Schriftliche Anfrage ders Abgeordneten Verena Osgyan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 04.08.2014 Frauengesundheit in Bayern I Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie schätzt die Staatsregierung die Frauengesundheit in Bayern im Vergleich zu anderen deutschen Ländern und zu anderen europäischen Ländern ein (auch in Bezug auf die Lebenserwartung)? 2. Sind Frauen in gleicher Weise von den sogenannten „Zivilisationskrankheiten “ Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkt etc. betroffen wie die männliche Bevölkerung? 3. Gibt es eine separate wissenschaftliche Wahrnehmung von Frauengesundheit? 4. Gibt es geschlechterspezifische Krankheitsbilder (mit Angabe , welche dies sind, der Verteilung auf die männliche und die weibliche Bevölkerung und der hierfür zur Verfügung stehenden geschlechterdifferenzierten Beratungs- und Behandlungsangebote)? 5. Wie hat sich die Kaiserschnittrate in den vergangenen zehn Jahren entwickelt und welche Gründe sieht sie dafür? 6. Wie hat sich im entsprechenden Zeitraum das Komplikationsrisiko bei Geburten entwickelt und welche Gründe sieht sie dafür? 7. Wie hoch ist in Abhängigkeit vom Qualifikationsniveau das statistische Risiko für Frauen, im Laufe ihres Berufslebens arbeitsunfähig zu werden, im Verhältnis zu männlichen Erwerbstätigen? 8. Wie ist das geschlechterspezifische Suchtrisiko zu bewerten (mit Aufschlüsselung der verschiedenen Abhängigkeitsformen , der Verteilung auf die männliche und die weibliche Bevölkerung und der hierfür zur Verfügung stehenden geschlechterdifferenzierten Beratungs- und Behandlungsangebote )? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 29.10.2014 1. Wie schätzt die Staatsregierung die Frauengesundheit in Bayern im Vergleich zu anderen deutschen Ländern und zu anderen europäischen Ländern ein (auch in Bezug auf die Lebenserwartung)? Die Frauengesundheit ist für die Staatsregierung seit mehr als 10 Jahren ein wichtiges gesundheitspolitisches Thema. Die Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Frauen , insbesondere durch die Stärkung der Primärprävention und die Früherkennung von Krankheiten, steht dabei im Vordergrund. In der Vergangenheit wurden mehrere Veranstaltungen zum Thema Frauengesundheit durchgeführt, etwa die Foren „Brustkrebs – Was Frauen wissen müssen“ sowie „Anti-Aging und Gesundheit“ im Jahr 2005 und „Adipositas , Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen und Männern – Handlungsbedarf für Medizin und Politik“ im Jahr 2007. Ab 2006 wurde die statistische Erfassung des geschlechtsspezifischen Krankheitsgeschehens im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung weitgehend dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) übertragen. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) hat darüber hinaus kürzlich das Faltblatt „Frauen – leben gesund länger“ vorgestellt , das auch im Internet abgerufen werden kann (http:// www.bestellen.bayern.de). Im Folgenden ist die mittlere Lebenserwartung von Frauen und Männern im bundesweiten Vergleich dargestellt. Die Lebenserwartung der bayerischen Frauen ist mit 83,1 Jahren durchschnittlich fast ein halbes Jahr höher als im Bundesdurchschnitt . Mittlere Lebenserwartung 2009/2011 Weiblich Männlich Baden-Württemberg 83,6 79,2 Sachsen 83,2 77,3 Bayern 83,1 78,3 Hessen 82,9 78,4 Hamburg 82,6 77,6 Berlin 82,6 77,6 Brandenburg 82,4 77,0 Rheinland-Pfalz 82,4 77,7 Niedersachsen 82,4 77,4 Thüringen 82,3 76,7 Mecklenburg-Vorpommern 82,3 75,9 Schleswig-Holstein 82,3 77,5 Nordrhein-Westfalen 82,2 77,3 Bremen 82,1 76,5 Sachsen-Anhalt 81,9 75,7 Saarland 81,7 76,7 