Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürgen Mistol BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 25.11.2013 EU-Beihilfeverfahren und Verkauf der landeseigenen Wohnungsgesellschaft GBW Im Zuge der Milliardenhilfen für die angeschlagene Bayerische Landesbank wurde im April 2013 die landeseigenen Wohnungsgesellschaft GBW für 2,3 Milliarden an das Immobilienunternehmen Patrizia verkauft. Seitens der Staatsregierung wurde im Vorfeld des Verkaufs immer wieder betont, die Landesbank hätte sich im Rahmen des Beihilfeverfahrens auf Aufforderung der EU von den Immobilien trennen müssen. Ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia erklärt nun, die Kommission habe den Verkauf nie konkret verlangt. Zudem hätte der Freistaat die GBW selbst erwerben können. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welche Vorgaben bzw. Auflagen wurden der Landesbank seitens der EU-Kommission im Zuge des Beihilfeverfahrens gegeben? a) Wie wurden diese Auflagen genau vonseiten der Staatsregierung in der Kommission zur parlamentarischen Begleitung der Krisenbewältigung bei der BayernLB kommuniziert? b) Von welcher Seite wurde der Verkauf der GBW in den Verhandlungen mit der EU-Kommission eingebracht? 2. Welche Geschäftsbereiche der Landesbank gehören nicht zu den Kernaufgaben? a) Hatte der Verkauf der GBW AG für die EU-Kommission Priorität gegenüber den anderen Umstrukturierungsmaßnahmen ? b) Wenn ja, weshalb? c) Wie wurden mögliche Alternativen zum Verkauf der GBW AG jeweils seitens der Staatsregierung und der EU-Kommission bewertet? 3. Welche Vorgaben gab es seitens der EU-Kommission im Zuge des Verkaufs der GBW AG und dem Bieterverfahren ? a) Wer hat sich an dem Bieterverfahren beteiligt? b) Nach welchen Kriterien wurden die Bieter jeweils aus- geschlossen? c) Aus welchen Gründen hat sich letztendlich die Patrizia Immobilien gegen das kommunale Konsortium durchgesetzt ? 4. Welche Kriterien wurden bei der Wertermittlung der GBW AG zugrunde gelegt? a) Wer hat diese Wertermittlung durchgeführt? 5. Weshalb hat sich der Freistaat nicht am Bieterverfahren beteiligt? a) Aus welchen Gründen hat der Vorstand der Landesbank eine Beteiligung des Freistaats am Bieterverfahren abgelehnt? b) Aus welchen Gründen wollte sich die Staatsregierung schließlich indirekt über die Landesstiftung beteiligen? 6. Hat die Staatsregierung im Rahmen des Bieterverfahrens gegenüber der EU-Kommission jemals ihr ernsthaftes Interesse am Erwerb der GBW AG bekundet? a) Wenn ja, wie hat die EU-Kommission dies bewertet? b) Wenn nein, weshalb nicht? 7. Weshalb hat die Staatsregierung einen Verkauf der GBW AG an ein kommunales Konsortium nicht schon in Betracht gezogen, bevor die EU die Vorgaben im Zuge des Beihilfeverfahrens erteilt hat, zumal der Verkauf der GBW als Konsequenz aus dem LandesbankDebakel bereits seit 2009 immer wieder im Raum stand? 8. War der Staatsregierung vor dem Verkauf der GBW AG bekannt, dass hinter der Patrizia Immobilien eigentlich die Pearl Acquico Eins GmbH steht? a) Wie beurteilt die Staatsregierung im Hinblick auf das im Bieterverfahren geforderte Kriterium der Transaktionssicherheit , dass es sich bei der Pearl Acquico Eins GmbH um eine Kommanditgesellschaft handelt, deren Kommanditisten mit einer Einlage von gerade mal rund 10.000 € haften? b) Wie beurteilt die Staatsregierung, dass bei der gesellschaftlichen Konstruktion der Pearl Acquico Eins GmbH alles auf eine Zerschlagung der GBW AG hindeutet ? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 10.01.2014 Vorbemerkung: Über die Veräußerung der Beteiligung der BayernLB an der GBW AG und die Gründe für die Zuschlagserteilung an das Konsortium um Patrizia wurde der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen in seiner Sitzung vom 09.04.2013 schriftlich und mündlich informiert. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 21.02.2014 17/365 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/365 1. Welche Vorgaben bzw. Auflagen wurden der Landesbank seitens der EU-Kommission im Zuge des Beihilfeverfahrens gegeben? a) Wie wurden diese Auflagen genau vonseiten der Staatsregierung in der Kommission zur parlamentarischen Begleitung der Krisenbewältigung bei der BayernLB kommuniziert? b) Von welcher Seite wurde der Verkauf der GBW in den Verhandlungen mit der EU-Kommission eingebracht ? Die EU-Kommission forderte im Rahmen des EU-Beihilfeverfahrens unter anderem eine Konzentration auf das Kerngeschäft und eine massive Verkleinerung der BayernLB. Die BayernLB musste sich verpflichten, ihre Bilanzsumme durch die Schließung von Auslandsstandorten, die Veräußerung von Beteiligungen und die Begrenzung von Geschäftsaktivitäten um etwa 50 Prozent zu reduzieren. In der Kommission zur parlamentarischen Begleitung der Krisenbewältigung bei der BayernLB (LB-Komm) wurde regelmäßig zum EU-Beihilfeverfahren berichtet, insbesondere in der Sitzung vom 12.07.2012. Dabei wurde auch auf die umfangreichen Auflagen bzw. Zusagen an die EU-Kommission im Zuge des EU-Beihilfeverfahrens eingegangen. Es wird auf die Protokolle der Sitzungen der LB-Komm verwiesen . Die EU-Kommission kann Beihilfen grds. nur dann genehmigen , wenn Wettbewerbsverzerrungen durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden. Gerade bei großen Beihilfen fordert die EU-Kommission deshalb eine erhebliche Verkleinerung und einen Rückzug auf das originäre Kerngeschäft. Zum Kerngeschäft zählt regelmäßig nicht das Halten von Wohnungsunternehmen durch Banken (siehe auch Entscheidungspraxis bei LBBW). Ein Umstrukturierungsplan für eine staatsgestützte Bank, der nicht weitgehende Beteiligungsveräußerungen vorsieht, würde von der Kommission nicht genehmigt. Die GBW war aufgrund ihrer Größe und des NichtkernCharakters ihres Geschäfts in den Verhandlungen mit der EU-Kommission bereits früh auf der Liste der zu veräußernden Beteiligungen. Der von Deutschland eingereichte Umstrukturierungsplan sah den Verkauf der GBW vor. Die in diesem Plan enthaltenen Ausgleichsmaßnahmen wurden von der Kommission jedoch als noch nicht ausreichend angesehen , sodass insbesondere über den Verkauf der GBW hinaus weitere Maßnahmen, sogar der Verkauf weiterer Kerngeschäfte (z. B. LBS), angeboten werden mussten. 2. Welche Geschäftsbereiche der Landesbank gehören nicht zu den Kernaufgaben? a) Hatte der Verkauf der GBW AG für die EU-Kommission Priorität gegenüber den anderen Umstrukturierungsmaßnahmen ? b) Wenn ja, weshalb? c) Wie wurden mögliche Alternativen zum Verkauf der GBW AG jeweils seitens der Staatsregierung und der EU-Kommission bewertet? Siehe Antwort zu Frage 1. Das Halten eines Wohnungsunternehmens gehört nicht zum Kerngeschäft einer Bank. Dies belegt auch die Entscheidungspraxis in anderen Beihilfefällen (z. B. LBBW). Im Übrigen muss die BayernLB auch ihre sämtlichen anderen wesentlichen Beteiligungen, auch solche aus dem Bankensektor (SaarLB, Banque LBLux, LBS Bayern etc.), verkaufen . Einzige Ausnahme ist die Beteiligung an der DKB AG, auf die die BayernLB auch nach Ansicht der EU-Kommission u. a. aufgrund ihres Beitrags zur Refinanzierung zur Erhaltung ihrer Lebensfähigkeit nicht verzichten kann. Insofern gab es zur Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen keine Alternative zum Verkauf der GBW AG. 3. Welche Vorgaben gab es seitens der EU-Kommission im Zuge des Verkaufs der GBW AG und dem Bieterverfahren? a) Wer hat sich an dem