Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 26.09.2014 Restitution von NS-Raubkunst Vor Kurzem bestätigte die sogenannte Taskforce „Schwabinger Kunstfund“, dass es sich bei Max Liebermanns Gemälde „Zwei Reiter am Strand“ aus der Sammlung Gurlitt um NS-Raubkunst handele. Eine schnelle Rückgabe an die ursprünglichen Besitzer sei allerdings nicht möglich, denn es liege „nun an den Erbberechtigten, über das weitere Vorgehen zu entscheiden“, wie die Leiterin der Taskforce Ingeborg Berggreen-Merkel betonte. Es ist aber weiterhin fraglich, ob das Kunstmuseum Bern, dem Gurlitt seine Sammlung hinterlassen hat, das Erbe überhaupt antreten wird. Sollte das Museum es ausschlagen, wird eine lange Zeit verstreichen, bis die Anspruchsberechtigten Ansprechpartner haben und ihre Bilder restituiert bekommen. Ähnlich schleppend verläuft die Umsetzung des Gesetzentwurfs zur Nazi-Raubkunst, den Bayern im Bundesrat eingebracht hat. Bisher verweigerten sich die Länderjustizminister einer Diskussion über die Initiative. In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung: 1. Trifft es zu, dass Werke aus der Sammlung Gurlitt selbst dann nicht an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden können, wenn die Recherchen der Taskforce zweifelsfrei ergeben haben, dass es sich bei Ihnen um NS-Raubkunst handelt, weil das Nachlassverfahren noch nicht abgeschlossen ist? 1.1 Wie lange könnte sich die Herausgabe von NS-Raubkunstwerken aus der Sammlung Gurlitt längstens verzögern , sollte das Kunstmuseum Bern das Erbe ausschlagen ? 1.2 Wie ist der rechtliche und zeitliche Ablauf des Verfahrens , sollte das Museum das Erbe nicht antreten? 1.3 Sieht die Staatsregierung Möglichkeiten, bei eindeutiger Faktenlage die Kunstwerke unverzüglich an die Anspruchsberechtigten zu restituieren, insbesondere angesichts ihrer Behauptung, dass mögliche Erben durch die Vereinbarungen mit Cornelius Gurlitt gebunden, also zur Herausgabe verpflichtet seien? 2. Welche Argumente wurden im Bundesrat gegen den bayerischen Gesetzentwurf zum Umgang mit NaziRaubkunst vorgebracht bzw. warum haben die Länder ihm bisher ihre Unterstützung verweigert? 2.1 Gab es Kritik des Bundesjustizministeriums am bayerischen Vorschlag? 2.2 Warum will das Bundesjustizministerium einen eigenen Entwurf vorlegen? 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die verbreitete Auffassung , dass es zur Durchsetzung von Restitutionsansprüchen gegenüber staatlichen und kommunalen Museen gar keiner gesetzlichen Regelung bedürfe, weil sich die öffentliche Hand schon bisher auf die Einhaltung der Washingtoner Prinzipien verpflichtet hat? 3.1 Teilt sie die verbreitete Auffassung, dass sich die Restitution von Raubkunst aus Privatbesitz wegen der Komplexität der unterschiedlichen Fälle gesetzlich nicht regeln lasse? 4. Wie beurteilt die Staatsregierung die von Fachleuten vertretene Forderung, dass gemäß den für die öffentlichen Hände verpflichtenden Washingtoner Prinzipien, denen sich auch Conelius Gurlitt unterworfen hat, ungeachtet der von der Staatsregierung bislang angeführten rechtlichen Gründe, Transparenz hergestellt und möglichen Anspruchsberechtigten z. B. Einblick in die Geschäftsbücher von Hildebrand Gurlitt gewährt werden muss? 4.1 Teilt die Staatsregierung die Befürchtung, dass ein Beharren auf der Verweigerung der Offenlegung der Dokumente bis zur Klärung des Nachlassverfahrens im Fall Gurlitt im In- und Ausland zu einem Glaubwürdigkeitsverlust im Bemühen führt, das nationalsozialistische Jahrhundertunrecht möglichst transparent und zügig aufzuarbeiten? 5. Gibt es seitens der Staatsregierung die Überlegung, eine zusätzliche Servicestelle zur Beantwortung von Anfragen von möglichen Anspruchsberechtigten und zur Information über Recherchezwischenstände einzurichten , um die Taskforce in ihrer Arbeit zu entlasten und ihr zu ermöglichen, sich auf ihre primäre Aufgabe zu konzentrieren, die Provenienz fraglicher Kunstwerke der Sammlung Gurlitt zu klären? 