Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm, Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.11.2013 Ausländische Geheimdienste: Befragungen von Asylbewerberinnen und -bewerbern in Deutschland Laut Bericht eines Ex-Pentagon-Mitarbeiters werden Asylbewerber/-innen in Deutschland gezielt im Sinne ausländischer Geheimdienste befragt, Daten aus Befragungen von Asylbewerber/-innen an US-Geheimdienste weitergeleitet oder von diesen selbst erhoben, Informationen u. a. in das „Zielerfassungssystem“ der US-Dienste eingespeist und für US-Drohneneinsätze und die Tötung von dort aus unterschiedlichen Gründen als verdächtig eingestuften Personen verwandt. Für das Grenzdurchgangslager Friedland wurden solche Gespräche nach Angaben ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter aus den USA und Großbritannien wie durch die „Hauptstelle für Befragungswesen“, einer dem BND unterstellten Behörde, bestätigt. Amerikanische oder britische Agenten hätten teilweise selbst an Befragungen teilgenommen. Flüchtlinge berichten von entsprechenden Befragungen nach bestimmten Personen und Handydaten. Eine Sprecherin der Bundesregierung bestätigte mittlerweile NDR und SZ, dass knapp 40 Mitarbeiter der 1958 gegründeten „Hauptstelle für Befragungswesen“ Asylbewerber und Aussiedler befragten, die aus Krisenregionen kämen und aus Staaten, „denen besondere Bedeutung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zukommen“. Wir fragen daher die Staatsregierung: 1. Waren der Staatsregierung diese Befragungen von Asylbewerbern durch Geheimdienste und Datenweitergaben an ausländische Geheimdienste im Grenzdurchgangslager in Friedland oder in anderen Lagern bekannt? a) Über welche Informationen verfügt die Staatsregierung zu den Aktivitäten der dem Bundeskanzleramt unterstellten und dem BND zugeordneten „Hauptstelle für Befragungswesen“ in Bayern? b) Gibt es Außenstellen der „Hauptstelle für das Befragungswesen “ in Bayern, und wenn ja, an welchen Standorten in welcher Personalstärke? 2. Wie beurteilt die Staatsregierung die Rechtmäßigkeit solcher Datenweitergaben, insbesondere wenn diese Daten mit zur Bombardierung von bestimmten Zielen führen können? a) Teilt die Staatsregierung die Einschätzung, dass dergleichen Praxis gegen deutsches und europäisches Asylrecht sowie gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt? b) Wurde die Kooperationsbereitschaft der Asylbewerber mit einer schnelleren Anerkennung im Asylverfahren belohnt? 3. Was unternahm und unternimmt die Staatsregierung, um gegen die rechtswidrige Ausspähung von Flüchtlingen vorzugehen? a) Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Kooperation der für das Asylverfahren zuständigen Behörden, insbesondere des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge , mit der „Hauptstelle für das Befragungswesen“ bzw. dem BND? b) In welcher Weise wurden die Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtungen oder weiterer Flüchtlingsunterkünfte in Bayern in die Befragungen der Asylbewerber durch die „Hauptstelle für das Befragungswesen“ bzw. den BND eingebunden? 4. Kann nach Meinung der Staatsregierung von einer freiwilligen Datenweitergabe der Asylbewerber/-innen ausgegangen werden, wenn die entsprechenden deutschen oder amerikanischen Geheimdienstmitarbeiter den Asylbewerber/-innen als „Praktikanten“ vorgestellt werden, und den Asylbewerber/-innen der Zweck der Befragung nicht offengelegt wird? a) Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass die Weitergabe von vertraulich gewonnenen Daten aus den Asylverfahren an Geheimdienste unzulässig ist? 5. Ist durch eine solche Datensammlung und Weitergabe an das amerikanische Zielerfassungssystem nach Auffassung der Staatsregierung zu befürchten, dass in den betreffenden Unrechtsstaaten oder im Herrschaftsbereich bestimmter Milizen Flüchtlinge oder ihre Angehörigen in Lebensgefahr geraten? a) Gibt es einen besonderen Abschiebeschutz für Personen , welche der „Hauptstelle für das Befragungswesen “ bzw. dem BND Auskunft erteilt haben? b) Unter welchen Umständen wird eine Kooperation mit der „Hauptstelle für Befragungswesen“ bzw. dem BND als Nachfluchtgrund anerkannt? 