Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Schindler SPD vom 19.08.2014 Entlassung eines Untersuchungsgefangenen wegen langer Verfahrensdauer Das BVerfG hat auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bzw. die Verfassungsbeschwerde eines 18-jährigen, nicht vorbestraften und weitgehend geständigen Untersuchungsgefangenen, der sich wegen des dringenden Tatverdachts der Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung seit dem 14.08.2013 in Untersuchungshaft befand, am 30.07.2014 entschieden, dass die Haftfortdauerbeschlüsse des Landgerichts München I vom 29.04.2014 und des OLG München vom 10.06.2014 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 II 2 des Grundgesetzes verletzen, hat den Beschluss des OLG aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Das OLG München hat zwischenzeitlich die Freilassung des Beschwerdeführers angeordnet. Die zuständige Jugendkammer hatte mit Beschluss vom 29.04.2014 eine Haftbeschwerde des Untersuchungsgefangenen als unbegründet verworfen und u. a. angeführt, dass angesichts der Vielzahl der von der Kammer im Kalenderjahr 2014 zu bewältigenden Verfahren eine frühere Terminierung als auf Oktober 2014 nicht möglich und dass die Bewältigung des bisherigen Pensums allein dem überobligatorischen Einsatz verschiedener Richterinnen und Richter zu verdanken sei. Es sei der Jugendkammer bei der bestehenden Konstellation und Belastung nicht länger zuzumuten, jede Woche an mehreren Tagen eine Hauptverhandlung durchzuführen, sodass die Haftbeschwerde unbegründet sei. Das OLG München hat die Entscheidung bestätigt und u. a. ausgeführt, dass das Präsidium des LG München I im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden beschränkten Mittel im vorliegenden Fall mit mehrfachen periodischen Verfahrensumverteilungen auf andere Strafkammern gerade noch ausreichend auf die sich zuspitzende Belastungssituation der Jugendkammer reagiert habe. Das Staatsministerium der Justiz hat zu der Verfassungsbeschwerde keine Stellungnahme abgegeben. Der Generalbundesanwalt hat die Auffassung vertreten, dass der Verfassungsbeschwerde der Erfolg nicht versagt werden könne. In dem Beschluss hat das BVerfG u. a. ausgeführt, dass wegen der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein könne, dass die Überlastung eines Gerichts in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft falle und dass dem Beschuldigten nicht zugemutet werden dürfe, eine länge- re als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur verfassungsmäßigen Ausstattung der Gerichte zu genügen. Die Begründung einer Haftfortdauerentscheidung allein durch die Dokumentation des Geschäftsanfalls der großen Strafkammern bei dem Landgericht München I seit dem Jahr 2006 sei in jeder Hinsicht sachfremd. Ich frage deshalb die Staatsregierung: 1. Wie hat sich der Geschäftsanfall der großen Strafkam- mern und insbesondere der im vorliegenden Fall zuständigen Jugendkammer bei dem Landgericht München I seit dem Jahr 2006 bis heute entwickelt? 2. Wie viele Stellen für Richterinnen und Richter waren seit dem jahr 2006 und sind bis heute für die großen Strafkammern des Landgerichts München I ausgewiesen und wie viele hiervon waren und sind tatsächlich besetzt? 3.1 Entsprach und entspricht die vorgesehene Zahl der Stellen für Richterinnen und Richter in der Abteilung für Strafsachen des Landgerichts München I seit dem Jahr 2006 bis heute dem Personalbedarf nach dem amtlichen Personalbedarfsberechnungssystem PEBB§Y? 3.2 Wie hat sich die Zahl der Mitarbeiter in der Geschäftsstelle der Abteilung für Strafsachen des Landgerichts München I seit dem Jahr 2006 bis heute entwickelt? 4. Wie hat das Präsidium des Landgerichts München I auf die Überlastungsanzeigen der im vorliegenden Fall zuständigen Jugendkammer reagiert? 