Deutschland 82,7 77,7 Datenquelle: Statistisches Bundesamt, LfStaD Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.01.2015 17/3962 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3962 Im europäischen Vergleich liegt die Lebenserwartung der Frauen in Bayern den Angaben der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) zufolge über dem Durchschnitt der EU27-Staaten (81,8 Jahre). Da die Lebenserwartung ein objektiver Indikator für die Gesundheit ist, kann die Gesundheit der Frauen in Bayern sowohl im nationalen als auch im internationalen Vergleich als gut bewertet werden. 2. Sind Frauen in gleicher Weise von den sogenannten „Zivilisationskrankheiten“ Bluthochdruck, Schlaganfall , Herzinfarkt etc. betroffen, wie die männliche Bevölkerung ? Die folgenden Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) bzw. des Statistischen Bundesamts zeigen beispielhaft für einige sogenannte Zivilisationskrankheiten, wie häufig Männer und Frauen betroffen sind. Koronare Herzerkrankung Männlich Weiblich Deutschland 9,9% 6,7% Bayern 7,9% 6,4% Datenquelle: RKI, GEDA 2010 Bluthochdruck Männlich Weiblich Deutschland 31,6% 31,0% Bayern 31,4% 28,1% Datenquelle: RKI, GEDA 2010 Diabetes mellitus Männlich Weiblich Deutschland 8,5% 8,8% Bayern 7,8% 8,5% Datenquelle: RKI, GEDA 2010 Rückenschmerzen Männlich Weiblich Deutschland 16,6% 24,5% Bayern 15,1% 20,6% Datenquelle: RKI, GEDA 2010 Ischämischer Schlaganfall bzw. Hirninfarkt (ICD I63), Krankenhausfälle 2012 Männlich Weiblich Deutschland 296/100.000 288/100.000 Bayern 291/100.000 269/100.000 Datenquelle: Statistisches Bundesamt 3. Gibt es eine separate wissenschaftliche Wahrnehmung von Frauengesundheit? In der Wissenschaft und Forschung besteht seit Längerem ein Bewusstsein dafür, dass das Geschlecht eine Bedeutung für die Prävention, Diagnostik, Behandlung sowie Rehabilitation von Krankheiten haben kann. Dementsprechend wird das Gebiet der geschlechtsspezifischen Medizin bzw. Gendermedizin in verschiedener Hinsicht berücksichtigt. Speziell die Frauengesundheitsforschung ist in Deutschland spätestens seit dem Frauengesundheitsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2001 verstärkt an den wissenschaftlichen Hochschulen präsent. Die Frauen- und Gleichstellungsministerinnenkonferenz (GFMK) sowie die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) haben in ihren Beschlüssen wiederholt die Frauengesundheitsforschung unterstützt . Einen Überblick über wichtige Dokumente und Ergebnisse der Frauengesundheitsforschung in Deutschland gibt das Frauengesundheitsportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA): www.frauengesundheits portal.de. Im Folgenden sollen beispielhaft einige Initiativen auf dem Gebiet der geschlechtsspezifischen Gesundheitsforschung genannt werden. Im Jahr 2003 wurde an der Charité in Berlin das interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung in der Medizin (GiM) gegründet, das seit 2007 eigenständiges Institut ist. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert unter anderem ein Projekt des GiM, bei dem medizinische Fachliteratur auf die Geschlechtsspezifik hin überprüft und systematisch analysiert wird. 2007 wurde die Deutsche Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin e. V. (DGesGM) gegründet, die sich der Wissenschaft und Erforschung geschlechtsspezifischer Unterschiede in der klinischen Medizin, der Grundlagenforschung sowie der Prävention und Versorgung widmet und unter anderem die Zusatzbezeichnung „Gendermediziner/ -in“ vergibt. In Bayern bestehen zum Beispiel an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen das Institut für Frauengesundheit sowie am Humanwissenschaftlichen Zentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München eine Arbeitsgruppe Gesundheitsforschung mit dem Schwerpunkt der interdisziplinären Erforschung geschlechtsspezifischer Unterschiede in der Prävention und Rehabilitation häufiger chronischer Krankheiten und Gesundheitsprobleme, insbesondere der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch fachspezifisch wird die geschlechtsspezifische Medizin berücksichtigt, etwa durch die Arbeitsgruppe „Gendermedizin in der Kardiologie“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie sowie der „Chirurgischen Arbeitsgruppe Gendermedizin “ der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie. 4. Gibt es geschlechterspezifische Krankheitsbilder (mit Angabe, welche dies sind, der Verteilung auf die männliche und die weibliche Bevölkerung und der hierfür zur Verfügung stehenden geschlechterdifferenzierten Beratungs- und Behandlungsangebote)? Als geschlechterspezifische Krankheitsbilder können zum einen Krankheiten verstanden werden, die nur bei einem Geschlecht auftreten. Dies wären z. B. schwangerschaftsassoziierte Erkrankungen bei Frauen oder Prostatakrebs bei Männern. Zum anderen können darunter je nach Geschlecht unterschiedliche Ausprägungen von Krankheitsbildern verstanden werden, etwa im Hinblick auf die unterschiedliche Symptomatik von Herzinfarkten bei Männern und Frauen. Eine Übersicht hierzu liegt dem StMGP nicht vor. Allgemeine Informationen zur Frauengesundheit sowie zu Beratungs- und Betreuungsangeboten bietet das Frauengesundheitsportal der BzgA. Hier finden sich zum Beispiel Erläuterungen zu den Themen Brustkrebs, Herz-KreislaufErkrankungen , HIV/AIDS und Osteoporose. Für Informationen zur Männergesundheit wird auf den im Jahr 2012 vom damaligen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit veröffentlichten Bericht „Gesund in Bayern – Männergesundheit “ verwiesen. 5. Wie hat sich die Kaiserschnittrate in den vergangenen zehn Jahren entwickelt und welche Gründe sieht sie dafür? Der Anteil der Entbindungen durch Kaiserschnitt ist in den vergangenen Jahren bundesweit insgesamt angestiegen. Drucksache 17/3962 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Laut Daten der 2012 veröffentlichten Studie „Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung“ lag die Zahl der Entbindungen durch Kaiserschnitt im Jahr 2000 bundesweit bei 160.183 und im Jahr 2010 bei 209.441. In Bayern gab es im Jahr 2012 33.819 Entbindungen durch Kaiserschnitt, das entsprach einem Anteil von 32,4 % an allen Entbindungen. Einen Überblick über die Entwicklung der Entbindungen an bayerischen Krankenhäusern von 1991 bis 2012 zeigt die folgende Übersicht: In Bezug auf die Gründe für die steigende Zahl von Kaiserschnittentbindungen wird auf die Antwort des damaligen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit auf die Schriftliche Anfrage der Frau Abgeordneten Christa Naaß (SPD) vom 19.03.2013 (LT-Drs. 16/16160) verwiesen. 6. Wie hat sich im entsprechenden Zeitraum das Komplikationsrisiko bei Geburten entwickelt und welche Gründe sieht sie dafür? Die Statistik zur Qualitätssicherung in der Geburtshilfe weist in den vergangenen Jahren insgesamt einen steigenden Anteil von Geburtskomplikationen aus. Der Anteil speziell der Dammrisse °III/IV und der Plazentalösungsstörungen geht dagegen etwas zurück. Anteil der Geburtskomplikationen an allen vaginalen Entbindungen, Bayern Geburtskomplikationen Dammriss °III/IV Plazentalösungs - störungen 2013 32,7 % 6,1 % 11,8 % 2012 Keine Daten 2011 31,0 % 6,5 % 12,8 % 2010 29,8 % 6,5 % 13,7 % 2009 28,5 % 7,2 % 15,0 % 2008 27,6 % 7,3 % 14,6 % 2007 27,6 % 8,0 % 15,8 % 2006 26,5 % 8,5 % 15,8 % Datenquelle: BAQ; Bezug: Schwangere An mütterlichen Todesfällen waren im Jahr 2013 zwei Fälle, im Jahr 2012 kein Fall, im Jahr 2011 zwei Fälle, im Jahr 2010 vier Fälle, im Jahr 2009 drei Fälle, im Jahr 2008 kein Fall und 2007 sieben Fälle zu verzeichnen. Darüber hinaus weist die Statistik einen steigenden An- teil von Kindern mit Geburtsrisiken aus: im Jahr 2006 waren 72,7 % der Kinder betroffen, im Jahr 2013 77,2 %. Die häufigsten Ursachen waren dabei 2013 der vorzeitige Blasensprung mit 24,8 %, gefolgt von einer pathologischen Kardiotokographie (CTG) mit 19 %, einer protrahierten Geburt mit 14,7 % und einer Terminüberschreitung mit 10,6 %. Die relativen Anteile der genannten Geburtsrisiken waren 2006 ähnlich. Anteil der Kinder mit Geburtsrisiken an allen Kindern, Bayern 2013 77,2 % 2012 Keine Daten 2011 77,0 % 2010 76,5 % 2009 75,4 % 2008 74,6 % 2007 73,9 % 2006 72,7 % Datenquelle: BAQ; Bezug: Kinder 7. Wie hoch ist in Abhängigkeit vom Qualifikationsniveau das statistische Risiko für Frauen, im Laufe ihres Berufslebens arbeitsunfähig zu werden, im Verhältnis zu männlichen Erwerbstätigen? Daten zum allgemeinen statistischen Risiko für Arbeitsunfähigkeit im Laufe des Berufslebens liegen dem StMGP nicht vor. Dem Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse 2013 kann ein Vergleich der Arbeitsunfähigkeitsfälle und -tage nach Geschlecht und Ausbildungsstand entnommen werden. Dabei zeigt sich, dass es mit steigendem Ausbildungsgrad zu einem weitgehend stetigen Rückgang der gemeldeten Fehlzeiten kommt. Die Fehlzeiten bei Frauen liegen in allen Ausbildungskategorien auf einem höheren Niveau als bei Männern, geschlechtsspezifische Unterschiede sind bei höherem Ausbildungsstand stärker ausgeprägt als bei geringerem Ausbildungsstand. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/3962 8. Wie ist das geschlechterspezifische Suchtrisiko zu bewerten (mit Aufschlüsselung der verschiedenen Abhängigkeitsformen, der Verteilung auf die männliche und die weibliche Bevölkerung und der hierfür zur Verfügung stehenden geschlechterdifferenzierten Beratungs- und Behandlungsangebote)? Es gibt spezifische Unterschiede im Suchtverhalten zwischen Männern und Frauen. Beispielsweise ist aus epide- miologischen und klinischen Studien bekannt, dass rund 70 % der arzneimittelabhängigen Menschen Frauen sind, bei den Menschen mit Alkoholabhängigkeit bilden Männer mit rund 75 % die überwiegende Mehrheit. Neben realen Prävalenzunterschieden können auch Unterschiede im Inanspruchnahmeverhalten die gewonnenen Daten beeinflussen . Empirisch belegt nehmen Frauen tendenziell häufiger professionelle Hilfe in Anspruch als Männer. Sowohl im Bereich der Prävention als auch der Beratung und der Behandlung werden diese Unterschiede berücksichtigt. Das StMGP fördert daher seit vielen Jahren verschiedene zielgruppenspezifische Präventionsprojekte. Weiterführende Informationen finden sich beim Bayerischen Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (www.zpg-bayern.de) oder der Koordinierungsstelle der bayerischen Suchthilfe (www.kbsbayern .de). Die dem StMGP in diesem Bereich bekannten aktuellen Daten und Zahlen zu Erkrankten und den entsprechenden Versorgungsstrukturen wurden in der Interpellation der SPD-Fraktion „Entwicklung der ambulanten, teilstationären und stationären Versorgung psychisch erkrankter, seelisch behinderter und suchtkranker Menschen in Bayern“ (LT-Drs. 17/482) ausführlich dargestellt. Aktuellere Zahlen und Daten liegen dem StMGP derzeit nicht vor.