Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 18.08.2014 Justiz und Rechtsextremismus (2) Justizminister Bausback betonte kürzlich, es dürfe in Bayern keinen Platz mehr für Antisemitismus, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit geben. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. Trifft die Aussage der damaligen Justizministerin Dr. Merk von Anfang März 2012, wonach bei der Hälfte der rechtsextremen Taten das Verfahren „mangels hinreichenden Tatverdachts“ eingestellt werde, immer noch zu? 1.1 In wie vielen Fällen (bitte in absoluten Zahlen und Prozentangaben ) wurden in den letzten fünf Jahren bei rechtsextremen Gewalttaten bzw. solchen mit vermutetem rechtsextremem Hintergrund Täter verurteilt? 1.2 Gab es seit dem Bekanntwerden der Serie von Mord- und anderen Gewalttaten durch den sogenannten NSU signifikante Veränderungen in der Aufklärungs- bzw. Verurteilungsquote? 2. Trifft die Kritik des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zu, der laut Aussage der DAV-Stiftung kontra Rechtsextremismus und Gewalt „die Interessen von Opfern rechtsextremer Gewalt immer schlechter vor Gericht vertreten (sieht). Gerichte lehnten zunehmend die Beiordnung eines Opferanwalts in Fällen politisch motivierter Gewalttaten ab“? 2.1 Unterstützt die Staatsregierung die Forderung des DAV, dass jedes Opfer solcher Fälle vor Gericht eine rechtskundige Hilfe zur Durchsetzung von Rechten der Nebenklage und Schmerzensgeldansprüchen haben müsse? 2.2 Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, wie häufig Opfern rechtsextremer Gewalt die Beiordnung eines Anwalts verweigert wurde? 2.3 Trifft die Kritik des DAV zu, dass „die Opfern beigeordneten Anwälte schlechter bezahlt [würden] als Pflichtverteidiger von Angeklagten“? 3. Wurden im Zusammenhang mit den rechtsextremen Vorfällen in und um Gräfenberg 2009 in den Fällen, auf die in der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Sepp Dürr „Rechtsextremistische Vorfälle im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess“ (Drs. 16/17542) Bezug genommen wurde, von der Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingeleitet? 3.1 Wurden nach der Antwort auf diese Anfrage, derzufolge die bisherigen Ermittlungen zu keinem Erfolg geführt haben, weitere Ermittlungen angestellt? 3.2 Wenn ja, welche, von wem, mit welchem Ergebnis? 3.3 Welche „erforderlichen Maßnahmen der Gefahren- abwehr und der Strafverfolgung“ hat die Staatsregierung in den (in der Anfrage zum Plenum anlässlich der Plenarwoche in der 48. KW 2009, Drs. 16/2693, des Abgeordneten Dr. Dürr angesprochenen) Fällen von Drohungen aus der rechtsextremen Szene gegen Mitglieder von Bürgerinitiativen, Bürgermeister oder andere Personen, die sich im Kampf gegen den Rechtsextremismus engagieren oder engagiert haben, wie dort angeführt bzw. angekündigt durchgeführt und mit welchem Ergebnis? 4. Welche Fortbildungsangebote für die mit Rechtsextre- mismus befassten Richter, Richterinnen und Staatsanwaltschaften gibt es, um diese für die Identifikation rechtsextremer Hintergründe bei Straftaten zu qualifizieren ? 4.1 Welche zusätzlichen Fortbildungsangebote zur Identifikation rechtsextremer Hintergründe bei Straftaten bzw. im Zusammenhang mit Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus werden mittlerweile für die Staatsanwaltschaften und die Richterschaft neben den in Drs. 16/11791 aufgeführten regelmäßigen Tagungen der Deutschen Richterakademie angeboten? 4.2 Wurden die Angebote nach Aufdeckung der NSU-Morde ausgeweitet? 4.3 Ist die Teilnahme verpflichtend? 4.4 Wenn nein, wie werden die Angebote wahrgenom- men? