Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Rinderspacher SPD vom 03.09.2014 Rückbau von Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele Forschungs-, Prototypen- und Unterrichts- reaktoren existieren in Bayern bzw. haben bestanden (mit Angaben zum Standort)? a) Welche Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren existieren in Bayern bzw. haben bestanden (mit Angaben zum Standort)? 2. Wie viele der Forschungs-, Prototypen- und Unter- richtsreaktoren sind mittlerweile stillgelegt oder wurden schon zurückgebaut (mit Angaben zum Standort)? 3. Welche der Forschungs-, Prototypen- und Unterrichts- reaktoren sind privaten bzw. staatlichen Betreibern zuzuordnen ? 4. Welche Mengen radioaktives bzw. radioaktiv belas- tetes Material fallen durch den Rückbau der Forschungs -, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren in Bayern voraussichtlich an? 5. Wo wird das durch den Rückbau anfallende radioak- tive bzw. radioaktiv belastete Material zwischen- bzw. endgelagert? a) Wie wird das durch den Rückbau anfallende radioaktive bzw. radioaktiv belastete Material zwischen- bzw. endgelagert? 6. Wie viel radioaktives bzw. radioaktiv belastetes Material ist durch den Betrieb der Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren bislang insgesamt angefallen (nach Reaktoren aufgegliedert)? 7. Wer überwacht und auf welche Weise die Nutzung von spaltbarem Material und radioaktiven Substanzen im Bereich der genannten Reaktoren? 8. Wie hoch sind die durch den Rückbau entstehenden Kosten für Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren voraussichtlich? a) Von wem werden diese getragen? b) In welchem Umfang sind Kosten für den Rückbau von Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren in den letzten zwanzig Jahren durch den Freistaat oder durch den Bund getragen worden? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 06.10.2014 1. Wie viele Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren existieren in Bayern bzw. haben bestanden (mit Angaben zum Standort)? a) Welche Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren existieren in Bayern bzw. haben bestanden (mit Angaben zum Standort)? 2. Wie viele der Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren sind mittlerweile stillgelegt oder wurden schon zurückgebaut (mit Angaben zum Standort)? 3. Welche der Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren sind privaten bzw. staatlichen Betreibern zuzuordnen? Die Fragen 1 bis 3 werden wie folgt beantwortet: Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 31.10.2014 17/3303 Bayerischer Landtag Nr. Name Kurzbezeich - nung Betreiber Status Standort 1 Großwelzheim HeißdampfReaktor HDR WAK Rückbau- u. Entsorgungs GmbH Abgebaut: 15.10.1998 Großwelzheim 2 Kernkraftwerk Niederaichbach KKN WAK Rückbau- u. Entsorgungs GmbH Abgebaut: 17.08.1995 Niederaichbach 3 Versuchsatom-Kraftwerk Kahl VAK VAK GmbH Abgebaut: 24.09.2010 Kahl a. Main 4 Forschungsreaktor München FRM Technische Universität München Stillgelegt: 03.04.2014 Garching 5 Forschungsreaktor Neuherberg FRN Helmholtz Zentrum München Sicherer Einschluss seit 24.05.1984 NeuherbergOberschleißheim Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3303 Nr. Name Kurzbezeich - nung Betreiber Status Standort 6 Siemens Argonaut Reaktor SAR Technische Universität München Abgebaut: 20.03.1998 Garching 7 Siemens Unterkritische Anordnung SUA Technische Universität München Abgebaut: 20.03.1998 Garching 8 Siemens Unterrichtsreaktor München SUR Technische Universität München Abgebaut: 20.03.1998 Garching 9 Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz FRM II Technische Universität München In Betrieb: 02.05.2003 Garching 4. Welche Mengen radioaktives bzw. radioaktiv belastetes Material fallen durch den Rückbau der Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren in Bayern voraussichtlich an? FRM II: Bei der Erstellung des Sicherheitsberichts für das atomrechtliche Genehmigungsverfahren im Jahr 1993 wurde eine Abschätzung der bei einem Rückbau anfallenden Massen vorgenommen. Diese beläuft sich auf ca. 150 t radioaktiven Abfall, wobei der größte Teil davon aus Beton und Metallen besteht. FRM (alt): Der abgeschätzte Umfang an Stilllegungsabfällen aus dem Rückbau beläuft sich auf ca. 200 t. Hierbei ist zu berücksichtigen , dass die unter Denkmalschutz stehenden Gebäudestrukturen nicht zurückgebaut werden dürfen. Ergänzend wird auf die Landtags-Drs. 17/2336 vom 14.08.2014 verwiesen. FRN: Da der FRN sich im sicheren