Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Rosi Steinberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 01.10.2014 Mikroplastik Kleinste Plastikpartikel, sog. Mikroplastik-Partikel (z. B. Polyethylene [PE] oder Polypropylene [PP]), die oftmals auch Weichmacher enthalten, sind Bestandteil vieler Produkte – vor allem kosmetischer und Hygieneprodukte sowie Reinigungsmittel –, welche nach ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung z. B. über Abwassersysteme in unsere Gewässer , die Umwelt und auch in die Nahrungskette geleitet werden, aber evtl. auch direkt in den menschlichen Körper gelangen können. Das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) hat mittlerweile einige Maßnahmen in Sachen Mikroplastik angekündigt. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Ist der Staatsregierung bekannt, welchen Produktgruppen und Produkten, insbesondere im Lebensmittel-, Kosmetik-, Hygiene- und Reinigungsbereich, Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikel beigefügt werden? b) Wenn ja, welche Produktgruppen und Produkte sind dies? 2. Welche Gefahren gehen für Menschen, Fauna und Flora unmittelbar und mittelbar von Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikeln aus? 3. a) Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse darüber vor, ob Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikel direkt aus bestimmten nicht zum Verzehr gedachten Produkten in den menschlichen Körper gelangen können (z. B. Zahnpasta)? b) Welche Möglichkeiten des Austrags von Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikeln in die Umwelt sind der Staatsregierung bekannt? c) Wie groß sind nach Kenntnis der Staatsregierung die Mengen von Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikeln, die über die bayerischen Abwässer in die bayerischen Gewässer gelangen? 4. a) In welchen Gewässern Bayerns wurden Untersuchungen (des Wassers selbst oder von Wasservögeln und Fischen) zum Vorkommen von Mikroplastik bzw. Mikroplastik -Partikeln angestellt bzw. sind vorgesehen? b) Zu welchen Ergebnissen kamen die bisherigen Untersuchungen ? c) Welche Rückwirkungen ergeben sich daraus für Mensch, Tier- und Pflanzenwelt? 5. a) Welche anderen nationalen und internationalen Untersuchungen sind der Staatsregierung zu den Problemen durch Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikel – insbesondere zu deren Vorkommen in Binnengewässern – bekannt? b) Welche Erkenntnisse zieht die Staatsregierung aus diesen Untersuchungen für die hiesigen Gewässer und deren Schutz? c) Inwieweit und in welcher Größenordnung ist beim Unterlassen von Maßnahmen mit einer Zunahme von Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikeln in der Umwelt, insbesondere in bayerischen Gewässern zu rechnen? 6. a) Welche Technologien zur umfassenden Eliminierung von Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikeln aus dem Abwasser gibt es derzeit nach Kenntnis der Staatsregierung ? b) Welche dieser Technologien werden in Bayern bereits eingesetzt bzw. sollen in Zukunft eingesetzt werden? c) Was hat die Staatsregierung darüber hinaus zum Schutz der Gewässer, der Umwelt und der menschlichen Gesundheit vor Mikroplastik bzw. MikroplastikPartikeln bisher unternommen bzw. was wird in Zukunft unternommen? 7. a) Welche Präventionsmöglichkeiten sieht die Staats- regierung darüber hinaus als erforderlich und geeig- net an, um Schäden durch Mikroplastik bzw. Mikroplastik -Partikel für die menschliche Gesundheit, Umwelt und Gewässer zu vermeiden (z. B. Vorgaben an die Industrie, Verhaltensempfehlungen für Verbraucher )? b) Welche dieser Präventionsmaßnahmen werden bereits konkret umgesetzt bzw. sollen in Zukunft umgesetzt werden? 8. a) Wie und mit welchem bisherigen Erfolg wirbt Bayern bei der Industrie für einen freiwilligen Verzicht von Mik- roplastikteilchen in den Produkten? b) Wie sensibilisiert die Staatsregierung die Öffentlichkeit für das Thema? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.01.2015 17/4094 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4094 Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 04.11.2014 1. a) Ist der Staatsregierung bekannt, welche Produktgruppen und Produkte, insbesondere im Lebensmittel -, Kosmetik-, Hygiene- und Reinigungsbereich , Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikel zugefügt werden? b) Wenn ja, welche Produktgruppen und Produkte sind dies? Gemäß einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 03.01.2014 werden nach Auskunft der Industrie Mikrokunststoff-Partikel wegen ihrer vergleichsweise schonenden abrasiven Wirkung in speziell ausgelobten Produkten, wie z. B. Hautpeeling-Produkten, Duschgelen, Zahnpasten und auch im Bereich der gewerblichen Hautreinigung (z. B. als Handwaschpaste in Autowerkstätten) eingesetzt. Die nachfolgende Internetadresse enthält die Namen von Produkten und Stellungnamen der herstellenden Industrie zur Thematik der sog. „microbeads“. Die Liste wurde von der Staatsregierung weder auf Richtigkeit noch auf Vollständigkeit überprüft. http://www.beatthemicrobead.org/de/ 2. Welche Gefahren gehen für Menschen, Fauna und Flora unmittelbar von Mikroplastik bzw. Mikroplastik -Partikeln aus? Zur Frage einer möglichen Gesundheitsgefährdung durch Mikrokunststoff-Partikel in Kosmetikprodukten Das BfR hat sich mit der Frage befasst, ob von einer dermalen oder unbeabsichtigten oralen Aufnahme von Polyethylen (PE)-Mikrokunststoffpartikeln aus kosmetischen Mitteln ein gesundheitliches Risiko ausgeht. Das BfR kommt zu dem Ergebnis, dass nach derzeitigem Kenntnisstand die Nutzung kosmetischer Mittel, die PE-Mikrokunststoffpartikel enthalten, für den Verbraucher kein gesundheitliches Risiko darstellt. Unabhängig davon und um die Umweltverträglichkeit ihrer Produkte zu verbessern haben einige Hersteller – darunter auch Marktführer – angekündigt, die entsprechenden Produkte umzuformulieren und die Mikroplastik-Partikel durch Alternativen zu ersetzen. Zur Frage einer möglichen Gesundheitsgefährdung durch Mikroplastik-Partikel in Lebensmitteln Im Juni 2014 wurde eine Meldung des NDR veröffentlicht, wonach Bier und Mineralwässer durch Mikroplastikteilchen verunreinigt seien. Die dieser Meldung zugrunde liegenden Veröffentlichungen zum Nachweis von Mikroplastik in Trinkwasser , Honig und Bier werden in der Fachwelt sehr kritisch gesehen, da die dort verwendeten Methoden als unzuverlässig bewertet werden. Im September 2014 wurde deshalb durch das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) ein Forschungsvorhaben mit dem Titel „Nachweis von Mikroplastik in ausgewählten Lebensmitteln“ in Auftrag gegeben , das am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) durchgeführt wird. Im Rahmen des Projektes sollen Untersuchungsmethoden für die Bestimmung von Mikroplastik in Lebensmitteln wie Mineralwasser , Trinkwasser, Erfrischungsgetränke, alkoholische Getränke sowie Honig und Lebensmittel aus aquatischen Systemen (Fische und Muscheln) entwickelt werden. Diese Methoden sollen einen Rückschluss auf Art, Menge und Größe der Kunststoffpartikel ermöglichen. So gewonnene Informationen sind für eine Bewertung der Belastungssituation für den Verbraucher unerlässlich. Im Rahmen einer Ende Oktober 2014 veröffentlichten Pilotstudie, die der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft , Küsten- und Naturschutz in Auftrag gegeben haben, wurde auch das Trinkwassersystem von fünf Wasserwerken untersucht. Im Grundwasser wurden keine Mikroplastik -Partikel nachgewiesen; die im Trinkwasser nachgewiesene Anzahl war mit höchstens sieben Teilchen pro Kubikmeter äußerst gering und ist vermutlich auf Abrieb einer Dichtung oder Leitung zurückzuführen. Die im Rahmen der Studie eingesetzten Nachweismethoden werden als zuverlässig eingeschätzt. Zur Frage einer möglichen Gefährdung von Gewässerorganismen durch Mikroplastik Bisherige Untersuchungen zu möglichen Auswirkungen von Mikroplastik auf die aquatische Tierwelt konzentrieren sich in erster Linie auf marine Ökosysteme. Demnach ist es möglich, dass