Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Herbert Woerlein SPD vom 03.07.2014 Schließung der psychiatrischen Ambulanz in Schwabmünchen Die psychiatrische Ambulanz in den Wertachkliniken in Schwabmünchen ist zum 30. Juni 2014 geschlossen worden . In Behandlung befindliche Personen aus der Region verlieren damit eine wichtige Anlaufstelle und müssen weite Wege zurücklegen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie beurteilt die Staatsregierung den Beitrag psychiatrischer Ambulanzen an Krankenhäusern, die selbst über keine entsprechende psychiatrische Abteilung verfügen, zur Aufrechterhaltung der medizinischen Grundversorgung? 2. a) Ist es zutreffend, dass nach geltender Rechtslage eine psychiatrische Ambulanz an den Wertachkliniken nicht zulässig ist? b) Wie genau stellt sich diese Rechtslage dar? c) Was hat die Staatsregierung gegen die Schließung der Schwabmünchner psychiatrischen Ambulanz unternommen ? 3. a) Welche Standorte psychiatrischer Ambulanzen in Bayern sind außerdem von Schließungen betroffen? b) Was hat die Staatsregierung bisher getan, um den rechtlichen Rahmen zu verändern und psychiatrische Ambulanzen zu sichern? c) Was ist in Zukunft geplant, die psychiatrischen Ambulanzen zu sichern? 4. a) Wie viele Patienten haben die bisherige psychiatrische Ambulanz in Schwabmünchen in Anspruch genommen ? b) Wie hoch waren die Kosten für das Angebot der psychiatrischen Ambulanz in Schwabmünchen? c) Wie hoch wird die Kostenersparnis geschätzt, die durch den Wegfall der Ambulanz in Schwabmünchen entsteht, im Vergleich zu den Kosten, die nun für Wege von Patienten in stationäre Einrichtungen bzw. für die Inanspruchnahme sogenannter „aufsuchender Dienste “ zusätzlich aufzuwenden sind? Antwort der Staatsministerin für Gesundheit und Pflege vom 10.10.2014 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet : 1. Wie beurteilt die Staatsregierung den Beitrag psychiatrischer Ambulanzen an Krankenhäusern, die selbst über keine entsprechende psychiatrische Abteilung verfügen, zur Aufrechterhaltung der medizinischen Grundversorgung? Die ambulante psychiatrische Versorgung der bayerischen Bevölkerung erfolgt primär über niedergelassene Vertragsärzte . Zuständig für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). Die psychiatrische Versorgung erfolgt durch die Arztgruppe der Nervenärzte. Zu dieser Arztgruppe gehören nach der bundesweit geltenden Bedarfsplanungs-Richtlinie Nervenärzte, Neurologen, Psychiater sowie Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie. In Bayern herrscht für diese Arztgruppe weitestgehend Überversorgung, lediglich in sechs Planungsbereichen besteht Regelversorgung. Von Unterversorgung ist nach den Vorgaben der Bedarfsplanung in keinem bayerischen Planungsbereich auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass die ambulante vertragsärztliche Versorgung im Bereich Psychiatrie in Bayern trotz vereinzelter lokaler Engpässe nicht grundsätzlich flächendeckend sichergestellt ist, liegen der Staatsregierung nicht vor. Ergänzt wird die ambulante psychiatrische Versorgung durch sogenannte Psychiatrische Institutsambulanzen – PIA. Nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 118 SGB V) können PIAs organisatorisch und räumlich nur an psychiatrischen Krankenhäusern oder an Allgemeinkrankenhäusern mit selbstständigen fachärztlich geleiteten psychiatrischen Abteilungen mit regionaler Versorgungsverpflichtung eingerichtet werden. Die Versorgung der bayerischen Bevölkerung ist mit dem bestehenden Angebot an niedergelassenen Vertragsärzten, Psychotherapeuten sowie ermächtigten PIAs hinreichend sichergestellt. Eine generelle Ausweitung des Versorgungsangebotes auf psychiatrische Ambulanzen ohne Anbindung an Krankenhäuser mit psychiatrischer Abteilung hält die Staatsregierung weder für angebracht noch für notwendig. 