Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 08.08.2014 Arbeitsleistung und -entlohnung von Strafgefangenen, auch psychisch kranken Straftätern, in Anstalten sowie Verwertungsrechte und Gewinnverteilung bei Verkauf dieser Produkte bzw. Dienstleistungen Ich frage die Staatsregierung u. a. bezogen auf den Fall Haderthauer: 1. Wer war eigentlich Vertragspartner von Herrn und Frau H. bzw. der Fa. Sapor beim Ankauf von Modellautos, die ein psychisch kranker Straftäter hergestellt hat, der Untergebrachte oder die Anstalt? 2. Wer hat über die von der Firma Sapor/Familie H. zu zahlenden Kosten und Materialauslagen und über den Gesamtpreis eines in der Anstalt erstellten Produktes entschieden, der Untergebrachte oder die Justizvollzugsanstalt (JVA) bzw. die psychiatrische Anstalt? Wie ist dies grundsätzlich bei anderen Arbeitsleistungen geregelt, die Strafgefangene oder psychisch kranke Straftäter erbringen und die vermarktet werden? 3. Werden zum Verkauf oder zur gewinnbringenden Verwertung bestimmte Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die Strafgefangene oder psychisch kranke Straftäter schaffen , zur Preisfindung auf dem freien Markt angeboten, bzw. wenigstens mehrere Angebote eingeholt, bevor ein Käufer/Erwerber den Zuschlag erhält? 4. Wenn hier hohe Gewinne vom Käufer der Ware erzielt wurden, obwohl er nur einen geringen Kaufpreis gezahlt hat, warum wurde die Anstalt bzw. der Staat nicht an dem Gewinn zur Abgeltung von Kosten, die durch die Unterbringung entstehen, beteiligt? 5. Da der Wert der Arbeit des Untergebrachten viel höher war als die in der Presse zitierten 200 Euro im Monat, die er angeblich für seine Arbeit bekommen hat, frage ich, kommt die Differenz zwischen dem minimalen Lohn und dem Erlös tatsächlich nur dem Unternehmer als Unternehmerlohn zugute? Gab oder gibt es keine Möglichkeit mehr, die JVA/psychiatrische Anstalt (bzw. den Staat) daran zu beteiligen? 6. Besteht hier Regelungsbedarf, ist das zuständige Ministerium bereits tätig oder gibt es klare Regeln durch das Staatsministerium der Justiz oder ein sonstiges zuständiges Ministerium? 7. Hat jeder Bürger die Möglichkeit, besondere Fähigkeiten eines Gefangenen für sich zu wirtschaftlichen Zwecken in Anspruch zu nehmen, oder spielte hier der Beruf des Herrn H., seine Tätigkeit als Anstaltsarzt oder eine dienstliche Einflussnahme seiner Ehefrau bzw. ähnliche Beziehungen eine Rolle? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 06.10.2014 Die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Arbeitstherapie Modellbau war ab 1989 im Bezirkskrankenhaus Ansbach angesiedelt und wurde im Jahr 2000 in das Bezirkskrankenhaus Straubing verlegt. Die von der Firma Sapor-Modelltechnik zum Verkauf angebotenen Oldtimer -Modelle wurden dort von im Maßregelvollzug untergebrachten Personen hergestellt. Dabei handelt es sich nicht um Straftäter, die sich im Justizvollzug befinden, sondern um Maßregelvollzugspatienten. 1. Wer war eigentlich Vertragspartner von Herrn und Frau H. bzw. der Fa. Sapor beim Ankauf von Modellautos , die ein psychisch kranker Straftäter hergestellt hat, der Untergebrachte oder die Anstalt? Aus einer im Jahr 1990 geschlossenen Vereinbarung zum Betreiben einer Werktherapie für die Herstellung von Modellfahrzeugen geht hervor, dass Vertragspartner des Bezirks Mittelfranken eine Firma Roger Ponton war. Nach Angaben des Bezirkskrankenhauses Straubing war während der Dauer des Betriebs der Arbeitstherapie Modellbau im dortigen Bezirkskrankenhaus Vertragspartner des Bezirkskrankenhauses Straubing eine Firma Sapor. 