5.1 Wenn nein, welche Maßnahmen sind geplant, um die Transparenz zu steigern und der Kritik vieler Eigentümer bzw. ihrer Nachkommen und Anwälte über unzureichende Informationen entgegenzuwirken? 6. Wurden im Zusammenhang mit dem Schwabinger Kunstfund Zuständigkeiten im Justizministerium neu geregelt? 6.1 Wenn ja, gab es dabei personelle Konsequenzen bzw. Umbesetzungen? 6.2 Wenn ja, wie sind jetzt die Verantwortlichkeiten gestaltet ? 6.3 Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die von Fachleuten und Öffentlichkeit kritisierten Fehler bei der Aufarbeitung des Falls zu korrigieren und um weiteren Fehlentwicklungen in Zukunft vorzubeugen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.01.2015 17/4084 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4084 Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 05.11.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst wie folgt beantwortet: 1. Trifft es zu, dass Werke aus der Sammlung Gurlitt selbst dann nicht an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden können, wenn die Recherchen der Taskforce zweifelsfrei ergeben haben, dass es sich bei ihnen um NS-Raubkunst handelt, weil das Nachlassverfahren noch nicht abgeschlossen ist? Dies trifft nicht zu. Zutreffend ist lediglich, dass es sich bei der Sammlung Herrn Gurlitts um Kunstgegenstände handelt, die sich in privatem Eigentum und nach der Aufhebung der Beschlagnahme und der Übernahme des Verwahrungsvertrages durch den Nachlasspfleger auch in privatem Besitz befinden und dass deshalb die öffentliche Hand selbst diese Gegenstände ebenso wenig zurückerstatten kann wie andere Raubkunstgegenstände , die sich in privatem Besitz befinden. Über die Rückgabe von Kunstwerken kann daher allein der Rechtsnachfolger Herrn Gurlitts entscheiden, wobei dieser allerdings an die Vereinbarung mit Herrn Gurlitt vom 3. April 2014 gebunden ist. Solange ein Rechtsnachfolger mangels Annahme der Erbschaft noch nicht feststeht, ist der vom Nachlassgericht bestellte Nachlasspfleger gemäß § 1961 BGB Adressat von Rückgabeansprüchen. Dieser kann offensichtlich begründete Rückgabeansprüche befriedigen , wenn dies geboten ist, um Kosten, die sonst durch unnötige Rechtsstreitigkeiten entstehen würden, zu vermeiden . Im Übrigen können Rückgabeklagen vor Annahme der Erbschaft gem. § 1961 BGB gegen den Nachlasspfleger gerichtet werden. 1.1 Wie lange könnte sich die Herausgabe von NSRaubkunstwerken aus der Sammlung Gurlitt längstens verzögern, sollte das Kunstmuseum Bern das Erbe ausschlagen? Aus den in der Antwort zu Frage 1 genannten Gründen trifft die Prämisse der Frage, dass sich die Herausgabe von NSRaubkunstwerken durch die Nichtannahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft verzögern würde, nicht zu. Daher kann auch die Frage, wie lange eine derartige – aus den genannten Gründen nicht eintretende – Verzögerung durch eine Ausschlagung der Erbschaft durch die Stiftung Kunstmuseum Bern längstens dauern würde, nicht beantwortet werden. 1.2 Wie ist der rechtliche und zeitliche Ablauf des Verfahrens , sollte das Museum das Erbe nicht antreten? Die weitere Gestaltung des Nachlassverfahrens obliegt dem zuständigen Rechtspfleger in sachlicher Unabhängigkeit. Allgemein kann dazu nur gesagt werden, dass die Ausschlagung einer Erbschaft gemäß § 1953 Abs. 1 BGB dazu führt, dass der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt gilt. Gemäß § 1953 Abs. 2 BGB fällt die Erbschaft in diesem Fall demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte. Diesem steht dann seinerseits das Recht zur Ausschlagung zu. Die Ausschlagungsfrist beträgt gemäß § 1944 Abs. 1 BGB grundsätzlich sechs Wochen und gemäß § 1944 Abs. 3 Alt. 2 BGB sechs Monate, wenn sich der Erbe zu Beginn der Frist im Ausland aufhält. 