6. Kann die Staatsregierung ausschließen, dass auch in Bayern bei der Erstaufnahme oder im Laufe des Asylverfahrens Flüchtlinge gezielt a) durch ausländische Geheimdienste befragt werden, b) durch deutsche Geheimdienste befragt werden, c) Daten aus Befragungen an ausländische Geheim- dienste weitergegeben werden? 7. Kann die Staatsregierung ausschließen, dass auch in Bayern ausländische Geheimdienste in den Erstaufnahmeeinrichtungen oder den Gemeinschaftsunterkünften oder während der Befragung durch Behörden ausgespäht werden, oder Daten aus dem Verfahren an Geheimdienste weitergeleitet werden? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 21.02.2014 17/409 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/409 8. Waren bayerische Behörden bei der Ausspähung von Asylbewerbern beteiligt, und wenn ja, welche Behörde mit welchen Zielen? a) Was unternimmt die Staatsregierung, um das Ausspähen von Asylbewerbern zukünftig zu unterbinden? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 13.01.2014 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage thematisiert die Befragung von Asylbewerbern durch die „Hauptstelle für Befragungswesen “. Die Tätigkeit dieser Stelle hat die Bundesregierung zu verantworten. Sie hat dem Bundestag hierzu mehrmals berichtet. Es wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drucksache 17/11597 vom 21.11.2012) und die Antworten des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ole Schröder in der Fragestunde der 3. Sitzung des Deutschen Bundestages am Donnerstag, dem 28. November 2013 (Plenarprotokoll 18/3), verwiesen. Demnach handelt es sich bei der Hauptstelle für Befragungswesen um eine dem Bundesnachrichtendienst zugeordnete Dienststelle, die seit 1958 existiert und Befragungen zur Wahrung der Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland durchführt. Rechtsgrundlage dafür ist u. a. das Bundesnachrichtendienstgesetz. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV), die bayerischen Ausländerbehörden und die Regierungen als Betreiber der staatlichen Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber waren und sind in die Tätigkeiten der Hauptstelle für Befragungswesen nicht eingebunden. 1. Waren der Staatsregierung diese Befragungen von Asylbewerbern durch Geheimdienste und Datenweitergaben an ausländische Geheimdienste im Grenzdurchgangslager in Friedland oder in anderen Lagern bekannt? a) Über welche Informationen verfügt die Staatsregierung zu den Aktivitäten der dem Bundeskanzleramt unterstellten und dem BND zugeordneten „Hauptstelle für Befragungswesen“ in Bayern? b) Gibt es Außenstellen der „Hauptstelle für das Befragungswesen “ in Bayern, und wenn ja, an welchen Standorten in welcher Personalstärke? Die Fragen 1, 1 a und b werden gemeinsam beantwortet. Der Staatsregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 2. Wie beurteilt die Staatsregierung die Rechtmäßigkeit solcher Datenweitergaben, insbesondere wenn diese Daten mit zur Bombardierung von bestimmten Zielen führen können? a) Teilt die Staatsregierung die Einschätzung, dass dergleichen Praxis gegen deutsches und europäisches Asylrecht sowie gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt? b) Wurde die Kooperationsbereitschaft der Asylbewerber mit einer schnelleren Anerkennung im Asylverfahren belohnt? Die Fragen 2, 2 a und b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Die Staatsregierung hat die Rechtmäßigkeit der Erhebung und Weitergabe von Daten durch Bundesbehörden nicht zu beurteilen. Gleiches gilt für etwaige Auswirkungen auf das Asylverfahren, das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durchgeführt wird. 3. Was unternahm und unternimmt die Staatsregierung , um gegen die rechtswidrige Ausspähung von Flüchtlingen vorzugehen? Der Staatsregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Befragungen der Hauptstelle für Befragungswesen nicht im Rahmen der geltenden Gesetze erfolgt sind. a) Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Kooperation der für das Asylverfahren zuständigen Behörden , insbesondere des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, mit der „Hauptstelle für das Befragungswesen“ bzw. dem BND? Auf die Vorbemerkung und die Antwort auf die Fragen 2, 2 a und b wird verwiesen. b) In welcher Weise wurden die Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtungen oder weiterer Flüchtlingsunterkünfte in Bayern in die Befragungen der Asylbewerber durch die „Hauptstelle