Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22.11.2013 Beobachtung von Journalistinnen und Journalisten durch Verfassungsschutz Im September wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz in Niedersachsen über Jahre sieben Journalistinnen und Journalisten rechtswidrig beobachtet hat, unter ihnen die Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke und Ronny Blaschke, der in diesem Jahr für seine Recherchen über rechtsextreme Umtriebe im Fußball den renommierten Julius -Hirsch-Preis des DFB erhalten hat. Auf Nachfragen hat das Amt, schreibt die Süddeutsche Zeitung am 20.09.13, die Überwachung geleugnet und „schriftlich die Unwahrheit mitgeteilt“. Die Präsidentin des Verfassungsschutzes Maren Brandenburger musste einräumen, dass es wahrscheinlich noch weitere Fälle geben wird. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. Sind in den letzten zehn Jahren vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) Journalist(inn)en beobachtet worden? 1.1 Wenn ja, über jeweils welchen Zeitraum (Auflistung nach Jahren und Fällen, jeweils nach Beobachtungsbeginn und, soweit abgeschlossen, -ende)? 1.2 Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte jeweils die Überwachung? 2. Wenn ja, in welchen dieser Fälle war der Grund für die Überwachung jeweils die nach Ansicht des BayLfV vermutete oder bestehende extreme politische Einstellung der Journalist(inn)en? 2.1 In welchen Fällen wurden die Journalist(inn)en jeweils der extremen rechten und jeweils der extremen linken Szene zugeordnet? 2.2 In welchen Fällen konnte das BayLfV Belege dafür beibringen? 3. Gab es Journalist(inn)en, die nicht wegen ihrer politischen Einstellung observiert wurden, sondern weil ihr Arbeitsschwerpunkt die Beschäftigung mit politisch extremen Gruppierungen war? 3.1 Wenn ja (Auflistung nach Jahren), in welchen Fällen war es jeweils die rechtsextreme und jeweils die linksextreme Szene? 3.2 Gab es bei observierten Journalist(inn)en sonstige Gründe für die Überwachung? 4. Welche Mittel wurden bei der Beobachtung des unter 3. abgefragten Personenkreises jeweils angewandt (Zusammenstellung von Artikeln, öffentlich zugänglichen Dokumenten, Telefonüberwachung etc.)? 4.1 Welche Informationen wurden jeweils gespeichert und archiviert? 4.2 Welche Absichten verfolgte das BayLfV bei der Beobachtung dieses Personenkreises? 5. Sind alle Akten dieser Personen noch vollständig erhalten ? 5.1 Wenn nein, warum wurden sie vernichtet? 6. Hat eine/r dieser observierten Journalist(inn)en jemals beim BayLfV angefragt, ob personenbezogene Daten über sie/ihn gesammelt werden? 6.1 Wenn ja, wurde vom BayLfV wahrheitsgemäß geantwortet ? 6.2 Was passierte in diesen Fällen mit den Akten und gespeicherten Daten? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 10.01.2014 Vorbemerkung: Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) hat nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) die gesetzliche Aufgabe, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten. Es darf zur Erfüllung dieser Aufgabe personenbezogene Daten speichern . Hierfür genügt das Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten für extremistische Bestrebungen (Art. 7 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG). Eine spezielle Rechtsgrundlage für die Beobachtung von Journalisten kennt das BayVSG nicht. Soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Journalisten extremis- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 21.02.2014 17/377 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/377 tische Bestrebungen entfalten oder sich in extremistischen Gruppierungen betätigen, werden sie wie jeder andere vom gesetzlichen Beobachtungsauftrag des BayLfV erfasst. Insbesondere werden auch Personen als Extremisten gespeichert , die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit extremistische Publikationen herstellen und verbreiten. Ausdrückliche Schutzvorschriften zugunsten von Journalisten als Berufsgeheimnisträger sind im BayVSG nur bei besonders eingriffsintensiven Datenerhebungsmaßnahmen normiert (vgl. zum Beispiel Art. 6 a Abs. 3 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Art. 6 b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 BayVSG). Im Übrigen ist bei der Beobachtung von Journalisten die Presse- und Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) zu beachten. Maßnahmen gegen Journalisten sind an Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen. Es ist eine Einzelfallabwägung der insoweit gegenläufigen Interessen unter Beachtung der Grundsätze zu Art. 5 Abs. 2 GG vorzunehmen. Dabei kommt der Presse- und Rundfunkfreiheit wegen ihrer Bedeutung für ein freiheitliches Gemeinwesen hohes Gewicht zu. Diese Abwägung ist Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des Art. 4 Abs. 3 bzw. des Art. 6 Abs. 3 BayVSG. Sachverhalte, bei denen die Gefahr besteht, dass die Beobachtung durch das BayLfV in die geschützte Berufsgeheimnisträgersphäre eingreifen könnte und daher besonders streng auf ihre Zulässigkeit hin überprüft werden müssen, sind in der Praxis allerdings sehr selten. Das BayLfV beobachtet und speichert im Rahmen der operativen Auswertung keine Informationen über Journalisten , die nur aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit in Kontakt mit Extremisten kommen. Journalisten, die sich lediglich beruflich mit extremistischen Phänomenen beschäftigen, ohne in ihrer Person Anhaltspunkte für extremistische Betätigung zu bieten, unterfallen nicht dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag des BayLfV. 