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 15.10.2014 Vorbemerkung: Allgemein muss festgehalten werden, dass allein die Zugehörigkeit eines Täters zu einer extremistischen Szene nicht zwangsläufig den Rückschluss auf eine politische Motivation jeder Tat dieses Täters zulässt. Dies vorausgeschickt, wird die Schriftliche Anfrage im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: 1. Trifft die Aussage der damaligen Justizministerin Dr. Merk von Anfang März 2012, wonach bei der Hälfte der rechtsextremen Taten das Verfahren „mangels hinreichenden Tatverdachts“ eingestellt werde, immer noch zu? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.12.2014 17/3555 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3555 Der im Justizbereich geführten Statistik zu rechtsextremistischen /fremdenfeindlichen Straftaten in Bayern lässt sich entnehmen, dass im Jahr 2013 von den insgesamt 1.846 Ermittlungsverfahren 1.068 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt wurden, was einer Quote von 57,85 % entspricht. Dabei wurden 688 Ermittlungsverfahren eingestellt, weil der Täter nicht ermittelt werden konnte. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz liegen insoweit für den Zeitraum von 2009 bis 2013 folgende Zahlen vor: 1.1 In wie vielen Fällen (bitte in absoluten Zahlen und Prozentangaben) wurden in den letzten fünf Jahren bei rechtsextremen Gewalttaten bzw. solchen mit vermutetem rechtsextremem Hintergrund Täter verurteilt? Entsprechende Zahlen liegen zu rechtsextremistischen bzw. fremdenfeindlichen Straftaten insgesamt vor, nicht hingegen zu rechtsextremen Gewalttaten, da diese statistisch nicht gesondert erfasst werden. 1.2 Gab es seit dem Bekanntwerden der Serie von Mord- und anderen Gewalttaten durch den sogenannten NSU signifikante Veränderungen in der Aufklärungs- bzw. Verurteilungsquote? Über die bereits genannten Zahlen hinaus können der Statistik zu rechtsextremistischen/fremdenfeindlichen Straftaten keine weiteren Angaben entnommen werden. Der Anteil der Verurteilungen ist im Jahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr von 17,1 % auf 18,1 % gestiegen. Eine Aufklärungs- bzw. Verurteilungsquote lässt sich jedoch aufgrund statistischer Verzerrungen nicht exakt bestimmen. Ein Ermittlungsverfahren, das bei der Staatsanwaltschaft im Jahr 2011 eingeleitet wurde, kann beispielsweise erst im Jahr 2012 zu einem gerichtlichen Verfahrensabschluss führen. Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens wird dann für das Jahr 2011 erfasst, die Verurteilung dagegen für das Jahr 2012. 2. Trifft die Kritik des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zu, der laut Aussage der DAV-Stiftung ckontra Rechtsextremismus und Gewalt „die Interessen von Opfern rechtsextremer Gewalt immer schlechter vor Gericht vertreten (sieht). Gerichte lehnten zunehmend die Beiordnung eines Opferanwalts in Fällen politisch motivierter Gewalttaten ab“? Die Kritik erscheint sehr pauschal und kann nach den Stellungnahmen der Praxis für Bayern nicht bestätigt werden. Die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand des Nebenklägers (§ 397 StPO) (sog. „Opferanwalt“) im gerichtlichen Verfahren richtet sich nach § 397a StPO. § 397a Abs. 1 StPO sieht auf Antrag die Bestellung eines Opferanwalts auf Staatskosten bei besonders schwerwiegenden Nebenklagedelikten (versuchte vorsätzliche Tötungsdelikte , für Angehörige bei vollendeten vorsätzlichen Tötungsdelikten, bestimmte Sexualverbrechen, Menschenhandel , regelmäßig mit erheblichen Körperverletzungen verbundene Straftaten, die zu schweren körperlichen oder seelischen Schäden geführt haben, bestimmte rechtswidrige Taten gegen Opfer, die zur Zeit der Tat noch nicht 18 Jahre alt waren oder die ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können) vor. Im Übrigen kann Nebenklageberechtigten bei Bedürftigkeit nach § 397 a Abs. 2 StPO für