5. In wie vielen Fällen mussten in den letzten drei Jahren in Bayern Untersuchungsgefangene deshalb entlassen werden, weil die Hauptverhandlung nicht in angemessener Frist terminiert worden ist? 6. Wie beurteilt die Staatsregierung die Feststellung des BVerfG, dass die Überlastung eines Gerichts in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft fällt und dass die mit der Haftprüfung betrauten Fachgerichte eine Haftentscheidung aufzuheben haben, wenn der Staat seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte nicht nachkommt im Hinblick auf den nach objektiven Kriterien festgestellten Fehlbestand an Stellen für Richter und Staatsanwälte in Bayern, und welche Konsequenzen will sie hieraus ziehen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.12.2014 17/3556 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3556 Drucksache 17/3556 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 nen. Speziell für das Landgericht München I sind die konkreten PEBB§Y-Belastungszahlen wegen der großstädtischen Verhältnisse mit teilweise sehr komplexen und oft von der Öffentlichkeit stark beachteten Verfahren nicht uneingeschränkt aussagekräftig. Zum anderen haben seit der Erhebung der durchschnittlichen Bearbeitungszeiten umfangreiche rechtliche, organisatorische , strukturelle und gesellschaftspolitische Änderungen stattgefunden. Mit Hilfe von mit Praktikern besetzten Arbeitsgruppen wurde seit den letzten Erhebungen versucht , die Aktualität des Systems so gut wie möglich sicherzustellen . Trotz dieser Bemühungen nimmt die Validität der PEBB§Y-Zahlen zunehmend ab. Insbesondere im Strafbereich haben sich umfangreiche Änderungen ergeben, wie aufgrund der höheren Anforderungen an die Verständigung im Strafprozess sowie aufgrund des am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung, das zu einer Zunahme von Verhandlungen in Dreierbestzungen geführt hat. Vor diesem Hintergrund haben die gegenwärtig rückläufigen Belastungszahlen der Richter beim Landgericht München I nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft. Valide Belastungszahlen sind erst mit Vorliegen der Ergebnisse der derzeit durchgeführten „PEBB§Y-Fortschreibung 2014“ zu erwarten, bei der auf der Grundlage einer bundesweiten Erhebung im ersten Halbjahr 2014 aktuelle durchschnittliche Bearbeitungszeiten ermittelt werden. 3.2 Wie hat sich die Zahl der Mitarbeiter in der Geschäftsstelle der Abteilung für Strafsachen des Landgerichts München I seit dem Jahr 2006 bis heute entwickelt? Die Serviceeinheiten in der Strafabteilung des Landgerichts München I waren von 2006 bis 2014 mit folgenden Arbeitskraftanteilen besetzt: Besetzung Serviceeinheit nach Arbeitskraftanteil Jahr 2006 23,45 2007 24,37 2008 25,62 2009 23,14 2010 24,53 2011 24,80 2012 22,78 2013 23,79 2014 bis 02.09.2014 25,61 4. Wie hat das Präsidium des Landgerichts München I auf die Überlastungsanzeigen der im vorliegenden Fall zuständigen Jugendkammer reagiert? Die Belastungssituation der Jugendkammer war zuletzt im Geschäftsjahr 2014 Gegenstand von Erörterungen im Präsidium . Auf förmliche Überlastungsanzeige hin fasste das Präsidium am 28. Januar 2014 einen Beschluss dahingehend , dass die 20. Strafkammer als weitere Jugendkammer von der 1. Jugendkammer mit Wirkung vom 10. Februar 2014 die drei nächsten bis zum 10. Mai 2014 eingehenden Verfahren gem. § 41 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 JGG (JKLs), bei denen sich mindestens ein Angeschuldigter oder Beschuldigter in Untersuchungshaft oder einstweiliger Unterbringung befindet, zur dauernden Bearbeitung übernimmt. Wider Erwarten ist in diesem Zeitraum nur ein neues Verfahren ein- gegangen. Bereits in früheren Jahren ist die 1. Jugendkammer von Neueingängen sowohl im Bereich der erstinstanzlichen Verfahren als auch von Berufungen gegen Entscheidungen des Jugendschöffengerichts entlastet worden. Neben der Behandlung der förmlichen Überlastungsanzeige wurde die Problematik der Belastung der 1. Jugendkammer in Gesprächen zwischen dem Präsidenten und dem Vorsitzenden der Kammer stets im Auge behalten. Seit Längerem ist im Präsidium des Gerichts vorbesprochen gewesen, die nächste Gelegenheit zu nutzen, die 1. Jugendkammer zu einer Besetzung aufzustocken, wie sie beim Landgericht München I in den nunmehr zwei Schwurgerichtskammern