Einschluss befindet, handelt es sich bei den nachfolgenden Zahlen um Schätzwerte, für den Fall, dass der FRN zurückgebaut werden würde. Konditionierter Abfall Menge (200-Liter-Fässer) Bauschutt 50 Metallschrott 10 Graphit 15 Brennbare Mischabfälle 2 Seit dem sicheren Einschluss 1984 ist kein radioaktiv belastetes Material angefallen. HDR: Das Volumen an endlagergerechten Gebinden aus dem Rückbau bei der Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe (HDB, heute ein Betriebsteil der WAK Rückbau- und Entsorgungs GmbH – Rechtsnachfolger des Genehmigungsinhabers Forschungszentrum Karlsruhe GmbH) betrug ca. 287 m3. KKN: Beim Rückbau fielen 2.259 Tonnen geringfügig kontaminierte , wiederverwertbare Stoffe (überwiegend Stahl), 1.693 Tonnen radioaktive Abfälle, 1.540 Tonnen kontaminiertes Abwasser an. Ergänzend wird auf die Frage 5 der Bundestagsdrucksache 13/721 vom 09.03.1995 verwiesen. Das Volumen an endlagergerechten Gebinden aus dem Rückbau bei der HDB betrug ca. 1.490 m3. VAK: In Summe sind aus Betrieb und Rückbau 1.099,35 m3 radioaktiver Abfälle angefallen, die sich in 2.707 Gebinden befinden . Davon sind: – 228,20 m3 Abfallvolumen verpackt in 1.246 Gebinden in der Asse, dies sind eindeutig Betriebsabfälle, – 49,60 m3 Abfallvolumen verpackt in 247 Gebinden in ERAM, dies sind Betriebs- und Rückbauabfälle, – 820,95 m3 Abfallvolumen verpackt in 1.211 Gebinden in Mitterteich, auch hier Betriebs- und Rückbauabfälle, – 0,6 m3 Abfallvolumen verpackt in 3 Gebinden sind noch im KKW Gundremmingen, sie werden noch in 2014 nach Mitterteich transportiert. SUR, SUA, SAR: Die Stilllegung dieser Reaktoren liegt mehr als drei Jahrzehnte zurück. Der Rückbau ist vollständig abgeschlossen. Belastbare Zahlen wären nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ermittelbar. 5. Wo wird das durch den Rückbau anfallende radio- aktive bzw. radioaktiv belastete Material zwischen- bzw. endgelagert? FRM II und FRM (alt): Während der Abbauarbeiten werden die radioaktiven Abfälle , gegebenenfalls nach externer Konditionierung, zunächst am Standort zwischengelagert bzw. für den Abtransport bereitgestellt . Die Endlagerung erfolgt in dem durch den Bund bereitzustellenden Endlager für schwach- und mittelaktive radioaktive Abfälle. Ergänzend wird auf die Landtags-Drs. 17/2336 vom 14.08.2014 verwiesen. FRN: Der FRN befindet sich mittelfristig im sicheren Einschluss. Es finden keine Rückbautätigkeiten statt und damit fällt kein radioaktives bzw. radioaktiv belastetes Material an. HDR und KKN: Alle radioaktiven Reststoffe und Abfälle des KKN wurden im Forschungszentrum Karlsruhe dekontaminiert und endlagerfähig konditioniert. Das endzulagernde Abfallvolumen aus dem Rückbau des KKN betrug ca. 1.125 m3. Eine Charge von 142 Gebinden wurden in 1995 vom Zwischenlager in Karlsruhe zum Endlager Morsleben (ERAM) transportiert und dort eingelagert. In der HDB lagern auch heute zum Teil noch Abfälle des HDR und des KKN. Ergänzend wird auf die Frage 6 der Bundestagsdrucksache 13/721 vom 09.03.1995 verwiesen. Weitere Daten konnte die WAK Rückbau- und Entsorgungs GmbH in der Kürze der Zeit nicht ermitteln. Drucksache 17/3303 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 VAK: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. SUR, SUA, SAR: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. a) Wie wird das durch den Rückbau anfallende radio- aktive bzw. radioaktiv belastete Material zwischen- bzw. endgelagert? FRM II und FRM (alt): Das Material soll größtenteils rückbaubegleitend nach Stoffen getrennt für die Zwischen- und Endlagerung konditioniert und in geeignete Behälter verpackt werden. FRN: Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. HDR und KKN: Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. VAK: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. SUR, SUA, SAR: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 6. Wie viel radioaktives bzw. radioaktiv belastetes Material ist durch den Betrieb der Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren bislang angefallen (nach Reaktoren aufgegliedert)? FRM II: Am FRM II sind bisher 34 teilweise oder vollständig abgebrannte Brennelemente angefallen, die wärmeentwickelnder radioaktiver Abfall sind. Als nichtwärmeentwickelnder Abfall sind zum Stichtag 31.12.2013 ca. 78 m3 angefallen. FRM (alt): Zum Stichtag 31.12.2013 sind am FRM (alt) ca. 10 m3 radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung aus dem Betrieb angefallen, die noch in der Anlage vorhanden sind. FRN: Es liegen keine Unterlagen aus der Zeit des Betriebs des FRN mehr vor. HDR: Das Volumen an endlagergerechten Gebinden aus dem Betrieb bei der HDB betrug ca. 152 m3. KKN: Da der Betrieb nach ca. 12 Volllasttagen endete, sind keine nennenswerten Betriebsabfälle angefallen. VAK: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. SUR, SUA, SAR: Belastbare Zahlen sind in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelbar. 