Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer FREIE WÄHLER vom 10.09.2014 Gesundheitsgefahren durch Legionellen im Wasser von Scheibenwaschanlagen bei Autos und anderen Fahrzeugen Legionellen werden über zerstäubtes Wasser eingeatmet und gelangen so in die Lungen, wo sie Infektionen verursachen und u. a. zu Husten, Durchfall, Fieber, Lungenentzündungen und anderen Erkrankungen bis hin zum Tod führen können. Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist es möglich, dass das Scheibenwischwasser von Fahr- zeugen mit Legionellen belastet ist, wie es in einer Studie aus den USA berichtet wird, diese Stäbchenbakterien in die Luft gelangen und zu Erkrankungen von Menschen führen können? 2. Gibt es Untersuchungen des Scheibenwischwassers von Fahrzeugen auf eine Legionellenbelastung hin, und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? 3. Wie hat sich die Anzahl der an Lungenentzündung er- krankten Menschen in Bayern in den letzten 10 Jahren entwickelt? Bei wie vielen Fällen war dabei die Ursache ungeklärt? 4. Wie hat sich die Belastung von Wasser mit Legionellen, z. B. in Wasserleitungen und Schwimmbädern, in Bayern in den letzten 10 Jahren entwickelt? 5. Geht die Staatsregierung dem Verdacht nach, dass ent- sprechend einer Studie aus Großbritannien eine erhebliche Anzahl der Lungenentzündungen der vergangenen Jahre in Bayern auf Legionellen zurückzuführen sein könnten, und welche Maßnahmen hat die Staatsregierung diesbezüglich bereits ergriffen bzw. plant sie, um einen aktiven Gesundheitsschutz für die Bevölkerung sicherzustellen ? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 12.10.2014 1. Ist es möglich, dass das Scheibenwischwasser von Fahrzeugen mit Legionellen belastet ist, wie es in einer Studie aus den USA berichtet wird, diese Stäbchenbakterien in die Luft gelangen und zu Erkrankungen von Menschen führen können? Es gibt einige Studien, die sich mit dieser Frage befasst haben (siehe Literaturhinweis 1–3). Demnach weisen Berufsfahrer ein höheres Risiko auf, an einer Legionellose zu erkranken oder entsprechende Antikörper zu haben. Außerdem wurden in untersuchten Autos, vor allem wenn keine Reinigungslösung im Scheibenwischwasser enthalten war, Legionellen nachgewiesen. Ein kausaler Zusammenhang ließ sich bisher jedoch nicht sicher aufzeigen. Eine Hypothese ist, dass Aerosole aus der Anlage in das Wageninnere gelangen könnten. Als möglicher Risikofaktor wird für Berufsfahrer gesehen, dass sie häufiger in industriellen Gebieten unterwegs sind und daher evtl. eher einem Infektionsrisiko durch Verdunstungsrückkühlwerke, die eine bekannte Quelle für Legionelleninfektionen sind, ausgesetzt sind (1). 2. Gibt es Untersuchungen des Scheibenwischwassers von Fahrzeugen auf eine Legionellenbelastung hin, und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? In der Studie von Sakamoto et al. (2) wurden die Flüssigkeiten (Klimaanlagen) von 22 verschrotteten Autos untersucht . 50 % wurden in einer molekularbiologischen Nachweismethode positiv auf Legionellen getestet, kulturell konnten wegen Überwucherung der Agarplatten keine Isolate gewonnen werden. In einer englischen Pilotstudie wurden 21 Autos untersucht, bei denen 5 Autos keine Reinigungslösung in ihrer Scheibenwaschanlage nutzten. Eines dieser Autos wies Legionellen auf (1). 