Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Ritter SPD vom 04.12.2013 Aufklärung von Tötungen und Tötungsversuchen mit möglichem rechtsradikalem Hintergrund in Bayern Aktuellen Presseberichten ist zu entnehmen, dass das Bundeskriminalamt (BKA) zusammen mit den Landespolizeibehörden 3.300 Tötungen und Tötungsversuche ohne Verdächtige überprüft, um mögliche rechtsradikale Motive auszuschließen. Bei insgesamt 746 Fällen hätten die Polizeibehörden Hinweise auf rechtsradikale Tatmotive gefunden . Daher frage ich die Staatsregierung: 1. In wie vielen Fällen sind dies Tötungen oder Tötungsversuche , die im Freistaat Bayern begangen wurden? (Auflistung nach Datum, Regierungsbezirk, Ort, Art des Verbrechens, aktueller Erkenntnisstand.) 2. Welche bayerischen Behörden sind in welchem Umfang und auf welche Weise an der Überprüfung durch das BKA beteiligt? 3. Welche Schritte unternehmen die Bayerische Staatsregierung und die bayerischen Sicherheitsbehörden, um die in Bayern begangenen Tötungen und Tötungsversuche sowie deren Hintergründe aufzuklären? 4. Welche Schritte unternehmen die Bayerische Staatsregierung und die bayerischen Sicherheitsbehörden, um die Ursachen möglicher Fehleinschätzungen bei den Ermittlungsbehörden zu analysieren? 5. Welche Schritte unternimmt die Bayerische Staatsregierung um auch andere unaufgeklärte Verbrechen in dieser Weise zu überprüfen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 13.01.2014 Vorbemerkung: Es wird auf die Beantwortung der zum gleichen Betreff gestellten Anfrage zum Plenum der Abgeordneten Katharina Schultze anlässlich der Plenarsitzungen in der 50. KW 2013 verwiesen (vgl. LT-Drs. 17/306 vom 12.12.2013). 1. In wie vielen Fällen sind dies Tötungen oder Tötungsversuche , die im Freistaat Bayern begangen wurden? (Auflistung nach Datum, Regierungsbezirk, Ort, Art des Verbrechens, aktueller Erkenntnisstand.) Im Rahmen der bundesweiten Arbeitsgruppe Fallanalyse (AG Fallanalyse) unter Federführung des Bundeskriminalamtes (BKA) wurden ungeklärte Tötungsdelikte gem. §§ 211 und 212 StGB aus dem Zeitraum zwischen 1990 und 2011 einschließlich der Versuchshandlungen und unter Einbeziehung einer im Internet veröffentlichten Liste des Journalisten Jansen – der darin Tötungsdelikte mit aus seiner Sicht rechtsextremistischem Hintergrund aufführt – in einer ersten Phase überprüft. Durch das BKA wurden relevante Vorgänge der ersten Phase an die Polizeien der Länder zur weiteren Prüfung übermittelt. Nach Bearbeitung durch die zuständigen bayerischen Kriminaldienststellen und anschließender Qualitätssicherung im BLKA wurden zu 45 Fällen weiterführende Informationen an das BKA übermittelt. Hervorzuheben ist, dass die Erstellung dieser Mitteilungen an das BKA noch keine Bewertung eines möglichen rechtsextremistischen Tathintergrundes darstellt. Die zugrunde gelegten Opferkriterien zu diesen Straftaten beschreiben lediglich die Möglichkeit eines rechtsextremistischen Hintergrundes . Eine belastbare Aussage zum tatsächlichen Vorliegen eines rechtsextremistischen Hintergrundes bei den überprüften Fällen kann derzeit noch nicht getroffen werden. Details zu den übermittelten Fällen können derzeit nicht übermittelt werden. Unter den 45 Fällen befinden sich auch Verfahren in denen die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. 2. Welche bayerischen Behörden sind in welchem Umfang und auf welche Weise an der Überprüfung durch das BKA beteiligt? Die durch das BKA übermittelten zu prüfenden Vorgänge wurden über das BLKA an die für den Tatort zuständigen bayerischen Kriminaldienststellen weitergeleitet. Nach der dortigen Prüfung der Vorgänge und einer abschließenden Qualitätssicherung seitens des BLKA wurden die Datensätze an das BKA zurückgeleitet. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wurde von den Ergebnissen der Überprüfung in Kenntnis gesetzt und um Zulieferung der dortigen Erkenntnisse – im Falle des Vorliegens von zusätzlichen Informationen – gebeten. 3. Welche Schritte unternehmen die Bayerische Staats- regierung und die bayerischen Sicherheitsbehörden ,um die in Bayern begangenen Tötungen und Tötungsversuche sowie deren Hintergründe aufzuklären ? Neben der bundesweiten Befassung durch den „Parlamentarischen Untersuchungsausschuss NSU“, die „BundLänder -Kommission Rechtsterrorismus“, bundesweiter Gremien , wie der ständigen Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder (IMK), dem Arbeitskreis Sicherheit Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 21.02.2014 17/389 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/389 (AK II) und Arbeitskreis Verfassungsschutz (AK IV), hat sich auch der „Bayerische Untersuchungsausschuss Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ mit dem Thema beschäftigt. Ergebnis ist eine Reihe an Handlungsempfehlungen, die im Bund und den Ländern bereits umgesetzt wurden bzw. umgesetzt werden. Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat zudem die „Arbeitsgruppe NSU – Bayern“ im Polizeipräsidium München eingesetzt. Ziel dieser AG sind die Analyse, Aufarbeitung und Erarbeitung von Umsetzungsvorschlägen. Unter dem Dach des Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus/-terrorismus (GAR) werden der polizeiliche und nachrichtendienstliche Informationsaustausch sowie die Koordination und Kooperation der deutschen Sicherheitsbehörden, unter Beteiligung des BLKA, optimiert. Im Rahmen des GAR wurden bei der dortigen AG Fallanalyse Kooperationsformen entwickelt, die in herausragenden Fällen ungeklärter Gewaltdelikte mit denkbarem Hintergrund einer rechtsextremistisch politisch motivierten Kriminalität – im Einvernehmen zwischen dem Bundeskriminalamt (BKA) und den jeweils örtlich zuständigen Landeskriminalämtern – eine unmittelbare Informationserhebung gewährleisten. Durch den Austausch der Informationen und die systematische Auswertung sollen mögliche Bezüge zu rechtsterroristischen oder rechtsextremistischen Strukturen erkannt werden. Darüber hinaus haben die allgemeinen Ermittlungen zur Klärung von Tötungsdelikten bei allen zuständigen kriminal- polizeilichen Dienststellen hohe Priorität. Bereits bisher wurden ungeklärte Tötungsdelikte einer regelmäßigen weiteren Prüfung unterworfen. 4. Welche Schritte unternehmen die Bayerische Staats- regierung und die bayerischen Sicherheitsbehörden, um die Ursachen möglicher Fehleinschätzungen bei den Ermittlungsbehörden zu analysieren? Bislang sind im Rahmen der Prüfung des BKA in Zusammenarbeit mit den Landespolizeibehörden hinsichtlich des benannten Themenkomplexes keine Hinweise auf eine Fehleinschätzung durch bayerische Polizeidienststellen bekannt geworden. 5. Welche Schritte unternimmt die Bayerische Staatsregierung , um auch andere unaufgeklärte Verbrechen in dieser Weise zu überprüfen? Die Analyse zur Selektion neuer Ermittlungs- und Bewertungsansätze zu den ungeklärten Tötungsdelikten durch das BKA ist noch nicht abgeschlossen. In der Konzeption der AG Fallanalyse sind nach Abschluss und Bewertung der aktuellen Prüfungsphase sowie der Durchführung einer avisierten Evaluation weitere Schritte zur Überprüfung ungeklärter Straftaten anderer hoch qualitativer Deliktsgruppen geplant.