Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joachim Unterländer CSU vom 26.11.2013 Hilfen für Schwangere und werdende Familien Verschiedene Initiativen und Organisationen, die sich die Hilfe für Schwangere und werdende Familien zum Ziel gesetzt haben, beklagen, dass die Richtlinien für die Förderung aus Mitteln der Landesstiftung Hilfe für Mutter und Kind so verkompliziert worden sind, dass die Unterstützungsbemühungen erheblich erschwert werden. Ich frage in diesem Zusammenhang die Staatsregierung: 1. Wie viele Mittel konnten in den vergangenen fünf Jahren ausgereicht werden? 2. Sind die Förderkriterien und Förderrichtlinien in den letzten Jahren verändert worden? 3. Sind der Staatsregierung Beschwerden über gegebenenfalls damit zusammenhängende Einschränkungen bekannt ? 4. Welchen Stellenwert hat die Landesstiftung im familienpolitischen Gesamtkonzept der Staatsregierung? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 27.12.2013 1. Wie viele Mittel konnten in den vergangenen fünf Jahren ausgereicht werden? Auszahlungen aus dem Stiftungszweck II „Schwangere in Not“: Jahr Anträge Zusatzanträge Auszahlungsbetrag 2008 13.179 12.134 17.476.566,87 € 2009 12.842 12.154 16.764.561,68 € 2010 13.564 2.806 16.206.794,68 € 2011 10.573 9.740 13.127.559,51 € 2012 12.110 9.739 14.504.470,84 € Für das Jahr 2013 rechnet die Stiftungsverwaltung mit Ausgaben von ca. 15 Mio. € (Auszahlungen bis einschließlich November 2013: 14.242.362,72 €) 2. Sind die Förderkriterien und Förderrichtlinien in den letzten Jahren verändert worden? Die „Landesstiftung Hilfe für Mutter und Kind“ wurde 2009 vom Obersten Bayerischen Rechnungshof geprüft. Im Prüfbericht vom 17. Februar 2010 stellte er u. a. auch Mängel bei der Ausreichung der Stiftungsmittel durch die Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen (im folgenden Beratungsstellen ) fest, die z. T. erhebliche Änderungen im Vergabeverfahren nach sich zogen. So werden nun verstärkt Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt und die Einhaltung der Vorgaben aus dem Leitfaden und dem Orientierungsrahmen (Doppelanträge, Berücksichtigung vorrangiger gesetzlicher Leistungen) wird nun konsequenter überprüft. Im Zuge dessen hat die Stiftungsverwaltung zum 1. Juni 2012 auch den Leitfaden neu gefasst und die Vorgaben für die Beratungsstellen wesentlich klarer herausgearbeitet. Die Gesamtheit der in Umsetzung der Vorgaben des Bayerischen Obersten Rechnungshofes zu treffenden Maßnahmen konnte den Eindruck erwecken, die Stiftungsleistungen seien nunmehr an höhere bürokratische Hürden geknüpft. Dies ist jedoch nicht der Fall, es wird lediglich konsequenter auf die Einhaltung bestehender Vorgaben geachtet. Im Zuge der Umsetzung des Gesetzes zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts wird seit dem Jahr 2013 bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII, dem Wohngeldgesetz oder von Kinderzuschlag das Vorliegen ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse nach der Abgabenordnung unterstellt, die aufwendige Anspruchsprüfung entfällt hier nahezu vollständig und lässt wieder mehr Raum für die psychosoziale Beratung. Folgende Änderungen der Vergabegrundsätze wurden vom Stiftungsrat beschlossen: 04.11.2011 – Wegfall der Anspruchsvoraussetzung „seelische und körperliche Notlage“. Damit genügt ab 1. Januar 2012 das Vorliegen einer Notlage . – Anhebung der Einkommensgrenzen zur Anpassung an die der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens “. Damit haben ab dem 1. Januar 2012 in der Regel alle Klientinnen mit ergänzendem Sozialleistungsbezug Anspruch auf Stiftungsleistungen . Beide Neuregelungen erleichtern den Zugang zu Stiftungsleistungen. 