Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Christoph Rabenstein, Florian Ritter SPD vom 15.09.2014 Identitäre Bewegung in Bayern Die „Identitäre Bewegung“ in Deutschland entwickelte sich ursprünglich aus der Gruppierung Bloc identitaire, die in Frankreich die Ideen des Ethnopluralismus aufgreift und dort Aktionen durchführt. Dieser Ethnopluralismus strebt eine kulturelle Reinhaltung von Staaten und Gesellschaften nach Ethnien an. Dabei wird die Ethnie nicht direkt nach der Abstammung, sondern nach der Zugehörigkeit einer Kultur spezifiziert. „Fremde“ Gesellschaften werden dementsprechend als Gefährdung der eigenen Identität verstanden. In Deutschland traten erste Gruppierungen der identitären Bewegung ab 2012 auf – vor allem in den sozialen Netzwerken wie Facebook. Mittlerweile zählt der Facebook-Auftritt der Identitären Bewegung Deutschland (Stand: 8. September 2014) 10.479 Sympathisanten. Im Laufe der vergangenen zwei Jahre haben sich regionale Untergruppierungen gegründet , unter anderem auch in Bayern. Hier wurden – wie es auf der Homepage der identitären Bewegung heißt, unter Beachtung von kulturellen Grenzen – bisher zwei Gruppen ins Leben gerufen – die Identitäre Bewegung Franken mit Sitz in Würzburg (mit rund 1.300 Anhängern bei Facebook) und die neu gegründete Gruppierung identitäre Bewegung Bayern (bereits mehr als 400 Anhänger im sozialen Netzwerk Facebook) Eine schwäbische Gruppierung wurde bisher nicht öffentlich gemacht, soll jedoch – was man aus Foreneinträgen schließen kann – in Planung sein. Dieser unterstehen lose weitere Gruppierungen in einzelnen bayerischen Städten (Bsp: Identitäre Bewegung München mit rund 650 Sympathisanten) Diesbezüglich fragen wir die Staatsregierung: 1. Was ist der Staatsregierung über die Gründung und die Aktivitäten der identitären Bewegung in Bayern bekannt ? 2. In welche politische Richtung verortet die Staatsregierung die Gruppierung identitäre Bewegung? 3. Wie bewertet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz die Gruppierungen der identitären Bewegung ? 4. Wie kritisch sieht die Staatsregierung diese Gruppierung an a) im Hinblick auf die ideologischen Grundwerte der identitären Bewegung? b) im Hinblick auf den scheinbar völkisch, nationalen Charakter der Gruppierung? 5. Ist die identitäre Bewegung auf islamkritischen Demonstrationen in Bayern in Erscheinung getreten? 6. Sind Mitglieder der bayerischen Regionalgruppierungen bei Demonstrationen oder Veranstaltungen von rechtsorientierten Organisationen aufgetreten? 7. Sind Personen, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden können oder rechten Gruppierungen (FNS, Der 3. Weg) angehören, bei Aktivitäten der identitären Bewegung auffällig geworden? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 23.10.2014 1. Was ist der Staatsregierung über die Gründung und die Aktivitäten der identitären Bewegung in Bayern bekannt? Die identitäre Bewegung (IB) in Bayern bildete sich wie die restlichen deutschen und österreichischen Gruppen der IB auch nach dem Vorbild der IB in Frankreich. Diese Gruppen treten in Bayern zum weitaus überwiegenden Teil im Internet und dort in Facebook auf. So kann die Bewegung zum jetzigen Zeitpunkt als überwiegend virtuell und auf die sozialen Netzwerke fixiert beschrieben werden. 2. In welche politische Richtung verortet die Staatsregierung die Gruppierung identitäre Bewegung? Die IB in Bayern ordnet sich selbst als rechtskonservativ und patriotisch ein, lehnt jedoch nach eigenem Bekunden rechtsextreme Tendenzen in ihren Äußerungen im Internet vehement ab. Auffallend ist der Versuch der IB auf mehreren FacebookProfilen , sich von Rechtsextremismus und Rassismus abzugrenzen und sich bewusst lediglich als patriotisch zu definieren . In diesem Sinne ist auch die Losung „0 % rassistisch = 100 % identitär“ zu verstehen, auf die sich manche der Seiten berufen. Allerdings ergeben sich durchaus Hinweise, die auf rechtsextreme Ideologiefragmente schließen lassen. So wird auf Facebook-Profilen der IB immer wieder die Vielfalt, vor allem der Kulturen, betont, aber bewusst in einem auch so bezeichneten „ethnopluralistischen“ Zusammenhang . Letztlich zielt diese Ideologie auf eine Separierung der Menschen nach ihrer ethnischen und kulturellen Herkunft ab. Wie der Ethnopluralismus sticht aus den Profilen auch die Ablehnung der aktuellen politischen und ge- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 12.12.2014 17/3798 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3798 sellschaftlichen Entwicklung und Verhältnisse hervor. Dies macht sich z. B. bemerkbar in Kommentaren gegen verschiedene Parteien oder der sehr starken Betonung der eigenen Traditionen, Werte und Kultur, die angeblich durch die Politik der EU verraten werden. 