Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 11.11.2014 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage befasst sich schwerpunktmäßig mit der Situation von „Kommunen mit prekären Haushalten“. Eine Definition der Bezeichnung „Kommunen mit prekären Haushalten“ gibt es in Bayern nicht, zumal in Bayern Regelungen zur Haushaltssicherung nicht ausdrücklich implementiert sind. Den Begriff „Kommunen mit prekären Haushalten“ auf diejenigen wenigen Kommunen zu begrenzen, denen die rechtsaufsichtliche Genehmigung der Kreditaufnahmen nach Art. 71 Abs. 2 Gemeindeordnung – GO – verweigert wurde (mit der Folge der vorläufigen Haushaltsführung nach Art. 69 GO), dürfte mit Blick auf die Formulierung der Fragestellungen der Schriftlichen Anfrage zu eng gegriffen sein. Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr geht daher davon aus, dass unter dem Begriff „Kommunen in prekärer Haushaltslage“ insbesondere Kommunen, denen Bedarfszuweisungen und als deren Sonderform Stabilisierungshilfen nach Art. 11 FAG gewährt werden, intendiert sind. 1. Wird Kommunen mit prekären Haushalten die Möglichkeit eingeräumt, Vorfälligkeitsentschädigungen mittels Stabilisierungshilfen abzubezahlen , die durch Umschuldung auf einen zinsgünstigeren Kredit entstehen? In der kommunal-staatlichen Arbeitsgruppe „Bedarfszuweisungen “ (Mitglieder: Vertreter des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr und der kommunalen Spitzenverbände) wurde entschieden, keine Darlehensumschuldungen gegen Entgelt zuzulassen. a) Wenn dies nicht der Fall ist, warum? Stabilisierungshilfen sollen sparwillige Kommunen als Hilfe zur Selbsthilfe bei der Konsolidierung ihrer Haushalte unterstützen . Ziel ist eine nachhaltige Verringerung der Zins- und Tilgungsleistungen, damit die Kommunen wieder mehr finanzielle Handlungsspielräume erlangen. Die Stabilisierungshilfen sind daher zuvörderst zur Schuldentilgung einzusetzen . Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.01.2015 17/4390 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Klaus Adelt SPD vom 01.10.2014 Kommunalfinanzen in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. Wird Kommunen mit prekären Haushalten die Möglichkeit eingeräumt, Vorfälligkeitsentschädigungen mittels Stabilisierungshilfen abzubezahlen, die durch Umschuldung auf einen zinsgünstigeren Kredit entstehen ? a) Wenn dies nicht der Fall ist, warum? 2. Wie hoch schätzt die Staatsregierung das bestehende Zinsänderungsrisiko für Kommunen ein? a) Welche etwaigen Handlungszwänge ergeben sich hieraus aus Sicht der Staatsregierung? 3. Wie vielen bayerischen kreisfreien Kommunen, die sich in einer prekären Haushaltslage befinden, wurde in den Jahren 2005 bis 2013 ein Haushaltskonsolidierungskonzept auferlegt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Regierungsbezirken und Landkreisen)? a) Wie vielen bayerischen kreisangehörigen Kommunen, die sich in einer prekären Haushaltslage befinden, wurde in den Jahren 2005 bis 2013 ein Haushaltskonsolidierungskonzept auferlegt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Regierungsbezirken und Landkreisen)? b) Wie vielen Kommunen in Oberfranken gelang es, diesbezüglich ihre Haushalte zu konsolidieren (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen und unter Bezugnahme des entsprechenden Schuldenstandes vor und nach der Konsolidierungsphase)? 4. Welche Kosten konnten die oberfränkischen Kommunen , denen in den Jahren 2005 bis 2013 ein Haushaltskonsolidierungskonzept auferlegt wurde, konkret einsparen (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen)? 