeglicher Form wurden in den Wintermonaten seit 2005 in den einzelnen Kalenderjahren unterteilt in Bundes-, Staats- und Kreisstraßen in Bayern ausgebracht und wie viel ist das pro Kilometer Straße durchschnittlich? Die nachfolgenden Tabellen zeigen die jeweiligen Verbrauchsmengen nach Straßenkategorie und Winterperiode : Winter Bundesautobahnen Bundesstraßen Staatsstraßen Länge1 [km] GesamtVerbrauch [t] Ø-Verbrauch [t/km] Länge1 [km] GesamtVerbrauch [t] Ø-Ver- brauch [t/km] Länge1 [km] GesamtVerbrauch [t] Ø-Ver- brauch [t/km] 2005/2006 2.375 188.300 79,3 6.550 135.900 20,7 13.550 231.800 17,1 2006/2007 2.404 59.400 24,7 6.463 40.000 6,2 13.577 67.800 5,0 2007/2008 2.446 83.600 34,2 6.421 62.900 9,8 13.544 95.500 7,1 2008/2009 2.446 140.600 57,5 6.421 95.100 14,8 13.544 143.800 10,6 2009/2010 2.503 179.700 71,8 6.329 112.900 17,8 13.601 171.400 12,6 2010/2011 2.503 162.400 64,9 6.307 101.000 16,0 13.594 148.700 10,9 2011/2012 2.508 90.600 36,1 6.314 70.600 11,2 13.608 102.600 7,5 2012/2013 2.514 159.900 63,6 6.324 123.100 19,5 13.608 175.200 12,9 2013/2014 2.408 52.100 21,6 6.314 39.200 6,2 13.621 58.900 4,3 Tabelle 1: Bundesautobahnen, Bundes- und Staatsstraßen; (1 Streckenkilometer) Winter Kreisstraßen (im Auftrag der Landkreise) Länge1 [km] GesamtVerbrauch [t] Ø-Verbrauch [t/km] 2005/2006 3.100 33.400 10,8 2006/2007 3.073 9.900 3,2 2007/2008 3.079 15.900 5,2 2008/2009 3.079 26.100 8,5 2009/2010 3.073 31.800 10,3 2010/2011 3.070 28.100 9,2 2011/2012 3.067 18.700 6,1 2012/2013 3.066 31.400 10,2 2013/2014 3.066 10.200 3,3 Tabelle 2: Kreisstraßen; (1 Streckenkilometer) Drucksache 17/3289 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 7. Werden generell Schäden durch Tausalz an Gehwegbelägen , Straßenbelägen, Brücken, Regenwasserkanälen , Straßenbegleitgrün, Alleen, privaten Vorgärten, Grundwasser aufgenommen? Sind dafür Ausgleichs- und Reparaturmittel finanzieller Art eingeplant? Die Schädigung der Bauwerke durch Tausalz wird im Rahmen der regelmäßigen Bauwerksprüfungen, die entsprechend der DIN 1076 alle drei Jahre vorzunehmen sind, zusammen mit allen anderen Schäden dokumentiert. Dabei wird die Schädigung durch Tausalz anhand ihrer Auswirkungen auf das Bauwerk erfasst. Die Beseitigung dieser Schäden erfolgt zumeist über Instandsetzungsmaßnahmen, in deren Zuge auch noch andere Schäden behandelt werden. Zur Finanzierung der Schadensbeseitigung werden die allgemeinen Mittel der Bauwerkserhaltung herangezogen, bei deren Anmeldung der Mittelbedarf für die Beseitigung von Tausalzschäden jeweils enthalten ist. Die Schädigungen an Fahrbahnbelägen, Straßenbegleitgrün , Vorgärten, etc. durch Tausalz wurden bisher nicht gesondert erfasst. 8. Ist es geplant, generell umweltverträglichere Methoden bzw. salzfreie Abstumpfungsmittel anzuwenden, so wie es in einigen Regionen mit Rücksicht auf die Straßenbäume bereits der Fall ist? Wenn ja, welche, und mit welchem Zeithorizont soll die Umstellung erfolgen ? Nach den bisher vorliegenden Ökobilanz-Untersuchungen gelten sowohl die Salz- als auch die Splittstreuung als Belastung für die Umwelt. Die ökologischen Auswirkungen bei der Splittstreuung sind allerdings aufgrund der im Folgenden beschriebenen Nachteile höher anzusetzen, zumal Splitt auch energieintensiver hergestellt werden muss. ● Die abstumpfenden Streustoffe werden von den Fahr- zeugen schon nach kurzer Zeit an den Straßenrand geschleudert, sodass spätestens nach ca. 300 Fahrzeugüberrollungen Nachstreuungen notwendig wer- den. ● Durch das Auftauen des Schnees am Tag und das Wiedergefrieren in der Nacht entsteht bei reiner Splittstreuung eine Eisschicht, welche die Unfallhäufigkeit massiv erhöhen kann. ● Die abstumpfenden Streustoffe verstopfen Entwässerungseinrichtungen , verunreinigen landwirtschaftlich genutzte Flächen, höhen Bankette und Grünflächen auf und verursachen zudem in hohem Maße Schäden an parkenden und fahrenden Fahrzeugen. ● Die Zerkleinerung von abstumpfenden Streustoffen auf der Straße erhöht vor allem bei trockener Witterung die Bildung von Feinstaub. ● Der ausgebrachte Splitt ist durch verkehrsbedingte und andere Schadstoffe belastet und muss entsorgt oder recycelt werden. Eine erneute Verwendung des aufbereiteten Materials als Streustoff ist nicht möglich. Die Bayerische Straßenbauverwaltung unternimmt schon seit Jahren große Anstrengungen, um die ausgebrachten Streumengen an Auftausalzen zu reduzieren und so die Umweltbelastungen zu senken. Mithilfe modernster Fahrzeug-, Streu- und Informationstechnik konnte in den letzten Jahren die je nach Wetterlage durchschnittlich auszubringende Streumenge deutlich reduziert werden. Neben der bewährten Feuchtsalzstreuung wird z. B. seit Kurzem die Flüssigsalzstreuung mit Sole erfolgreich eingesetzt, insbesondere bei zu erwartender Reifglätte bzw. überfrierender Nässe. Da bei der Flüssigsalzstreuung die Verwehverluste weiter reduziert werden können, lässt sich der Salzverbrauch nochmals senken und zugleich die Qualität und Wirtschaftlichkeit des Winterdienstes erhöhen. Eine Umstellung auf salzfreie Abstumpfungsmittel ist daher nicht vorgesehen.