die Hinzuziehung eines Opferanwalts Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn diese ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können oder ihnen dies nicht zuzumuten ist. Die entsprechenden Entscheidungen sind somit grundsätzlich nicht davon abhängig, ob die zugrunde liegenden Straftaten auf politischen oder sonstigen Motiven beruhen. Die Präsidenten der bayerischen Oberlandesgerichte haben mitgeteilt, dass Fälle, in denen die Gerichte die Beiordnung eines Opferanwalts bei politisch motivierten Gewalttaten abgelehnt hätten, dort nicht bekannt geworden seien. Der Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg hat darüber hinaus ausdrücklich erklärt, dass im dortigen Geschäftsbereich bei der Beiordnung von Opferanwälten tendenziell großzügig zugunsten der Opfer entschieden würde. 2.1 Unterstützt die Staatsregierung die Forderung des DAV, dass jedes Opfer solcher Fälle vor Gericht eine rechtskundige Hilfe zur Durchsetzung von Rechten der Nebenklage und Schmerzensgeldansprüchen haben müsse? Die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Schutz und zur Stärkung der Rechte von Opfern von Straftaten wurden in den letzten Jahren stetig – unter anderem durch die Opferrechtsreformgesetze aus den Jahren 2004 und 2009 – verbessert . Für bestimmte besonders schwer betroffene Opfer (z. B. von Gewalt- oder Sexualdelikten) ist nach § 397a Abs. 1 StPO im gerichtlichen Verfahren auf Antrag ein Opferanwalt auf Staatskosten zu bestellen. Für andere Opfer besteht die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts unter den Voraussetzungen des § 397a Abs. 2 StPO (auf die Antwort zu Frage 2 wird ergänzend hingewiesen). Daneben tritt die Möglichkeit von Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen einschließlich Schmerzensgeld im strafrechtlichen Adhäsionsverfahren (§ 404 Abs. 5 StPO) unter den gleichen Voraussetzungen, die auch für einen gesonderten Prozess vor den Zivilgerichten gelten. Soweit das strafrechtliche Ermittlungsverfahren betroffen ist, sieht § 406g StPO die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand bzw. die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter densel- Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 Eingeleitete Ermittlungsverfahren wg. rechtextremistischer/ fremdenfeindlicher Straftaten 1.950 1.712 1.540 1.757 1.846 *) *) *) *) *) Verurteilungen 280 14,4% 275 16,1% 274 17,8% 301 17,1% 334 18,1% *Die Prozentangaben beziehen sich auf die in dem jeweiligen Jahr eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Drucksache 17/3555 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 ben Voraussetzungen wie § 397a StPO vor. Im Übrigen ist einem schutzbedürftigen Zeugen, der keinen anwaltlichen Beistand hat, in bestimmten Fällen für die Dauer seiner Vernehmung nach § 68b Abs. 2 StPO ein anwaltlicher Beistand auf Staatskosten zu bestellen. Übereinstimmend sind die Präsidenten der Oberlandesgerichte und die Generalstaatsanwälte der Auffassung, dass die Durchsetzung von Opferrechten in Straf- und Ermittlungsverfahren auf der Basis des geltenden Rechts in ausreichendem Maß gewährleistet wird und weise am Rande auch darauf hin, dass eine Unterscheidung von Opfergruppen bei der Beiordnung von Opferanwälten je nach Tätermotivation letztlich aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten problematisch wäre. Die genannten Regelungen stellen auch nach Ansicht des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz grundsätzlich einen sachgerechten Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen im Strafverfahren dar und tragen insbesondere auch den Opferschutzbelangen hinreichend Rechnung. 