1. Sind in den letzten zehn Jahren vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) Journalist(inn)en beobachtet worden? 1.1 Wenn ja, über jeweils welchen Zeitraum (Auflistung nach Jahren und Fällen, jeweils nach Beobachtungsbeginn und, soweit abgeschlossen, -ende)? 1.2 Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte jeweils die Überwachung? 2. Wenn ja, in welchen dieser Fälle war der Grund für die Überwachung jeweils die nach Ansicht des BayLfV vermutete oder bestehende extreme politische Einstellung der Journalist(inn)en? 2.1 In welchen Fällen wurden die Journalist(inn)en jeweils der extremen rechten und jeweils der extremen linken Szene zugeordnet? 2.2 In welchen Fällen konnte das BayLfV Belege dafür beibringen? Die Fragen zu 1. bis 2.2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen für die Beobachtung von Journalisten wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch das BayLfV wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Valide Angaben über Zahl und Phänomenzugehörigkeit der in den letzten zehn Jahren wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch das BayLfV beobachteten Journalisten sowie den Zeitraum ihrer Beobachtung sind grundsätzlich nur eingeschränkt möglich. Zum einen ist nicht auszuschließen, dass in diesem Zeit- raum aufgrund der bestehenden datenschutzrechtlichen Löschungsvorschriften Daten gelöscht werden mussten, sodass weder nachvollziehbar ist, wer Betroffener der Speicherung war, noch aus welchem Grund die Speicherung erfolgte und wann Erstspeicherung und Löschung erfolgte. Zum anderen ist die Berufsbezeichnung „Journalist“ nicht geschützt. Aufgrund der Unschärfe dieser Berufsbezeichnung ist es möglich, dass dem BayLfV die Journalisteneigenschaft einer gespeicherten Person nicht bekannt wird. Umgekehrt ist nicht auszuschließen, dass auch Personen als Journalisten erfasst wurden, die tatsächlich keine Journalisten sind oder den Journalistenberuf nicht (mehr) ausüben. Im Übrigen beruhen die mitgeteilten Zahlen auf elektronischen Recherchen, bei denen auch synonyme Suchbegriffe wie zum Beispiel „Redakteur“ verwendet wurden , um das in Bezug genommene Berufsfeld der Medienschaffenden möglichst vollständig zu erfassen. Aktuell sind im Bereich Rechtsextremismus Daten zu 30 extremistischen Personen gespeichert, zu denen Informationen vorliegen, dass es sich um medienschaffende Personen handelt, im Bereich Linksextremismus zu 47 extremistischen Personen und im Bereich Ausländerextremismus zu 26 extremistischen Personen. Über einzelne Fälle der Speicherung wird aus Gründen des Schutzes der operativen Arbeit des BayLfV und des Schutzes der personenbezogenen Daten der Betroffenen dem geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium berichtet. 3. Gab es Journalist(inn)en, die nicht wegen ihrer politischen Einstellung observiert wurden, sondern weil ihr Arbeitsschwerpunkt die Beschäftigung mit politisch extremen Gruppierungen war? 3.1 Wenn ja (Auflistung nach Jahren), in welchen Fällen war es jeweils die rechtsextreme und jeweils die linksextreme Szene? 3.2 Gab es bei observierten Journalist(inn)en sonstige Gründe für die Überwachung? Auf die Vorbemerkung wird Bezug genommen. Journalisten, die sich lediglich beruflich mit extremistischen Phänomenen beschäftigen, ohne in ihrer Person Anhaltspunkte für extremistische Betätigung zu bieten, werden vom BayLfV nicht beobachtet. 4. Welche Mittel wurden bei der Beobachtung des unter 3. abgefragten Personenkreises jeweils angewandt (Zusammenstellung von Artikeln, öffentlich zugänglichen Dokumenten, Telefonüberwachung etc.)? 4.1 Welche Informationen wurden jeweils gespeichert und archiviert? 4.2 Welche Absichten verfolgte das BayLfV bei der Beobachtung dieses Personenkreises? Die Antwort erübrigt sich aufgrund der Antwort zu Frage 3. 5. Sind alle Akten dieser Personen noch vollständig erhalten? 5.1 Wenn nein, warum wurden sie vernichtet? Die Daten zu den in der Vorbemerkung und in der Antwort auf die Fragen 1 und 2 in Bezug genommenen Personen, die aufgrund von Anhaltspunkten für extremistische Bestrebungen vom Beobachtungsauftrag des BayLfV erfasst werden , sind nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften in der Amtsdatei des BayLfV gespeichert. Drucksache 17/377 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 6. Hat eine/r dieser observierten Journalist(inn)en jemals beim BayLfV angefragt, ob personenbezogene Daten über sie/ihn gesammelt werden? 6.1 Wenn ja, wurde vom BayLfV wahrheitsgemäß geantwortet ? 6.2 Was passierte in diesen Fällen mit den Akten und gespeicherten Daten? Die Fragen 6. bis 6.2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. In jüngster Zeit hat es, ausgelöst durch die Anfragen von Journalisten an den niedersächsischen Verfassungsschutz, Auskunftsersuchen von Journalisten über ggf. zu ihnen beim BayLfV gespeicherte Daten gegeben. Diese wurden bzw. werden auf der Grundlage des Art. 11 BayVSG wahrheitsgemäß beauskunftet. Auskunftsersuchen haben auf Datenspeicherung und Aktenvorhaltung unmittelbar keinen Einfluss. Sollte sich im Zeitpunkt der mit dem Auskunftsverfahren verbundenen Prüfung der Speicherungen im Einzelfall ergeben, dass diese zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des BayLfV – bereits vor Ablauf der vorgesehenen Regelspeicherfristen – nicht mehr erforderlich sind, werden sie nach Abschluss des Auskunftsverfahrens gelöscht.