Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 04.08.2014 Lebenslagen von alleinerziehenden Eltern und ihren Kindern in Bayern V Ich frage die Staatsregierung: 1. In wie vielen Fällen zahlt das Jugendamt allein erziehen- den Müttern und Vätern einen Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz? 2. In wie vielen Fällen hat das Jugendamt seit 2009 die Anerkennung der Vaterschaft gerichtlich betrieben? 3. Wie hat sich die Anzahl der Fälle von Unterhaltszahlungen durch das Jugendamt seit 2009 entwickelt? 4. Wie hoch sind die jährlichen Kosten für vom Jugendamt gezahlte Unterhaltsvorschüsse (bitte nach Jahren seit 2009 aufschlüsseln)? 5. Welche Angebote zur zusätzlichen Unterstützung von alleinerziehenden Müttern und Vätern unmittelbar nach der Geburt eines Kindes oder im Fall der Erkrankung des alleinerziehenden Elternteils gibt es in Bayern? 6. Wie viele Anträge von Alleinerziehenden auf Finanzierung einer Haushaltshilfe nach § 38 SGB V wurden seit 2009 genehmigt? 7. Wie viele Alleinerziehende nehmen Betreuungsangebote für unter 3-Jährige in Anspruch (bitte aufschlüsseln nach Art der Betreuung)? 8. Welche spezifischen Konzepte zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Alleinerziehende werden in den bayerischen Behörden umgesetzt (bitte aufschlüsseln nach Behörden)? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 20.10.2014 Die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Verena Osgyan wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat und dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet : 1. In wie vielen Fällen zahlt das Jugendamt alleinerziehenden Müttern und Vätern einen Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz? Zum 31.12.2013 wurde in Bayern für 43.813 Kinder Unterhaltsvorschuss gezahlt. Daten über die Zahl der alleinerziehenden Mütter und Väter werden dabei nicht erhoben. Da ggf. an eine Person auch für mehrere Kinder Unterhaltsvorschuss geleistet wird, ist die Anzahl der alleinerziehenden Mütter und Väter geringer. 2. In wie vielen Fällen hat das Jugendamt seit 2009 die Anerkennung der Vaterschaft gerichtlich betrieben? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Informationen vor. Daten hierzu sind weder der Justiz- noch der Kinder- und Jugendhilfestatistik zu entnehmen. 3. Wie hat sich die Anzahl der Fälle von Unterhaltszahlungen durch das Jugendamt seit 2009 entwickelt? Die Fallzahlen der Unterhaltsvorschussleistungen haben seit 2009 von mehr als 47.000 auf knapp 44.000 im Jahr 2013 abgenommen: Jahr*) Unterhalts- vorschussleistungen **) Veränderung zum Vorjahr Veränderung zum 31.12.2009 absolut in Prozent absolut in Prozent 2009 47.218 -- -- -- -- 2010 48.141 923 1,95% 923 1,95% 2011 46.248 -1.893 -3,93% -970 -2,05% 2012 44.677 -1.571 -3,40% -2.541 -5,38% 2013 43.813 -864 -1,93% -3.405 -7,21% *) Stichtag ist jeweils der 31.12. des genannten Jahres **) Anzahl der Kinder, für die Unterhaltsvorschuss geleistet wird. 4. Wie hoch sind die jährlichen Kosten für vom Jugendamt gezahlte Unterhaltsvorschüsse (bitte nach Jahren seit 2009 aufschlüsseln)? Während die Jugendämter für die Leistungsgewährung und die Vereinnahmung von (freiwilligen) Zahlungen des Unterhaltsschuldners zuständig sind, übernimmt das Landesamt für Finanzen als allgemeine Vertretungsbehörde für den Freistaat Bayern die Vertretung vor den ordentlichen Gerichten im Regressverfahren nach § 7 UVG (einschließlich des Zwangsvollstreckungsverfahrens). Die Ausgaben für den Unterhaltsvorschuss werden in Bayern vom Bund (1/3) und vom Freistaat (2/3) getragen. Anders als in anderen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 12.12.2014 17/3787 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3787 Bundesländern beteiligt Bayern die Kommunen nicht an den Ausgaben. Jahr Ausgaben in Euro Einnahmen in Euro (Zahlung d. Unterhaltspflichtigen ) Differenzbetrag in Euro 2009 79.069.379,71 26.593.978,82 52.475.400,89 2010 91.177.155,06 26.926.965,23 64.250.189,83 2011 87.384.206,58 28.092.989,07 59.291.217,51 2012 84.530.773,81 28.640.476,44 55.890.297,37 2013 81.178.867,88 28.301.352,17 52.877.515,71 5. Welche Angebote zur zusätzlichen Unterstützung von alleinerziehenden Müttern und Vätern unmittelbar nach der Geburt eines Kindes oder im Fall der Erkrankung des alleinerziehenden Elternteils gibt es in Bayern? Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben Anspruch auf Haushaltshilfe, wenn sie den Haushalt aufgrund von Schwangerschaft oder Entbindung nicht weiterführen können (§ 24 h SGB V). Kann der Haushalt wegen Krankenhausbehandlung, einer ambulanten oder stationären Vorsorge- oder Rehabilitationsleistung oder häuslicher Krankenpflege nicht weitergeführt werden, übernimmt die gesetzliche Krankenkasse grundsätzlich ebenfalls die Kosten für eine Haushaltshilfe, wenn ein Kind im Haushalt lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 38 SGB V). Die Krankenkasse kann bei Krankheit in der Satzung ggf. weitergehende Leistungsansprüche vorsehen. Haushaltshilfe kann generell nur gewährt werden, wenn im Haushalt keine andere Person lebt, die den Haushalt weiterführen kann. Die Kinder- und Jugendhilfe bietet für alle Eltern und junge Menschen Beratung und Unterstützung in allen Erziehungsfragen an. Die 96 kommunalen Jugendämter in Bayern sind Ansprechpartner für Familien und Alleinerziehende entsprechend ihres gesetzlichen Auftrags. Über die Beratungstätigkeit hinaus gibt es eine Vielzahl an konkreten Unterstützungsformen, welche auch Alleinerziehenden unmittelbar nach einer Geburt angeboten werden können. Die konkrete Maßnahme hängt jedoch immer von der individuellen Bedarfslage im Einzelfall ab und kann nicht verallgemeinert dargestellt werden. Deshalb werden nachfolgend beispielhaft einige mögliche Unterstützungsformen angeführt: Im Rahmen der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie gemäß § 16 SGB VIII werden auch Alleinerziehende zu allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen beraten sowie durch Angebote der Familienbildung und der Familienfreizeit und Familienerholung in Ihrer Erziehungskompetenz unterstützt. Beispielhaft für Angebote der Familienbildung wird auf die Elternbriefe und das Internetangebot des ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt hingewiesen. (www.elternimnetz.de). In Bayern sind seit dem Jahr 2009 flächendeckend Koordinierende Kinderschutzstellen (KoKi – Netzwerk frühe Kindheit) im Verantwortungsbereich der örtlichen Jugendämter eingerichtet. Bayernweit sind hier über 200 Fachkräfte mit der Pflege von Netzwerken aller Akteure (insbesondere des Gesundheitsbereichs, der Schwangerschaftsberatungsstellen , der Behindertenhilfe etc.) betraut, welche mit Säuglingen und Kleinkindern befasst sind. Dort können sowohl geeignete Ansprechpartner/-innen innerhalb des Netzwerkes vermittelt werden, welche die Familie adäquat unterstützen , als auch direkte Einzelfallberatung vorgenommen werden. Ziel ist es, Überforderungssituationen der Personensorgeberechtigten und andere Risikofaktoren für die kindliche Entwicklung sowie für das Kindeswohl rechtzeitig zu erkennen und diesen durch zuverlässige und institutionsübergreifende Unterstützungs- und Hilfeangebote rechtzeitig zu begegnen sowie Schutzfaktoren zu stärken. Für Alleinerziehende können auch die Angebote der gemeinsamen Wohnformen für Mütter/Väter mit Kindern gemäß § 19 SGB VIII in Betracht kommen. Sofern Schwangere oder alleinerziehende Mütter oder Väter für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen , können sie zusammen in einer Einrichtung betreut und unterstützt werden, wenn und solange sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Während dieser Zeit wird auch auf eine Schul- oder Berufsausbildung des Elternteils hingewirkt. Eine weitere Unterstützungsform bietet die Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen gemäß § 20 SGB VIII. Diese Leistung stellt eine Unterstützung in der Betreuung