üblich ist (1:3). Der 1. Jugendkammer ist zum 1. September 2014 eine Beisitzerin zu 0,5 neu zugewiesen worden, die ab dem 1. Januar 2015 der Jugendkammer mit ihrer vollen Arbeitskraft zur Verfügung stehen soll. Dies wird der 1. Jugendkammer einen Sitzungsbetrieb in mehreren Spruchgruppen erlauben; damit wird die Abfassung der Urteile beschleunigt und der Bürobetrieb auch in Zeiten der Sitzung sichergestellt. Die personelle Verstärkung der 1. Jugendkammer beim Landgericht München I kann nicht losgelöst von der Verstärkung der übrigen großen Strafkammern gesehen werden. Dazu ist folgendes mitzuteilen: Das Präsidium hat in den letzten beiden Jahren dank der Stellenmehrungen im R 1-Bereich systematisch eine Verstärkung der großen Strafkammern betreiben können, die sich an zwei Aspekten orientiert hat: zum einen war wegen der hohen Zahl der Verhandlungstage und der Zahl und dem Gewicht der Schwurgerichtssachen eine weitere Schwurgerichtskammer zu schaffen. Die 2. Strafkammer wurde von zwei auf drei Besitzer aufgestockt und ist seit dem 1. Januar 2014 als weitere Schwurgerichtskammer im Turnus der Neueingänge tätig. Zum anderen war der vermehrten Zahl von Verfahren Rechnung zu tragen, die von den großen Strafkammern mit zwei statt nur mit einem Beisitzer zu verhandeln sind. Die großen Strafkammern, die auf Grund der früheren Rechtslage mit weniger als zwei vollen Beisitzerstellen besetzt waren (1:1,25; 1:1,5 oder 1:1,75), wurden so verstärkt, dass jetzt alle großen Strafkammern mit zwei vollen Beisitzerstellen besetzt sind. Im Auge behalten werden muss stets auch die Belastung der Strafvollstreckungskammer , die wegen erhöhter Zahlen und – vom Verfassungsgericht geforderter – höherer Begründungstiefe insbesondere von Fortdauerentscheidungen in Unterbringungssachen steigender Belastung ausgesetzt ist. Die Verstärkung der Strafkammern stellt sich zusammenfassend wie folgt dar: 01.06.2012 20. StK von 1:1,25 auf 1:1,5 +0,25 01.01.2013 20. StK von 1:1,5 auf 1:2 +0,5 01.01.2013 7. StK von 1:1,5 auf 1:2 +0,5 15.08.2013 2. StK von 1:2 auf 1:3 +1,0 01.11.2013 9. StK von 1:1,5 auf 1:2,25 +0,75 01.01.2014 6. StK von 1:2 auf 1:2.25 +0,25 01.09.2014 1. JugK Von 1:3 auf 1:3,5 +0,5 01.09.2014 10. StK Vorübergehende Verstärkung +0,5 Von den 9,5 neuen R1-Stellen, die dem Landgericht in erster Linie wegen der starken Belastung mit Beständen in Zivilsachen zugewiesen wurden, hat das Präsidium in Kenntnis der heiklen Lage bei Strafsachen somit insgesamt 4,25 Stellen den Strafkammern zugeteilt. 7. Wie viele zusätzliche Stellen für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und sonstige Mitarbeiter der Gerichte und Staatsanwaltschaften wird die Staatsregierung dem Landtag im Entwurf des Doppelhaushalts 2015/16 zur Beschlussfassung vorschlagen? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 16.10.2014 Die Antwort auf die Fragen 1 bis 4 beruht dabei auf einem Bericht des Präsidenten des Oberlandesgerichts München. 1. Wie hat sich der Geschäftsanfall der großen Strafkammern und insbesondere der im vorliegenden Fall zuständigen Jugendkammer bei dem Landgericht München I seit dem Jahr 2006 bis heute entwickelt ? Die Eingänge bei den großen Strafkammern und der 1. Jugendkammer des Landgerichts München I haben sich in den Jahren 2006 bis 2014 wie folgt entwickelt: Große Strafkammern Landgericht München I Jahr 1. Instanz Beschwerden 2006 421 539 2007 450 423 2008 433 452 2009 418 493 2010 388 394 2011 410 472 2012 391 380 2013 367 359 2014 bis 31.07.2014 181 223 1. Jugendkammer Landgericht München I Jahr 1. Instanz 2. Instanz Beschwerden 2006 19 70 59 2007 35 56 71 2008 38 62 58 2009 40 54 67 2010 25 36 51 2011 25 56 57 2012 12 41 59 2013 22 38 52 2014 bis 31.07.2014 7 19 28 2. Wie viele Stellen für Richterinnen und Richter waren seit dem Jahr 2006 und sind bis heute für die großen Strafkammern des Landgerichts München I ausgewiesen und wie viele hiervon waren und sind tatsächlich besetzt? Richterstellen werden den Gerichten zugewiesen, ohne dass nach Zivil- oder Strafrecht differenziert wird. Die