7. Wer überwacht und auf welche Weise die Nutzung von spaltbarem Material und radioaktiven Substanzen im Bereich der genannten Reaktoren? Die Atomrechtliche Aufsicht wird durch das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz wahrgenommen, das hierzu auch nachgeordnete Behörden wie das Landesamt für Umwelt und Sachverständige nach § 20 Atomgesetz zuzieht . Die Überwachung von Kernmaterial (d. h. spaltbarem Material) erfolgt zusätzlich im Rahmen internationaler Verträge durch EURATOM und IAEA. 8. Wie hoch sind die durch den Rückbau entstehenden Kosten für Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren voraussichtlich? FRM II: Für den FRM II, dessen Rückbau in der Zukunft liegt, kann auf Basis aktueller Rückbauprojekte nur eine sehr grobe Abschätzung gegeben werden. Diese beläuft sich auf ca. 200–300 Mio. €. FRM (alt): Eine Kostenschätzung aus den Jahren 2006/2007 beziffert die Kosten auf ca. 28 Mio. €. FRN: Laut einer Kostenschätzung von 2006 wurden für Rückbau und Entlassung aus dem Atomrecht Kosten von ca. 6,7 Mio. € veranschlagt. HDR: Bei der WAK GmbH (Rechtsnachfolger des Genehmigungsinhabers Forschungszentrum Karlsruhe GmbH) sind hierzu keine Informationen vorhanden. KKN: Die Kosten für den Rückbau betrugen 279,4 Mio. DM (Stand 1995, ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 2 der Bundestagsdrucksache 13/721 vom 09.03.1995 verwiesen). VAK: Die Versuchsatomkraftwerk Kahl GmbH ist ein Gemeinschaftsunternehmen von RWE Power und E.ON Kernkraft GmbH. Alle beim VAK-Rückbau anfallenden Kosten wurden von den Gesellschaftern im Verhältnis der Gesellschafteranteile – 80 % RWE Power und 20 % E.ON Kernkraft – getragen . Aus betrieblichen Gründen werden keine Angaben zu den Kosten gemacht. Vom Freistaat Bayern oder dem Bund wurden keine Kosten übernommen. SUR, SUA, SAR: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. a) Von wem werden diese getragen? FRM II, FRM (alt), SUR, SUA, SAR: Die Kosten trägt der Freistaat Bayern, konkret: die Technische Universität München als Betreiberin der Anlagen . Ergänzend wird auf die Landtags-Drs. 17/2336 vom 14.08.2014 verwiesen. FRN: Voraussichtlich werden die Kosten gemäß dem Gesellschaftsvertrag des Helmholtz Zentrums München zu 90 % vom Bund und zu 10 % vom Freistaat Bayern getragen. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3303 HDR und KKN: Die Sonderprojekte HDR und KKN der Forschungszentrum Karlsruhe GmbH (FZK), heute WAK GmbH, wurden vom Bund finanziert. Bei KKN hat die Industrie zum Teil Kosten übernommen: Bund 263,4 Mio. DM, Siemens AG 16 Mio. DM (Stand 1995; ergänzend wird auf die Antwort zur Frage 2 a der Bundestagsdrucksache 13/721 vom 09.03.1995 verwiesen). Angaben über die Kosten für den HDR liegen nicht vor. VAK: Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 8. b) In welchem Umfang sind Kosten für den Rückbau von Forschungs-, Prototypen- und Unterrichtsreaktoren in den letzen zwanzig Jahren durch den Freistaat oder durch den Bund getragen worden? FRM II und FRM (alt): Ein Rückbau ist erst nach Erlangung einer Stilllegungsgenehmigung nach § 7 Abs. 3 Atomgesetz möglich. Für den FRM (alt) liegt diese seit 03.04.2014 vor, der aktive Rückbau hat aber noch nicht begonnen. Der FRM II befindet sich noch im Betrieb. Es sind daher weder für den FRM II noch für den FRM (alt) bisher Kosten für den Rückbau angefallen. Ergänzend wird auf die Landtags-Drs. 17/2336 vom 14.8.2014 verwiesen. FRN: Weder durch den Freistaat Bayern noch durch den Bund sind seit 1984 Rückbaukosten für die Anlage im Status des „sicheren Einschluss“ getragen worden. HDR und KKN: Die bei Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe (HDB) in den letzten zwanzig Jahren angefallenen Kosten für Konditionierung und Lagerung der Reststoffe bzw. Abfälle von HDR und KKN können wegen mehrfach wechselnden Rahmenbedingungen (Gesellschafterwechsel, verschiedene Finanzierungsschlüssel ) kurzfristig nicht beziffert werden. VAK: Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. SUR, SUA, SAR: Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.