und der Versorgung des im Haushalt lebenden Kindes sicher, sofern die Alleinerziehenden aus gesundheitlichen oder anderen zwingenden Gründen ausfallen. Die damit korrespondierende Norm der gesetzlichen Krankenversicherung findet sich in § 38 SGB V. Ergänzend hierzu kann auch eine Beratung der Alleinerziehenden unmittelbar nach der Geburt eines Kindes durch die Schwangeren- und Familienberatungsstellen in Anspruch genommen werden. Sofern ein erzieherischer Hilfebedarf vorliegt, können auch die Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27 ff. SGB III eine geeignete Unterstützung für Alleinerziehende sein: a) Hier sind die in ganz Bayern rund 180 tätigen Erzie- hungsberatungsstellen zu benennen, welche flächendeckend niedrigschwellige Beratung in allen Fragen rund um die Erziehung anbieten. Ein ergänzendes Internetangebot hält die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung vor (www.bke.de). Zum Teil gibt es in den Erziehungsberatungsstellen auch spezialisierte Beratungsangebote, wie zum Beispiel die sog. Schreibabyambulanzen. b) Im Rahmen der Sozialpädagogischen Familienhilfe unterstützen sozialpädagogische Fachkräfte die Familie in der eigenen Wohnung umfassend in der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, bei der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen. Sie werden gegebenenfalls auch durch zusätzliche Maßnahmen in der Haushaltsorganisation unterstützt. c) Ist ein Verbleib des Säuglings in der Alleinerziehendenfamilie (z. B. aufgrund einer akuten Kindeswohlgefährdung) nicht mehr möglich, da der alleinerziehende Elternteil nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, eine Gefährdung abzuwenden, kann durch den Einsatz von Pflegefamilien oder einer Heimunterbringung das Kindeswohl sichergestellt werden. Die beschriebenen Angebote halten die Jugendämter und die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe in ganz Bayern vor. Darüber hinaus gibt es jedoch auch weitere regionale Angebotsstrukturen für Hilfestellungen durch freie Träger , Stiftungen, Bildungsträger wie z. B. Volkshochschulen, Sportvereine (z. B. Babyschwimmen) oder auch Kirchen. Hierüber existiert auf Landesebene jedoch keine zusammenfassende Darstellung. 6. Wie viele Anträge von Alleinerziehenden auf Finanzierung einer Haushaltshilfe nach § 38 SGB V wurden seit 2009 genehmigt? Drucksache 17/3787 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Hierzu liegen der Bayerischen Staatsregierung keine Daten vor; die amtlichen Statistiken sehen eine Erhebung der Anträge auf Haushaltshilfe nicht vor. 7. Wie viele Alleinerziehende nehmen Betreuungsangebote für unter 3-jährige in Anspruch (bitte aufschlüsseln nach Art der Betreuung)? Belastbare Daten hierzu liegen der Staatsregierung nicht vor. 8. Welche spezifischen Konzepte zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Alleinerziehende werden in den bayerischen Behörden umgesetzt (bitte aufschlüsseln nach Behörden)? Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewinnt wegen der sich verändernden gesellschaftlichen Strukturen und Rollen im Hinblick auf die Betreuung und Erziehung von Kindern immer größere Bedeutung. Der Bayerischen Staatsregierung ist es ein wichtiges Anliegen, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst familiengerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen. Beispielsweise gibt es für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Bayern eine Vielzahl von Teilzeit- und Beurlaubungsmöglichkeiten zur bestmöglichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit dem von der Bayerischen Staatsregierung initiierten Familienpakt Bayern wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kontinuierlich weiter verbessert. Darüber hinaus werden Initiativen zur Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, insbesondere strukturelle Maßnahmen, in den Gleichstellungskonzepten der einzelnen Behörden dienststellenspezifisch entwickelt und dargestellt.