dem Landgericht München I zugewiesenen Richterinnen und Richter werden nach dem GVG vom Präsidium in den einzelnen Straf- und Zivilkammern eingesetzt. Aus der Personalübersicht ergeben sich für die Jahre 2006 bis 2014 folgende Arbeitskraftanteile in den großen Strafkammern im richterlichen Dienst: Richter Arbeitskraftanteil für Jahr 2006 37,76 2007 40,47 2008 42,11 2009 42,38 2010 43.96 2011 41,98 2012 43,63 2013 45,97 2014 bis 02.09.2014 47,89 3.1 Entsprach und entspricht die vorgesehene Zahl der Stellen für Richterinnen und Richter in der Abteilung für Strafsachen des Landgerichts München I seit dem Jahr 2006 bis heute dem Personalbedarf nach dem amtlichen Personalbedarfsberechnungssystem PEBB§Y? Aus der Personalbedarfsberechnung für das Landgericht München I ergeben sich für die Jahre 2006 bis 2014 folgende Zahlen: Jahr Anzahl der Richter – Unter- besetzung + Über- besetzung Belastung Richter – Belastung + Über- besetzung in % 2006 - 12,12 1,32 - 24,03 2007 - 6,96 1,18 - 15,12 2008 - 2,91 1,07 - 6,51 2009 - 1,71 1,04 - 3,80 2010 - 2,92 1,07 - 6,41 2011 - 1,63 1,04 - 3,68 2012 + 2,52 0,94 + 6,24 2013 + 7,47 0,83 + 20,80 2014 bis 30.06.2014 + 9,96 0,78 + 28,14 Im Hinblick auf die rückläufigen Belastungszahlen im richterlichen Bereich beim Landgericht München I nach dem Personalbedarfsberechnungssystem PEBB§Y ist Folgendes zu berücksichtigen: Die Belastungszahlen nach PEBB§Y werden auf der Grundlage von durchschnittlichen Bearbeitungszeiten ermittelt . Die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten gehen auf eine bundesweite Erhebung im Jahr 2001 zurück, die in Teilbereichen im Jahr 2008 aktualisiert wurde. Im Bereich der Strafsachen bilden aber weitgehend nach wie vor die im Jahr 2001 erhobenen durchschnittlichen Bearbeitungszeiten die Grundlage für die Berechnung der Belastung der Richter. Die Belastungszahlen nach PEBB§Y haben daher für das Landgericht München I aus verschiedenen Gründen nur einen begrenzten Aussagewert: Zum einen basieren die PEBB§Y-Zahlen auf bundeseinheitlichen Durchschnittswerten, die naturgemäß örtlichen Besonderheiten nicht vollumfänglich gerecht werden kön- Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3556 5. In wie vielen Fällen mussten in den letzten drei Jahren in Bayern Untersuchungsgefangene deshalb entlassen werden, weil die Hauptverhandlung nicht in angemessener Frist terminiert worden ist? Voranzustellen ist, dass eigene statistische Aufzeichnungen betreffend die Aufhebung von Haftbefehlen wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen nicht geführt werden. Verlässliche Zahlen hierzu sind somit nicht vorhanden. Dies gilt auch für die noch spezifischere Frage, aus welchem Grund und in welchem Verfahrensstadium das Beschleunigungsgebot aus Sicht des Gerichts verletzt wurde . Zur Beantwortung von Frage 5 wurden die Präsidenten der bayerischen Oberlandesgerichte jeweils um Bericht unter Einbindung der Gerichte des Geschäftsbereichs sowie im Benehmen mit den jeweiligen Staatsanwaltschaften gebeten . Nach den eingegangenen Stellungnahmen der Präsidenten der Oberlandesgerichte wurden im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 19. August 2014 erinnerlich 41 Haftbefehle (einschließlich des der Schriftlichen Anfrage zugrunde liegenden Falls) wegen überlanger Verfahrensdauer aufgehoben , davon neun im Bezirk des Oberlandesgerichts München , 25 im Bezirk des Oberlandesgerichts Nürnberg und sieben im Bezirk des Oberlandesgerichts Bamberg. Darüber hinaus wurden im Bezirk des Oberlandesgerichts München zwei weitere Haftbefehle aufgehoben, bei denen unklar ist, ob dies im Berichtszeitraum erfolgte. Die Antwort des Präsidenten des Oberlandesgerichts München bezieht sich dabei grundsätzlich auf Fälle, in denen die Hauptverhandlung nicht in angemessener Frist terminiert werden konnte. Ferner wird mitgeteilt, dass den Mitgliedern eines dortigen Strafsenats zwei Verfahren erinnerlich seien, in denen Haftbefehle aufgehoben worden seien. Ob dies im genannten Zeitraum geschehen und/oder ob die Aufhebung wegen nicht rechtzeitiger