Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 11.09.2014 Lärmbelastung an technisch nicht gesicherten Bahnübergängen Immer wieder klagen Bürgerinnen und Bürger, die nahe an technisch nicht gesicherten Bahnübergängen wohnen, über extreme Lärmbelastungen durch das Warnsignal der Züge. Entlang der Strecke Murnau-Oberammergau bestehen im Bereich des Ortsgebietes Murnau einige technisch nicht gesicherte Bahnübergänge. Dies führt durch das vorgeschriebene Warnsignal der vorbeifahrenden Züge zu häufigen Lärmbelastungen der Anwohner. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) plant im Auftrag des Freistaats Bayern die Leistungen des bayerischen Regionalverkehrs. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. a) Wie viele technisch nicht gesicherte Bahnübergänge gibt es in Oberbayern an welchen Bahnstrecken? b) Muss an all diesen Übergängen ein Pfeifsignal abgegeben werden (wenn nein, warum nicht)? c) An welchen Bahnübergängen in Oberbayern sind außer im Ortsgebiet Murnau noch Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über starke Lärmbelastungen durch das Warnsignal der Züge bekannt? 2. a) Was unternimmt die Staatsregierung, um die Belas- tungen der Bürgerinnen und Bürger an den anderen Bahnübergängen in Oberbayern zu reduzieren? b) Welche Sicherungen wurden in den letzten fünf Jahren an ehemals technisch nicht gesicherten Übergängen vorgenommen? c) An welchen Übergängen sind in den nächsten zwei Jahren noch welche Sicherungsmaßnahmen geplant? 3. a) Welche Vorgaben gibt es bezüglich Lautstärke und Ton der Warnsignale? b) Welche Bemessungsgrundlagen wurden bei der Fest- setzung herangezogen (z. B. hörbar für Fußgänger, oder Traktorfahrer)? c) Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, um einen Bahnübergang bloß durch Warnsignale sichern zu können? 4. a) Wie wirken sich technisch nicht gesicherte Bahnüber- gänge auf die Reisezeiten bei den einzelnen Bahnstrecken aus? b) Wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung dies in Hinblick auf die Attraktivität des Bahnverkehrs in Oberbayern ? 5. a) Gibt es Pläne zur Sicherung der derzeit ungesicherten Bahnübergänge an der Bahnstrecke Murnau-Oberammergau mit Lichtsignalen? b) Wenn ja, an welchen? c) Wenn nein, warum nicht? 6. a) Wie sieht der Zeitplan für die geplanten Sicherungen an den einzelnen Bahnübergängen an der Bahnstrecke Murnau-Oberammergau aus? b) Sind andere Maßnahmen wie zum Beispiel Schließung einiger Bahnübergänge geplant? c) Wie wird bei diesen Planungen berücksichtigt, dass es durch die Sicherungen nicht zu einer Verlängerung der bereits jetzt schon sehr langen Fahrdauer von Murnau nach Oberammergau kommt? 7. a) Wie viele Unfälle haben sich in den vergangenen fünf Jahren an unbeschrankten Bahnübergängen in Oberbayern ereignet? b) Wie viele Personen kamen dadurch zu Schaden? c) Wo lag das Unfallverschulden? 8. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Unfall- gefahr an unbeschrankten Bahnübergängen in Oberbayern künftig zu reduzieren? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 24.10.2014 1. a) Wie viele technisch nicht gesicherte Bahnübergänge gibt es in Oberbayern an welchen Bahnstrecken ? Über die genaue Anzahl der nicht technisch gesicherten Bahnübergänge in den einzelnen Regierungsbezirken liegen keine Statistiken vor. Auf Anfrage bei der DB Netz AG wurde mitgeteilt, dass sich der vorhandene Datenbestand nicht an Verwaltungsgrenzen orientiert. Die Daten werden bezogen auf einzelne Strecken oder ganze Teilnetze vorgehalten , die sich regelmäßig über Bezirksgrenzen hinweg erstrecken. Gleiches gilt für den Datenbestand bei der Regierung von Oberbayern, der Eisenbahnaufsichtsbehörde des Freistaats Bayern für nichtbundeseigene Eisenbahnen in den Regierungsbezirken Niederbayern, Oberbayern und Schwaben. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.01.2015 17/3895 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3895 b) Muss an all diesen Übergängen ein Pfeifsignal abgegeben werden (wenn nein, warum nicht)? Nein. § 11 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) für Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs und § 11 Eisenbahn -Bau- und Betriebsordnung für Anschlussbahnen (EBOA) des nichtöffentlichen Verkehrs regeln die jeweils zulässige Sicherungsart. Unter bestimmten Voraussetzungen darf an nicht technisch gesicherten Bahnübergängen auf Pfeifsignale verzichtet werden, wenn die Übersicht auf die Bahnstrecke vorhanden ist. Dies ist auch an einer nicht näher bekannten Zahl von Bahnübergängen im Freistaat der Fall. c) An welchen Bahnübergängen in Oberbayern sind außer im Ortsgebiet Murnau noch Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über starke Lärmbelastungen durch das Warnsignal der Züge bekannt ? Derzeit sind der Staatsregierung keine weiteren Beschwerdefälle bekannt. 2. a) Was unternimmt die Staatsregierung, um die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger an den anderen Bahnübergängen in Oberbayern zu reduzieren ? Aufgrund der gesetzlichen Regelungen über die Zulässigkeit der nicht technischen Bahnübergangssicherung beschränken sich Bahnübergänge mit Pfeifsignalen in der Praxis auf Fuß- und Radwege sowie Straßen und Wege mit schwachem oder mäßigem Kraftfahrzeugverkehr. Typischerweise handelt es sich dabei um Privatwege oder um öffentliche Straßen und Wege in kommunaler Baulast. In Fällen, in denen aus Gründen der Sicherheit oder Abwicklung des Verkehrs eine Änderung oder Beseitigung von Bahnübergängen von Gesetz wegen veranlasst ist – wobei im Ergebnis auch die Pfeifsignale entfallen können – gewährt der Freistaat im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel Zuschüsse zur Durchführung solcher Maßnahmen an kommunale Straßenbaulastträger und nichtbundeseigene Eisenbahninfrastrukturunternehmen des öffentlichen Verkehres . Im Übrigen ist die Durchführung von Maßnahmen an Bahnübergängen jedoch Aufgabe der beiden Kreuzungsbeteiligten . b) Welche Sicherungen wurden in den letzten fünf Jahren an ehemals technisch nicht gesicherten Übergängen vorgenommen? Über die von den zahlreichen privaten Eisenbahninfrastrukturunternehmen durchgeführten Maßnahmen liegen keine näheren Erkenntnisse vor. Insbesondere bei der DB Netz AG, welche die meisten öffentlichen Regionalstrecken mit nicht technisch gesicherten Bahnübergängen in Oberbayern betreibt, werden solche Maßnahmen im Regelfall ohne Beteiligung von Behörden des Freistaats durchgeführt. c) An welchen Übergängen sind in den nächsten zwei Jahren noch welche Sicherungsmaßnahmen geplant ? Über Art und Zeitplan der von den zahlreichen Eisenbahninfrastrukturunternehmen geplanten Maßnahmen an nicht technisch gesicherten Bahnübergängen liegen keine detaillierten Informationen vor. 3. a) Welche Vorgaben gibt es bezüglich Lautstärke und Ton der Warnsignale? Die Anforderungen ergeben sich aus der Zusammenschau mehrerer europäischer rechtlicher und technischer Normen für die Zulassung von Eisenbahnfahrzeugen. Danach muss das akustische Warnsignal im Abstand von 5 Metern einen Schalldruckpegel zwischen 115 und 123 Dezibel aufweisen. Außerdem müssen zwei Signaltöne unterschiedlicher Frequenz abgegeben werden können, wobei die Frequenzen nebst zulässiger Bandbreite ebenfalls genormt sind. Die Einhaltung der normativen Vorgaben wird von den zuständigen Stellen im Rahmen der Fahrzeugzulassung geprüft. b) Welche Bemessungsgrundlagen wurden bei der Festsetzung herangezogen (z. B. hörbar für Fußgänger , oder Traktorfahrer)? Die hinter den Anforderungen im Zulassungsregelwerk stehenden Überlegungen sind im Einzelnen nicht bekannt; die Staatsregierung wirkt an der Normsetzung nicht mit. Jedenfalls muss das akustische Warnsignal auch für Fahrer eines geschlossenen Kraftfahrzeuges am Bahnübergang tatsächlich hörbar sein. c) Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, um einen Bahnübergang bloß durch Warnsignale sichern zu können? Die Fälle, in denen eine Sicherung ausschließlich durch hörbare Signale der Eisenbahnfahrzeuge zulässig ist, ergeben sich aus § 11 EBO und § 11 EBOA und hängen von mehreren Randbedingungen (Art der Straße bzw. des Weges, straßenseitige Verkehrsstärke und Fahrgeschwindigkeit der Züge) ab. 4. a) Wie wirken sich technisch nicht gesicherte Bahnübergänge auf die Reisezeiten bei den einzelnen Bahnstrecken aus? Nicht technisch gesicherte Bahnübergänge können Anlass für Langsamfahrstellen auf der Strecke sein und somit die Fahrzeit verlängern, solange die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht bereits aus anderen Gründen erforderlich ist. Die Auswirkungen auf die Reisezeiten auf einzelnen Strecken können jedoch nicht beziffert werden. Hierzu müssten Fahrzeitsimulationen für jede Strecke durchgeführt werden. Voraussetzung hierfür wiederum wäre eine Untersuchung sämtlicher Strecken dahingehend, welche Geschwindigkeit örtlich ohne den jeweiligen nicht technisch gesicherten Bahnübergang tatsächlich gefahren werden könnte. b) Wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung dies im Hinblick auf die Attraktivität des Bahnverkehrs in Oberbayern? Die Staatsregierung begrüßt jede Maßnahme an Bahnübergängen , die zu einer Erhöhung der Sicherheit und Verkürzung von Reisezeiten führt, insbesondere die Beseitigung von nicht technisch gesicherten Bahnübergängen. Allerdings scheitert die Durchführung von Bahnübergangsmaßnahmen in der Praxis häufig am Widerstand einzelner Privatpersonen. Bau und Betrieb technischer Sicherungsanlagen wiederum sind mit hohen Kosten verbunden, denen häufig ein sehr geringer Straßenverkehr am Bahnübergang gegenübersteht. Die technische Sicherung der zahlreichen nicht technisch gesicherten Bahnübergänge im Freistaat ist unrealistisch. Fahrzeitverluste durch nicht technisch gesi- Drucksache 17/3895 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 cherte Bahnübergänge müssen daher auf absehbare Zeit in Kauf genommen werden. 5. a) Gibt es Pläne zur Sicherung der derzeit ungesicherten Bahnübergänge an der Bahnstrecke Murnau -Oberammergau mit Lichtsignalen? Laut Auskunft der DB Netz AG gibt es derzeit keine Pläne für technische Sicherungen auf der Strecke. Es wird darauf hingewiesen, dass es entgegen dem Wortlaut der Fragestellung keine ungesicherten Bahnübergänge gibt. Sofern keine technischen Sicherungsanlagen errichtet wurden, erfolgt die Sicherung durch die Übersicht auf die Bahnstrecke bzw. hörbare Signale. b) Wenn ja, an welchen? Entfällt. c) Wenn nein, warum nicht? Die Auflassung (Beseitigung) möglichst vieler, insbesondere nicht technisch gesicherter Bahnübergänge liegt im natürlichen Interesse jedes Eisenbahninfrastrukturbetreibers. Wie der aktuelle Fall in Murnau zeigt, scheitert dieses Vorhaben in der Praxis jedoch häufig an der fehlenden Einwilligung einzelner Privatpersonen. Eine freiwillige technische Sicherung lehnen zumeist beide Kreuzungsbeteiligten ab, weil die Kosten hierfür regelmäßig außer Verhältnis zur verkehrlichen Bedeutung der kreuzenden Straßen und Wege stehen und die gesetzlichen Vorschriften in bestimmten Fällen ausdrücklich eine nicht technische Sicherung von Bahnübergängen erlauben. 