Bieterverfahren beteiligt? b) Nach welchen Kriterien wurden die Bieter jeweils ausgeschlossen? c) Aus welchen Gründen hat sich letztendlich die Pa- trizia Immobilien gegen das kommunale Konsortium durchgesetzt? In der EU-Beihilfeentscheidung ist eine vollständige und bestmögliche Veräußerung der Beteiligung an der GBW AG bis Ende 2013 festgelegt. Zudem ist dort zur GBW AG festgehalten : „Der Käufer dieser Beteiligung kann verpflichtet werden, die geltenden sozialen Leitlinien der GBW-Gruppe sowie zusätzliche soziale Vorgaben, die in vergleichbaren Transaktionen Anwendung gefunden haben, verbindlich einzuhalten und zu bewahren. Entsprechend Vorgabe der EU-Kommission werden die Anteile an der GBW AG im Rahmen eines an Wettbewerbsgrundsätzen orientierten Bieterverfahrens veräußert.“ Auf dieser Basis hat die BayernLB ab Mitte Oktober 2012 ein Bieterverfahren durchgeführt. Die Durchführung des Bieterverfahrens erfolgte über alle Angebotsstufen auf Grundlage eines objektiven, beihilferechtskonformen Kriterienkatalogs , der von allen Bietern gleichermaßen erfüllt werden musste. Folgende Kriterien waren Grundlage der Entscheidung : – fristgerechte Angebotsabgabe, – Akzeptanz der Sozialcharta, – Transaktionssicherheit, – finanzielle Attraktivität. Nach Auswertung der verbindlichen Angebote wurde das in jeder Beziehung beste Angebot von einem Konsortium unter der Führung des Immobilienunternehmens Patrizia Immobilien AG abgegeben. Ein Zuschlag zugunsten des Konsortiums war deshalb aus beihilferechtlicher Sicht zwingend geboten. Dies hat der von der EU-Kommission bestellte Trustee ausdrücklich bestätigt. In dieser Stellungnahme heißt es: „Aus beihilferechtlicher Sicht war somit letztlich die Höhe des Kaufpreisangebots das ausschlaggebende Entscheidungskriterium, und ein Zuschlag zugunsten der PATRIZIA war zwingend geboten.“…….. „Zusammenfassend bestätigen wir abschließend , dass sowohl an dem durchgeführten Veräußerungsverfahren als auch an der beihilferechtlich konformen Entscheidungsfindung keine Beanstandungen festzustellen sind.“ Die Nennung einzelner Bieter ist aufgrund der mit den Bietern abgeschlossenen Vertraulichkeitsvereinbarungen nicht möglich. 4. Welche Kriterien wurden bei der Wertermittlung der GBW AG zugrunde gelegt? a) Wer hat diese Wertermittlung durchgeführt? Die Veräußerung der Beteiligung der BayernLB an der GBW AG erfolgte entsprechend Vorgabe der EU-Kommission im Drucksache 17/365 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Rahmen eines Bieterverfahrens. In einem derartigen Bieterverfahren führt jeder Bieter die Wertermittlung individuell selbst durch. Die internen Kriterien der Bieter zur Wertermittlung der Gebote sind der Staatsregierung nicht bekannt. 5. Weshalb hat sich der Freistaat nicht am Bieterverfahren beteiligt? a) Aus welchen Gründen hat der Vorstand der Landesbank eine Beteiligung des Freistaats am Bieterverfahren abgelehnt? b) Aus welchen Gründen wollte sich die Staatsregierung schließlich indirekt über die Landesstiftung beteiligen? Bei einem Erwerb durch den Freistaat drohte die Gefahr eines neuen EU-Beihilfeverfahrens. In der EU-Beihilfeentscheidung heißt es dazu: „Die Bundesregierung nimmt zur Kenntnis, dass ein Erwerb durch den Freistaat Bayern im Rahmen eines Bieterverfahrens die Prüfung eines weiteren Beihilfentatbestandes nach sich ziehen könnte.“ Zudem hätte ein Mitbieten des Freistaats der Vorgabe des diskriminierungsfreien Verkaufsverfahrens schaden können, denn andere Bieter wären dann ggf. davon ausgegangen, dass der Haupteigentümer über Insiderinformationen verfügt. Nach Abschluss des Bieterverfahrens wurde von der Staatsregierung eine Beteiligung der Bayerischen Landesstiftung am Erwerbskonsortium in Erwägung gezogen. Damit sollte ein Höchstmaß an Sicherheit für die Mieter erhalten bleiben. Als diese Überlegung bekannt wurde, wurde sie sowohl von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch von Herrn Oberbürgermeister Ude kritisiert und letztlich nicht weiterverfolgt . 