Terminierung erfolgt sei, sei nicht mehr erinnerlich. Die Präsidenten der Oberlandesgerichte Nürnberg und Bamberg haben mitgeteilt, dass nach den Stellungnahmen der für Haftprüfungsentscheidungen nach den §§ 121, 122 StPO und Beschwerden gegen Haftentscheidungen der Landgerichte (§§ 305, 310 Nr. 1 StPO) zuständigen Strafsenate nicht danach differenziert wurde, ob die überlange Verfahrensdauer im Verantwortungsbereich des Gerichts, der Staatsanwaltschaft oder der Polizei zu suchen war, also mit der Terminierung in Zusammenhang steht. Der Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg erklärte, dass Haftbefehlsaufhebungen durch das erkennende Gericht selbst sehr selten gewesen seien. So habe das Amtsgericht Nürnberg in drei Fällen Haftbefehle aufgehoben. Dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Bamberg sind Haftbefehlsaufhebungen wegen überlanger Verfahrensdauer durch das erkennende Gericht selbst nicht berichtet worden . 6. Wie beurteilt die Staatsregierung die Feststellung des BVerfG, dass die Überlastung eines Gerichts in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft fällt und dass die mit der Haftprüfung betrauten Fachgerichte eine Haftentscheidung aufzuheben haben, wenn der Staat sei- ner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte nicht nachkommt im Hinblick auf den nach objektiven Kriterien festgestellten Fehlbestand an Stellen für Richter und Staatsanwälte in Bayern, und welche Konsequenzen will sie hieraus ziehen? 7. Wie viele zusätzliche Stellen für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und sonstige Mitarbeiter der Gerichte und Staatsanwaltschaften wird die Staatsregierung dem Landtag im Entwurf des Doppelhaushalts 2015/16 zur Beschlussfassung vorschlagen? Antwort (insoweit im Einvernehmen mit der Staatskanzlei und dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat): Die Staatsregierung nimmt die Feststellung des BVerfG sehr ernst. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Planstellen für Richter und Staatsanwälte in Bayern erhöht. Allein der Doppelhaushalt 2013/2014 wies zusätzliche 80 Stellen für Richter und Staatsanwälte aus (neben 18 Stellen aus der Rücknahme der Arbeitszeitverlängerung, 38 Stellen für Bewährungshelfer und Bewährungshelferinnen und 48 Stellen für Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen). Gleichzeitig ist stets zu berücksichtigen, dass die Personalsituation auch bei den sonstigen Justizbediensteten angespannt ist und etwaige Entlastungen auch diesen Bereichen zugutekommen müssen. Das Ziel der Verringerung der Belastung der Justizbediensteten muss dabei auch immer mit den haushalterischen Möglichkeiten in Einklang gebracht werden. Vor diesem Hintergrund sieht der vom Ministerrat beschlossene Entwurf des Doppelhaushalts 2015/2016 (neben anderen Maßnahmen wie z. B. zahlreichen Stellenhebungen u. ä.) deutliche personelle Verbesserungen vor, insbesondere: • 23 neue Stellen für Rechtspflegeoberinspektoren der BesGr. A 10 (2015: 10 und 2016: 13), • 100 neue Stellen für Justizsekretäranwärter zum 01.09.2015, • 10 neue Stellen für Technische Oberinspektoren zur Um- setzung der ERV-Strategie Justiz zum 01.10.2015, • Anhebung der Mittel für Aushilfsarbeitnehmer (Titel 42811), sodass flexibler auf Ausfälle im Servicebereich reagiert werden kann, • Aufstockung der Mittel für Mehrarbeitsvergütungen für Beamte, • Flexibilisierung der Übernahme von Rechtspfleger- und Justizsekretäranwärtern, wodurch verstärkt Nachwuchskräfte eingestellt werden können. Im Rahmen der Haushaltsberatungen ist beabsichtigt, dem Landtag über eine Nachschubliste (neben 25 weiteren Stellen für Justizsekretärinnen und Justizsekretäre der BesGr. A 6) folgende zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte vorzuschlagen: • 55 neue Stellen für Richter (davon 1 in BesGr. R 3, 15 in BesGr. R 2 und 39 in BesGr. R 1), • 20 neue Stellen für Staatsanwälte in BesGr. R 1. Die abschließende Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers über die Bereitstellung zusätzlicher Planstellen bleibt abzuwarten.