Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm, Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 23.10.2013 Kennzeichnung von Personen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit Laut einer Pressemitteilung der ‚Initiative Zivilcourage‘ vom 23.10.2013 wurden am Morgen des 21.10.2013 „ca. 30 Personen von etwa 20 Beamt(inn)en der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) in einen Hinterhof im Münchner Hauptbahnhofviertel gedrängt und kontrolliert. Betroffene berichteten , dass sie den Beamt(inn)en allein durch ihren Aufenthalt an der Kreuzung Landwehr-/Goethestraße und durch ihr Aussehen verdächtig wurden. Einige mussten Papiere unterschreiben , deren Inhalt sie nicht verstanden. Bevor sie wieder freigesetzt wurden, bekamen sie neongrüne Armbänder, die sie zu tragen hätten“. Insbesondere das Kennzeichnen von Personen mit grünen Bändchen hält nicht nur die ‚Initiative Zivilcourage‘ für ein äußerst zweifelhaftes Vorgehen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Staatsregierung: 1. Trifft die Schilderung der „Initiative Zivilcourage“ zu, dass am 21.10.2013 ca. 30 Personen von etwa 20 Beamt(inn)en der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) in einen Hinterhof im Münchner Hauptbahnhofviertel gedrängt und kontrolliert wurden? a) Wie wurden die Beamt(inn)en auf die betroffenen Personen aufmerksam bzw. welcher konkrete Verdachtsmoment lag der Kontrolle jeweils zugrunde? b) Welche rechtlichen Verstöße konnten den Betroffenen nachgewiesen werden? 2. Trifft die Schilderung der „Initiative Zivilcourage“ zu, dass die betroffenen Personen im Laufe der Kontrolle Papiere unterschreiben mussten, deren Inhalte sie nicht verstanden? a) Welchen genauen Inhalt bzw. Wortlaut hatten die erwähnten Papiere, die die Betroffenen zu unterschreiben hatten? b) Wie stellten die Beamt(inn)en der FKS sicher, dass die kontrollierten Personen den Wortlaut der Papiere sprachlich nachvollziehen konnten? 3. Trifft die Schilderung der „Initiative Zivilcourage“ zu, dass die betroffenen Personen, bevor sie freigesetzt wurden, neongrüne Armbänder bekamen, die sie zur Kennzeichnung zu tragen hätten? a) Wie wurde die Kennzeichnung der Betroffenen mit neongrünen Armbändern vonseiten der Beamt(inn)en der FKS begründet? b) Wie bewertet die Staatsregierung die Maßnahme der FKS, freigesetzte Personen mit Armbändern oder an- deren äußerlich sichtbaren Hilfsmitteln zu kennzeichnen ? 4. Trifft die Schilderung der „Initiative Zivilcourage“ zu, dass FKS-Beamt(inn)en grundsätzlich gegenüber bulgarischen Tagelöhner/-innen geäußert haben, dass diese bis zum Inkrafttreten der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit am 01.01.2014 nicht arbeiten dürften? a) Warum wurde den betroffenen Personen vonseiten der FKS-Beamt(inn)en damit vorenthalten, dass sie auch vor dem 01.01.2014 das Recht haben, eine Arbeitserlaubnis zu beantragen und als Selbstständige zu arbeiten? b) Wie bewertet die Staatsregierung die Gefahr, dass Tagelöhner/-innen unter dem Deckmantel der Selbstständigkeit Arbeitnehmertätigkeiten nachgehen müssen , die weit unter dem üblichen Marktwert vergütet werden? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 15.12.2013 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: Vorbemerkung Nach Mitteilung des Polizeipräsidiums München hat sich im Laufe der letzten Jahre an der Ecke Landwehrstraße und Goethestraße ein Treffpunkt für Arbeitsuchende ausländische Personen gebildet. Hier werden fast täglich ab ca. 06.00 Uhr bis zu 25 vorwiegend bulgarische Staatsangehörige angetroffen, die sich dort als billige Arbeitskräfte (Tagelöhner) zur Verfügung stellen. Von Passanten und Geschäftskunden wird diese „Ansammlung“ auf dem Gehweg , aber auch vor Haus- und Geschäftseingängen und die damit verbundenen Begleiterscheinungen (z. B. Müllablagerungen ), zunehmend als störend empfunden. Es kam in der Vergangenheit