Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze, Kerstin Celina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 14.08.2014 Aufklärung rechtsextremistischer Übergriffe durch Bundeswehrsoldaten auf Asylunterkunft im Landkreis Kitzingen Am 13. November 2013 drangen mehrere Bundeswehrsoldaten in eine Asylunterkunft im Landkreis Kitzingen, Unterfranken , ein und urinierten dort unter anderem auf die Wäsche der Asylsuchenden. Wir fragen die Staatsregierung: 1. Welcher genaue Sachverhalt liegt dem vorgenannten Vorfall zugrunde? 2. Wann ist der Vorfall der Staatsregierung bekannt geworden ? 2.1 Welche Schutzmaßnahmen wurden für die Asylsuchenden daraufhin ergriffen? 3. Wie und durch wen wurde der entstandene Schaden ersetzt? 4. Wurde der Vorfall durch die Polizei veröffentlicht, und wenn nein, warum nicht? 5. Welche Ermittlungen durch welche Behörden wurden gegen die Beteiligten eingeleitet? 5.1 Wurden bei den Beteiligten Durchsuchungen vorgenommen , und wenn ja, wurden bei ihnen Hinweise auf (rechts-)extremistische Ideologien gefunden? 6. Sind Verbindungen der Beteiligten in die rechtsextreme Szene bekannt? 6.1 Sind die Beteiligten während ihrer Dienstzeit bei der Bundeswehr bereits durch rechtsextreme Einstellungen auffällig geworden und was wurde daraufhin veranlasst ? 7. Wie hat der Vorgang in die polizeiliche Kriminalstatistik und in den Verfassungsschutzbericht Einzug gehalten ? 8. Sind der Staatsregierung andere rechtsextremistische, strafrechtlich relevante Vorfälle bekannt, die von Bundeswehrangehörigen verübt worden sind? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 07.10.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz und dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet : Vorbemerkung: Nach hiesigem Kenntnisstand bezieht sich die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten vermutlich auf einen Artikel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ vom 4. August 2014. Entgegen der dortigen Angabe (13. November 2013) ereigneten sich die in der Schriftlichen Anfrage genannten Vorfälle in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 2013 in einer Unterkunft für Asylbewerber im Landkreis Kitzingen. 1. Welcher genaue Sachverhalt liegt dem vorgenannten Vorfall zugrunde? Nach Angaben des Polizeipräsidiums Unterfranken und der Staatsanwaltschaft Würzburg liegt dem Vorfall folgender Sachverhalt zugrunde: Der Polizeiinspektion Kitzingen wurde am Mittwoch, den 30. Oktober 2013, bekannt, dass in den Nächten vom 28. Oktober 2013 zum 29. Oktober 2013 und vom 29. Oktober 2013 zum 30. Oktober 2013 Unterkünfte von Asylbewerbern im Landkreis Kitzingen offensichtlich widerrechtlich betreten worden waren. Die ersten Ermittlungen vor Ort ergaben, dass mehrere jugendlich aussehende Personen in der genannten Zeit sehr massiv vor den Wohnheimen aufgetreten seien. In diesem Zeitraum seien auch wiederholt Kieselsteine und Maiskolben an die Fensterscheiben geworfen worden . Zwei männliche Personen seien dann in beiden Nächten mehrfach in die betreffenden Unterkünfte gegangen, hätten dort an mehreren Wohnungen geklopft bzw. geläutet und gewartet, bis sich jemand bemerkbar macht. Danach seien sie einfach weitergegangen. Es sei auch beobachtet worden, dass sich die beiden im Keller aufhielten und dort urinierten. Angeblich hätten sie auch in eine Waschmaschine uriniert und der Haupttäter soll anwesende Asylbewerber beleidigt haben. Anfänglich waren die Beteiligten am Geschehen nicht bekannt. Nach einer Ruhestörung in der Nähe der bereits genannten Unterkünfte am 13. November 2013 wurden drei Personen kontrolliert. Bei einer der Personen handelte es sich um einen Bundeswehrangehörigen. Nachdem bei den Vorkommnissen in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 2013 eine Person Tarnkleidung getragen haben soll, wurde der Bundeswehrangehörige, der zur Tatzeit Heranwachsender war, danach zum Geschehen befragt. Die Befragung des Bundeswehrangehörigen ergab dessen Beteiligung und war Grundlage für die weiteren Ermittlungen , insbesondere zur Klärung der Beteiligung des Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 31.10.2014 17/3312 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3312 jugendlichen Haupttäters, der zur Tatzeit die Tarnkleidung getragen hatte, jedoch kein Bundeswehrangehöriger war. Die Beteiligten des Vorfalls während der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 2013 konnten nicht ermittelt werden. 