Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze, Dr. Sepp Dürr BünDniS 90/Die Grünen vom 18.09.2014 übernachtungsbesuch in der Zelle von Beate Zschäpe Wir fragen die Staatsregierung: 1. Welche Umstände haben zu der Entscheidung geführt, dass im Mai eine Mitgefangene in der Zelle von Beate Zschäpe übernachten durfte, und wer genehmigte diesen Vorgang? 2. Wie viele andere Mitgefangene haben zuvor oder danach in der Zelle von Beate Zschäpe übernachtet? 3. Welche Kenntnisse hat die Anstaltsleitung, die Staatsregierung und insbesondere der Bayerische Verfassungsschutz über eine mögliche rechtsextremistische Gesinnung dieser Mitgefangenen? 4. Wie bewertet die Staatsregierung im Hinblick auf eine mögliche rechtsextremistische Gesinnung der Mitgefangenen den Umstand, dass diese angeblich schon seit Jahren mit dem Rosaroten Panther in Verbindung gebracht werde und sie sich im Internet mit den Bildern der Comic-Figur und dem Namen „Pinky“ präsentiert? 5. Wegen welcher Delikte war die Mitgefangene inhaftiert? 6. War die Mitgefangene zuvor wegen Delikten, die der politisch motivierten Kriminalität-rechts zuzuordnen sind, polizeilich in Erscheinung getreten? 7. Wie stellt die Anstaltsleitung sicher, dass sich die Angeklagte Zschäpe künftig nicht mit Personen in Zellengemeinschaft aufhalten wird, die im Verdacht stehen, dem rechtsextremen Spektrum zugehörig zu sein? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 15.10.2014 1. Welche Umstände haben zu der entscheidung geführt , dass im Mai eine Mitgefangene in der Zelle von Beate Zschäpe übernachten durfte, und wer genehmigte diesen Vorgang? Gemäß Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft (Bayerisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz – BayUVollzG) werden die Untersuchungsgefangenen während der Ruhezeit allein in ihren Hafträumen untergebracht, können mit ihrer Zustimmung jedoch auch mit anderen Untersuchungsgefangenen gemeinsam untergebracht werden. Eine vorübergehende gemeinsame Unterbringung ohne Zustimmung der Untersuchungsgefangenen ist neben Fällen zwingender Erforderlichkeit aufgrund der räumlichen Verhältnisse (Art. 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BayUVollzG ) zulässig bei Gefahr für Leben oder Gesundheit oder bei Hilfsbedürftigkeit (Art. 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BayUVollzG ). Soweit es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert, kann gemäß Art. 11 Abs. 3 BayUVollzG die gemeinschaftliche Unterbringung während der Ruhezeit ausgeschlossen werden. Gemäß Art. 6 BayUVollzG trifft die nach dem BayUVollzG notwendigen Entscheidungen und damit auch die Entscheidung über eine gemeinsame oder vorübergehende gemeinsame Unterbringung der Anstaltsleiter unter Beachtung der Belange des Strafverfahrens. Bei der Entscheidung über eine gemeinschaftliche Unterbringung einzelner Untersuchungsgefangener wird unabhängig von der Gefangenen Zschäpe jeweils insbesondere genau und gewissenhaft geprüft, ob eine gemeinsame Unterbringung gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BayUVollzG erforderlich ist, ob Sicherheitsbedenken bestehen können, der Haftzweck gefährdet wird oder sonst Unzuträglichkeiten zu besorgen sind. Die dargestellten gesetzlichen Vorgaben wurden und werden auch im Fall der Untersuchungsgefangenen Zschäpe vollumfänglich eingehalten. Eine darüber hinausgehende Beantwortung der Fragestellung betreffend die gemeinsame Unterbringung der Untersuchungsgefangenen Zschäpe während der Ruhezeiten ist der Staatsregierung aus Rechtsgründen verwehrt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (zuletzt BayVerfGH, Entscheidung vom 11. September 2014, Az.: Vf. 67-IVa-13 sowie Entscheidung vom 22. Mai 2014, Az.: Vf. 53-IVa-13 jeweils mit weiteren Nachweisen) findet das Recht des einzelnen Abgeordneten, sich mit Fragen an die Exekutive zu wenden und die damit korrespondierende Antwortpflicht der Staatsregierung trotz seiner Bedeutung als Minderheitenrecht zum Zweck der Kontrolle der Regierung bestimmte Grenzen. Diese ergeben sich in erster Linie aus den Grundrechten der Bayerischen Verfassung sowie sonstigen Verfassungsrechten. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.12.2014 17/3585 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3585 Grenzen der Antwortpflicht ergeben sich unter anderem dann, wenn die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage Grundrechte Dritter berührt. Hierzu zählt das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 100, 101 BV). Dieses Grundrecht soll die engere persönliche Lebenssphäre und Einhaltung ihrer Grundbedingungen gewährleisten. Es sichert jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem jeder seine Individualität entwickeln und wahren kann. Zu den Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehören unter anderem die Privat -, Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person. Daneben besteht ein ebenfalls aus Art. 100, 101 BV abgeleitetes Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, gewährleistet (BayVerfGH, Entscheidung vom 11. September 2014, Az.: Vf. 67-IVa-13, Rz. 36 mit weiteren Nachweisen). Um festzustellen, ob schutzwürdige private Interessen dem parlamentarischen Fragerecht entgegenstehen, sind diese und das Informationsinteresse des Auskunft begehrenden Abgeordneten unter Berücksichtigung der Bedeutung der Pflicht zur erschöpfenden Beantwortung parlamentarischer Anfragen für die Funktionsfähigkeit des parlamentarischen Systems gegeneinander abzuwägen. Die unterschiedlichen Belange müssen einander im Weg der praktischen Konkordanz so zugeordnet werden, dass jeder für sich so weit wie möglich seine Wirkungen entfaltet (BayVerfGH, Entscheidung vom 22. Mai 2014, Az.: Vf. 53-IVa-13, Rz. 37). Fragen nach den Umständen des Haftvollzuges von Einzelpersonen betreffen den Bereich der engeren persönlichen Lebenssphäre dieser Person. Denn innerhalb der zum Zwecke eines Haftvollzuges in einer Justizvollzugsanstalt verbrachten Zeiträume finden nicht nur einzelne Lebenssphären , sondern notwendigerweise die gesamte Lebensgestaltung unter den Umständen des Haftvollzuges statt. Gegenständlich ist im Rahmen der Abwägung zusätzlich besonders die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, da Grund für die Inhaftierung der Untersuchungsgefangenen Zschäpe nicht etwa der Vollzug einer Freiheitsstrafe, sondern der Vollzug der Untersuchungshaft ist. Dies gebietet Zurückhaltung in Bezug auf Informationen, die für die Befriedigung des Informationsrechts des Auskunft begehrenden Abgeordneten nicht zwingend erforderlich sind (vgl. hierzu im Zusammenhang mit Presseveröffentlichungen BGH, Urteil vom 19. März 2013, Az.: VI ZR 93/12, Rz. 28). Gleichzeitig betrifft die Schriftliche Anfrage die Abläufe des Untersuchungshaftvollzugs und damit einen wichtigen Bereich der öffentlichen Verwaltung. Hinzu kommt die besondere öffentliche Aufmerksamkeit, die dem gegen die Untersuchungsgefangene Zschäpe geführten Strafverfahren zuteilwird. Insbesondere im Hinblick auf einen ungestörten Ablauf dieses Strafverfahrens handelt es sich bei den Vollzugsbedingungen die Untersuchungsgefangene Zschäpe betreffend um Vorgänge, die grundsätzlich geeignet sind, ein besonderes Interesse zu wecken. Auch das Informationsinteresse des Auskunft begehrenden Abgeordneten ist insoweit von erheblichem Gewicht. Dennoch ergibt die Abwägung der widerstreitenden Interessen gegenständlich, dass das Interesse der Untersuchungsgefangenen Zschäpe an der Geheimhaltung der persönlichen Daten zu einer gemeinsamen Unterbringung das Informationsinteresse des Auskunft begehrenden Abgeordneten überwiegt. Unabhängig davon, ob die Gefangene Zschäpe während der Ruhezeiten allein oder gemeinsam mit anderen Untersuchungsgefangenen in ihrem Haftraum untergebracht war oder ist, betrifft die Unterbringung eines Untersuchungsgefangenen während der Ruhezeiten den Bereich der engeren persönlichen Lebensgestaltung. Gleichzeitig wären angesichts der Limitation der Gründe für eine gemeinsame Unterbringung während der Ruhezeiten bei einer weitergehenden Antwort – gleich ob verneinend, bejahend oder weiter erläuternd – auch Rückschlüsse auf den persönlichen Allgemein- und den Gesundheitszustand einer Einzelperson nicht ausgeschlossen. Dies liegt auf der Hand, soweit eine gemeinschaftliche Unterbringung auf der Grundlage einer Hilfsbedürftigkeit erfolgt, ergibt sich jedoch auch, wenn eine gemeinsame Unterbringung nicht oder aus anderen Gründen erfolgt, da daraus jedenfalls im Umkehrschluss ebenfalls Rückschlüsse zum Allgemein- und Gesundheitszustand