Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer FREIE WÄHLER vom 09.09.2014 Rechte intersexueller Menschen Durch die Änderung der Eintragungsmöglichkeiten im Personenstandsregister dahingehend, dass statt „weiblich“ und „männlich“ auch keine Eintragung erfolgen kann, ist ein erster Schritt zur Wahrung der Interessen und der Rechte intersexueller Menschen getan worden. Sehr zu begrüßen sind auch die Äußerungen seitens der katholischen Kirche durch Weihbischof Anton Losinger (Radio Vatican vom 25.02.2012), der sogar die Eintragung eines „dritten Geschlechts “ befürwortet. Ich frage die Staatsregierung: 1. Auf welche Weise werden Eltern in Bayern dahingehend aufgeklärt, dass sie die Geschlechtseintragung in das Personenstandsregister nicht zwingend in der ersten Woche nach der Geburt vornehmen müssen, sondern die Angabe „weiblich“ oder „männlich“ auch offengelassen werden kann? 2. In wie vielen Fällen, aufgeschlüsselt nach Jahren, wurde von der Möglichkeit, die Geschlechtsangabe des Kindes offenzulassen, in Bayern seit inkrafttreten der Änderung des Personenstandsrechts Gebrauch gemacht? 3. Auf welche Weise wird die Qualität der durchgeführten Genitaloperation überprüft und in wie vielen Fällen kam es in den letzten 10 Jahren zur Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen aufgrund derartiger Operationen? 4. Welche Maßnahmen zur Unterstützung und zur Sichtbar- machung intersexueller Menschen ergreift die Staatsregierung , welche Maßnahmen wurden bereits umgesetzt, und seit wann, und welche Maßnahmen stehen in der Planung? 5 Ist eine zentrale Beratungsstelle für intersexuelle Men- schen und andere Betroffene (z. B. Angehörige) geplant? 7. Setzt die Staatsregierung die Forderungen des Deut- schen Ethikrates in Bezug auf intersexuelle Menschen um, und wann ja, mit welchen Maßnahmen? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 28.10.2014 Die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer wird im Einvernehmen mit dem StMI, StMGP und StMJ wie folgt beantwortet: 1. Auf welche Weise werden Eltern in Bayern dahingehend aufgeklärt, dass sie die Geschlechtseintragung in das Personenstandsregister nicht zwingend in der ersten Woche nach der Geburt vornehmen müssen, sondern die Angabe „weiblich“ oder „männlich“ auch offengelassen werden kann? Nach der neuen Rechtslage (vgl. § 22 Abs. 3 PStG) ist ein Verzicht auf die Eintragung des Geschlechts des Kindes nur eröffnet, wenn das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Ist eine solche Zuordnung möglich, besteht nach wie vor die Pflicht zur Eintragung des Geschlechts im Geburtenregister. Soweit im konkreten Ausnahmefall die Feststellung des Geschlechts nicht möglich ist, unterbleibt gemäß § 22 Abs. 3 PStG von Amts wegen zwingend der Geschlechtseintrag. Mit der geänderten Rechtslage wurde den Eltern insbesondere kein „Wahlrecht“ gegeben, inwieweit ein Geschlechtseintrag vorgenommen werden soll. Eine Information der Betroffenen über die Rechtslage durch das Standesamt in den Fällen, in denen das Geschlecht ausnahmsweise nicht feststellbar ist, ist daher nach Ansicht der Staatsregierung ausreichend. 2. In wie vielen Fällen, aufgeschlüsselt nach Jahren, wurde von der Möglichkeit, die Geschlechtsangabe des Kindes offenzulassen, in Bayern seit inkrafttreten der Änderung des Personenstandsrechts Gebrauch gemacht? In Bayern lag im Zeitraum November 2013 bis Juli/August 2014 keine Geburtsanzeige bei einem Standesamt vor, in der ein Geschlecht des Kindes als nicht feststellbar eingetragen wurde (die neue Regelung in § 22 Abs. 3 PStG ist am 01.11.2013 in Kraft getreten). 3. Auf welche Weise wird die Qualität der durchgeführten Genitaloperation überprüft und in wie vielen Fällen kam es in den letzten 10 Jahren zur Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen aufgrund derartiger Operationen? • Für die Ermittlung des medizinischen Erkenntnisstandes und die Qualitätssicherung der Behandlung sind in der ärztlichen Praxis die Leitlinien der einschlägigen Fachgesellschaften von Bedeutung. Der Arzt schuldet dem Patienten eine auf die individuellen Besonderheiten ausgerichtete Diagnose, Aufklärung und Therapie. Aufklä- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 12.12.2014 17/3884 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3884 rungs- und Behandlungsfehler unterliegen der zivil- und strafrechtlichen Ahndung. • Krankenhäuser verfügen grundsätzlich über ein internes Qualitätsmanagementsystem und