5. Wenn eine Kommune über mehrere Jahre hinweg keinen genehmigten Haushalt mehr vorzuweisen hat, diese aber nicht imstande ist, auf absehbare Zeit sich aus eigener Kraft heraus zu konsolidieren, inwieweit entspricht dies aus Sicht der Staatsregierung dem verfassungsmäßigen Recht der Kommune auf Selbstverwaltung (z. B. gemäß Art. 10 und 11 der Bayerischen Verfassung)? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4390 Darlehensschulden bestehen nach einer Umschuldung fort. Ein Schuldendienst ist von der Kommune weiterhin zu leisten . Finanzielle Handlungsspielräume der Kommune würden daher nur marginal verbessert. Zudem wären die an die Banken zu entrichtenden Vorfälligkeitsentgelte aus den Mitteln für Bedarfszuweisungs- bzw. Stabilisierungshilfen zu leisten und würden die unmittelbar für die Kommunen zur Verfügung stehenden Mittel verringern . Die Effektivität der Stabilisierungshilfen würde deutlich geschmälert. a) Wie hoch schätzt die Staatsregierung das bestehende Zinsänderungsrisiko für Kommunen ein? b) Welche etwaigen Handlungszwänge ergeben sich hieraus aus Sicht der Staatsregierung? Die Fragen 2 a und 2 b werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Zinsänderungsrisiko hängt wesentlich von der Schuldenstruktur der jeweiligen Kommune ab. Die Kommunen handeln beim Abschluss ihrer Kreditvereinbarungen eigenverantwortlich im Rahmen ihrer Finanzhoheit und entscheiden auch über die Zusammensetzung ihres Kreditportfolios in eigener Verantwortung. Statistiken über die Schuldenstruktur der Kommunen werden nicht geführt. Der Staatsregierung liegen daher keine Informationen zur Schuldenstruktur der Kommunen vor. Somit können auch keine Angaben zum Zinsänderungsrisiko gemacht werden. Vorbemerkung zu den Fragen 3, 3 a und 3 b: Die Beauftragung von Haushaltssicherungskonzepten kommt aus verschiedenen Anlässen in Betracht. So gibt Art. 71 Abs. 2 Satz 2 GO den Rechtsaufsichtsbehörden die Möglichkeit, die rechtsaufsichtliche Genehmigung von Kreditaufnahmen – soweit dies mit Blick auf die Haushaltslage geboten erscheint – unter Bedingungen und Auflagen zu erteilen . Dies bietet der Rechtsaufsichtsbehörde die Chance, Maßnahmen bis hin zu auch längerfristig angelegten Haushaltssicherungskonzepten durchzusetzen. Statistische Daten, in wie vielen Fällen Haushaltskonsolidierungskonzepte von den Rechtsaufsichtsbehörden im Rahmen der Kreditgenehmigung nach Art. 71 Abs. 2 GO beauflagt wurden, liegen dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr – unabhängig von der bereits angesprochenen Problematik der Definition des Begriffs „Kommunen mit prekären Haushaltslagen“ – nicht vor. Daneben ist die Erstellung und Umsetzung eines in zehn Punkte gegliederten Haushaltskonsolidierungskonzepts, welches in der Folgezeit fortzuschreiben war bzw. ist, Voraussetzung für die Bewilligung von Konsolidierungs- bzw. Stabilisierungshilfen . Die nachfolgenden Ausführungen zu den Fragen 3, 3 a und 3b beziehen sich – auch mit Blick auf die oben vorgenommene Abgrenzung hinsichtlich des Begriffs der „Kommunen mit prekären Haushaltslagen“ – auf die bei der Gewährung von Stabilisierungshilfen beauflagten Haushaltskonsolidierungskonzepte . 3. Wie vielen bayerischen kreisfreien Kommunen, die sich in einer prekären Haushaltslage befinden, wurde in den Jahren 2005 bis 2013 ein Haushaltskonsolidierungskonzept auferlegt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Regierungsbezirken und Landkreisen)? Hierzu wird auf Anlage 1 verwiesen. Angegeben ist jeweils das Jahr der erstmaligen Aufstellung eines Haushaltskonsolidierungskonzepts . a) Wie vielen bayerischen kreisangehörigen Kommunen , die sich in einer prekären Haushaltslage befinden, wurde in den Jahren 2005 bis 2013 ein Haushaltskonsolidierungskonzept auferlegt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Regierungsbezirken und Landkreisen)? Hierzu wird auf Anlage 2 verwiesen. Angegeben ist jeweils das Jahr der erstmaligen Aufstellung eines Haushaltskonsolidierungskonzepts . b) Wie vielen Kommunen in Oberfranken gelang es, diesbezüglich ihre Haushalte zu konsolidieren (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen und unter Bezugnahme des entsprechenden Schuldenstandes vor und nach der Konsolidierungsphase)? 