2. a) Ist es zutreffend, dass nach geltender Rechtslage eine psychiatrische Ambulanz an den Wertachkliniken nicht zulässig ist? b) Wie genau stellt sich diese Rechtslage dar? Die Fragen 2 a und 2 b werden wegen des engen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 07.11.2014 17/3321 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3321 Nach § 95 Abs. 1 SGB V dürfen an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich nur zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teilnehmen. Zulassungen und Ermächtigungen werden dabei vom jeweils örtlich zuständigen Zulassungsausschuss (hier Zulassungsausschuss Schwaben) erteilt. Psychiatrische Krankenhäuser haben nach § 118 Abs. 1 SGB V einen gesetzlichen Anspruch, im Rahmen einer PIA zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung ermächtigt zu werden. Allgemeinkrankenhäuser mit selbstständigen fachärztlich geleiteten psychiatrischen Abteilungen mit regionaler Versorgungsverpflichtung sind nach § 118 Abs. 2 SGB V bereits unmittelbar durch das Gesetz zur ambulanten Behandlung ermächtigt. Allerdings ist diese Ermächtigung beschränkt auf eine eingeschränkte Gruppe von Kranken, die durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung in einem entsprechenden Vertrag festgelegt ist. Nach dem Willen des Bundesgesetzgebers handelt es sich bei PIAs im Sinne von § 118 SGB V ausschließlich um Einrichtungen an psychiatrischen Krankenhäusern. Die Behandlung in PIAs ist auf Patienten auszurichten, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung auf die Behandlung durch diese Krankenhäuser angewiesen sind. Lediglich wenn wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzten eine Behandlung durch niedergelassene oder ermächtigte Nervenärzte nicht in zumutbarer Weise sichergestellt ist, dürfen PIAs auch Patienten mit weniger gravierenden Erkrankungen behandeln. Dabei handelt es sich aber um einen gesetzlich abschließend normierten Ausnahmetatbestand . Nach ständiger obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt die Ermächtigung einer PIA zwar nicht zwingend deren Einrichtung im Gebäude einer Klinik mit psychiatrischem Versorgungsauftrag voraus, wohl aber eine organisatorische und räumliche Anbindung der Behandlungseinrichtung an eine solche Klinik. Die Einrichtung von Außenstellen einer PIA ist damit grundsätzlich ausgeschlossen (s. BSG, Urteil vom 21.06.1995, AZ: 6 RKa 49/94, Beschluss vom 05.02.2003, Az.: B 6 KA 26/02 R; LSG NRW, Urteil vom 22.09.2004, AZ: L 10 KA 33/03). Die Wertachkliniken in Schwabmünchen haben keinen psychiatrischen Versorgungsauftrag. Das Krankenhaus ist vielmehr lediglich mit den Fachrichtungen Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde und Innere Medizin in den bayerischen Krankenhausplan aufgenommen und damit ausschließlich für diese Fachrichtungen zur stationären Behandlung gesetzlich versicherter Patienten zugelassen. Damit ist eine Ermächtigung der Wertachkliniken als PIA grundsätzlich ausgeschlossen. Im Hinblick auf die o. g. Rechtsprechung ist auch eine Außenstelle einer PIA eines anderen Krankenhauses an den Wertachkliniken grundsätzlich nicht zulässig. Der Zulassungsausschuss für Ärzte-Schwaben hat den Wertachkliniken tatsächlich auch keine Ermächtigung als PIA nach § 118 Absatz 1 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erteilt. Dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege liegen darüber hinaus auch keine Erkenntnisse dazu vor, dass die Wertachkliniken oder dort tätige Ärzte auf Basis einer anderen Rechtsgrundlage zur regelhaften Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung in Schwabmünchen ermächtigt gewesen wären. c) Was hat die Staatsregierung gegen die Schließung der Schwabmünchner psychiatrischen Ambulanz unternommen? Anlass der Schließung der psychiatrischen Ambulanz an den Wertachkliniken in Schwabmünchen war laut Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern die Tatsache, dass insbesondere durch die schwäbischen Bezirkskliniken Augsburg, Kaufbeuren, Günzburg, Memmingen und Kempten PIA-Außenstellen an Kliniken ohne psychiatrischen Versorgungsauftrag sowie an Standorten ohne Klinikanbindung eingerichtet wurden. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände haben laut ihrer Stellungnahme hiervon im Laufe des Jahres 2013 über einen Internetauftritt des Bezirks Schwaben erfahren. In Gesprächen mit dem Bayerischen Bezirketag und der BKG hatten die Krankenkassen gefordert, dass die Bezirkskliniken rechtskonforme Lösungen anstreben oder die rechtswidrigen Außenstellen bis 30.06.2014 schließen . Nachdem rechtskonforme Lösungen nicht angestrebt wurden, wurden die PIA-Außenstellen nun geschlossen. Da es sich bei der Einrichtung in Schwabmünchen somit um eine rechtlich nicht zulässige Außenstelle einer PIA gehandelt hat, bestand für die Staatsregierung weder Anlass noch Möglichkeit, dieser Schließung entgegenzuwirken. 