beteiligen sich an den Maßnahmen zur externen Qualitätssicherung. • Nach § 135 a SGB V müssen alle Leistungserbringer die Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen sichern und weiterentwickeln. Dazu sind sie verpflichtet, sich an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen – insbesondere zur Sicherung der Ergebnisqualität – zu beteiligen (externe Qualitätssicherung) und ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen (interne Qualitätssicherung). Näheres dazu bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), auch Sanktionen wie z. B. Vergütungsabschläge für den Fall der Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen (§ 13, Abs. 1 Satz 2 SGB V). • Die externe Qualitätssicherung entwickelt und erhebt Parameter zur Ergebnisqualität ausgewählter Indikationsbereiche (dzt. 30). Bei Auffälligkeiten werden im sog. strukturierten Dialog mit dem Krankenhaus Schwachstellen ermittelt und beseitigt. • Bisher werden in der externen Qualitätssicherung rund 20 % des stationären Leistungsgeschehens erfasst. Genitaloperationen sind in der Richtlinie des GBA über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Krankenhäusern nicht enthalten, unterliegen aber der internen Qualitätssicherung . • Daten über die Geltendmachung von Schadensersatzund Schmerzensgeldansprüchen liegen weder dem Staatsministerium der Justiz noch dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vor. 4. Welche Maßnahmen zur Unterstützung und zur Sichtbarmachung intersexueller Menschen ergreift die Staatsregierung, welche Maßnahmen wurden bereits umgesetzt, und seit wann, und welche Maßnahmen stehen in der Planung? Die Bayerische Staatsregierung setzt sich dafür ein, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, ihr Leben selbstbestimmt und unabhängig von vorhandenen Rollenbildern und Erwartungen der Gesellschaft entsprechend ihren individuellen Begabungen und Wünschen zu gestalten. Dies gilt selbstverständlich auch für Menschen, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen. Eine verantwortungsvolle Lebensgestaltung setzt voraus, dass sich die Menschen der Prägungen aus Kindheit, Familie und Gesellschaft , der Erwartungen des Umfelds und der einengenden Wirkung von Rollenstereotypen bewusst werden und diese reflektieren. Die Bayerische Staatsregierung setzt sich daher für Information und Aufklärung ein mit dem Ziel, solche Rollenstereotypen aufzulösen. Eine breite gesellschaftliche Diskussion hierüber dürfte auch die Lebensbedingungen von intersexuellen Menschen verbessern. Die überörtlichen Träger der Jugendhilfe in Bayern haben sich der Gruppe der intersexuellen Menschen noch nicht mit einem spezifischen Ansatz genähert. Vielmehr ist von dem allgemeinen Grundsatz der Kinder- und Jugendhilfe auszugehen , wonach jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat (§ 1 Abs. 1 SGB VIII). Diesem Förderanspruch kommen die Träger der Jugendhilfe in Bayern ohne Ansehen sexueller Wertvorstellungen oder der geschlechtlichen Erscheinungsform nach. Intersexuelle junge Menschen werden bei der Verwirklichung dieser Rechte aus § 1 Abs. 1 SGB VIII individuell und nach Maßgabe ihrer sozialen Entwicklung gefördert. 5. Ist eine zentrale Beratungsstelle für intersexuelle Menschen und andere Betroffene (z. B. Angehörige) geplant? Intersexuelle Menschen und andere Betroffene haben einen Anspruch auf Aufklärung und Beratung gegen die Krankenkasse und den behandelnden Arzt. Zudem können sich Betroffene an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Die Einrichtung einer zentralen staatlichen Beratungsstelle in Bayern ist nicht geplant. 6. Setzt die Staatsregierung die Forderungen des Deutschen Ethikrates in Bezug auf intersexuelle Menschen um, und wann ja, mit welchen Maßnahmen? Die mit Zustimmung Bayerns ergangene Neuregelung des § 22 Abs. 3 PStG hat die Anregungen des Deutschen Ethikrats zum Thema Intersexualität (BT-Drs. 1,/9088) insoweit aufgegriffen, als die Geschlechtsangabe im Geburtseintrag nunmehr zwingend offenbleibt, wenn das Geschlecht nicht zweifelsfrei feststeht. Für eine erleichterte Korrektur eines vorgenommenen (unrichtigen) Geburtseintrags bestand kein Bedarf, da ein unrichtiger Geburtseintrag bereits über eine Personenstandsberichtung korrigierbar ist. Ergänzend ist hinsichtlich der Frage, in wie vielen Fällen der Geschlechtseintrag aufgrund von § 22 Abs. 3 PStG unterblieben ist, das Ergebnis einer vor Kurzem durchgeführten Umfrage beigefügt (Anlage 2).