immer wieder zu Beschwerden von Anliegern , die die Nutzung des Gehweges in der dargelegten Art und Weise beanstandeten. Die Polizeiinspektion 14 reagiert auf diese Entwicklung mit regelmäßigen Kontrollen und Platzverweisungen. Ordnungswidrigkeiten , die sich zumeist im niederschwelligen Bereich bewegen (z. B. Ordnungswidrigkeiten nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG)), wurden konsequent zur Anzeige gebracht. Zudem wurden die gewonnenen Erkenntnisse der Finanzkontrolle Schwarzar- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.01.2014 17/334 Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/334 beit des Zolls (FKS) mitgeteilt. Die Bearbeitung und Verfolgung von Verstößen in Zusammenhang mit der Beschäftigung von Arbeitsuchenden ohne gültige Arbeitsverträge nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung obliegt der Zuständigkeit des Zolls. Im August dieses Jahres wurde auf Initiative des MdB Dr. Uhl in München ein Runder Tisch in dieser Angelegenheit einberufen. Daran nahmen neben Vertretern der Bundesfinanzdirektion , des Hauptzollamtes München, der Landeshauptstadt München (KVR und Sozialreferat) auch Vertreter der örtlich zuständigen Polizeiinspektion 14 teil. Dabei wurden unter anderem gemeinsame Kontrollaktionen des Zolls und der Polizei vereinbart. Zu den Fragen im Einzelnen 1. Trifft die Schilderung der „Initiative Zivilcourage“ zu, dass am 21.10.2013 ca. 30 Personen von etwa 20 Beamt(inn)en der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) in einen Hinterhof im Münchner Hauptbahnhofviertel gedrängt und kontrolliert wurden? Die Kontrolleinheit Prävention (KEP) des Hauptzollamts (HZA) München hat am 21. Oktober 2013 gemeinsam mit der Polizeiinspektion 14 des Polizeipräsidiums München 20 bulgarische sowie einen griechischen Staatsangehörigen kontrolliert. Die Kontrollen fanden im Vorhof einer von den ausländischen Staatsangehörigen genutzten Moschee statt; die Personen wurden nicht in einen Hinterhof am Hauptbahnhof gedrängt. a) Wie wurden die Beamt(inn)en auf die betroffenen Personen aufmerksam bzw. welcher konkrete Verdachtsmoment lag der Kontrolle jeweils zugrunde ? Aufgrund der bisherigen polizeilichen Feststellungen und den gewonnenen Erkenntnissen aus früheren Kontrollen im Bereich (Goethestraße/Landwehrstraße) war bekannt, dass sich an diesem Ort regelmäßig Personen treffen, die für eine Beschäftigung angeworben werden, ohne im Besitz der dafür notwendigen Erlaubnis zu sein. Im Zuge dieser Maßnahme hat die KEP die kontrollierten Personen auch nach einer Arbeitsgenehmigung befragt. Auf die rechtlichen Folgen einer Arbeitsaufnahme ohne die erforderliche Arbeitsgenehmigung und eine mögliche Ahndung als Ordnungswidrigkeit wurde hingewiesen. b) Welche rechtlichen Verstöße konnten den Betroffenen nachgewiesen werden? Den Betroffenen konnten keine rechtlichen Verstöße nachgewiesen werden. Ziel der Personenüberprüfung war allerdings auch nicht, den Anwesenden rechtliche Verstöße nachzuweisen, sondern diese im Rahmen einer präventiven Maßnahme durch die KEP über die rechtliche Situation aufzuklären und diese vor eventueller Ausbeutung durch mögliche Arbeitgeber zu schützen. 2. Trifft die Schilderung der „Initiative Zivilcourage“ zu, dass die betroffenen Personen im Laufe der Kontrolle Papiere unterschreiben mussten, deren Inhalte sie nicht verstanden? Während der gesamten Befragung war eine vereidigte Dolmetscherin der bulgarischen Sprache anwesend. Auch waren Mitarbeiter mit rumänischen und türkisch/arabischen Sprachkenntnissen (Muttersprachler) des HZA mit anwesend , deren Dienste jedoch nicht erforderlich waren. Durch die Übersetzung der Dolmetscherin wurde sichergestellt , dass die Personen den Wortlaut der Information nachvollziehen konnten. a) Welchen genauen Inhalt bzw. Wortlaut hatten die erwähnten Papiere, die die Betroffenen zu unterschreiben hatten? Zur