3. a) Welche Standorte psychiatrischer Ambulanzen in Bayern sind außerdem von Schließungen betroffen ? Nach Auskunft der Krankenkassenverbände in Bayern sind hiervon außerdem die von den Bezirkskliniken Schwaben betriebenen PIA-Außenstellen in Mindelheim, lllertissen, Immenstadt , Füssen, Wertingen und Ursberg betroffen. Diese Außenstellen wurden ebenfalls zum 30.06.2014 geschlossen . b) Was hat die Staatsregierung bisher getan, um den rechtlichen Rahmen zu verändern und psychiatrische Ambulanzen zu sichern? c) Was ist in Zukunft geplant, die psychiatrischen Ambulanzen zu sichern? Die Fragen 3 b und 3 c werden wegen des Sachzusammenhangs ebenfalls gemeinsam beantwortet: Hinsichtlich der Ermöglichung und des Betriebs von PIAs im Sinne von § 118 SGB V oder deren Außenstellen an Krankenhäusern ohne psychiatrischen Versorgungsauftrag sieht die Staatsregierung keinen Anlass für eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Anbindung einer PIA an ein psychiatrisches Krankenhaus oder eine psychiatrische Abteilung ist wohlbegründet. Denn nur durch die enge räumliche und organisatorische Anbindung an ein Krankenhaus mit psychiatrischem Versorgungsangebot und durch den dadurch möglichen unmittelbaren Rückgriff auf die dort vorgehaltenen Strukturen kann das spezielle Leistungsangebot der grundsätzlich auf die Behandlung besonders schwerer und lang andauernder psychiatrischer Erkrankungen ausgerichteten PIAs realisiert werden. Die teilweise geforderte „Lockerung“ dieser engen Anbindung hätte zur Folge, dass das PIA-Konzept unter Einbindung aller relevanten Fachgesellschaften, Leistungserbringer und Leistungsträger sowie der Betroffenen und ihrer Verbände zunächst neu gedacht werden müsste. Trotz vereinzelter lokaler Engpässe erfordert und rechtfertigt die psychiatrische Versorgungslage insgesamt es derzeit nicht, einen solchen Diskussionsprozess anzustoßen. Psychisch Drucksache 17/3321 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Kranken steht ein vielfältiges und differenziertes ambulantes Leistungsangebot zur Verfügung. Sie werden von in freier Praxis tätigen, niedergelassenen Psychiatern, Nervenärzten , Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychiatern sowie PIAs und nach der Ärzte-ZV ermächtigten Ärzten versorgt. Darüber hinaus haben die Krankenkassen mit der Bayerischen Krankenhausgesellschaft und dem Bayerischen Bezirketag auch die Möglichkeit einer aufsuchenden Hilfe psychisch Kranker durch PIAs vereinbart. Die wohnortnahe , psychiatrische Versorgung in Bayern erscheint demnach dem Grunde nach auch ohne eine solche „Lockerung“ grundsätzlich gesichert. Die Staatsregierung sieht bei den Regelungen über PIAs derzeit keinen rechtlichen Änderungsbedarf. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen über den Stand der ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung in Bayern hält die Staatsregierung einen Einsatz auf Bundesebene, mit dem Ziel, Krankenhäusern ohne (stationären) psychiatrischen Versorgungsauftrag generell eine ambulante psychiatrische Versorgung in Konkurrenz zu den etablierten Versorgungstrukturen zu ermöglichen , weder für sinnvoll noch für notwendig. 4. a) Wie viele Patienten haben die bisherige psychiatrische Ambulanz in Schwabmünchen in Anspruch genommen? Die Außenstelle Schwabmünchen wurde nach Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern rechtswidrig, ohne Wissen und Einverständnis der gesetzlichen Krankenkassen errichtet. Die dort erbrachten Leistungen sind den Krankenkassen – ohne dass dies für die Kassen erkennbar gewesen wäre – über die Abrechnungsunterlagen zugelassener psychiatrischer Institutsambulanzen in Rechnung gestellt worden. Die jeweiligen Bezirkskliniken haben in der Abrechnung nicht kenntlich gemacht, dass die Leistungen nicht in einer psychiatrischen Institutsambulanz nach § 118 SGB V, sondern in nicht genehmigten Außenstellen erbracht worden sind. Den Krankenkassen liegen daher keine Daten über die Anzahl der Patienten vor, die in Schwabmünchen versorgt wurden. b) Wie hoch waren die Kosten für das Angebot der psychiatrischen Ambulanz in Schwabmünchen? Mit Blick auf die Antwort zu 4 a können die Krankenkassen die Kosten für das Angebot der psychiatrischen Außenstelle in Schwabmünchen nicht ermitteln. c) Wie hoch wird die Kostenersparnis geschätzt, die durch den Wegfall der Ambulanz in Schwabmünchen entsteht, im Vergleich zu den Kosten, die nun für Wege von Patienten in stationäre Einrichtungen bzw. für die Inanspruchnahme sogenannter „aufsuchender Dienste“ zusätzlich aufzuwenden sind? Eine Kalkulation der Kostenersparnis durch den Wegfall der PIA-Außenstelle kann von den Krankenkassen mit Blick auf die Antworten zu 4 a und 4 b nicht vorgenommen werden.