2006/2007 wurde das Pilotprojekt „Struktur- und Konsolidierungshilfen “ aufgelegt. Es wurden bayernweit insgesamt 32 Städte und Gemeinden für höchstens vier Jahre bei ihrer Haushaltskonsolidierung (Hilfe zur Selbsthilfe) unterstützt. Die staatlichen Hilfen mussten überwiegend zur Schuldentilgung verwendet werden. Die teilnehmenden Kommunen hatten ein von der Rechtsaufsicht gebilligtes, stringentes Haushaltskonsolidierungskonzept vorzulegen. Es hat sich gezeigt, dass die mehrjährig angelegten Hilfen für besonders finanz- und strukturschwache Kommunen bei einigen Teilnehmerkommunen zwar einen spürbaren Beitrag zur Konsolidierung ihrer Kommunalfinanzen geleistet haben. Das Ziel des Pilotprojekts, die zumindest mittelfristige Wiederherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit, wurde allerdings nur von einer Minderheit der Teilnehmerkommunen erreicht (in Oberfranken: Bad Steben, Landkreis Hof; Verschuldung vor Teilnahme am Pilotprojekt: 11,8 Mio. €; Verschuldung Ende 2012: 8,5 Mio. €; Reichenbach, Landkreis Kronach: Verschuldung vor Teilnahme am Pilotprojekt: 1,13 Mio. €; Verschuldung Ende 2012: 262 T€). Seit 2012 können sog. Stabilisierungshilfen in max. 5 Jahresraten gewährt werden. Diese sollen besonders strukturschwache oder von einer negativen Bevölkerungsentwicklung besonders stark betroffene Kommunen mit anhaltenden unverschuldeten finanziellen Schwierigkeiten unterstützen . Voraussetzung für die Gewährung ist, dass die Kommunen bereit sind, einen stringenten Haushaltskonsolidierungskurs einzuschlagen. Die Stabilisierungshilfen sollen den Kommunen gezielt wieder finanzielle Perspektiven eröffnen. Der Ansatz für Bedarfszuweisungen, der auch die Stabilisierungshilfen umfasst, wurde ab dem Haushaltsjahr 2013 um rd. 75 Mio. € auf insgesamt 100 Mio. € angehoben. 4. Welche Kosten konnten die oberfränkischen Kommunen , denen in den Jahren 2005 bis 2013 ein Haushaltskonsolidierungskonzept auferlegt wurde , konkret einsparen (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen)? Die Staatsregierung hat keine statistischen Informationen darüber, welche konkreten Kosten oberfränkische Kommunen einsparen, denen Haushaltskonsolidierungskonzepte auferlegt worden sind. 5. Wenn eine Kommune über mehrere Jahre hinweg keinen genehmigten Haushalt mehr vorzuweisen Drucksache 17/4390 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 hat, diese aber nicht imstande ist, auf absehbare Zeit sich aus eigener Kraft heraus zu konsolidieren , inwieweit entspricht dies aus Sicht der Staatsregierung dem verfassungsmäßigen Recht der Kommune auf Selbstverwaltung (z. B. gemäß Art. 10 und 11 der Bayerischen Verfassung)? Durch Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Bayerischen Verfassung – BV – ist den Gemeinden in Bayern das Recht eingeräumt, ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten. Im Kern ergibt sich daraus eine „Allzuständigkeit“ der Gemeinden für sämtliche Belange mit örtlichem Bezug. Diese grundsätzliche Allzuständigkeit wird lediglich begrenzt durch die Kompetenzen des Staates und die durch Gesetz den anderen kommunalen Ebenen zugewiesenen Aufgaben (Art. 83 Abs. 1 BV, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 GO). In den Grenzen der gesetzlich vorgegebenen Aufgabenzuständigkeiten entscheiden die Städte und Gemeinden eigenverantwortlich im Rahmen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts und im Rahmen der verfassungsrechtlich verankerten gemeindlichen Finanzhoheit über die Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben. Dabei haben die Städte und Gemeinden die gesetzlichen Vorgaben zur Gemeindewirtschaft zu berücksichtigen; diese sind grundlegende Richtschnur für die gesamte Haushaltswirtschaft der Städte und Gemeinden. Dabei steht die Sicherung der stetigen Aufgabenerfüllung an erster Stelle. Nach Art. 61 Abs. 1 Sätze 1, 2 GO hat die Gemeinde ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Die dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist sicherzustellen, eine Überschuldung ist zu vermeiden. Eine Einschränkung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und insbesondere der Finanzhoheit der Gemeinden ist damit nicht verbunden. Das Selbstverwaltungsrecht gilt im Rahmen der Gesetze und findet unter anderem in den Vorschriften des kommunalen Haushaltsrechts seine Grenzen. Zudem obliegen Aufstellung und Beschluss des Haushaltskonsolidierungskonzepts den Gemeindegremien, die damit über die Prioritätensetzungen selbst entscheiden. Ist die dauernde Leitungsfähigkeit einer Gemeinde gefährdet , so muss es – im Rahmen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts – Zielsetzung der Gemeinde sein, zu einer geordneten Haushaltswirtschaft zurückzukehren und die dauernde Leistungsfähigkeit wieder zu erlangen. Dabei unterstützt der Freistaat die Gemeinden. Der Staat gewährleistet den Gemeinden im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit eine angemessene Finanzausstattung (Art. 83 Abs. 2 Satz 3 BV). Dies geschieht zum einen durch den kommunalen Finanzausgleich, durch diverse Förderprogramme und gezielt auch durch die Gewährung von Stabilisierungshilfen, die – als Hilfe zur Selbsthilfe – auch mehrjährig gewährt werden können. Sie sollen, wie ausgeführt , strukturschwache bzw. von einer negativen Bevölkerungsentwicklung besonders stark betroffene Kommunen mit unverschuldeten finanziellen Schwierigkeiten unterstützen . Um die Effektivität der staatlichen Hilfen zu erhöhen, wurde der Ansatz für Bedarfszuweisungen und Stabilisierungshilfen 2013 auf insgesamt 100 Mio. Euro angehoben und 2014 auf diesem hohen Niveau fortgeführt. Eine Gefährdung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts der bayerischen Kommunen ist für die Staatsregierung nicht ersichtlich. Anlage 1 Haushaltskonsolidierungskonzepte 2005 bis 2013 im Rahmen des Pilotprojekts „Struktur- und Konsolidierungshilfen“ bzw. Stabilisierungshilfen kreisfreie Kommunen 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Oberbayern Niederbayern Oberpfalz 1 Oberfranken 1 Mittelfranken 1 Unterfranken Schwaben Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4390 Anlage 2 Haushaltskonsolidierungskonzepte 2005 bis 2013 im Rahmen des Pilotprojekts „Struktur- und Konsolidierungshilfen“ bzw. Stabilisierungshilfen kreisangehörige Kommunen 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Oberbayern Berchtesgadener Land 1 Niederbayern Deggendorf 1 Freyung-Grafenau 1 1 1 Regen 1 6 Oberpfalz Amberg-Sulzbach 1 1 1 Cham 1 1 1 3 Neustadt/Waldnaab 1 1 11 Regensburg 1 Schwandorf 2 1 Tirschenreuth 1 1 13 Oberfranken Bamberg 1 Bayreuth 2 5 Forchheim 1 6 Hof 2 2 2 Kronach 2 3 4 Kulmbach 2 4 Lichtenfels 1 Wunsiedel 1 3 1 7 4 Mittelfranken Nürnberger Land 1 1 Unterfranken Kitzingen 1 1 Miltenberg 1 2 Rhön-Grabfeld 5 Schwaben