1.3 Sieht die Staatsregierung Möglichkeiten, bei eindeutiger Faktenlage die Kunstwerke unverzüglich an die Anspruchsberechtigten zu restituieren, insbesondere angesichts ihrer Behauptung, dass mögliche Erben durch die Vereinbarung mit Cornelius Gurlitt gebunden, also zur Herausgabe verpflichtet seien? Wie in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, steht der Staatsregierung eine Befugnis, Kunstwerke, die sich in privatem Besitz befinden, selbst zu restituieren, nicht zu. Dies steht indessen in keinem Gegensatz zu der Aussage, dass mögliche Erben durch die Vereinbarung mit Herrn Cornelius Gurlitt gebunden sind. Anspruchsteller können vielmehr ihre Ansprüche auf dem in der Antwort zu Frage 1 dargestellten privatrechtlichen Weg bereits jetzt gegenüber dem Nachlass geltend machen. Der Vereinbarung kommt gerade in diesem Fall besondere Bedeutung zu. Denn die Anspruchsteller können sich in diesem Zusammenhang darauf berufen , dass nach der Vereinbarung Herr Gurlitt und damit gemäß § 1922 Abs. 1 BGB in seiner Rechtsnachfolge auch der oder die Erben Herrn Gurlitts verpflichtet sind, gegenüber Anspruchstellern, die ihr Eigentum an einem bestimmten Kunstwerk zivilrechtlich geltend gemacht haben, eine faire und interessengerechte Lösung nach den Washingtoner Prinzipien insbesondere durch Restitution zu ermöglichen. 2. Welche Argumente wurden im Bundesrat gegen den bayerischen Gesetzentwurf zum Umgang mit NaziRaubkunst vorgebracht bzw. warum haben die Länder ihm bisher ihre Unterstützung verweigert? Die Argumente sind unterschiedlicher Art. Zum einen wurde geltend gemacht, der Gesetzentwurf gehe zu weit und begegne verfassungsrechtlichen Bedenken, indem er faktisch zu einer rückwirkenden Aufhebung der Verjährung führe. Andererseits sei er zu eng, weil er für den Ausschluss der Berufung auf die Verjährung die Bösgläubigkeit des Besitzers voraussetze und damit die Hürde zu hoch setze, weil sich die Bösgläubigkeit nur schwer nachweisen lasse. Der umfassende Ansatz des Gesetzentwurfs, der sich nicht auf NSverfolgungsbedingt entzogene Kunst beschränke, sondern alle abhandengekommenen Sachen umfasse, sei wiederum zu weitgehend und könne insbesondere zu Friktionen mit dem für Enteignungen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geltenden Erstattungsrecht führen. Zudem werfe die Restitution von Raubkunst zahlreiche weitere Problemstellungen auf, die ebenfalls gelöst werden müssten. Die Staatsregierung teilt diese Argumente nicht. Sie sind zum einen widersprüchlich, weil einerseits geltend gemacht wird, der Gesetzentwurf gehe zu weit, andererseits aber ausgeführt wird, er greife zu kurz. Zum anderen entfaltet der Gesetzentwurf aus Sicht der Staatsregierung aus den in der Gesetzesbegründung genannten, hier nicht näher auszuführenden Gründen keine unzulässige Rückwirkung . Umgekehrt muss aus verfassungsrechtlichen Gründen die Voraussetzung für einen Ausschluss der Berufung auf die Verjährung hochschwellig sein und ist daher mit der Bösgläubigkeit zutreffend bestimmt, zumal hierfür grob fahrlässige Unkenntnis ausreicht, die sich durchaus beweisen lässt. Zudem gebietet die Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte aus Sicht der Staatsregierung grundsätzlich die Einbeziehung aller abhandengekom- Drucksache 17/4084 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 menen Sachen in den Gesetzentwurf. Schließlich kann die – unstreitige – Existenz weiterer, allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen kaum lösbarer Probleme der Restitution von Raubkunst keine Begründung dafür sein, das – aus Sicht der Staatsregierung lösbare – Problem der Verjährung nicht anzugehen. Der Gesetzentwurf wurde von den anderen Ländern nicht abgelehnt. Vielmehr wurde seine Behandlung in den Ausschüssen vertagt und ein Antrag auf sofortige Sachentscheidung im Plenum abgelehnt. Begründung für die Vertagung war, dass der Bundesrat die Bundesregierung in einer Entschließung aufgefordert hatte zu prüfen, in welcher Weise die geltende