2.2 Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, wie häufig Opfern rechtsextremer Gewalt die Beiordnung eines Anwalts verweigert wurde? Erkenntnisse hierzu liegen nicht vor. 2.3 Trifft die Kritik des DAV zu, dass „die Opfern beigeordneten Anwälte schlechter bezahlt [würden] als Pflichtverteidiger von Angeklagten“? Nach Vorbemerkung 4 Abs. 1 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) sind die Vorschriften des Teils 4 VV-RVG, der sich mit den Gebühren des Rechtsanwalts in Strafsachen befasst, für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Vertreter eines Verletzten entsprechend anzuwenden. Demzufolge erhalten gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwälte als Vertreter eines Verletzten sowie als Pflichtverteidiger für dieselbe Tätigkeit grundsätzlich dieselbe Vergütung. Unterschiede bei der Vergütungshöhe können allerdings daraus resultieren, dass der Pflichtverteidiger im Fall der Inhaftierung des von ihm vertretenen Beschuldigten zur Abdeckung des durch die Inhaftierung bedingten Mehraufwands einen Zuschlag auf die jeweils anfallende Gebühr erhält (Vorbemerkung 4 Abs. 4 VV-RVG). 3. Wurden im Zusammenhang mit den rechtsextremen Vorfällen in und um Gräfenberg 2009 in den Fällen, auf die in der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Sepp Dürr „Rechtsextremistische Vorfälle im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess“ (Drs. 16/17542) Bezug genommen wurde, von der Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingeleitet ? 3.1 Wurden nach der Antwort auf diese Anfrage, derzufolge die bisherigen Ermittlungen zu keinem Erfolg geführt haben, weitere Ermittlungen angestellt ? 3.2 Wenn ja, welche, von wem, mit welchem Ergebnis ? Die Fragen 3 bis 3.2 werden gemeinsam beantwortet. Über den Generalstaatsanwalt in Bamberg hat der Lei- tende Oberstaatsanwalt in Bamberg hierzu Folgendes mitgeteilt : „Zu den gestellten Fragen 3, 3. 1 und 3. 2 (rechtsextreme Vorfälle in und um Gräfenberg 2009) wurden bereits in der Drucksache 16/17542 des Bayerischen Landtags vom 9. August 2013 in der Antwort des Staatsministeriums des Innern konkrete Verfahren und deren Ergebnisse aufgeführt. Nach der erteilten Antwort im August 2013 wurden im Zusammenhang mit den rechtsextremen Vorfällen in und um Gräfenberg im Jahr 2009 keinerlei weitere Erkenntnisse bekannt, die zur Einleitung von neuen Ermittlungsverfahren geführt hätten. Auch in den bereits in der Drucksache 16/17542 des Bayerischen Landtags vom 9. August 2013 erwähnten Fällen haben sich keinerlei weitere Erkenntnisse ergeben. Abschließend ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass es nach dem Jahr 2009 zu keinerlei ähnlichen oder vergleichbaren Vorkommnissen in und um Gräfenberg gekommen ist.“ Dies entspricht auch den Erkenntnissen der Polizei. 3.3 Welche „erforderlichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung“ hat die Staatsregierung in den (in der Anfrage zum Plenum anlässlich der Plenarwoche in der 48. KW 2009, Drs. 16/2693, des Abgeordneten Dr. Dürr angesprochenen ) Fällen von Drohungen aus der rechtsextremen Szene gegen Mitglieder von Bürgerinitiativen, Bürgermeister oder andere Personen, die sich im Kampf gegen den Rechtsextremismus engagieren oder engagiert haben, wie dort angeführt bzw. angekündigt durchgeführt und mit welchem Ergebnis ? Entsprechend der damaligen Antwort des Staatsministeriums des Innern geht es um folgende Fälle: Fall 1 „In Glattbach (Lkr. Aschaffenburg) wurde im November (Anm. 2009) der dortige Bürgermeister nach der Absage eines Vortrags zum Thema „Finanzkrise“ wegen des Verdachts der Zugehörigkeit des Gastredners zu rechtsextremistischen Kreisen sowie in Bezug auf seine Ehe mit einer Afrikanerin anonym per E-Mail beleidigt. Dabei sollen auch zumindest latente Drohungen ausgesprochen worden sein.