2. Wann ist der Vorfall der Staatsregierung bekannt geworden? Wie bereits im Rahmen der Antwort zu Frage 1 dargelegt, erlangte die Polizeiinspektion Kitzingen am 30. Oktober 2013 Kenntnis über den zu diesem Zeitpunkt bekannten Sachverhalt. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wurde am 31. Oktober 2013 über den ursprünglichen und am 12. Dezember 2013 über den weitergehenden Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. 2.1 Welche Schutzmaßnahmen wurden für die Asylsuchenden daraufhin ergriffen? Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Unterfranken wurde nach den Vorfällen die Bestreifung der Gemeinschaftsunterkünfte in unregelmäßigen Abständen durch die Polizeiinspektion Kitzingen angeordnet. Nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wurden seitens der Regierung von Unterfranken keine besonderen Schutzmaßnahmen ergriffen. Grundsätzlich sei jedoch festzustellen, dass die Regierungen , die die Gemeinschaftsunterkünfte betreiben, die Polizei zur Gefahrenabwehr durch diverse Maßnahmen unterstützen . So werden die Polizeidienststellen über die Standorte der Gemeinschaftsunterkünfte informiert und Kontrollen durch das regierungseigene Personal durchgeführt, sowie ein enger Kontakt und eine eingehende Kommunikation mit der Polizei aufrechterhalten. Darüber hinaus werden auch durch bauliche Vorkehrungen (z. B. Türschließer) Maßnahmen zur Sicherung ergriffen. 3. Wie und durch wen wurde der entstandene Schaden ersetzt? Nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wurden die „Hinterlassenschaften “ der Jugendlichen vom dortigen beauftragten Hausmeisterdienst beseitigt. Ein weiterer materieller Schaden sei der Regierung von Unterfranken nicht bekannt geworden. 4. Wurde der Vorfall durch die Polizei veröffentlicht, und wenn nein, warum nicht? Der Vorfall wurde weder von der örtlich zuständigen Polizeiinspektion Kitzingen noch vom Polizeipräsidium Unterfranken an die Medien kommuniziert. Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Unterfranken waren am 30. Oktober 2013 Ermittlungsansätze vorhanden, die eine Pressemitteilung für eine Zeugensuche unnötig machten . Im Übrigen beinhaltete der Vorgang noch nicht ausreichend viele Fakten, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Als sich im Fortgang der Ermittlungen Hinweise auf einen möglichen fremdenfeindlichen Hintergrund ergaben, wurde seitens der Pressestelle des Polizeipräsidiums Unterfranken entschieden, keine Kommunikation des Falles an die Medien zu betreiben. Diese Entscheidung wurde durch die Tatsache beeinflusst, dass die Pressearbeit grundsätzlich zeitnah zum jeweiligen Ereignis erfolgen sollte und die Tatzeit zu diesem Zeitpunkt bereits anderthalb Monate zurücklag. 5. Welche Ermittlungen durch welche Behörde wurden gegen die Beteiligten eingeleitet? Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Unterfranken wurden die Ermittlungen zunächst durch die örtlich zuständige Polizeiinspektion Kitzingen geführt. Nachdem ein möglicher fremdenfeindlicher Hintergrund im Raum stand, wurden die weiteren Ermittlungen durch das zuständige Fachkommissariat der Kriminalpolizeiinspektion Würzburg übernommen. Im Rahmen der Ermittlungen erfolgte auch ein Austausch mit dem Militärischen Abschirmdienst (MAD). Die Strafanzeige wurde nach Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Würzburg übersandt. Gegen den jugendlichen Haupttäter wurde Anklage zum Jugendschöffengericht des AG Kitzingen wegen Volksverhetzung in Tatmehrheit mit Hausfriedensbruch erhoben, deren Gegenstand daneben auch eine politisch motivierte Sachbeschädigung in Form eines aufgesprühten sogenannten „Anarchozeichens“ ist, die zu einem anderen Zeitpunkt stattgefunden hat. Das AG Kitzingen hat das Hauptverfahren eröffnet und bereits einen Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Das Verfahren gegen den heranwachsenden Bundeswehrangehörigen , dem lediglich die Beteiligung an dem Hausfriedensbruch nachgewiesen werden konnte, wurde gemäß dem JGG eingestellt. Durch die Bundeswehr war ihm eine Disziplinarbuße auferlegt worden, die als erzieherische Maßnahme als ausreichend erkannt wurde. 