6. Hat die Staatsregierung im Rahmen des Bieterverfahrens gegenüber der EU-Kommission jemals ihr ernsthaftes Interesse am Erwerb der GBW AG bekundet ? a) Wenn ja, wie hat die EU-Kommission dies bewertet ? b) Wenn nein, weshalb nicht? Die Thematik des Erwerbs der GBW AG durch den Freistaat Bayern wurde mit der EU-Kommission diskutiert. Die EUKommission hat ausdrücklich auf das beihilferechtliche Risiko hingewiesen. In der Beihilfeentscheidung der EU-Kommission zur BayernLB heißt es: „Die Bundesregierung nimmt zur Kenntnis, dass ein Erwerb durch den Freistaat Bayern im Rahmen eines Bieterverfahrens die Prüfung eines weiteren Beihilfentatbestandes nach sich ziehen könnte.“ Siehe dazu auch die Antwort auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Volkmar Halbleib vom 13.02.2012, Drucksache 16/11975. 7. Weshalb hat die Staatsregierung einen Verkauf der GBW AG an ein kommunales Konsortium nicht schon in Betracht gezogen, bevor die EU die Vorgaben im Zuge des Beihilfeverfahrens erteilt hat, zumal der Verkauf der GBW als Konsequenz aus dem Landesbank-Debakel bereits seit 2009 immer wieder im Raum stand? Wie dem Bayerischen Landtag im Jahr 2012 mündlich und schriftlich mehrfach berichtet wurde, hat sich die Staatsregierung im Rahmen des EU-Beihilfeverfahrens zunächst für den Erwerb durch ein kommunales Konsortium auf Basis exklusiver Gespräche eingesetzt. Die BayernLB als Verkäuferin der GBW AG war zu entsprechenden Verkaufsverhandlungen mit den bayerischen Kommunen bereit. Im Fortgang des Verfahrens forderte die EU-Kommission jedoch ein an Wettbewerbsgrundsätzen orientiertes Bieterverfahren. Ein exklusiver Verkauf, d. h. auf Basis eines Wertgutachtens ohne Durchführung eines (nachgelagerten) Bieterverfahrens , wurde letztendlich nicht akzeptiert. Zudem hatte sich bis dahin – soweit bekannt – aufseiten der Kommunen auch noch kein rechtlich verbindliches Konsortium gebildet. 8. War der Staatsregierung vor dem Verkauf der GBW AG bekannt, dass hinter der Patrizia Immobilien eigentlich die Pearl Acquico Eins GmbH steht? a) Wie beurteilt die Staatsregierung im Hinblick auf das im Bieterverfahren geforderte Kriterium der Transaktionssicherheit, dass es sich bei der Pearl Acquico Eins GmbH um eine Kommanditgesellschaft handelt, deren Kommanditisten mit einer Einlage von gerade mal rund 10.000 € haften? b) Wie beurteilt die Staatsregierung, dass bei der gesellschaftlichen Konstruktion der Pearl Acquico Eins GmbH alles auf eine Zerschlagung der GBW AG hindeutet? Wie öffentlich bekannt und im Landtag berichtet, hat das von Patrizia geführte Erwerbskonsortium die Anteile an der GBW AG erworben. In der Kommanditgesellschaft „Pearl Acquico Eins GmbH & Co. KG“ hat sich das von Patrizia geführte Erwerbskonsortium zusammengeschlossen. Die Transaktionssicherheit war ein wesentliches Kriterium des Bieterverfahrens. Die BayernLB hat mitgeteilt, dass mit dem reibungslosen Abschluss der Transaktion die Transaktionssicherheit voll erfüllt wurde. Die unter Frage 8 b dargestellte Schlussfolgerung ist nicht nachvollziehbar. Zudem hat Patrizia mehrfach öffentlich betont , die geschäftspolitische Ausrichtung der GBW AG beizubehalten . Die Sozialcharta enthält außerdem Vorgaben zum langfristigen Bestandserhalt der Wohnungen. Bei Fragen zur Sozialcharta steht Herr Dr. Günther Beckstein allen Mietern der GBW AG als Ombudsmann und unparteiische Schiedsperson zur Verfügung.