des Betroffenen möglich wären. Gerade bei Fragen des Gesundheitszustands einer Person und auch bei Fragen nach deren Allgemeinzustand handelt es sich um höchstpersönliche Vorgänge, die jedenfalls zur Privatsphäre einer Person zählen. Daran vermag auch die öffentliche Aufmerksamkeit nichts zu ändern, die der Untersuchungsgefangenen Zschäpe aufgrund des gegen sie geführten Strafverfahrens zuteilwird. Vielmehr gilt auch für sie die Unschuldsvermutung. Gerade auch die dadurch gebotene besondere Zurückhaltung, führt dazu, dass das Interesse der Gefangenen an der Geheimhaltung ihrer persönlichen Daten das Informationsinteresse des Auskunft begehrenden Abgeordneten gegenständlich überwiegt. 2. Wie viele andere Mitgefangene haben zuvor oder danach in der Zelle von Beate Zschäpe übernachtet? Es wird Bezug genommen auf die Antwort zu Frage 1. 3. Welche Kenntnisse hat die Anstaltsleitung, die Staatsregierung und insbesondere der Bayerische Verfassungsschutz über eine mögliche rechtsextremistische Gesinnung dieser Mitgefangenen? Es wird Bezug genommen auf die Antwort zu Frage 1. Darüber hinaus ist unabhängig von der Unterbringungs- situation der Untersuchungsgefangenen Zschäpe zu bemerken , dass zu den Belangen des Strafverfahrens, die der Anstaltsleiter bei seinen Entscheidungen gemäß Art. 6 BayUVollzG zu beachten hat, insbesondere auch der gegen einen Untersuchungsgefangenen erhobene Tatvorwurf zählt. Vor diesem Hintergrund wäre auch unter Beachtung der Unschuldsvermutung im Hinblick auf die den Gegenstand einer öffentlichen Hauptverhandlung bildenden Tatvorwürfe gegen die Untersuchungsgefangene Zschäpe eine gemeinsame Unterbringung mit Mitgefangenen, bezüglich derer Erkenntnisse zu einem rechtsextremistischen Hintergrund vorliegen, nicht sachgerecht. Unabhängig davon, ob die Gefangene Zschäpe während der Ruhezeiten allein oder gemeinsam mit anderen Untersuchungsgefangenen in ihrem Haftraum untergebracht war, wurde und wird betreffend die Untersuchungsgefangene Zschäpe auch in der Vollzugspraxis dementsprechend verfahren. Erkenntnisse verschiedener Sicherheitsbehörden wie beispielsweise des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz wurden und werden hierbei berücksichtigt, soweit sie der Anstalt bekannt sind. Drucksache 17/3585 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4. Wie bewertet die Staatsregierung im Hinblick auf eine mögliche rechtsextremistische Gesinnung der Mitgefangenen den Umstand, dass diese angeblich schon seit Jahren mit dem rosaroten Panther in Verbindung gebracht werde und sie sich im internet mit den Bildern der Comic-Figur und dem namen „Pinky“ präsentiert? Die Pflicht zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen erstreckt sich grundsätzlich auf alle Informationen, über die die Staatsregierung verfügt oder die sie mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung bringen kann (vgl. mit weiteren Nachweisen BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014, Az.: Vf. 72-IVa-12, Rz. 76). Gegenständlich erbeten wird jedoch die Bewertung von Spekulationen. An Spekulationen beteiligt sich die Staatsregierung nicht. Soweit nach Erkenntnissen der Staatsregierung gefragt wird, wird Bezug genommen auf die Antwort zu Frage 3. 5. Wegen welcher Delikte war die Mitgefangene inhaftiert ? Es wird Bezug genommen auf die Antworten zu Frage 1 und 3. 6. War die Mitgefangene zuvor wegen Delikten, die der politisch motivierten Kriminalität-rechts zuzuordnen sind, polizeilich in erscheinung getreten? Es wird Bezug genommen auf die Antworten zu Frage 1 und 3. 7. Wie stellt die Anstaltsleitung sicher, dass sich die Angeklagte Zschäpe künftig nicht mit Personen in Zellengemeinschaft aufhalten wird, die im Verdacht stehen, dem rechtsextremen Spektrum zugehörig zu sein? Es wird Bezug genommen auf die Antwort zu Frage 3. Darüber hinaus ist zu bemerken, dass unabhängig da- von, ob die Gefangene Zschäpe allein oder gemeinsam mit anderen Untersuchungsgefangenen in ihrem Haftraum untergebracht war, sämtliche Bedienstete der Frauenabteilung der Justizvollzugsanstalt München wiederholt sensibilisiert wurden und werden, auf rechtsextremistische Äußerungen und Anzeichen bei Gefangenen besonders zu achten. Daneben erfolgt eine umfassende Prüfung anhand der vorliegenden Akten.