6. a) Wie sieht der Zeitplan für die geplanten Sicherungen an den einzelnen Bahnübergängen an der Bahnstrecke Murnau-Oberammergau aus? Für zwei Bahnübergänge in Murnau wollen DB Netz AG und die Gemeinde als Straßenbaulastträger die Übersicht auf die Bahnstrecke nach Maßgabe des einschlägigen Regelwerks herstellen, womit im Ergebnis auf Pfeifsignale für diese Bahnübergänge verzichtet werden könnte. Dazu müssen aber bestehende Sichthindernisse überwiegend in Form von Vegetation (Aufwuchs) beseitigt werden, teils auch auf Privatgrund. Derzeit werden vom Markt Murnau vorbereitende Maßnahmen und Gespräche mit betroffenen Grundeigentümern durchgeführt. Die bahnseitig notwendigen Maßnahmen könnten kurzfristig vorgenommen werden. b) Sind andere Maßnahmen, wie zum Beispiel Schließung einiger Bahnübergänge geplant? Für die Strecke Murnau – Oberammergau gibt es nach Aussage der DB Netz AG derzeit keine konkreten Gespräche zur Auflassung (Schließung) von Bahnübergängen. c) Wie wird bei diesen Planungen berücksichtigt, dass es durch die Sicherungen nicht zu einer Verlängerung der bereits jetzt schon sehr langen Fahrdauer von Murnau nach Oberammergau kommt? Für das Herstellen der Übersicht an den beiden Bahnüber- gängen in Murnau ist nach aktuellem Stand der Überlegungen auf einem kurzen Streckenabschnitt eine Geschwindigkeitsreduzierung der Züge erforderlich, die rechnerisch zu einer Fahrzeitverlängerung von etwa 30 Sekunden führen würde. Damit bewegt sich der Fahrzeitverlust innerhalb der Schwankungsbreite der Fahrzeit im realen Fahrbetrieb. Aus Sicht der Staatsregierung kann diese Fahrzeitverlängerung im konkreten Fall in Kauf genommen werden. Das Betriebskonzept für die Strecke und die Anschlüsse in Murnau bleiben erhalten. Die vorzugswürdige Beseitigung der beiden Bahnübergänge scheiterte leider, weil private Grundstückseigentümer in Murnau nicht bereit waren, Teile ihrer Flächen für die Herstellung eines kreuzungsfreien Erschließungswegs zu verkaufen. 7. a) Wie viele Unfälle haben sich in den vergangenen fünf Jahren an unbeschrankten Bahnübergängen in Oberbayern ereignet? b) Wie viele Personen kamen dadurch zu Schaden? Die Fragen 7 a und b werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Laut polizeilicher Unfallstatistik entwickelten sich Unfälle mit Zügen in Oberbayern an unbeschrankten Bahnübergängen , einschließlich technisch gesicherter Bahnübergänge ohne Schranken, wie folgt: Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 Zahl der Verkehrsunfälle 7 15 14 16 7 dabei verunglückte Personen 7 4 11 30 24 darunter: verletzte Personen 7 3 9 30 21 getötete Personen 0 1 2 0 3 Die polizeiliche Statistik erfasst dabei auch Personen mit nur leichten Verletzungen. Der Anstieg der Zahl verunglückter Personen in den Jahren 2012 und 2013 ist auf zwei Unfälle zurückzuführen, bei denen auch Fahrgäste im Zug verletzt wurden. Im Jahr 2012 ereignete sich ein solcher Unfall an einem Privatweg-Bahnübergang in Hohenpeißenberg (22 verunglückte Personen) und im Jahr 2013 ein Unfall in Altötting (14 verunglückte Personen). c) Wo lag das Unfallverschulden? Unfallursächlich war in allen Fällen das Nichtbeachten des Vorranges von Schienenfahrzeugen an Bahnübergängen durch den Straßenverkehrsteilnehmer. 8. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Unfallgefahr an unbeschrankten Bahnübergängen in Oberbayern künftig zu reduzieren? Zur Qualitätssicherung der Beschilderung und Markierung an Bahnübergängen sowie zum Zwecke der Freihaltung von Sichtflächen an Bahnübergängen, die mittels Übersicht auf die Bahnstrecke gesichert werden, finden turnusmäßig im gesamten Freistaat sogenannte Bahnübergangsschauen statt, an denen Vertreter der Polizei, der zuständigen Straßenverkehrs - und Straßenbaubehörden sowie der Eisenbahninfrastrukturunternehmen teilnehmen.