Rechtslage einer Änderung bedarf, damit NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter wieder in die Hände der legitimierten früheren Eigentümerinnen und Eigentümer bzw. deren Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger gelangen. Der Gesetzentwurf des Freistaates Bayern (BR-Drs. 2/14) sollte in diese umfassenderen Überlegungen ausdrücklich einbezogen werden. Das Ergebnis dieser Prüfung sei vor einer Behandlung des Gesetzentwurfs abzuwarten. Auch diese Auffassung teilt die Staatsregierung aus dem bereits angegebenen Grund nicht. Angesichts der drängenden Zeit kann das Vorhandensein weiterer, kaum zu lösender Probleme nicht dazu führen, das Verjährungsproblem nicht bereits jetzt einer Lösung zuzuführen. 2.1 Gab es Kritik des Bundesjustizministeriums am bayerischen Vorschlag? Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat Bedenken im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer echten Rückwirkung geltend gemacht, die aus seiner Sicht möglicherweise eine Beschränkung auf NS-verfolgungsbedingt entzogene Kunstwerke erforderlich machten. Zudem hat es auf die nach seiner Auffassung bestehende Notwendigkeit einer Übergangsregelung hingewiesen. Schließlich hat es auf weitere zivilrechtliche Probleme der Rückgabe von Raubkunst wie etwa eine möglicherweise erforderliche Verlängerung der Ersitzungsfristen und Änderungen bei der Beweislastverteilung sowie die mögliche Schaffung eines eigenständigen Rückgabeanspruchs hingewiesen, die aus seiner Sicht zunächst näherer Prüfung bedürften. Aus Sicht der Staatsregierung ist eine Übergangsregelung nicht erforderlich. Auch die übrigen Argumente des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz teilt die Staatsregierung aus den in der Antwort zu Frage 2 angegebenen Gründen nicht. 2.2 Warum will das Bundesjustizministerium einen eigenen Vorschlag vorlegen? Nach hiesigem Kenntnisstand befasst sich im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eine Arbeitsgruppe mit der Frage, welche Maßnahmen möglich sind, um der Rechtsstellung der Opfer und deren Rechtsnachfolger Rechnung zu tragen. Ob dies zu einem eige- nen Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz führt, ist nach hiesigem Kenntnisstand offen. Hintergrund dieser Prüfung ist, dass aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz die in der Antwort zu Frage 2.1 genannten weiteren Probleme ebenfalls der Prüfung bedürften, bevor über eine Lösung der Verjährungsfrage entschieden werden könne. 3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Auffassung, dass es zur Durchsetzung von Restitutionsansprüchen gegenüber staatlichen und kommunalen Museen gar keiner gesetzlichen Regelung bedürfe, weil sich die öffentliche Hand schon bisher auf die Einhaltung der Washingtoner Prinzipien verpflichtet hat? Diese Auffassung ist aus Sicht der Staatsregierung zutreffend . Mit der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes , insbesondere aus jüdischem Besitz, vom Dezember 1999 haben sich Bund, Länder und die kommunalen Spitzenverbände zu den Grundsätzen der Washingtoner Erklärung bekannt. Die Schaffung gesetzlicher Regelungen zur Durchsetzung von Restitutionsansprüchen gegenüber staatlichen und kommunalen Museen ist daher nicht geboten . Der Entwurf der Staatsregierung für ein Kulturgut-Rückgewähr -Gesetz erfasst aber gerade auch aus diesem Grund Herausgabeansprüche gegen Privatpersonen und würde hier seinen Hauptanwendungsbereich finden. 