3. Wie bewertet das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz die Gruppierungen der identitären Bewegung? 4. Wie kritisch sieht die Bayerische Staatsregierung diese Gruppierung an a) im Hinblick auf die ideologischen Grundwerte der identitären Bewegung? b) im Hinblick auf den scheinbar völkisch, nationalen Charakter der Gruppierung? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3, 4, 4 a und 4 b gemeinsam beantwortet. Zum jetzigen Zeitpunkt wird die IB in Bayern noch nicht als extremistisch bewertet. Allerdings prüft das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) fortlaufend, ob und inwieweit die gesetzlichen Voraussetzungen zur Beobachtung der IB erfüllt sind, insbesondere ob homogene Strukturen und extremistische Zielsetzungen vorhanden sind. Nach dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz obliegt dem BayLfV u. a. die Beobachtung von Bestrebungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, welche gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG und § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG). Als Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung sind solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem Personenzusammenschluss anzusehen, die darauf gerichtet sind, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Kraft zu setzen. Im Rahmen einer Gesamtschau müssten für die Annahme einer extremistischen Zielsetzung der IB hinreichend gewichtige und zurechenbare tatsächliche Anhaltspunkte vorhanden sein; dies ist derzeit in Bayern noch nicht der Fall. Im Rahmen der Beobachtung des Rechtsextremismus fallen immer wieder vereinzelte Erkenntnisse zur IB in Bayern und der Bundesrepublik an. Dabei handelt es sich vor allem um Äußerungen im Internet, hier meist auf Facebook. Auch ergeben sich aus Facebook-Profilen von einigen Rechtsextremisten einzelne Verbindungen zur IB, die sich im Bereich der „Gefällt mir“-Angaben bewegen. Allerdings stellen derartige Äußerungen auf Facebook keine Mitgliedschaft, Unterstützung oder sonstige aktive Handlung im Sinne der IB dar, sondern sind grundsätzlich als reine Sympathiebekundungen der Nutzer zu sehen. Zuletzt wurden insgesamt sieben Facebook-Profile der IB mit Bezügen nach Bayern überprüft. Dabei ergaben sich keine hinreichend gewichtigen Anhaltspunkte, die einen Beobachtungsauftrag für das BayLfV rechtfertigen würden. Insgesamt scheint es sich bei der IB nach wie vor um ein vor allem internetbasiertes Phänomen zu handeln. Zumindest in Bayern ist die IB bis jetzt nur vereinzelt und an verschiedenen Orten außerhalb der virtuellen Welt in Erscheinung getreten. So berichten einzelne Facebook-Auftritte von angebrachten Aufklebern der IB. Öffentlichkeitswirksam traten IB-Aktivsten Anfang des Jahres in Erscheinung, als sie aus Protest gegen die Haltung der Partei „Die Grünen“ im Streit um das „Trümmerfrauendenkmal“ in München einen Haufen Schutt mit IB-Flyern vor deren Parteizentrale in München abluden. Zudem mobilisiert die IB in Bayern über Facebook zu Regionaltreffen. 5. Ist die identitäre Bewegung auf islamkritischen Demonstrationen in Bayern in Erscheinung getreten? Am 03.05.2014 führte der salafistische Prediger Pierre Vogel im Rahmen seiner Deutschlandtour auch eine Versammlung in Nürnberg durch. Am Veranstaltungstag wurde eine Person festgestellt, die ein Plakat mit Bezug zur IB trug. Zudem belegen auch auf Facebook eingestellte Fotos, dass Anhänger der IB dort offen erkennbar als IB auftraten. Darüber hinaus sind Aktivisten der IB in Bayern noch nicht durch Demonstrationen in Erscheinung getreten. Auf den Facebook-Einträgen finden sich allerdings Fotos einer Demonstration der IB in Wien. 6. Sind Mitglieder der bayerischen Regionalgruppierungen bei Demonstrationen oder Veranstaltungen von rechtsorientierten Organisationen aufgetreten? 7. Sind Personen, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden können oder rechten Gruppierungen (FNS, Der 3. Weg) angehören, bei Aktivitäten der identitären Bewegung auffällig geworden? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 6 und 7 gemeinsam beantwortet. Da der gesetzliche Beobachtungsauftrag insoweit noch nicht eröffnet ist, werden vom BayLfV keine personenbezogenen Daten zur IB dateimäßig erfasst. Bis jetzt wurden dem BayLfV allerdings keine Vorfälle bekannt , bei denen Mitglieder der IB an rechtsextremistischen Veranstaltungen teilgenommen haben. Sollten sich Anhänger der IB in Bayern als solche sichtbar an rechtsextremen Demonstrationen beteiligen, wird dies Einfluss auf die zukünftige Bewertung der IB haben. Darüber hinaus wurde dem BayLfV bekannt, dass im März 2013 Aktivisten des „Fränkischen Heimatschutzes“ Flyer verteilten, die auf die Homepage der IB verwiesen.