Mikroplastik von vielen Tierarten anstelle von Futter aufgenommen wird und sich im Verdauungstrakt akkumulieren kann. Als Konsequenz wurde neben einem Verhungern der Tiere eine Anreicherung in der Nahrungskette beobachtet. Für Miesmuscheln wurde eine Aufnahme von Mikroplastik über Kiemen und Magen und dadurch bedingte Organveränderungen beschrieben. Zudem können einige der als Additive bei der Kunststoffherstellung eingesetzten Stoffe direkte toxische oder hormonähnliche Wirkungen entfalten . Ein weiteres Gefährdungspotenzial geht möglicherweise von persistenten organischen Verbindungen, sogenannten „Persistent Organic Pollutants“ aus. Sie können an der Oberfläche von Mikroplastik-Partikeln akkumulieren und so von Organismen aufgenommen werden . In einzelnen Studien wird auch eine Rolle von Mikroplastik bei der Übertragung von Krankheitserregern diskutiert . Für Binnengewässer liegen aktuell noch keine Daten hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf aquatische Organismen vor. Um unter anderem dieser Fragestellung nachzugehen , wurde vom StMUV Anfang 2014 ein umfangreiches Forschungsvorhaben mit dem Titel „Eintragspfade, Vorkommen und Verteilung von Mikroplastikpartikeln in bayerischen Gewässern sowie mögliche Auswirkungen auf aquatische Organismen“ initiiert. Im Rahmen dieses Projektes , das vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) in Kooperation mit der Universität Bayreuth durchgeführt wird, werden mögliche Auswirkungen von Mikroplastikpartikeln auf Fische und andere Gewässerorganismen untersucht. Weitere Informationen zum Forschungsvorhaben finden sich unter: http://www.lfu.bayern.de/analytik_stoffe/mikro plastik/index.htm Untersuchungen über die Auswirkungen bei Pflanzen liegen nach unserer Kenntnis bisher nicht vor und werden im Rahmen des o. a. Forschungsvorhabens auch nicht behandelt . 3. a) Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse darüber vor, ob Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikel direkt aus bestimmten nicht zum Verzehr geeigneten gedachten Produkten in den menschlichen Körper gelangen können (z. B. Zahnpasta)? Drucksache 17/4094 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Die Stellungnahme des BfR vom 03.01.2014 enthält hierzu folgende Informationen: „Mikrokunststoffpartikel aus Zahnpasta können versehentlich verschluckt und somit oral aufgenommen werden. Aufgrund ihrer molekularen Größe ist nicht davon auszugehen , dass die Partikel über den Magen-Darm-Trakt resorbiert werden, sie sollten vielmehr über die Fäzes ausgeschieden werden. Dass sich während der Passage durch den Gastrointestinaltrakt toxikologisch relevante Mengen an Ethylen aus den Mikrokunststoffpartikeln lösen, ist unwahrscheinlich . Mikrokunststoffpartikel, die in Peelings oder Duschgelen verwendet werden, sind größer als 1 µm (0,001 mm). Bei dieser Partikelgröße ist bei vorhersehbarem Gebrauch der Produkte eine Aufnahme über die gesunde und intakte Haut nicht zu erwarten.“ Das BfR kommt daher zu dem Ergebnis, dass die Nutzung kosmetischer Mittel, die PE-Mikrokunststoffpartikel enthalten, für den Verbraucher kein gesundheitliches Risiko darstellt. b) Welche Möglichkeiten des Austrags von Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikeln in die Umwelt sind der Staatsregierung bekannt? Unsachgemäß entsorgter Plastikmüll wird entweder direkt oder über Windverdriftung in Flüsse und Seen eingetragen und kann dort zu Mikroplastik-Partikeln zerfallen („sekundäres Mikroplastik“). Ein weiterer Eintragspfad sind Abwässer , die industriell hergestelltes Mikroplastik („primäres Mikroplastik“), z. B. aus Kosmetikprodukten enthalten, welches bei der Abwasserreinigung nicht vollständig entfernt wird. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Mikrofasern synthetischer Kleidung beim Waschvorgang über den Abwasserpfad in die Oberflächengewässer gelangen können. Untersuchungen zur Ermittlung der für Binnengewässer relevanten Eintragspfade werden vom LfU in Zusammenarbeit mit der Universität Bayreuth in dem o. a. Forschungsvorhaben durchgeführt. Erste Ergebnisse sollen 2015 vorliegen. c) Wie groß sind nach Kenntnis der Staatsregierung die Mengen von Mikroplastik bzw. MikroplastikPartikeln , die über die bayerischen Abwässer in die bayerischen Gewässer gelangen? S. Antworten zu 3 b und 4 b 4. a) In welchen Gewässern Bayerns wurden Untersuchungen (des Wassers selbst oder von Wasservögeln und Fischen) zum Vorkommen von Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikeln angestellt bzw. sind vorgesehen? Im Rahmen des LfU-Forschungsvorhabens (s. Frage 2) werden an größeren bayerischen Seen und Fließgewässern Probenahmen zum Nachweis von Mikroplastik-Partikeln durchgeführt. Da es Kunststoffsorten gibt, die auf der Wasseroberfläche schwimmen, und andere, die auf den Grund absinken, wird die Probenahmestrategie entsprechend angepasst. Zudem erfolgen Probenahmen im Ablauf verschiedener Kläranlagen und deren Vorfluter. Ergänzend ist vorgesehen, im gereinigten Abwasser von Kläranlagen sowie oberhalb bzw. unterhalb von Kläranlageneinleitungen , jeweils über mehrere Wochen exponierte Regenbogenforellen und Dreikantmuscheln (Dreissena polymorpha ) hinsichtlich möglicher Mikroplastik-Rückstände zu untersuchen. b) Zu welchen Ergebnissen kamen die bisherigen Untersuchungen ? Bis vor Kurzem fand das Thema Mikroplastik in Binnengewässern kaum Beachtung. Das StMUV hat deshalb das o.a. Forschungsvorhaben initiiert. Es sieht ein mehrstufiges Vorgehen vor. In einem ersten Schritt müssen die bisher zur Verfügung stehenden Methoden zur Identifizierung, Zählung und Größenbestimmung von Mikroplastik in Umweltproben weiter optimiert werden, um größere Probenzahlen analysieren zu können. Gleichzeitig wurden bereits erste orientierende Probenahmen an ausgewählten Gewässern (s. Frage 4 a) durchgeführt. Mit ersten belastbaren Ergebnissen ist 2015 zu rechnen. Untersuchungen zu möglichen Auswirkungen von Mikroplastik auf Fische und andere Gewässerorganismen erfolgen ebenfalls im Jahr 2015. c) Welche Rückwirkungen ergeben sich daraus für Mensch, Tier- und Pflanzenwelt? Zur Frage der Rückwirkungen auf Menschen siehe Frage 2. Die Rückwirkungen auf die Pflanzenwelt sind u. E. nicht untersucht, Rückwirkungen sind auch nicht zu erwarten. Die aktuelle Datenlage lässt noch keine Rückschlüsse hinsichtlich möglicher Auswirkungen von Mikroplastik-Partikeln zu. Hierzu sind zunächst die Ergebnisse der beiden Forschungsvorhaben abzuwarten. Für eine Risikobewertung ist dann zunächst die mögliche Mikroplastikbelastung den Ergebnissen der Wirkungsuntersuchungen gegenüberzustellen . Untersuchungen zu möglichen Auswirkungen von Mikroplastik auf Pflanzen und den Menschen sind in dem aktuellen Forschungsvorhaben nicht vorgesehen. 5. a) Welche anderen nationalen und internationalen Untersuchungen sind der Staatsregierung zu den Problemen durch Mikroplastik bzw. MikroplastikPartikel – insbesondere zu deren Vorkommen in Binnengewässern – bekannt? Im Gegensatz zu marinen Systemen gibt es zum Vorkommen von Mikroplastik in Binnengewässern nur wenige Untersuchungen. Eine aktuelle Studie der Universität Bayreuth am Gardasee ergab eine marinen Sedimenten vergleichbare Mikroplastik-Kontamination der Strände. Untersuchungen aus Österreich weisen auf eine MikroplastikBelastung der Donau hin. Hierzu sind nach Auskunft des Umweltbundesamtes in Wien vertiefte Untersuchungen geplant. Weitere Untersuchungen an Schweizer Seen sollen in Kürze veröffentlicht werden. Auf Bundesebene hat das Umweltbundesamt zusammen mit dem Bundesamt für Risikoforschung (BfR) und dem Bundesamt für Gewässerkunde (BfG) eine Initiative für die Gesamtkoordinierung innerhalb der betroffenen Bundesressortforschungseinrichtungen ergriffen. Von den Ländern haben neben Bayern bisher Baden-Württemberg und seit Kurzem NordrheinWestfalen entsprechende Forschungsvorhaben zum Thema Mikroplastik initiiert. Zudem wird auf die aktuelle Pilotstudie verwiesen, die der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz in Auftrag gegeben haben. Dabei