Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Paul Wengert SPD vom 24.07.2014 Wohnortnahe Reha-Maßnahmen Seit Beginn der Gesundheitsreformen kämpfen Reha-Einrichtungen immer stärker um ihr Überleben. Die Reha-Kliniken befinden sich in einem starken (Verdrängungs-)Wettbewerb , da trotz steigendem Bedarf an solchen Maßnahmen immer weniger finanzielle Mittel aus der Renten- und Krankenversicherung für medizinische Rehabilitationsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Insbesondere die Praxis, immer mehr wohnortnahe Reha-Maßnahmen zu verordnen, führt dazu, dass exzellente Reha-Einrichtungen in bayerischen Kurorten – oftmals im strukturschwachen ländlichen Raum gelegen – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen oder gar ganz schließen müssen. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Wie haben sich die Rehabilitationsmaßnahmen im Bereich der Kinder- und Jugendrehabilitation in bayerischen Kurorten in den letzten 20 Jahren entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Kurorten)? 2. Wie haben sich die Rehabilitationsmaßnahmen im Bereich „Reha vor Rente“ in bayerischen Kurorten in den letzten 20 Jahren entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Kurorten)? 3. Wie haben sich die Rehabilitationsmaßnahmen im Bereich „Reha vor Pflege“ in bayerischen Kurorten in den letzten 20 Jahren entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Kurorten)? 4. Welche Maßnahmen wird die Staatsregierung zur Sicherung der Reha-Kliniken in bayerischen Kurorten ergreifen ? 5. Was wird die Staatsregierung unternehmen, um die Ausführungsbestimmungen der Kostenträger dahingehend zu ändern, dass der Ort für die Reha-Maßnahme nach dem Prinzip „Diagnose vor Wohnort“ entschieden wird und eine Abkehr von der „wohnortnahen Reha“ als Regelfall stattfindet? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 11.10.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Integration wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Rehabilitationsleistungen liegen in Deutschland in der Zuständigkeit verschiedener Rehabilitationsträger, deren Rechtsrahmen abschließend bundesgesetzlich festgelegt sind. Maßnahmen der Kinder- und Jugendrehabilitation werden überwiegend von den Gesetzlichen Krankenkassen und den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung erbracht. Für die Maßnahmen besteht, sofern die versicherungsrechtlichen und medizinischen Voraussetzungen erfüllt sind, eine gleichrangige Zuständigkeit. Für Rehabilitationseinrichtungen ist keine Bedarfsplanung , weder durch die Leistungsträger noch durch die Länder, vorgesehen. Der Betrieb einer Rehabilitationseinrichtung liegt ausschließlich in der unternehmerischen Verantwortung des Trägers der Einrichtung. Dabei sind RehaKliniken nicht auf Kurorte beschränkt. Die Ausgaben für Leistungen zur Teilhabe im Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherung werden jährlich gemäß § 220 Absatz 1 SGB VI angepasst. Dies führte in den letzten Jahren in der Regel zu einer Erhöhung des den Rentenversicherungsträgern zur Verfügung stehenden Reha-Budgets. Auch dank des Einsatzes der Bayerischen Staatsregierung kommt es ab dem 1. Januar 2014 durch die Einführung eines Demografiefaktors zu einem weiteren Anstieg der für Reha-Leistungen zur Verfügung stehenden Mittel in der Rentenversicherung. Im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gibt es keine Budgetregelungen. Die Aussage, dass immer weniger Mittel für medizinische Rehabilitationsmaßnahmen zur Verfügung stehen, trifft daher nicht zu. Grundsätzlich misst der Gesetzgeber auch einer nichtstationären Ausführung von Leistungen zur Teilhabe Bedeutung bei. Dadurch wird auch berechtigten Wünschen von Rehabilitanden nach ganztägig ambulanten Reha-Leistungen entsprochen. Es ist daher nicht möglich, ambulante Reha-Maßnahmen völlig auszuschließen, um stationäre Reha-Einrichtungen zu unterstützen. Der Anteil der ganztägig ambulanten Reha-Leistungen liegt bei den bayerischen Rentenversicherungsträgern seit Jahren bei ca. 14–15 %. Im Bereich der GKV ist hingegen der Grundsatz der gestuften Regelversorgung zu beachten. Nur wenn eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um einer drohenden Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie zu beseitigen, zu bessern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten , besteht Anspruch auf ambulante Rehabilitationsmaßnahmen in zugelassenen Einrichtungen. Wenn auch diese zusammen mit ambulanter Krankenbehandlung nicht aus- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.11.2014 17/3375 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3375 reichen, werden stationäre Rehabilitationsmaßnahmen in zugelassenen Einrichtungen gewährt. 