30.07.2012 – Einkommen der Eltern bei „unverheirateten Schwangeren, die dem Haushalt ihrer Eltern oder eines Elternteils“ angehören, bleibt künftig unberücksichtigt. Die bisherige zusätzliche Voraussetzung „minderjährig“ entfällt. – Wegfall der Nichtprüfungsfälle: Bereits im Jahr 2008 wurde diskutiert, die Entscheidung über die Hilfegewährung in allen Fällen an die Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 07.02.2014 17/354 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/354 Stiftungsverwaltung zu übergeben. Damals entschied sich der Stiftungsrat jedoch nur für eine klarstellende Formulierung zu Prüfungsfällen bzw. Nicht-Prüfungsfällen, nicht jedoch für inhaltliche Änderungen. Weiterhin wurde ein Schenkungsvertrag, der 1.000 € (bei Konfliktberatungen 1.800 €) überschreitet, von der Stiftungsverwaltung geschlossen (Prüfungsfälle ), bei Beträgen darunter durch die Beratungsstelle (Nicht-Prüfungsfälle). Im Zuge der Beanstandungen bei den VorOrt -Kontrollen und der sich daraus ergebenden Haftungsfragen wurde von den Beratungsfachkräften selbst dieses Thema wieder aufgegriffen und im Stiftungsrat diskutiert . Die Stiftungsverwaltung sprach sich für einen Wegfall der Nicht-Prüfungsfälle aus, der Stiftungsrat fasste einen entsprechenden Beschluss. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen , dass damit die Nichtprüfungsfälle (s. o.) vollständig entfallen würden, und nachgefragt , ob das auch seitens des Stiftungsrates so gewünscht sei. Dies wurde bejaht. Die Vergabegrundsätze wurden ab 1. Januar 2013 entsprechend dem Vorschlag der Stiftungsverwaltung geändert. 14.12.2012 In Anpassung an die zwingenden Vorgaben der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ wurde ab 1. September 2012 neu geregelt, dass eine Antragstellung nach Geburt des Kindes nur noch in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich ist (z. B. seelische Belastung in der Schwangerschaft durch den drohenden Einkommensverlust nach Geburt). Diese Klarstellung war auch in Bezug auf die Hinweise des Bayerischen Obersten Rechnungshofes erforderlich , da der Stiftungszweck II auf Schwangere in Not abzielt. Die Änderung der Bewilligungs- praxis wurde im Vorfeld mit den Schwangerschaftsberatungsstellen besprochen und in einem Rundschreiben nochmals erläutert. Voranmeldungen sind weiterhin möglich, wenn eine der im Leitfaden festgelegten Ausnahmeregelungen greift und die Einkommensgrenze während der Schwangerschaft überschritten wird. Ein Erstantrag im 2. oder 3. Lebensjahr des Kindes ist nun jedoch ausgeschlossen. Das Thema wurde in der Stiftungsratssitzung am 14. Dezember 2012 eingehend behandelt. Nach intensiver Diskussion konnte das Einverständnis zwischen Stiftungsrat und Stiftungsverwaltung erzielt werden, dass der Leitfaden klare Aussagen und zulässige Ausnahmeregelungen enthält. Änderungen wurden nicht vorgenommen. Künftige Änderungen: Ab 1. Januar 2014 wird der Verwaltungsaufwand durch Einführung von Pauschalen bei Schwangerenbekleidung und Babyausstattung – alle anderen Leistungen werden weiterhin individuell ausgereicht – bei gleichzeitiger Reduzierung der Belegpflicht (z. B. Verzicht auf Nachweis von Renovierungskosten ) nochmals verringert werden. Ab 1. Januar 2015 ist die Einführung eines neuen EDV-Systems geplant. Damit wird die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und der Belege nahezu vollständig der Stiftungsverwaltung übertragen, was wiederum zu einer Entlastung der Beratungsstellen zugunsten der psychosozialen Beratung führen wird. 3. Sind der Staatsregierung Beschwerden über gegebenenfalls damit zusammenhängende Einschränkungen bekannt? Zu folgenden Punkten erreichten das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familien, und Integration Schreiben der Beratungsstellen: – Bewilligungspraxis hinsichtlich der Antragstellung (s. Ant- wort zu Frage 2/14.12.2012) Diese zwingend vorzunehmende