Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Herbert Woerlein SPD vom 30.09.2014 Wasserkraftwerk am Lech im Raum Augsburg Ich frage die Staatsregierung: 1. a) In welchem Stadium des Genehmigungsverfahrens befindet sich der Antrag zum Bau zusätzlichen Wasserkraftwerkes am Lech im Raum Augsburg (Flusskilometer 50,4)? b) Welche Eingriffe in die Natur (Gewässer und Uferbereiche ) hätte der Bau des Kraftwerkes zur Folge? c) Welche Menge an Energie würde in dem beantragten neuen Kraftwerk erzeugt? 2. a) Wie viel Energie wird derzeit an den Kraftwerken am Lauf des Lechs erzeugt? b) Welche Potenziale zur Optimierung der bestehenden Kraftwerke gibt es? c) Inwieweit sind die bestehenden Wasserkraftwerke in den letzten fünf Jahren optimiert worden? 3. a) Wie stellt sich genau die rechtliche Grundlage dar, die es dem Antragsteller ermöglicht, Kraftwerksbau im Naturschutzgebiet zu beantragen? b) Welche rechtliche Handhabe gibt es für den Freistaat, auf den Bau des Kraftwerkes Einfluss zu nehmen? c) Welche Einspruchs- und Mitwirkungsmöglichkeiten gibt es seitens der Stadt Augsburg gegenüber dem Projekt? 4. a) Inwieweit erlauben geltende Verträge dem Antragsteller Eingriffe in den Flusslauf? b) Inwieweit erlauben geltende Verträge Eingriffe in den Uferbereich des Lechs für den Bau von Kraftwerken? c) Wie breit ist der Uferstreifen, in den der Kraftwerksbetreiber Eingriffe tätigen darf? 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Gefahr von Eintiefungen der Flusssohle des Lechs im Bereich Augsburg ? b) Welche Kosten sind durch Ausgleichsmaßnahmen der Eintiefungen in den letzten fünf Jahren entstanden? c) Welche Kosten werden nach derzeitigem Planungsstand für Ausgleichsmaßnahmen der Eintiefungen in den nächsten Jahren entstehen? 6. a) Wie weit ist die Nutzung des Lechs zur Energiegewinnung für diese Eintiefungen verantwortlich? b) Wie stark haben sich die Kraftwerksbetreiber an den Kosten der Behebung von Eintiefungen beteiligt? c) Sind Maßnahmen geplant, um das Problem der Eintiefungen an der Flussohle dauerhaft zu beheben? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 03.11.2014 1. a) In welchem Stadium des Genehmigungsverfahrens befindet sich der Antrag zum Bau zusätzlichen Wasserkraftwerkes am Lech im Raum Augsburg (Flusskilometer 50,4)? Für eine Wasserkraftnutzung am Lech bei Fkm 50,4 gibt es zwei Anträge. Der erste Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung wurde von der Fa. Anichhofer Wasserkraftwerke GmbH gestellt und mit Bescheid der Stadt Augsburg vom 07.03.2012 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht Augsburg abgewiesen. Über den Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bislang noch nicht entschieden . Der zweite Antrag wurde von der Fa. E.ON gestellt. Hier wird das Verfahren derzeit nicht weitergeführt, weil die Ergebnisse des Projekts Licca liber des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth abgewartet werden sollen. b) Welche Eingriffe in die Natur (Gewässer und Uferbereiche ) hätte der Bau des Kraftwerkes zur Folge ? Die bisher gestellten Anträge berücksichtigen nicht die im offenen Planungsprozess „Licca liber“ erarbeiteten Entwicklungsziele . Dieses Vorhaben wird wesentliche Auswirkungen auf die Möglichkeiten einer Wasserkraftnutzung am Lech bei Fkm 50,4 haben. Eine Abschätzung über den Umfang der Eingriffe in die Natur ist aus v. g. Gründen derzeit nicht möglich. c) Welche Menge an Energie würde in dem beantragten neuen Kraftwerk erzeugt? Nachdem die für eine künftige Wasserkraftnutzung zur Verfügung stehende Wassermenge ebenfalls vom Projekt „Licca liber“ beeinflusst wird, sind derzeit hierzu keine Angaben möglich. 