1. Wie haben sich die Rehabilitationsmaßnahmen im Bereich der Kinder- und Jugendrehabilitation in bayerischen Kurorten in den letzten 20 Jahren entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Kurorten)? Nach Kurorten aufgeschlüsseltes Zahlenmaterial liegt der Bayerischen Staatsregierung nicht vor. Im Bereich der GKV enthalten die bundesweit zu führenden Statistiken keine Differenzierung nach dem Ort der Leistungserbringung . Vollständige, auf Bayern bezogene Daten zu den Ausgaben für Rehabilitationsmaßnahmen der Krankenkassen könnten auch nicht von der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern zur Verfügung gestellt werden. Grund hierfür ist, dass die bundesunmittelbaren Krankenkassen ihre Daten nicht auf die einzelnen Bundesländer bezogen ausweisen. Eine gesetzliche Verpflichtung hierzu besteht nicht. Unabhängig davon liegen der Staatsregierung auch keine statistischen Angaben über die Ausgaben der privaten Krankenversicherer vor. Nach Angaben der bayerischen Regionalträger der Rentenversicherung werden im Rahmen der – nach den gesetzlichen Vorgaben ausschließlich stationär durchgeführten – Kinder- und Jugendrehabilitation vorrangig RehaEinrichtungen in Bayern belegt. Lediglich bei Diagnosen, die Seeklima erfordern, oder im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechts der Rehabilitanden würden Einrichtungen außerhalb von Bayern belegt. Der Anteil der entsprechenden in bayerischen Reha-Einrichtungen durchgeführten Leistungen liege daher seit Jahren bei ca. 80 %. Die absolute Zahl der durchgeführten Kinderrehabilitationen sei allerdings seit 2011 bundesweit rückläufig, da ein starker Antragsrückgang zu verzeichnen sei. 2. Wie haben sich die Rehabilitationsmaßnahmen im Bereich „Reha vor Rente“ in bayerischen Kurorten in den letzten 20 Jahren entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Kurorten)? Entsprechendes Zahlenmaterial liegt der Bayerischen Staatsregierung nicht vor. Unter Rehabilitationsleistungen im Bereich „Reha vor Rente“ werden Reha-Leistungen verstanden , die im Rahmen eines Rentenverfahrens erbracht werden, um eine bereits geminderte Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen und eine Rentenzahlung abzuwenden. Eine entsprechende statistische Auswertung zu solchen RehaLeistungen wird den Angaben der bayerischen Regionalträger der Rentenversicherung zufolge nicht durchgeführt. 3. Wie haben sich die Rehabilitationsmaßnahmen im Bereich „Reha vor Pflege“ in bayerischen Kurorten in den letzten 20 Jahren entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Kurorten)? Daten zur Entwicklung medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen , um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V), liegen der Staatsregierung weder landes- noch kurortbezogen vor. Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. 4. Welche Maßnahmen wird die Staatsregierung zur Sicherung der Reha-Kliniken in bayerischen Kurorten ergreifen? Der Betrieb von Rehabilitationskliniken liegt im Verantwortungsbereich des jeweiligen Einrichtungsträgers. Die Staatsregierung kann auf die Auslastung von Reha-Kliniken in bayerischen Kurorten weder im Hinblick auf die Zahl der bewilligten Maßnahmen noch auf den Ort der Leistungsinanspruchnahme Einfluss nehmen. Die Bayerische Staatsregierung hat sich aber auf Bundesebene für eine angemessene Anhebung des RehaBudgets in der gesetzlichen Rentenversicherung eingesetzt (vgl. Vorbemerkung). Dies trägt mittelbar zur Sicherung der Reha-Kliniken in bayerischen Kurorten bei. Im Bereich der GKV bestimmt die Krankenkasse Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Rehabilitation nach den Erfordernissen des Einzelfalls. In welcher Vertragseinrichtung die Maßnahme erbracht wird, bestimmt die Krankenkasse nach pflichtgemäßem Ermessen. 5. Was wird die Staatsregierung unternehmen, um die Ausführungsbestimmungen der Kostenträger dahingehend zu ändern, dass der Ort für die Reha-Maßnahme nach dem Prinzip „Diagnose vor Wohnort“ entschieden wird und eine Abkehr von der „wohnortnahen Reha“ als Regelfall stattfindet? Wie bereits zu Frage 4 ausgeführt, kann die Staatsregierung keinen Einfluss auf die Entscheidung der Krankenkassen nehmen, in welcher zugelassenen Vertragseinrich- tung sie Rehabilitationsmaßnahmen bewilligt, da dies von der Krankenkasse selbst nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt wird. Dabei richtet sich das Auswahlermessen der Krankenkasse nach höchstrichterlicher Rechtsprechung vorrangig nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls (Diagnose) sowie dem Wirtschaftlichkeitsgebot , nachrangig ist das Wunsch- und Wahlrecht des Versicherten zu berücksichtigen (BSG-Urteil vom 07.05.2013, B 1 KR 12/12 R). Eine Einflussnahme auf Krankenkassen, im Regelfall „wohnortferne“ Rehabilitationsmaßnahmen zu genehmigen, ist der Staatsregierung deshalb nicht möglich und wäre auch mit dem in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Wirtschaftlichkeitsprinzip und dem Erfordernis der wirtschaftlichen Verwendung der Beitragsgelder nicht zu vereinbaren. Ausführungsbestimmungen von Krankenversicherungsträgern sind in diesem Bereich nicht bekannt . Im Bereich der Rentenversicherung wird ebenfalls kein Handlungsbedarf gesehen. Nach Angaben der bayerischen Regionalträger der Rentenversicherung erfolgt die Auswahl der Reha-Einrichtung ausschließlich anhand der vorliegenden Diagnose(n). Aus den medizinisch geeigneten Reha-Einrichtungen werde dann – unter Berücksichtigung berechtigter Wunsch- und Wahlrechte des Rehabilitanden – bevorzugt eine gegebenenfalls wohnortnahe Einrichtung ausgewählt. Dies resultiere auch aus dem Handlungsmodell des Regionalverbundes Süd (bestehend aus der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bayern Süd, DRV Nordbayern, DRV Schwaben, DRV Bund und DRV Knappschaft-BahnSee ). Eine zentrale Aufgabe dieses Handlungsmodells ist es, bayernweit alle trägereigenen Reha-Kliniken indikations - und kundengerecht auszulasten. Die durchwegs hohen Auslastungszahlen der entsprechenden Einrichtungen belegen auch nach Einschätzung der Regionalträger der Rentenversicherung die Angemessenheit des seit geraumer Zeit beschrittenen Weges.