3. Wie hat sich die Anzahl der an Lungenentzündung erkrankten Menschen in Bayern in den letzten 10 Jahren entwickelt? Bei wie vielen Fällen war dabei die Ursache ungeklärt? Die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Statistik von Krankenhausdiagnosen weist folgende Zahlen auf: Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 14.11.2014 17/3540 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3540 4. Wie hat sich die Belastung von Wasser mit Legionellen , z. B. in Wasserleitungen und Schwimmbädern, in Bayern in den letzten 10 Jahren entwickelt? Eine regelmäßige und flächendeckende Untersuchung des Trinkwassers von gewerblichen und öffentlichen Trinkwasserinstallationen auf Legionellen findet erst seit der Novellierung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) im Jahr 2011 statt. In den vorangegangenen Jahren wurden lediglich die öffentlichen Trinkwasserinstallationen stichprobenartig untersucht. Eine zentrale Erfassung der Untersuchungsergebnisse erfolgte weder vor der Novellierung der TrinkwV 2001 noch danach. Die im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vorliegenden Daten stammen aus Proben, welche die Gesundheitsämter im Rahmen von Ermittlungen bei Infektionsfällen bzw. Nachkontrollen auffälliger Befunde etc. eingesandt haben, und sind daher nicht repräsentativ. Die Untersuchung auf Legionellen in Schwimmbädern erfolgt durch den Betreiber. Diese Untersuchung wird nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik sowie aufgrund der Empfehlung des Umweltbundesamtes gefordert, eine gesetzliche Verpflichtung besteht nicht. Die in Schwimmbädern ermittelten Untersuchungsergebnisse werden nicht zentral gesammelt. 5. Geht die Staatsregierung dem Verdacht nach, dass entsprechend einer Studie aus Großbritannien eine erhebliche Anzahl der Lungenentzündungen der vergangenen Jahre in Bayern auf Legionellen zurückzuführen sein könnten, und welche Maßnahmen hat die Staatsregierung diesbezüglich bereits ergriffen bzw. plant sie, um einen aktiven Gesundheitsschutz für die Bevölkerung sicherzustellen? Bei der ohne nähere Angaben zitierten Arbeit aus England handelt es sich vermutlich um die Veröffentlichung von Phin et al. aus diesem Jahr (4). In der Arbeit wird eine Zusammenfassung über den Stand des Wissens bzgl. Epidemiologie und Klinik der Legionellenerkrankungen gegeben. Bisher wurden umfangreiche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor einer möglichen Gesundheitsgefährdung durch Legionellen im Trinkwasser implementiert. In der zweiten Änderung der Trinkwasserverordnung wurde die mögliche Gesundheitsgefährdung durch Legionellen im Trinkwasser aufgegriffen und umfangreiche Melde- und Handlungspflichten der Betreiber von Trinkwasserinstallationen eingeführt. Zudem wurden Aufsichtspflichten der Gesundheitsämter benannt, die bundesweit entsprechend umgesetzt worden sind. Darüber hinausgehender Handlungsbedarf auf politischer Ebene lässt sich aus der Studie nicht ableiten. Literatur 1. Wallensten A, Oliver I, Ricketts K, Kafatos G, Stuart JM, Joseph C. Windscreen wiper fluid without added screenwash in motor vehicles: a newly identified risk factor for Legionnaires’ disease. Europ J Epidemiol. 2010;25:661- 5. 2. Sakamoto R, Ohno A, Nakahara T, Satomura K, Iwanaga S, Kouyama Y, et al. Is driving a car a risk for Legionnaires’ disease? Epidemiology and Infection. 2009;137:1615-22. 3. Den Boer JW, Nijhof J, Friesema I. Risk factors for sporadic community-acquired Legionnaires’ disease. A 3-year national case-control study. Public Health. 2006;120:566- 71. 4. Phin N, Parry-Ford F, Harrison T, Stagg HR, Zhang N, Kumar K, et al. Epidemiology and clinical management of Legionnaires’ disease. Lancet Infect Dis. 2014;14:1011- 21. Legionellosen und Lungenentzündungen, Bayern, Krankenhausdiagnosen 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 A48.1 Legionellose mit Pneumonie 53 77 72 76 82 115 124 122 124 124 151 124 103 A48.2 Legionellose ohne Pneumonie [Pontiac-Fieber] 1 1 5 2 1 6 3 3 5 3 3 3 3 J12-J18 Pneumonie 32.597 33.140 35.608 37.118 34.347 41.323 37.544 37.565 37.888 41.380 41.596 39.735 40.553 J15.9 Bakterielle Pneumonie, nicht näher bezeichnet 4.093 2.073 1.771 1.629 1.846 1.967 1.596 1.720 1.937 2.229 2.589 2.685 3.409 J18 Pneumonie, Erreger nicht näher bezeichnet 25.919 28.599 31.330 30.262 28.577 34.041 31.135 29.082 28.789 31.795 31.345 29.614 30.322 Datenquelle: Statistisches Bundesamt