3.1 Teilt sie die verbreitete Auffassung, dass sich die Restitution von Raubkunst aus Privatbesitz wegen der Komplexität der unterschiedlichen Fälle gesetzlich nicht regeln lasse? Die Staatsregierung teilt diese Auffassung nur insoweit, als sich eine allen Interessen in jedem Einzelfall gerecht werdende und zugleich mit der Verfassung in Einklang stehende Regelung wohl nicht finden lässt. Sie teilt diese Meinung aber nicht, soweit daraus eine Berechtigung abgeleitet wird, auf notwendige gesetzliche Verbesserungen der Rechtsstellung der Opfer in – bedeutsamen – Einzelfragen zu verzichten , weil sich eine vollkommene Regelung ohnehin niemals finden lasse. Gerade der Entwurf der Staatsregierung für ein Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz zeigt, dass sich eine Lösung etwa für das Problem der Verjährung der Opferansprüche durchaus finden lässt und dass dabei auch der Komplexität der denkbaren Fälle beispielsweise durch abstrakte Rechtsbegriffe , die auf Konkretisierung im Einzelfall angelegt sind, wie etwa „Bösgläubigkeit“ und „Abhandenkommen“, Rechnung getragen werden kann. 4. Wie beurteilt die Staatsregierung die von Fachleuten vertretene Forderung, dass gemäß den für die öffentlichen Hände verpflichtenden Washingtoner Prinzipien, denen sich auch Cornelius Gurlitt unterworfen hat, ungeachtet der von der Staatsregierung bislang angeführten rechtlichen Gründe, Transparenz hergestellt und möglichen Anspruchsberechtigten z. B. Einblick in die Geschäftsbücher von Hildebrand Gurlitt gewährt werden muss? Die Geschäftsbücher und die private Korrespondenz von Hildebrand Gurlitt stellen wichtige Quellen für die Provenienzrecherche im sog. „Schwabinger Kunstfund“, aber auch darüber hinaus für die Provenienzrecherche ganz allgemein dar. Die Unterlagen werden bei der Klärung der Ansprüche auf Kunstwerke aus dem sog. „Schwabinger Kunstfund“ auch durch die Expertinnen und Experten der Taskforce herangezogen. In der mit Cornelius Gurlitt geschlossenen Vereinbarung war mit der Regelung zur Weiterführung der Provenienzrecherche auch der weitere Zugriff auf diese Unterlagen zu Recherchezwecken verbunden . Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4084 Einer Veröffentlichung dieser Unterlagen steht derzeit jedoch entgegen, dass es sich dabei nicht um in allgemein zugänglichen Archiven aufbewahrte Unterlagen handelt. Unbestritten standen die Geschäftsbücher und die private Korrespondenz Hildebrand Gurlitts im Eigentum von Cornelius Gurlitt. Nach seinem Tode ging das Eigentum daran auf seine Erbin bzw. seine Erben über. Über die öffentliche Bekanntgabe seines Eigentums entscheidet alleine der Eigentümer . Dies ist Kern des im Grundgesetz verankerten Eigentumsgrundrechts. Insbesondere die Korrespondenz enthält zudem nach Mitteilung der Task-Force viele äußerst private Inhalte. Zumindest bei dieser ist deshalb der Schutz der persönlichen Daten der Familie Gurlitt – die aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ebenfalls verfassungsmäßigen Schutz genießen – ganz besonders ausgeprägt . Die Taskforce würde daher die verfassungsmäßigen Rechte der Familie Gurlitt bzw. der Rechtsnachfolger von Cornelius Gurlitt verletzen, wenn sie selbst diese Unterlagen veröffentlichen würde. Eine Erlaubnis, diese Unterlagen zu veröffentlichen, wurde vom Nachlasspfleger als derzeitigem Vertreter der Erben nach Cornelius Gurlitt nicht erteilt. Diese Frage wird aber aus Sicht der Staatsregierung erneut zu stellen sein, wenn endgültig feststeht, wer Cornelius Gurlitt beerbt. 4.1 Teilt die Staatsregierung die Befürchtung, dass ein Beharren auf der Verweigerung der Offenlegung der Dokumente bis zur Klärung des Nachlassverfahrens im Fall Gurlitt im In- und Ausland zu einem Glaubwürdigkeitsverlust im Bemühen führt, das nationalsozialistische Jahrhundertunrecht möglichst transparent aufzuarbeiten? Diese Befürchtung wird nicht geteilt. Aus den in der Antwort zu der vorangegangenen Frage mitgeteilten Gründen liegt die Entscheidung über eine Veröffentlichung der Dokumente nicht in der Hand der Staatsregierung. Im Rahmen der oben geschilderten rechtlichen Möglichkeiten wird durch die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschäftsbücher und der privaten Korrespondenz Hildebrand Gurlitts ein hohes Maß an Transparenz auch für spätere Forschungen gewährleistet , ohne dabei die Rechte des verstorbenen Cornelius Gurlitt bzw. seiner Rechtsnachfolger zu verletzen. Wie ebenfalls bereits in der Antwort auf die vorangegangene Frage ausgeführt , wird die Frage nach einer darüber hinausgehenden Veröffentlichung indessen neu zu stellen sein, wenn endgültig feststeht, wer Cornelius Gurlitt beerbt. 