2. a) Wie viel Energie wird derzeit an den Kraftwerken am Lauf des Lechs erzeugt? Die installierte Leistung an den Kraftwerken im Verlauf des bayerischen Lech beträgt 366,6 MW. Daraus ergibt sich eine rechnerisch ermittelte Stromproduktion von rd. 1.800 GWh/a. b) Welche Potenziale zur Optimierung der bestehenden Kraftwerke gibt es? Nach der Potenzialstudie „Ausbaupotenziale Wasserkraft in Bayern“ vom September 2009 besteht am Lech ein Ausbaupotenzial von 4,1 GWh/a. Dies beinhaltet nur Modernisierungsmaßnahmen an bestehenden Kraftwerken ohne Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 23.01.2015 17/4098 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4098 Auswirkungen auf Wasserstands- und Abflussverhältnisse, d. h. diese können ohne wasserrechtliches Genehmigungsverfahren erfolgen. c) Inwieweit sind die bestehenden Wasserkraftwerke in den letzten fünf Jahren optimiert worden? Zur energetischen Optimierung liegen uns keine Erkenntnisse vor. 3. a) Wie stellt sich genau die rechtliche Grundlage dar, die es dem Antragsteller ermöglicht, Kraftwerksbau im Naturschutzgebiet zu beantragen? Die jeweiligen Schutzgebietsverordnungen können Ausnahmetatbestände für die Wasserkraftnutzung enthalten. Ein Kraftwerksbau ist dann ggf. unter den in der Verordnung geregelten Voraussetzungen möglich. Besteht kein derartiger Ausnahmetatbestand, ist eine Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG zu prüfen. Als Befreiungsgrund kommt regelmäßig ein notwendiges überwiegendes öffentliches Interesse in Betracht. b) Welche rechtliche Handhabe gibt es für den Freistaat , auf den Bau des Kraftwerkes Einfluss zu nehmen? Die staatlichen Behörden beraten den Vorhabensträger bereits im Vorfeld der Antragstellung und können insoweit auf die Planung des Kraftwerks Einfluss nehmen. Auch die Landesplanungsbehörde ist früh einzubinden, um die Frage der Erforderlichkeit eines Raumordnungsverfahrens zu prüfen. Im Rahmen der sog. Erstberatung durch das Wasserwirtschaftsamt sollen bereits vor der Planung die wesentlichen Grundlagen abgestimmt werden, um die gesetzlichen Anforderungen an Wasserkraftanlagen zu erfüllen. Dies umfasst insbesondere hinreichende Maßnahmen zum Schutz der Fischpopulation (§ 35 WHG), Sicherstellung der Gewässerdurchgängigkeit (§ 34 WHG), ausreichende Mindestwasserführung (§ 33 WHG) sowie die Erfüllung anderer öffentlichrechtlicher Anforderungen, etwa nach Baurecht. Ferner können mittels Inhalts- und Nebenbestimmungen auf Grundlage von §§ 13, 14 Abs. 3 und 4 WHG Regelungen in Bezug auf den Bau des Kraftwerkes getroffen werden, insbesondere zur Bauausführung, Bauabnahme etc. c) Welche Einspruchs- und Mitwirkungsmöglichkeiten gibt es seitens der Stadt Augsburg gegenüber dem Projekt? Die Stadt Augsburg ist als kreisfreie Stadt Kreisverwaltungsbehörde und damit zuständige wasserrechtliche Behörde im Sinne des Artikel 63 Abs. 1 Satz 2 BayWG. Sie entscheidet damit nach Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange und unter Rückgriff zu fachlichen Fragen auf anerkannte amtliche Sachverständige letztlich über die Zulässigkeit des Projekts. 4. a) Inwieweit erlauben geltende Verträge dem Antragsteller Eingriffe in den Flusslauf? Die der Staatsregierung vorliegenden Verträge gestatten dem Antragsteller keine Eingriffe in den Flusslauf. Hierfür bedarf es einer wasserrechtlichen Gestattung. b) Inwieweit erlauben geltende Verträge Eingriffe in den Uferbereich des Lechs für den Bau von Kraftwerken ? Die der Staatsregierung vorliegenden Verträge gestatten keine Eingriffe in den Uferbereich des Lechs zum Bau von Kraftwerken. Hierfür bedarf es entsprechender wasserrechtlicher Gestattungen. c) Wie breit ist der Uferstreifen, in den der Kraftwerksbetreiber Eingriffe tätigen darf? Die Zulässigkeit des Eingriffs in das Ufer beurteilt sich im Einzelfall nach den Verhältnissen vor Ort, der Rechtslage und den zu berücksichtigenden Belangen. Eine pauschale Aussage ist hierzu nicht möglich. 