5.1 Wurden bei den Beteiligten Durchsuchungen vorgenommen , und wenn ja, wurden bei ihnen Hinweise auf (rechts-)extremistische Ideologien gefunden ? Wie bereits im Rahmen der Antwort zu Frage 1 dargelegt, war der damalige Bundeswehrangehörige Mittäter. Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Unterfranken brachten die Ermittlungen, im Gegensatz zu den Ermittlungen gegen den Haupttäter, keine Erkenntnisse, dass dieser sich fremdenfeindlich geäußert habe. In der Folge wurde bei ihm keine Durchsuchung durchgeführt. Beim Haupttäter wurde eine Wohnungsdurchsuchung durchgeführt. Hier wurden Hinweise sowohl auf rechts- als auch linksextremistische Ideologien gefunden. 6. Sind Verbindungen der Beteiligten in die rechtsextreme Szene bekannt? Eine fremdenfeindliche Einstellung des Bundeswehrangehörigen ließ sich nicht belegen, ist aber nicht auszuschließen . Im Zuge der Ermittlungen gegen ihn ergaben sich keine Hinweise auf Beziehungen in die rechtsextremistische Szene. Zum Haupttäter liegen dem Polizeipräsidium Unterfranken , mit Ausnahme der in der Antwort zu Frage 5 dargelegten Punkte, keine weiteren Erkenntnisse hinsichtlich Verbindungen in die rechtsextremistische Szene vor. Der Staatsanwaltschaft Würzburg ist bekannt, dass der Haupttäter einen politischen Hintergrund seiner Tat im Verfahren bislang ebenso in Abrede stellt, wie eine rechte oder ausländerfeindliche Gesinnung. Mit Ausnahme des beschriebenen Vorfalls sind beide Personen dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz im Rahmen der Aufgabenerfüllung nicht bekannt geworden. Drucksache 17/3312 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 6.1 Sind die Beteiligten während ihrer Dienstzeit bei der Bundeswehr bereits durch rechtsextreme Einstellungen auffällig geworden und was wurde dara ufhin veranlasst? Nur bei dem Mittäter handelt es sich um einen Angehörigen der Bundeswehr. Sowohl dem Polizeipräsidium Unterfranken, auch nach Rücksprache mit dem Militärischen Abschirmdienst, als auch dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz sind keine Auffälligkeiten hinsichtlich einer links- oder rechtsextremistischen Einstellung bekannt geworden. Abgesehen von den strafrechtlichen Ermittlungen und dem weiteren strafprozessualen Verfahrensverlauf fallen extremistische Bestrebungen von Bundeswehrangehörigen in den Zuständigkeitsbereich des Militärischen Abschirmdienstes . 7. Wie hat der Vorgang in die polizeiliche Kriminalstatistik und in den Verfassungsschutzbericht Einzug gehalten? Die Erfassung fand im Jahr 2013 als Delikt der Fremdenfeindlichkeit innerhalb des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes – Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) statt und wurde zudem Anfang des Jahres 2014 als Volksverhetzung (§ 130 StGB) zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) gemeldet . Innerhalb des Bayerischen Verfassungsschutzberichts 2013 fand der Vorgang keine gesonderte Erwähnung. 8. Sind der Staatsregierung andere rechtsextremistische , strafrechtlich relevante Vorfälle bekannt, die von Bundeswehrangehörigen verübt worden sind? Im Jahr der Tatausführung wurden folgende Vorfälle im Sinne der Anfrage innerhalb des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMDPMK ) bekannt: 2013 (insgesamt 5 Fälle) 2 x Volksverhetzung (§ 130 StGB), 2 x Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Orga- nisationen (§ 86 a StGB), 1 x Beleidigung (§ 185 StGB). Für das Jahr 2014 sind folgende Fälle im KPMD-PMK bisher erfasst: 01.01.2014–31.08.2014 (bis dato 3 Fälle) 1 x Volksverhetzung (§ 130 StGB) 2 x Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Orga- nisationen (§ 86 a StGB)