Identitätsfeststellung der Personen wurde ein Personalbogen mit folgenden Daten erhoben: Familienname Vorname Geburtsdatum Geburtsort Geburtsland Staatsangehörigkeit Wohnort, letzter Aufenthaltsort Beruf und Familienstand Für die Richtigkeit der Angaben (insbesondere der Schreibweise ) wurden die Personen um eine Unterschrift gebeten. Bei Weigerung wurde dies belassen und niemand zu einer Unterschrift gezwungen. b) Wie stellten die Beamt(inn)en der FKS sicher, dass die kontrollierten Personen den Wortlaut der Papiere sprachlich nachvollziehen konnten? Dies wurde durch die Übersetzung der anwesenden Dolmetscherin sichergestellt. 3. Trifft die Schilderung der „Initiative Zivilcourage“ zu, dass die betroffenen Personen, bevor sie freigesetzt wurden, neongrüne Armbänder bekamen, die sie zur Kennzeichnung zu tragen hätten? Ja. Diese Maßnahme wird bei Prüfungsmaßnahmen der FKS bundesweit praktiziert. Hierdurch soll insbesondere verhindert werden, dass Personen mehrfach befragt werden . Die Armbänder können abgelegt werden, sobald die Prüfungsmaßnahme abgeschlossen ist und der Kontrollraum verlassen wird. a) Wie wurde die Kennzeichnung der Betroffenen mit neongrünen Armbändern vonseiten der Beamt(inn) en der FKS begründet? Siehe Antwort zu 3. b) Wie bewertet die Staatsregierung die Maßnahme der FKS, freigesetzte Personen mit Armbändern oder anderen äußerlich sichtbaren Hilfsmitteln zu kennzeichnen? Die Bayer. Staatsregierung sieht keinen Anlass, diese Maßnahmen von Bundesbehörden zu bewerten. Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 4. Trifft die Schilderung der „Initiative Zivilcourage“ zu, dass FKS-Beamt(inn)en grundsätzlich gegenüber bulgarischen Tagelöhner/-innen geäußert haben, dass diese bis zum Inkrafttreten der volle nArbeitnehmerfreizügigkeit am 01.01.2014 nicht arbeiten dürften? Die KEP hat den betroffenen Personenkreis präventiv über die rechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die geltende Gesetzeslage hingewiesen. Eine „Rechtsberatung“ über die Möglichkeit einer selbstständigen Tätigkeit und die damit Drucksache 17/334 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 unter Umständen verbundene Problematik der sogenannten „Scheinselbstständigkeit“ war nicht Gegenstand der Prüfungsmaßnahme; dies gehört nicht zu den Aufgaben der KEP. a) Warum wurde den betroffenen Personen vonseiten der FKS-Beamt(inn)en damit vorenthalten, dass sie auch vor dem 01.01.2014 das Recht haben , eine Arbeitserlaubnis zu beantragen und als Selbstständige zu arbeiten? Siehe Antwort zu 4. b) Wie bewertet die Staatsregierung die Gefahr, dass Tagelöhner/-innen unter dem Deckmantel der Selbstständigkeit Arbeitnehmertätigkeiten nachgehen müssen, die weit unter dem üblichen Marktwert vergütet werden? Vorab ist festzustellen: Versuche, unter dem Deckmantel der angeblichen („Schein“)-Selbstständigkeit eine abhängige Beschäftigung zu verschleiern, sind klar abzulehnen. Eine Ausübung von Arbeitnehmertätigkeiten unter dem Deckmantel der Selbstständigkeit kann grundsätzlich unterschiedliche Gründe haben. Neben dem Versuch, auf diese Weise Löhne und Arbeitsbedingungen zu umgehen, ist das Ausweichen in die Selbstständigkeit bei bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen (auch) als Reaktion auf die bis zum 31.12.2013 noch bestehenden Beschränkungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu sehen. Ob im konkreten Fall von abhängiger Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit auszugehen ist, beurteilt sich anhand einer Gesamtbetrachtung und -abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Verschleierungspraktiken, die durch „Flucht“ in die Selbstständigkeit darauf abzielen, der betroffenen Person Arbeitnehmerrechte und soziale Absicherung vorzuenthalten, sind missbräuchlich und müssen durch intensive Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls effektiv bekämpft und aufgedeckt werden.