für das Befragungswesen “ bzw. den BND eingebunden? Den Regierungen als Betreiber der staatlichen Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 4. Kann nach Meinung der Staatsregierung von einer freiwilligen Datenweitergabe der Asylbewerber/ -innen ausgegangen werden, wenn die entsprechenden deutschen oder amerikanischen Geheimdienstmitarbeiter den Asylbewerber/-innen als „Praktikanten“ vorgestellt werden, und den Asylbewerber/-innen der Zweck der Befragung nicht offengelegt wird? Auf die Vorbemerkung und die Antwort auf die Fragen 2, 2 a und b wird verwiesen. a) Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass die Weitergabe von vertraulich gewonnenen Daten aus den Asylverfahren an Geheimdienste unzulässig ist? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 2, 2 a und b verwiesen . Drucksache 17/409 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 5. Ist durch eine solche Datensammlung und Weitergabe an das amerikanische Zielerfassungssystem nach Auffassung der Staatsregierung zu befürchten , dass in den betreffenden Unrechtsstaaten oder im Herrschaftsbereich bestimmter Milizen Flüchtlinge oder ihre Angehörigen in Lebensgefahr geraten? Auf die Vorbemerkung und die Antwort auf die Fragen 2, 2 a und b wird verwiesen. a) Gibt es einen besonderen Abschiebeschutz für Personen, welche der „Hauptstelle für das Befragungswesen “ bzw. dem BND Auskunft erteilt haben ? b) Unter welchen Umständen wird eine Kooperation mit der „Hauptstelle für Befragungswesen“ bzw. dem BND als Nachfluchtgrund anerkannt? Die Fragen 5 a und b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Beurteilung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse obliegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen des Asylverfahrens. 6. Kann die Staatsregierung ausschließen, dass auch in Bayern bei der Erstaufnahme oder im Laufe des Asylverfahrens Flüchtlinge gezielt a) durch ausländische Geheimdienste befragt werden ? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. b) durch deutsche Geheimdienste befragt werden? Sofern der im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) festgelegte Aufgabenbereich des BayLfV berührt ist, werden auch Asylbewerber im Rahmen der geltenden Gesetze durch das BayLfV befragt. Auf Grundlage des Bundesverfassungsschutzgesetzes werden im Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz Befragungen durchgeführt , wenn der dortige Aufgabenbereich betroffen ist. c) Daten aus Befragungen an ausländische Geheimdienste weitergegeben werden? Das BayLfV darf insbesondere nach Maßgabe von Art. 14 Abs. 3 BayVSG personenbezogene Daten an öffentliche Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes sowie an über- oder zwischenstaatliche öffentliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Über die konkrete Weitergabe ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden; dabei ist auch der Empfänger der Daten zu berücksichtigen. Eine Datenübermittlung an ausländische Dienste unterbleibt , wenn die Gefahr eines nicht rechtsstaatlichen Handelns seitens des Empfängerlandes besteht bzw. zu befürchten ist, dass hierdurch eine Gefährdung, insbesondere von Individualgütern, eintritt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 7. Kann die Staatsregierung ausschließen, dass auch in Bayern ausländische Geheimdienste in den Erstaufnahmeeinrichtungen oder den Gemeinschaftsunterkünften oder während der Befragung durch Behörden ausgespäht werden, oder Daten aus dem Verfahren an Geheimdienste weitergeleitet werden? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 b verwiesen. 8. Waren bayerische Behörden bei der Ausspähung von Asylbewerbern beteiligt und wenn ja welche Behörde mit welchen Zielen? Hierzu liegen der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeiten des BND bzw. der Hauptstelle für Befragungswesen keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 6 b und c sowie die Vorbemerkungen verwiesen. a) Was unternimmt die Staatsregierung, um das Ausspähen von Asylbewerbern zukünftig zu unterbinden ? Der Staatsregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass insbesondere die von der Hauptstelle für Befragungswesen durchgeführten Befragungen nicht im Rahmen der geltenden Gesetze erfolgt sind. Vor diesem Hintergrund wird keine weitere Veranlassung gesehen.