“ Das zuständige Kommissariat für Staatsschutz der Kriminalpolizeiinspektion Aschaffenburg übernahm im vorliegenden Fall die Ermittlungen. Alle E-Mails wurden der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg zur Überprüfung hinsichtlich der Strafbarkeit vorgelegt. Seitens der Staatsanwaltschaft wurden zwei E-Mails als strafbar bewertet. In einem Fall konnte ein Täter aus Schleswig-Holstein ermittelt werden, über den bisher keine Erkenntnisse vorlagen. Er wurde durch das Amtsgericht Aschaffenburg mittels zwischenzeitlich rechtskräftigen Strafbefehls wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 30 € verurteilt. Im anderen Fall wurden sämtliche Ermittlungsansätze ausgeschöpft. Ein Täter konnte dennoch nicht ermittelt werden. Mit dem Bürgermeister wurde vonseiten der Polizei persönlich Kontakt aufgenommen. Es fanden Präventionsgespräche statt. Eine im zeitlichen Zusammenhang stehende Veranstaltung wurde durch polizeiliche Einsatzkräfte begleitet . Es fand frühzeitig ein umfassender Informationsaustausch zwischen Staatsanwaltschaft, Landesamt für Verfassungsschutz und der örtlich zuständigen Polizeidienststelle statt. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3555 Im Nachgang wurden bis heute keine weiteren E-Mails oder Drohungen im Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Sachverhalt bzw. mit dem Bürgermeister bekannt. Fall 2 „In Coburg wurde im Oktober (Anm. 2009) nach einer Versammlung des dortigen Aktionsbündnisses gegen den rechtsgerichteten Nation Europa-Verlag die Versammlungsanmelderin mittels eines anonymen Briefes bedroht.“ Auf dem Drohbrief wurde eine Spurenauswertung vorgenommen . Die Spuren konnten keinem Tatverdächtigen zugeordnet werden, sodass das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden musste. Des Weiteren wurden unmittelbar nach der Anzeigeerstattung am Wohnanwesen der Anzeigeerstatterin beginnend ab 13. Oktober 2009 Objektschutzmaßnahmen durch die örtlich zuständige Polizeiinspektion durchgeführt. Mit der Geschädigten wurde im Beisein ihrer Eltern durch die Kriminalpolizeiinspektion ein Sicherheitsgespräch wegen des Drohbriefs geführt. Dabei wurden verschiedene Verhaltensweisen durchgesprochen (Verhalten in Konfliktsituationen, bei verdächtigen Vorkommnissen usw.). Ebenso wurde eine Sensibilisierung der Nachbarschaft thematisiert. Weiterhin wurde angeraten, Kontakt mit dem kriminalpolizeilichen Fachberater aufzunehmen. Fall 3 „In Gräfenberg (Lkr. Forchheim) wurde Ende September (Anm. 2009) im Rahmen einer Versammlung der dortige Bürgermeister von Personen des rechtsextremistischen Spektrums beleidigt. Darüber hinaus kam es in diesem Zusammenhang zu Drohungen gegen den Bürgermeister sowie zwei Mitglieder des dortigen Bürgerforums.“ Im Zusammenhang mit der Veranstaltung in Gräfenberg am 26. September 2009 wurde gegen T. G., einem führenden Aktivisten des zwischenzeitlich verbotenen Freien Netzes Süd, durch die Staatsanwaltschaft Bamberg ein Strafverfahren wegen Beleidigung des Bürgermeisters von Gräfenberg geführt, das durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Forchheim abgeschlossen wurde. G. wurde zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 20 € verurteilt. Zwei weitere Personen, die vom Bürgermeister der Gemeinde Gräfenberg wegen Beleidigung angezeigt wurden, konnten trotz Wahllichtbildvorlagen und Sichtung der Videoaufzeichnung der Veranstaltung nicht ermittelt werden. Neue Erkenntnisse liegen insoweit bislang nicht vor, wobei zwischenzeitlich auch Strafverfolgungsverjährung eingetreten wäre. Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Oberfranken war für den Bürgermeister und die Mitglieder des Bürgerforums keine konkrete Bedrohungs- bzw. Gefährdungslage zu erkennen . Gleichwohl wurden durch die örtlich zuständige Polizeiinspektion bei den relevanten Personen Objektschutzmaßnahmen durchgeführt. Die Kriminalpolizeiinspektion Bamberg führte mit dem Bürgermeister am 5. Oktober 2009 ein Gespräch zur Erörterung der gegenwärtigen Gefährdungssituation . In diesem Zusammenhang wurden auch die Erreichbarkeiten, insbesondere der örtlich zuständigen Polizeiinspektion und der Kriminalpolizeiinspektion ausgetauscht , damit bei Bekanntwerden von Gefährdungssachverhalten unverzüglich polizeiliche Einsatzmaßnahmen getroffen werden konnten. Davor wurden bereits durch den Leiter der Polizeiinspektion Ebermannstadt mit den Verantwortlichen des Bürgerforums Gespräche in gleicher Sache geführt. Hierbei wurde u. a. auf die Hinzuziehung der krimi- nalpolizeilichen Fachberater hingewiesen. Fall 4 „In Dietfurt (Lkr. Neumarkt i. d. OPf.) erhielt die SPD-Ortsvorsitzende im Oktober (Anm. 2009) – wie bereits in den vergangenen drei Jahren – ein Schreiben der Kameradschaft Altmühltal mit bedrohendem Inhalt. Darüber hinaus wurden derartige Inhalte auf der Internetseite des Ortsvereins der Kameradschaft eingestellt.“ Aufgrund der Vorkommnisse wurden verschiedenste Ermittlungsverfahren eingeleitet und bearbeitet: Beleidigungen u. a. vom 11. Januar 2007 bis 1. Juni 2007 (Aufkleber mit beleidigendem Inhalt in Dietfurt): Die Täter wurden vom Amtsgericht Neumarkt i. d. OPf. wegen Beleidigung, davon einer auch wegen eines tateinheitlich begangenen Verstoßes gegen das Waffengesetz (Besitz eines Butterflymessers), jeweils zu Gesamtgeldstrafen von 90 Tagessätzen à 35 EUR, 90 Tagessätzen à 20 EUR und 50 Tagessätzen à 30 EUR verurteilt. Volksverhetzende Schriften im Briefkasten (15. November 2007): Das gegen unbekannt geführte Verfahren wurde durch StA Nürnberg-Fürth gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Bedrohung am 8. Oktober 2009 (Ablegen eines Schreibens mit Parolen und einer einschüchternden Abbildung): Das Verfahren gegen einen Beschuldigten wurde nach Anklageerhebung durch das zuständige Amtsgericht mit Blick auf ein weiteres Verfahren gem. § 154 Abs. 2 StPO, gegen den anderen Beschuldigten durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatnachweises eingestellt. Drohung vom 19. Oktober 2009 (E-Mail an die Gästebuchseite der SPD Dietfurt): Das Verfahren gegen den Beschuldigten wurde durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gem. § 170 Abs. 2 StPO aus rechtlichen Gründen eingestellt. Rechte Schriften und NPD-Flyer vor einem Haus zwischen 1. Juli – 5. August 2011: Gemäß Prüfung durch die Staatsanwaltschaft NürnbergFürth lag keine strafrechtliche Relevanz vor. Von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wurde daher gem. § 152 Abs. 2 StPO abgesehen. Ablage von Schriften vor einem Haus zwischen 1. November 2011 und 13. Januar 2012: Gemäß Prüfung durch die Staatsanwaltschaft NürnbergFürth lag keine strafrechtliche Relevanz vor. Von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wurde daher gem. § 152 Abs. 2 StPO abgesehen. Facebook-Einträge in einem Account durch die Kameradschaft Altmühltal am 7. Januar 2012: Gemäß Prüfung durch die zuständige Staatsanwaltschaft lag keine strafrechtliche Relevanz vor. Von einem Ermittlungsverfahren wurde daher gem. § 152 Abs. 2 StPO abgesehen . Verleumdung, Beleidigung, Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz vom 23. März – 24. März 2012: Drucksache 17/3555 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Durchführung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt. Trotz Spurensicherung konnte eine Täterschaft nicht nachgewiesen werden, weshalb das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Zur Gefahrenabwehr wurden durch Mitarbeiter des Kommissariats Polizeilicher Staatsschutz anlassbezogen mehrfach Gefährdetenansprachen durchgeführt. Weiterhin erfolgten bei verschiedenen Mitgliedern der Kameradschaft Altmühltal Gefährderansprachen. Seit Ende März 2012 sind keine Zwischenfälle mehr mit der Kameradschaft Altmühltal bekannt geworden. Fall 5 „Im August (Anm. 2009) erhielt außerdem ein bayerischer Oberbürgermeister von einem unbekannten Absender insgesamt fünf Nachrichten über eine Internetkommunikationsplattform mit beleidigendem und bedrohendem Inhalt. Hierbei wurden auch strafbare Symbole des Nationalsozialismus verwandt.