2. Wer hat über die von der Firma Sapor/Familie H. zu zahlenden Kosten und Materialauslagen und über den Gesamtpreis eines in der Anstalt erstellten Produktes entschieden, der Untergebrachte oder die Justizvollzugsanstalt (JVA) bzw. die psychiatrische Anstalt? Wie ist dies grundsätzlich bei anderen Arbeitsleistungen geregelt, die Strafgefangene oder psychisch kranke Straftäter erbringen und die vermarktet werden? Für die Zeit im Bezirkskrankenhaus Ansbach ist aufgrund der in Frage 1 genannten Vereinbarung bekannt, dass das Bezirkskrankenhaus monatlich pauschal 100 DM für „Nebenkosten aus den Therapieräumen“ erhielt. Da nach Auskunft des Bezirkskliniken Mittelfranken Kommunalunternehmens keine weiteren Unterlagen aus dieser Zeit vorliegen, ist eine weitergehende Beantwortung nicht möglich. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 31.10.2014 17/3300 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3300 Seit die Arbeitstherapie „Modellbau“ in Straubing angesiedelt ist, war Vertragspartner der Firma Sapor das Bezirkskrankenhaus Straubing. Nach Auskunft des Bezirkskrankenhauses Straubing wurde die Werkstattausstattung (im Eigentum der Firma Sapor stehend) dem Bezirkskrankenhaus Straubing bei Zuverlegung des Maßregelvollzugspatienten S. vom Bezirkskrankenhaus Ansbach übergeben. Die Kosten für die Beschaffung von weiterem Werkzeug und Material wurden von der Firma Sapor getragen. Der jeweilige Preis für die einzelnen Fahrzeuge wurde zwischen dem Bezirkskrankenhaus und der Firma Sapor vereinbart. Der Maßregelvollzugspatient S. war in die Preisgestaltung zu keiner Zeit einbezogen. Über die vom Auftraggeber zu zahlenden Kosten, über Materialauslagen und den zu zahlenden Preis entscheiden im Maßregelvollzug die jeweiligen Maßregelvollzugseinrichtungen und im Justizvollzug die jeweiligen Justizvollzugsanstalten . Maßregelvollzugspatienten bzw. Gefangene sind bei diesen Entscheidungen nicht beteiligt. 3. Werden zum Verkauf oder zur gewinnbringenden Verwertung bestimmte Erzeugnisse oder Dienstleistungen , die Strafgefangene oder psychisch kranke Straftäter schaffen, zur Preisfindung auf dem freien Markt angeboten, bzw. wenigstens mehrere Angebote eingeholt, bevor ein Käufer/Erwerber den Zuschlag erhält? Für den Justizvollzug gilt: Bei der Übernahme von Aufträgen bzw. beim Verkauf von Produkten an Dritte werden Preise berechnet, die sich am jeweiligen Marktpreis orientieren. Bei der Preisbildung wird nach den einschlägigen Vorschriften der Arbeitsverwaltungsordnung für die Justizvollzugsanstalten in Bayern (AVO) vom 13. September 1991, JMBl S. 201, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 1. Februar 2006, JMBl S. 14, verfahren. Danach sind die Preise kaufmännisch zu berechnen und unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Gefangenenarbeit entsprechenden Marktpreisen anzupassen. Im Vordergrund steht die Beschäftigung möglichst vieler Gefangener und die Erzielung eines hohen Beitrags zur Deckung der Haftkosten und damit die Entlastung des Staatshaushalts. Für den Maßregelvollzug gilt: Bei der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie) handelt es sich um therapeutische Angebote der Maßregelvollzugseinrichtungen für ihre Patientinnen und Patienten. Die dort ausgeführten Tätigkeiten zielen nicht auf einen gewinnbringenden Verkauf oder eine gewinnbringende Verwertung der Erzeugnisse durch die Maßregelvollzugseinrichtung ab. Den Ergotherapiebereichen obliegt keine Gewinnerzielungsabsicht . Eine Kostendeckung aufseiten der Maßregelvollzugseinrichtungen wird zwar angestrebt, aber in der Regel nicht erreicht. Soweit in der Ergotherapie verkaufsfähige Produkte hergestellt werden, werden diese entweder von der Einrichtung selbst vermarktet (z. B. in einem Laden des Bezirkskrankenhauses oder auf einem Basar) oder für den jeweiligen Auftraggeber im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung zwischen der Maßregelvollzugseinrichtung und dem Auftraggeber gefertigt. Der Verkauf der Produkte durch den Auftraggeber liegt außerhalb des Einflussbereichs der Maßregelvollzugseinrichtung. 