Änderung wurde im Vorfeld mit den Schwangerschaftsberatungsstellen besprochen und in einem Rundschreiben nochmals erläutert . Voranmeldungen sind weiterhin möglich, wenn eine der im Leitfaden festgelegten Ausnahmeregelungen greift und die Einkommensgrenze während der Schwangerschaft überschritten wird. Ein Erstantrag im 2. oder 3. Lebensjahr des Kindes ist nun jedoch ausgeschlossen. Für Unmut bei den Beratungsstellen sorgte das Fehlen einer Übergangsfrist, da in Einzelfällen nun entgegen der Aussagen in der Beratung kein Antrag gestellt werden konnte. Das Thema wurde in der Stiftungsratssitzung am 14. Dezember 2012 behandelt (s. Antwort zu Frage 2) mit dem dargestellten Ergebnis. – Wegfall der Nicht-Prüfungsfälle: Zur Vorbereitung der Stiftungsratssitzung am 25. Oktober 2013 übersandte ein Trägervertreter ein Schreiben an den Stiftungsvorstand, das aus dessen Sicht eine Verschlechterung in der Beratungssituation thematisiert: Durch den (am 30. Juli 2012 vom Stiftungsrat beschlossenen) Wegfall der Nicht-Prüfungsfälle ist keine unmittelbare Zusage zur Hilfegewährung durch die Beratungsfachkraft ohne Rücksprache mit der Stiftungsverwaltung mehr möglich. Diese Entscheidung geht zurück auf die Prüfungsmitteilung des Bayerischen Obersten Rechnungshofes vom 17. Februar 2010, der „gewisse Unschärfen beim Vollzug der Stiftungsregelungen“ durch 149 Vergabestellen festgestellt und daraufhin empfohlen hat, die Zahl der Vor-Ort-Prüfungen zu erhöhen. Als Reaktion auf die sich daraus ergebenden Beanstandungen wurde seitens der Beratungsstellen der Wegfall der Nicht-Prüfungsfälle teilweise auch begrüßt. – In den jährlichen Tätigkeitsberichten der Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen wird wiederholt angeführt , dass häufige Änderungen im Leitfaden eine erhebliche Belastung für die Beratungsfachkräfte darstellen. Hilfen der Landesstiftung können nicht mehr als Perspektive für ein Leben mit dem Kind genannt werden (Grund: Antragstellung nur noch während der Schwangerschaft, nicht bei veränderter Lebenssituation nach Geburt.) Es gebe eine Vielzahl von Unterstützungsmöglichkeiten, allerdings ist der bürokratische, zeitliche und intellektuelle Aufwand für deren Inanspruchnahme für viele Frauen ein enormer Hinderungsgrund. Insgesamt wird die Vermittlung von Stiftungsleistungen mit ihrer „Türöffner-Funktion “ jedoch ausdrücklich wertgeschätzt. Drucksache 17/354 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4. Welchen Stellenwert hat die Landesstiftung im familienpolitischen Gesamtkonzept der Staatsregierung? Bayern hat mit dem Bayerischen Schwangerenberatungsgesetz (BaySchwBerG) vom 9. August 1996, das über die Vorgaben des Schwangerschaftskonfliktgesetzes des Bundes (SchKG) hinausgeht, gesetzliche und organisatorische Rahmenbedingungen für einen glaubwürdigen Lebensschutz geschaffen und diese mit einem breiten Hilfeangebot der „Landesstiftung Hilfe für Mutter und Kind“ fachlich abgesichert. Die schwangere Ratsuchende erhält Hilfe „aus einer Hand“; keine zusätzlichen Wege und Verweisung an verschiedene Beratungsstellen. Insgesamt sind die Leistungen der Landesstiftung ein wichtiger Baustein einer an den Lebenslagen der Betroffenen orientierten Familienpolitik. Die Stiftung hat ihr Ziel, schwangeren Frauen in Konfliktsituationen und allgemeinen Notlagen zu helfen, stets in vollem Umfang erreichen können. Es musste kein Antrag wegen fehlender Mittel abgelehnt werden. Durch die erfolgreiche Arbeit konnte die Stiftung seit ihrem Bestehen beim Stiftungszweck II – Schwangerenhilfe – mehr als 368.000 Frauen mit etwa 500 Mio. € unterstützen und ihnen so eine Pers- pektive für das Leben mit ihrem Kind eröffnen. Über den Stiftungszweck I – Familien in Not – konnten an mehr als 4.800 Familien etwa 10 Mio. € ausgereicht werden.