“ In diesem Zusammenhang wurde ein Ermittlungsver- fahren wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB) und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB) eingeleitet. Der bislang unbekannte Täter hatte sich mit einer E-MailAdresse und dem Benutzernamen „Adolf Hitler“ die Anschrift „sdfdstr. 1, 34235 Berlin“ registriert. Der Accountinhaber der relevanten IP-Adresse konnte durch das zuständige Polizeipräsidium ermittelt werden. Aufgrund eines Beschlusses des zuständigen Amtsgerichts wurde dessen Wohnung von Beamten der Fachdienststelle durchsucht. Bei der Durchsuchung wurde festgestellt, dass der Accountinhaber ein ungeschütztes WLAN betrieben hatte . Der Zugang zum Internet war ohne Eingabe eines Passwortes problemlos möglich. Vor Ort ergaben sich keinerlei Hinweise auf eine Täterschaft der Person. Die von ihrem Computer aufgerufenen Internetseiten zeigten keine Auffälligkeiten und standen nicht im Verfahrenszusammenhang. Eine konkrete Aussage zum verantwortlichen Urheber der strafrelevanten Nachrichten im Internet war somit nicht möglich. Die zuständige Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Der Oberbürgermeister wurde über den Sachverhalt informiert , ein schädigendes Ereignis trat nicht ein. 4. Welche Fortbildungsangebote für die mit Rechtsextremismus befassten Richter, Richterinnen und Staatsanwaltschaften gibt es, um diese für die Identifikation rechtsextremer Hintergründe bei Straftaten zu qualifizieren? 4.1 Welche zusätzlichen Fortbildungsangebote zur Identifikation rechtsextremer Hintergründe bei Straftaten bzw. im Zusammenhang mit Menschenfeindlichkeit , Rassismus und Rechtsextremismus werden mittlerweile für die Staatsanwaltschaften und die Richterschaft neben den in Drs. 16/11791 aufgeführten regelmäßigen Tagungen der Deutschen Richterakademie angeboten? 4.2 Wurden die Angebote nach Aufdeckung der NSUMorde ausgeweitet? Die Fragen 4 bis 4.2 werden gemeinsam beantwortet. Wie bereits in der Antwort der Staatsregierung zu den Fragen 1.1 und 1.2 des Fragestellers betreffend die Schriftliche Anfrage „Rechtsextreme Aktivitäten in Bayern identifizieren“ (LT-Drs. 16/11791) beschrieben, finden weiterhin mehrfach jährlich Tagungen an der Deutschen Richterakademie statt, in denen die Problematik extremistisch motivierter Straftaten behandelt wird. 2015 sind folgende Tagungen vorgesehen: • Aktuelle Herausforderungen an die Rechtsprechung in Staatsschutzsachen • Politischer Extremismus – Herausforderung für Gesell- schaft und Justiz • Rechtsradikalismus und Neonazismus – Neueste Ten- denzen In Ergänzung der Angebote der Deutschen Richterakademie bietet das Staatsministerium der Justiz auf Landesebene in Übereinstimmung mit dem Bayerischen Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus regelmäßig spezielle Fortbildungsveranstaltungen für Jugendrichterinnen und Jugendrichter sowie Jugendstaatsanwältinnen und Jugendstaatsanwälte an. Die Hintergründe extremistisch motivierter Straftaten werden in den dort gebotenen Beiträgen ebenso behandelt wie die jugendstrafrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten auf solche Taten. So waren diese Themenfelder bei einer Tagung im Oktober 2012 Gegenstand sowohl eines gesonderten Beitrags aus polizeilicher