4. Wenn hier hohe Gewinne vom Käufer der Ware erzielt wurden, obwohl er nur einen geringen Kaufpreis gezahlt hat, warum wurde die Anstalt bzw. der Staat nicht an dem Gewinn zur Abgeltung von Kosten, die durch die Unterbringung entstehen, beteiligt? Der Auftraggeber trägt das Gewinn- und Verlustrisiko des in der Maßregelvollzugseinrichtung auf seinen Auftrag hin gefertigten Produkts. Die Gewinn-/Verlustsituation des Auftraggebers ist dem Träger der Maßregelvollzugseinrichtung in der Regel nicht bekannt und auch nicht Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung mit dem Auftraggeber. Es ist zwar Aufgabe der Maßregelvollzugseinrichtung, einen möglichst hohen Grad an Kostendeckung der Ergotherapiebereiche zu erreichen und hierzu möglichst hohe Preise mit dem Auftraggeber auszuhandeln. Die Maßregelvollzugseinrichtungen dürfen sich in den Verträgen jedoch nicht dazu verpflichten, das unternehmerische Risiko des Auftraggebers zu tragen. Deshalb können sie weder an den Gewinnen noch an den Verlusten des Auftraggebers beteiligt werden. 5. Da der Wert der Arbeit des Untergebrachten viel höher war als die in der Presse zitierten 200 Euro im Monat, die er angeblich für seine Arbeit bekommen hat, frage ich, kommt die Differenz zwischen dem minimalen Lohn und dem Erlös tatsächlich nur dem Unternehmer als Unternehmerlohn zugute? Gab oder gibt es keine Möglichkeit mehr, die JVA/psychiatrische Anstalt (bzw. den Staat) daran zu beteiligen? Patientinnen und Patienten erhalten für die von ihnen geleisteten Tätigkeiten in der Ergotherapie ein angemessenes Entgelt. Bei diesem Entgelt handelt es sich um eine therapeutische Maßnahme, die vorrangig der Motivation und Belohnung dient. Die Höhe der Entlohnung ist vorrangig an der Einsatzbereitschaft, der Qualität der geleisteten Tätigkeit und dem hierbei gezeigten sozialen Verhalten ausgerichtet und nicht an der zwischen der Maßregelvollzugseinrichtung und dem Auftraggeber vereinbarten Vergütung und schon gar nicht an einem etwaigen vom Auftraggeber erzielten oder erzielbaren Erlös. Aus diesen Gründen kann das im Bereich der Ergotherapie bezahlte Entgelt nicht ins Verhältnis gesetzt werden mit dem Verkaufserlös des Auftraggebers, der zudem nicht mit der konkreten Gewinn- oder Verlustsituation des Auftraggebers deckungsgleich ist. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 6. Besteht hier Regelungsbedarf, ist das zuständige Ministerium bereits tätig oder gibt es klare Regeln durch das Staatsministerium der Justiz oder ein sonstiges zuständiges Ministerium? Es besteht kein Regelungsbedarf, da eine Beteiligung der Maßregelvollzugseinrichtung am unternehmerischen Risiko des Auftraggebers nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu Antwort zu Frage 4). 7. Hat jeder Bürger die Möglichkeit, besondere Fähigkeiten eines Gefangenen für sich zu wirtschaftlichen Zwecken in Anspruch zu nehmen, oder spielte hier der Beruf des Herrn H., seine Tätigkeit als Anstaltsarzt oder eine dienstliche Einflussnahme seiner Ehefrau bzw. ähnliche Beziehungen eine Rolle? Für den Justizvollzug gilt: Auftraggeber haben keinen Anspruch darauf, dass für die Ausführung von Arbeiten bestimmte Gefangene eingesetzt werden. In den mit Unternehmern zu schließenden Verträ- Drucksache 17/3300 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 gen wird jeweils ausdrücklich vereinbart, dass die Justizvollzugsanstalt die benötigten Arbeitskräfte auswählt, der Unternehmer nicht verlangen kann, dass von ihm benannte Gefangene in seinem Betrieb eingesetzt werden und die Jus tizvollzugsanstalt aus vollzuglichen Gründen berechtigt ist, Gefangene aus dem Betrieb zu entfernen. Für den Maßregelvollzug gilt: Vertragspartner des Auftraggebers ist die Maßregelvollzugseinrichtung . Der Auftraggeber hat keinen Anspruch darauf, dass Tätigkeiten von einer bestimmten untergebrachten Person ausgeführt werden.