wurde Abwasser und Klärschlamm aus zwölf Kläranlagen in Norddeutschland im Hinblick auf das Vorkommen von Mikroplastik untersucht. Im Zuge dessen wurde festgestellt, dass Kläranlagen auf herkömmlichem Weg Mikroplastik nicht vollständig aus Abwässern zurückhalten. Die Belastung bei Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4094 Partikeln reichte von 86 bis 714 pro Kubikmeter und bei Fasern von 98 bis 1479 pro Kubikmeter. Mit der verwendeten Untersuchungsmethode konnten die Mikroplastik-Partikel zuverlässig identifiziert werden. Bei einem vom LfU veranstalteten Expertenkolloquium am 03.07.2014 wurde über den Stand der Forschungen berichtet . Demnach liegen derzeit noch nicht viele belastbare Untersuchungen über Art und Ausmaß der Verbreitung von Mikroplastik in Binnengewässern vor. Viele Untersuchungen sind aber bereits angelaufen, belastbare Ergebnisse werden im Lauf des Jahres 2015 erwartet. b) Welche Erkenntnisse zieht die Staatsregierung aus diesen Untersuchungen für die hiesigen Gewässer und deren Schutz? Unmittelbare Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der angesprochenen Untersuchungen sind bislang nur sehr eingeschränkt möglich. Hierzu muss zunächst das Ergebnis der auf die konkreten Verhältnisse in Bayern zugeschnittenen Untersuchungen mit einer ersten Bestandsaufnahme abgewartet werden. c) Inwieweit und in welcher Größenordnung ist beim Unterlassen von Maßnahmen mit einer Zunahme von Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikeln in der Umwelt, insbesondere in bayerischen Gewässern zu rechnen? Da oft eine lange Zeit vergeht, bis Kunststoffe in der Umwelt biologisch abgebaut sind, ist mit einer Zunahme des Eintrags von Mikroplastik zu rechnen, wenn nicht gegengesteuert wird. Um wirksame Maßnahmen gegen den Eintrag von Mikroplastik in die Gewässer entwickeln zu können, müssen zunächst die Eintragspfade und das Ausmaß der Verunreinigung mit Mikroplastik ermittelt werden. Hierzu dient das vom StMUV in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben . 6. a) Welche Technologien zur umfassenden Eliminierung von Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikeln aus dem Abwasser gibt es derzeit nach Kenntnis der Staatsregierung? Als Anforderung an die Abwasserbehandlung wird in Deutschland der Stand der Technik vorgeschrieben; für kommunale Abwässer wird der Stand der Technik in Anhang 1 zur Abwasserverordnung definiert. Die Anforderungen werden im Regelfall erfüllt von Kläranlagen mit mechanisch und biologisch wirkenden Reinigungsstufen, ggf. auch mit einer chemischen Behandlung zur Phosphorelimination. Im Falle strengerer Ablaufanforderungen stehen weitergehende Behandlungsverfahren wie z. B. nachgeschaltete Filtrationsanlagen (Sandfilter oder Membrananlagen) zur Verfügung. Derzeit in der Diskussion befinden sich noch Technologien zur Elimination von Mikroschadstoffen (z. B. Medikamentenrückstände, prioritäre Stoffe) wie z. B. Stufen mit Aktivkohlezugabe oder Ozonierungsanlagen, für die es allerdings momentan noch keine gesetzlichen Anforderungen gibt. Zur Eliminationsleistung der vorgenannten Behandlungsverfahren nach dem Stand der Technik hinsichtlich Mikroplastik liegen derzeit nur sehr wenige Informationen vor. Untersuchungen der TU Wien deuten darauf hin, dass sehr kleine Partikel < 100 µm im Ablauf zurückgehalten werden können; diese werden offenkundig mit dem Klärschlamm abgeschieden. Größere Fraktionen (z. B. Kunst- stofffasern) werden in verschiedenen Behandlungsstufen in unterschiedlichem Maß abgetrennt. Für gesicherte Aussagen sind noch repräsentative und methodisch saubere Untersuchungen notwendig. An der Kläranlage Nürnberg wurde festgestellt, dass sich trotz der dort vorhandenen Sandfilter noch zahlreiche Mikroplastik-Partikel im Abwasserstrom befinden. Ein biologisch-chemischer Abbau von Mikroplastik-Partikeln ist bei der konventionellen Abwasserbehandlung wegen der besonderen Beschaffenheit dieser Materialien (Beständigkeit , Langlebigkeit) nach derzeitigem Kenntnisstand nicht