5. a) Wie beurteilt die Staatsregierung die Gefahr von Eintiefungen der Flusssohle des Lechs im Bereich Augsburg? Die Gefahr von Eintiefungen der Flusssohle des Lechs im Bereich Augsburg ist bis zur Umsetzung des Projektes „Licca liber“ grundsätzlich auch weiterhin gegeben. Durch die in den letzten Jahren getroffenen Maßnahmen (siehe 5 b) wird die Gefahr von Eintiefungen jedoch abgemindert. b) Welche Kosten sind durch Ausgleichsmaßnahmen der Eintiefungen in den letzten fünf Jahren entstanden ? Im erfragten Zeitraum wurden sowohl lokale bauliche Maßnahmen wie Kiesdotationen und Sohlsicherungen mittels Deckwerken durchgeführt als auch strategische Konzepte für eine nachhaltige Begegnung der Sohleintiefung im Rahmen des Projektes Licca liber in einem Dialogverfahren entwickelt . Für den Stadtbereich Augsburg entstanden Kosten von ca. 675.000 €, davon entfallen 400.000 € auf die baulichen Maßnahmen und 275.000 € auf die konzeptionelle Bearbeitung im Projekt Licca liber. c) Welche Kosten werden nach derzeitigem Planungsstand für Ausgleichsmaßnahmen der Eintiefungen in den nächsten Jahren entstehen? Bis zur Umsetzung der integrierten Maßnahmen im Zuge des Projektes Licca liber werden Eintiefungskompensationen in Abhängigkeit von den Folgen auftretender Hochwasserereignisse durchgeführt. Daher kann derzeit kein Ausblick auf weitere Investitionen für kleinräumige Einzelmaßnahmen gegeben werden. Für Planungskosten im Projekt Licca liber wird in den nächsten 3 Jahren ein Finanzierungsbedarf von etwa 600.000 € veranschlagt. Die bereits umgesetzten Maßnahmen sind aktuell noch wirksam. 6. a) Wie weit ist die Nutzung des Lechs zur Energiegewinnung für diese Eintiefungen verantwortlich? Die Ursache der Eintiefung geht auf die Lechkorrektion im 19. Jahrhundert zurück. Damals stand die landwirtschaftliche Nutzung des Talraumes und die Gefahrenminderung für die am Wildfluss lebenden Bürger im Vordergrund. Dieser zunächst gewünschten Entwicklung, die allerdings immer weiter voranschritt, wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts durch den Bau von Wehren entgegengewirkt. Mit Entschließung vom 23.05.1950 wurde der BAWAG die Konzession für die Wasserkraftnutzung zwischen dem Rosshauptener Speicher (Forggensee) und dem Hochablass in Augsburg erteilt. Der Ausbauplan der BAWAG sah eine geschlossene Kraftwerkstreppe mit 26 Staustufen zur Sohlstabilisierung Drucksache 17/4098 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 und Wasserkraftnutzung vor. 1940 beginnend, wurden bis heute 19 Staustufen errichtet, weitere Staustufen zwischen der Stufe 23 und dem Hochablass sind nicht mehr vorgesehen . Nicht die Wasserkraftnutzung, sondern die notwendigen Querbauwerke, die seinerzeit errichtet wurden und den natürlichen Geschiebetransport beeinträchtigen, sind die Ursache für die Eintiefung. b) Wie stark haben sich die Kraftwerksbetreiber an den Kosten der Behebung von Eintiefungen beteiligt ? Nach den jeweiligen Wasserrechtsbescheiden tragen Kraftwerksbetreiber die Unterhaltungslast im festgelegten Einflussbereich ihrer Anlagen zu einhundert Prozent und müssen damit auch, soweit erforderlich, die Eintiefungen beheben. In den übrigen Bereichen trägt der Freistaat Bayern die Unterhaltungslast. c) Sind Maßnahmen geplant, um das Problem der Eintiefungen an der Flussohle dauerhaft zu beheben ? Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Sohleintiefung sind wesentlicher Inhalt des Projektes Licca liber. Ziel dieses Projekts ist die Stabilisierung der Flusssohle und gleichzeitige Renaturierung des jeweiligen Flussabschnitts, wo möglich.