wie eines Beitrags aus jugendrichterlicher Sicht. Auf zwei Tagungen im Februar und im Oktober 2013 wurden die Phänomenologie und ausgewählte Befunde zur Jugendkriminalität im Rahmen eines kriminologischen Beitrags behandelt, dabei wurde auch auf besondere Erscheinungsformen wie Gewaltkriminalität und extremistische Straftaten eingegangen. Vergleichbare Tagungen sind auch für die Zukunft als regelmäßiger Teil des Fortbildungsprogramms der bayerischen Justiz vorgesehen. Die nächste derartige Tagung wird noch im Oktober 2014 stattfinden. In Umsetzung der Erkenntnisse der Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags und des Deutschen Bundestags zum NSU-Verfahren wird wesentliches Basiswissen für die Strafverfolgung bei Taten mit extremistischem Hintergrund zudem schon in den Einführungstagungen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte behandelt. Diese Tagungen absolvieren alle Dienstanfängerinnen und Dienstanfänger zu Beginn ihrer Tätigkeit bei der Justiz oder spätestens nach einer kurzen Verwendung als Proberichter/-in, so dass die gewünschte Breitenwirkung erzielt wird und insbesondere alle Dienstanfänger auch außerhalb der betreffenden Spezialabteilungen erreicht werden. Im Eröffnungsvortrag „Ausgewählte Probleme aus der staatsanwaltlichen Praxis“ werden junge Kolleginnen und Kollegen für die Thematik sensibilisiert und es wird ihnen das Handwerkszeug vermittelt, um Anzeichen für einschlägige Bezüge erkennen zu können und ggf. Spezialreferenten bei der Polizei bzw. in der eigenen Behörde einzubeziehen. Auch in den Einführungstagungen für neu bestellte Richterinnen und Richter wird die Thematik für Strafrichterinnen und Strafrichter insbesondere im Rahmen des regelmäßig angebotenen Beitrags zur Hauptverhandlung, zur Urteilsabfassung und zu Fragen der Strafzumessung behandelt. Eingegangen werden kann dort in Zukunft auch auf die im Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 27. August 2014 vorgesehene Änderung des § 46 Abs. 2 Satz 2 des Strafgesetz- Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3555 buchs, wonach eine rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Motivation des Täters bei der Strafzumessung besonders zu berücksichtigen ist. Es ist ferner angedacht, im Jahr 2015 in Nürnberg eine landesweite Tagung speziell zur Thematik des Extremismus für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte durchzuführen, bei der auch Vertreter der Polizei sowie nach Möglichkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz mitwirken sollen. Im Mittelpunkt stehen soll dabei der Austausch zwischen den Institutionen Staatsanwaltschaft, Polizei und Verfassungsschutz . 4.3 Ist die Teilnahme verpflichtend? 4.4 Wenn nein, wie werden die Angebote wahrgenom- men? Die Fragen 4.3 und 4.4 werden gemeinsam beantwortet. Die Teilnahme an den Einführungstagungen für Richterinnen und Richter sowie für Staatsanwältinnen und Staatsan- wälte ist grundsätzlich verpflichtend. Die Tagungen werden möglichst zeitnah zur Neuberufung in die jeweilige Funktion absolviert. Die Teilnahme an den landesweiten Tagungen zum Jugendstrafrecht sowie an den Tagungen der Deutschen Richterakademie ist freiwillig; diese werden nach Bedarf frequentiert. An den Tagungen zum Jugendstrafrecht haben seit 2012 bei Einbeziehung der Meldungen für die Tagung im Oktober 2014 bereits rund hundert Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte teilgenommen. Es blieben nur vereinzelt Plätze unbesetzt. Bei den Tagungen der Deutschen Richterakademie stehen Bayern jeweils zwischen vier und sechs Plätze zur Verfügung. Zu den 2013 und 2014 stattfindenden Tagungen wurden bzw. werden aus Bayern jeweils zwischen drei und fünf Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer entsandt.