anzunehmen. Ergänzend zur Adsorption der Mikropartikel im Klärschlamm lässt, wie oben beschrieben, vor allem eine ergänzende Behandlungsstufe mittels Filtration (z. B. Membran- filtration) eine weitergehende Abtrennung erwarten. Letztlich können die Mikroplastik-Partikel mit dem Klärschlamm abgeschieden werden. Dessen weiterer Entsorgungsweg entscheidet, ob die eingebundenen Kunststoffteile z. B. durch Verbrennung eliminiert werden oder ob sie bei einer landwirtschaftlichen Verwertung in die Umwelt zurückgeführt und dann ggf. durch Erosion wieder in die Gewässer eingetragen werden. b) Welche dieser Technologien werden in Bayern bereits eingesetzt bzw. sollen in Zukunft eingesetzt werden? Aktuell gibt es keine gesetzlichen Anforderungen, die eine Elimination von Mikroplastik aus Kläranlagenabläufen fordern . Grundsätzlich sind kommunale Kläranlagen auf die Elimination organischer Belastungen und ggf. Nährstoffe ausgelegt. Mit den konventionellen Behandlungstechnologien kann jedoch über den Klärschlammpfad auch eine Entfernung von sehr kleinen Mikroplastik-Partikeln erwartet werden (s. Frage 6 a). Prinzipiell sind alle bayerischen Kläranlagen diesbezüglich geeignet. Für größere MikroplastikFraktionen , die sich nicht an den Klärschlamm anlagern, müssten zur Abtrennung zusätzliche Anlagen wie z. B. Membranfilter oder ggf. Sandfilter nachgerüstet werden. Solche weitergehenden Behandlungsstufen, die eine weitergehende Abwasserbehandlung sicherstellen, sind in bayerischen kommunalen Kläranlagen jedoch nur im Einzelfall zu finden. Derzeit werden in Bayern rund 30 Anlagen mit nachgeschaltetem Sandfilter und fünf Anlagen mit Membranfiltration betrieben. c) Was hat die Staatsregierung darüber hinaus zum Schutz der Gewässer, der Umwelt und der menschlichen Gesundheit vor Mikroplastik bzw. Mikroplastik -Partikeln unternommen bzw. was wird in Zukunft unternommen? Aus Sicht der Staatsregierung ist es notwendig, zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme durchzuführen, bevor weitergehende Maßnahmen ergriffen werden. Neben einer ausführlichen Information über das Thema auf den Internetseiten des StMUV und des LfU http://www.stmuv.bayern.de/umwelt/forschung/mikroplastik/ http://www.lfu.bayern.de/analytik_stoffe/mikroplastik/index. htm hat Bayern bereits im Frühjahr 2014 bei der Umweltministerkonferenz und der Verbraucherschutzkonferenz Anträ- ge eingebracht, in denen auf die Thematik aufmerksam gemacht wird. Zusätzlich wurde der Bund aufgefordert, auf die Hersteller einzuwirken, damit diese auf die Verwendung Drucksache 17/4094 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 von mikrofeinen Kunststoffkügelchen in Hygieneprodukten ehestmöglich verzichten (s. Antwort zu Frage 2). Anläss- lich des Weltverbraucherschutztags hat der vormalige Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz Dr. Huber dazu aufgerufen, auf den Kauf mikroplastikhaltiger Produkte zu verzichten, und gleichzeitig die Industrie aufgefordert , von der Herstellung derartiger Produkte Abstand zu nehmen. Derzeit ist der Kenntnisstand über Art und Häufigkeit des Vorkommens von Mikroplastik in Lebensmitteln und der Umwelt noch zu gering, um weitergehende Initiativen planen zu können. Sobald erste Ergebnisse der beiden vom StMUV vergebenen Forschungsvorhaben vorliegen, wird das weitere Vorgehen festgelegt. 7. a) Welche Präventionsmöglichkeiten sieht die Staatsregierung darüber hinaus als erforderlich und geeignet an, um Schäden durch Mikroplastik bzw. Mikroplastik-Partikel für die menschliche Gesundheit , Umwelt und Gewässer zu vermeiden (z. B. Vorgaben an die Industrie, Verhaltensempfehlungen für Verbraucher)? b) Welche dieser Präventionsmaßnahmen werden bereits konkret umgesetzt bzw. sollen in Zukunft umgesetzt werden? 8. a) Wie und mit welchem bisherigen Erfolg wirbt Bayern bei der Industrie für einen freiwilligen Verzicht von Mikroplastikteilchen in den Produkten? b) Wie sensibilisiert die Bayerische Staatsregierung die Öffentlichkeit für das Thema? S. Antwort zu 6 c.