5. Gibt es seitens der Staatsregierung die Überlegung, eine zusätzliche Servicestelle zur Beantwortung von Anfragen von möglichen Anspruchsberechtigten und zur Information über Recherchezwischenstände einzurichten, um die Taskforce in ihrer Arbeit zu entlasten und ihr zu ermöglichen, sich auf ihre primäre Aufgabe zu konzentrieren, die Provenienz fraglicher Kunstwerke der Sammlung Gurlitt zu klären? 5.1 Wenn nein, welche Maßnahmen sind geplant, um die Transparenz zu steigern und der Kritik vieler Eigentümer bzw. ihrer Nachkommen und Anwälte über unzureichende Informationen entgegenzuwirken? Die Einrichtung einer zusätzlichen Servicestelle ist seitens der Staatsregierung nicht beabsichtigt. Zu den Aufgaben der Taskforce gehört es, neben der Provenienzforschung auch als Ansprechpartner für mögliche Anspruchsberechtigte zur Verfügung zu stehen. Eine Trennung dieser beiden Aufgaben ist nicht sachgerecht. Die Taskforce ist hierfür auch personell ausgestattet. Die Information von Anspruchstellern ist abhängig vom jeweiligen Stand der Provenienzforschung . Der Staatsregierung ist nicht bekannt, dass diese Information unzureichend wäre. Im Übrigen ist beabsichtigt, die Taskforce an die von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden geplante Stiftung „Deutsches Zentrum Kulturgutverluste“ anzubinden. 6. Wurden im Zusammenhang mit dem Schwabinger Kunstfund Zuständigkeiten im Justizministerium neu geregelt? 6.1 Wenn ja, gab es dabei personelle Konsequenzen bzw. Umbesetzungen? 6.2 Wenn ja, wie sind jetzt die Verantwortlichkeiten gestaltet ? 6.3 Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die von Fachleuten und Öffentlichkeit kritisierten Fehler bei der Aufarbeitung des Falls zu korrigieren und um weiteren Fehlentwicklungen in Zukunft vorzubeugen ? In Zusammenhang mit dem Schwabinger Kunstfund wurden im Staatsministerium der Justiz keine Maßnahmen zur Neuregelung der Zuständigkeiten getroffen. Auf die Antworten zu den Fragen 4.1 und 4.2 der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Dürr vom 12. Dezember 2013 Drs. 17/545 wird Bezug genommen. In Bezug auf die Aufarbeitung des Falles ist aus heutiger Sicht bedauerlich, dass die beteiligten Stellen des Bundes und des Freistaates Bayern nicht früher und nachhaltiger darauf hingewirkt haben, dass mehrere Experten mit der Provenienzrecherche befasst werden, um in kürzerer Zeit zu validen Ergebnissen zu gelangen. Dies hat der Staatsminister bereits in seinem Bericht im Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen des Bayerischen Landtags am 28. November 2013 deutlich gemacht. Um künftig eine frühzeitige Information der politisch verantwortlichen Spitze sicherzustellen, hat der Staatsminister die ihm gegenüber geltenden Berichtspflichten dahingehend präzisiert, dass politisch bedeutsame Verfahren nicht nur seinem Büro, sondern ihm persönlich zugeleitet werden. Ferner lässt er sich in einem Jour fixe monatlich über aktuelle Entwicklungen in bedeutsamen strafrechtlichen Verfahren unterrichten. Da- rüber hinaus wurde eine Arbeitsgruppe zur Fortentwicklung des Berichtswesens eingesetzt. Diese aus Vertretern des Ministeriums und der staatsanwaltlichen Praxis bestehende Arbeitsgruppe hat sich mit einer verbesserten Strukturierung von Berichtsinhalten befasst. Das Ergebnis wurde zwischenzeitlich umgesetzt. Berichten im Sinne der Bekanntmachung über die Berichtspflichten in Strafsachen (BeStra) vom 7. Dezember 2005 (JMBl 2006, S. 2) wird nunmehr insbesondere ein Übersichtsblatt beigegeben, das eine Schnellinformation über Sachverhalt, Verfahrensstand und Bewertung durch die Generalstaatsanwaltschaft vorsieht.