Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 09.09.2014 Gefälschte Medikamente Die „ZEIT“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 14.08.2014 von einer rapide steigenden Anzahl an gefälschten und oft wir­ kungslosen Arzneimitteln und medizinischen Wirkstoffen. Besonders perfide ist die Tatsache, dass die Fälschungen – selbst für Fachleute – immer weniger zu erkennen sind und die Mehrzahl von ihnen besonders teuere Krebspräparate und Antibiotika sind. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse für den Frei­ staat Bayern vor, in welchem Umfang – Menge und wirt­ schaftlicher Wert – Zollbehörden und Polizei Arzneimit­ telfälschungen im Jahr 2013 und in den ersten Monaten des Jahres 2014 aufgedeckt und gefälschte Produkte beschlagnahmt haben? 2. Wohin können sich Ärzte und Apotheker wenden, wenn sie den Verdacht einer solchen Medikamentenfälschung haben und für sie kostenlos die Inhaltsstoffe überprüfen lassen wollen? 3. Plant die Staatsregierung Maßnahmen zu ergreifen, um die Fälschung von Medikamenten u. Ä. zu erschweren, und welche sind das? 4. Hält die Staatsregierung es für notwendig, auf die Preis­ regulierung für Medikamente über einen Bundesrats­ beschluss Einfluss zu nehmen, wie es der Verband der Ersatzkassen e. V. in seiner Pressemitteilung vom 14.08.2014 fordert? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 01.10.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit den Staats ministerien der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat und des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt be­ antwortet: Vorbemerkung der Staatsregierung: Die Fälschung von Arzneimitteln ist ein weltweites Problem, das wirksame und verstärkte internationale Abstimmung und Zusammenarbeit erfordert. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Strategien zur Bekämpfung von Arzneimit­ telfälschungen Wirkung zeigen. Die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschafts kodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Verhinderung des Ein­ dringens von gefälschten Arzneimitteln in die legale Liefer­ kette („EU­Fälschungs­Richtlinie“) definiert gefälschte Arz­ neimittel wie folgt: Jedes Arzneimittel, bei dem Folgendes gefälscht wurde: a. seine Identität, einschließlich seiner Verpackung und Kennzeichnung, seines Namens oder seiner Zusammen­ setzung in Bezug auf jegliche Inhaltsstoffe, einschließlich der Arzneiträgerstoffe und des Gehalts dieser Inhaltsstof­ fe; b. seine Herkunft, einschließlich Hersteller, Herstellungs­ land, Herkunftsland und Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder c. seine Herkunft, einschließlich der Aufzeichnungen und Dokumente in Zusammenhang mit den genutzten Ver­ triebswegen. Die Vorgaben der sog. „EU­Fälschungs­Richtlinie“, wonach jede einzelne Arzneimittelpackung ab 2017 unter bestimm­ ten Voraussetzungen Sicherheitsmerkmale tragen muss, mit denen diese auf Echtheit geprüft werden können, wurden bereits 2012 in nationales Recht übernommen. Die genauen technischen Ausführungen dazu sind noch offen und sollen durch so genannte „delegierte Rechtsakte“ (voraussichtlich noch 2014) festgelegt werden. Derzeit wird bereits ein Sicherheitskennzeichen bei der Abgabe in Apotheken im Rahmen des Projekts „secur­ Pharm“ erprobt. Ein Originalitätsverschluss soll verhindern, dass der Inhalt ausgetauscht werden kann, und ein Sicher­ heitsmerkmal soll jede Packung zu einem Unikat und damit eindeutig identifizierbar machen. 1. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse für den Freistaat Bayern vor, in welchem Umfang – Menge und wirtschaftlicher Wert – Zollbehörden und Polizei Arzneimittelfälschungen im Jahr 2013 und in den ersten Monaten des Jahres 2014 aufgedeckt und gefälschte Produkte beschlagnahmt haben? Laut Mitteilung des Staatsministeriums des Innern unter Beteiligung des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 26.09.2014 weisen die in Betracht kommenden Straftatbe­ stände „Fälschen von Arzneimitteln“ und „Inverkehrbringen von gefälschten Arzneimitteln“ in der Polizeilichen Kriminal­ statistik (PKS) für das Jahr 2013 einen bzw. sechs Fälle aus. Für das Jahr 2014 liegen hierzu noch keine Zahlen in der Polizeilichen Kriminalstatistik vor. Da in der Polizeilichen Kri­ minalstatistik weder Mengen noch Schadenswerte erfasst werden, können hierzu keine belastbaren Aussagen getrof­ fen werden. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 31.10.2014 17/3298 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3298 Belastbare Zahlen zu Sicherstellungen/Beschlagnah­ men bzw. Fallbearbeitungen durch Zollbehörden liegen der Baye rischen Staatsregierung nicht vor. Die angesprochenen Maßnahmen der Zollbehörden im Zusammenhang mit gefälschten Medikamenten betreffen ausschließlich die fachliche Zuständigkeit der Bundes­ finanzverwaltung. Das Bundesministerium der Finanzen hat hierzu auf Anfrage mit Schreiben vom 25. September 2014 Folgendes mitgeteilt: Im Jahr 2013 haben die deutschen Zollbehörden rund 74.100 Stück gefälschte Arzneimittel bei Einfuhren aus Dritt­ ländern aus dem Verkehr gezogen, in denen es ausschließ­ lich zu Markenrechtsverletzungen gekommen ist, was rund 1,9 % aller Aufgriffe im Bereich des gewerblichen Rechts­ schutzes entspricht. Der Wert der Medikamente betrug da­ bei insgesamt ca. 1.100.000 €. Wie der nachstehenden Ta­ belle zu entnehmen ist, wurden dabei nur zwei Aufgriffe von Dienststellen aus Bayern erzielt: 2013 Bundesweit Bayern Anzahl Aufgriffe 272 2 Menge (Stk.) 74.106 176 Wert 1.116.318 € 2.440 € Hierbei handelte es sich ausschließlich um sog. Lifestyle­ Medikamente, wie z. B. Potenzmittel oder solche mit dem Wirkstoff Tadalafil. Aus Sicht des Zollfahndungsdienstes kann grundsätzlich eine Steigerung der Ermittlungsverfahren im Bereich der Arzneimittelkriminalität festgestellt werden, die sich jedoch auf den gesamten Deliktsbereich der Straftaten im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) bezieht. Alleine im Zu­ ständigkeitsbereich des Zollfahndungsamtes München mit seinen Dienstsitzen Lindau, Nürnberg und Weiden sind im Jahr 2013 369 Ermittlungsverfahren wegen Verstößen ge­ gen das AMG geführt, davon 335 im Bereich des illegalen Dopings im (Breiten­)Sport. Eine getrennte Erfassung von Ermittlungsverfahren „gefälschte Arzneimittel“ betreffend ist in der Statistik des Zollfahndungsdienstes nicht vorgesehen, darüber hinaus werden tateinheitlich meist mehrere Verstö­ ße gegen das AMG begangen und entsprechend ermittelt. Folgende Mengen wurden 2013 im Zuständigkeitsbereich des Zollfahndungsamtes München sichergestellt: Dopingsubstanzen Andere Arzneimittel Tabletten 32.940 21.767 Ampullen/ sonstige Stück 93.785 479 Daten für 2014 wurden vom Bundesministerium der Finan­ zen nicht übermittelt. 2 Wohin können sich Ärzte und Apotheker wenden, wenn sie den Verdacht einer solchen Medikamentenfälschung haben und für sie kostenlos die Inhaltsstoffe überprüfen lassen wollen? Im Verdachtsfall können sie sich an die zuständige Arznei­ mittelüberwachungsbehörde wenden. In deutschen Apothe­ ken ist die Vorgehensweise beim Verdacht auf Vorliegen eines gefälschten Arzneimittels apotheken­ und arzneimit­ telrechtlich wie folgt vorgegeben: Gemäß § 21 Nr. 8 der Apothekenbetriebsordnung (ApBe­ trO) hat der Apothekenleiter dafür zu sorgen, dass gefälsch­ te Arzneimittel, die im Vertriebsnetz festgestellt werden, bis zur Entscheidung über das weitere Vorgehen getrennt von verkehrsfähigen Arzneimitteln und gesichert aufbewahrt werden, um Verwechslungen zu vermeiden und einen un­ befugten Zugriff zu verhindern. Über das Auftreten von Arz­ neimittelfälschungen ist zudem die zuständige Arzneimit­ telüberwachungsbehörde unverzüglich zu informieren. Die getroffenen Maßnahmen sind zu dokumentieren. Zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörden in Bay­ ern sind gemäß § 2 i. V. m. § 1 der Verordnung über die Zu­ ständigkeiten der Arzneimittelüberwachungsbehörden und zum Vollzug des Gendiagnostikgesetzes (ZustVAMÜB) die Regierungen von Oberbayern und Oberfranken sowie die Kreisverwaltungsbehörden. Von den zuständigen Behörden können im Verdachtsfall Proben (Verdachtsproben) für die amtliche Untersuchung nach § 64 Abs. 3 Satz 3 AMG ent­ nommen werden. 3. Plant die Staatsregierung Maßnahmen zu ergreifen, um die Fälschung von Medikamenten u. ä. zu erschweren , und welche sind das? Es handelt sich um ein globales, nicht auf den Freistaat Bayern eingrenzbares Problem, das nur länderübergreifend bekämpft werden kann, wie durch die sog. „EU­Fälschungs­ richtlinie“ und deren Umsetzung in nationales Recht. Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung wird verwiesen. Zur effektiven Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen ist das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebens­ mittelsicherheit (LGL) in ein deutschlandweites Netzwerk von Arzneimitteluntersuchungsstellen eingebunden. Diese Zusammenarbeit dient insbesondere dem Austausch von Erfahrungen und Methoden bei der Analyse verdächtiger Proben mit neuartigen oder schwer identifizierbaren Inhalts­ stoffen. 4. Hält die Staatsregierung es für notwendig, auf die Preisregulierung für Medikamente über einen Bundesratsbeschluss Einfluss zu nehmen, wie es der Verband der Ersatzkassen e. V. in seiner Pressemitteilung vom 14.08.2014 fordert? Die Staatsregierung sieht das durch das Arzneimittelmarkt­ neuordnungsgesetz (AM­NOG) geschaffene System der Nutzenbewertung und Preisfindung grundsätzlich als „ler­ nendes System“ an. Aus dem genannten Beispiel Arzneimit­ telfälschungen kann aber kein gesetzgeberischer Reform­ bedarf abgeleitet werden, denn es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen Arzneimittelfälschungen und den geltenden bundesrechtlichen Regelungen zur Preisfindung patentgeschützter Arzneimittel in der Gesetzlichen Kran­ kenversicherung (GKV). Jedoch wird die Staatsregierung bei künftigen Gesetzgebungsvorhaben auf Bundesebene in diesem Zusammenhang darauf achten, dass sowohl der Zugang der Versicherten zu innovativen Arzneimitteln als auch die nachhaltige Finanzierung der GKV gleichermaßen berücksichtigt werden.