Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18.11.2014 1. Ist der Staatsregierung die zunehmende Problematik bekannt? a) Wenn ja, teilt die Staatsregierung die Auffassung des fränkischen Obstbauernverbandes? Die zunehmende Maikäferproblematik im Landkreis Miltenberg und auch im Spessart ist bekannt. Seit den 1980erJahren vermehren sich die beiden Maikäferarten – Feldmaikäfer und Waldmaikäfer – in Süddeutschland sehr stark und können in einzelnen Regionen hohe Schäden an den Kulturpflanzen verursachen. So stellen auch die Larven des Maikäfers, die sogenannten Engerlinge, in einigen Regionen Bayerns seit Jahren ein großes Problem dar. Der Engerling verursacht hierbei während seiner normalerweise dreijährigen Entwicklungszeit im Boden enorme Fraßschäden an den Wurzeln. Bei Grabungen in den Obstanlagen wurden stellenweise bis zu 100 Engerlinge pro m² gefunden. Im Apfelanbau kam es deshalb bereits zu Rodungen von Erwerbsanlagen . Betroffen sind aber auch andere Obstkulturen wie z. B. Erdbeeren. Die Einschätzung des fränkischen Obstbauernverbandes ist daher nachvollziehbar. 2. Welche technischen, chemischen und biologischen oder traditionellen Bekämpfungsmittel gibt es? a) Wie bewertet die Staatsregierung diese im Hinblick auf die Wirksamkeit und Umweltverträglichkeit? b) In welchem Stadium der Entwicklung des Maikäfers ist dies sinnvoll? Adulte Käfer können in Kernobstbeständen (ausgenommen bei Birnen) bis zum Ende der Blüte mit NeemAzal-T/S (Wirkstoff Azadirachtin) bekämpft werden. Dabei sind u. a. auch die mit der Zulassung festgelegten Anwendungsbestimmungen zum Schutz der Umwelt einzuhalten. Zur Bekämpfung der Engerlinge sind in Deutschland keine Pflanzenschutzmittel zugelassen. Daher kann zurzeit nur die mechanische Bekämpfung der Engerlinge in Kombination mit einer Netzabdeckung der betroffenen Flächen empfohlen werden. Dieses kombinierte Verfahren ist hierbei als sehr umweltverträgliche Maßnahme einzustufen. So können bei einer intensiven Bodenbearbeitung durch mehrmaliges Fräsen vor einer Pflanzung bis zu 98 % der Larven abgetötet werden. Das Frühjahr oder der Herbst im Jahr nach dem Maikäferflug sind dafür eine günstige Zeit, da Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 09.01.2015 17/4418 Bayerischer Landtag Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 09.10.2014 Maikäferproblematik im Landkreis Miltenberg Nach Angaben des fränkischen Obstbauernverbandes nehmen die starken Schäden durch die Engerlinge des Maikäfers für die im Landkreis Miltenberg produzierenden Obstbaubetriebe existenzbedrohende Ausmaße an. 1. Ist der Staatsregierung die zunehmende Problematik bekannt? a) Wenn ja, teilt die Staatsregierung die Auffassung des fränkischen Obstbauernverbandes? 2. Welche technischen, chemischen und biologischen oder traditionellen Bekämpfungsmittel gibt es? a) Wie bewertet die Staatsregierung diese im Hinblick auf die Wirksamkeit und Umweltverträglichkeit? b) In welchem Stadium der Entwicklung des Maikäfers ist dies sinnvoll? 3. Ist der Staatsregierung die biologische Methode mit dem in Isektenpathogenen Pilz Boveria brogniarti bekannt und wie bewertet die Staatsregierung dieses im Hinblick auf Wirksamkeit und Umweltverträglichkeit? a) Ist die Anwendung dieses Pilzes in Deutschland zugelassen ? b) Wenn nein, warum nicht? 4. Ist eine 120-Tage-Zulassung nach Art. 53 Pflanzen- schutzgesetz zulässig? a) Ist es richtig, dass dies trotz EU-Nichtzulassung als so- genannte Notzulassung genehmigt werden kann? b) Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? 5. Ist es richtig, dass dieses Mittel im EU-Land Österreich zugelassen ist, und wenn ja, warum? 6. Plant Bayern zusammen mit Baden-Württemberg ei- nen entsprechenden Antrag auf Zulassung beim Bundesamt für Verbraucherschutz einzureichen, und wenn ja, wann? 7. Ist es sinnvoll, durch Abspritzen des Waldrandes mit bestimmten Mitteln wie z. B. Rubitox die Maikäfer davon abzuhalten, die Obstbäume zu befallen? Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4418 sich die Larven dann in den obersten Bodenschichten befinden . Das nachfolgende Einnetzen im Flugjahr gilt als die sicherste Bekämpfungsmaßnahme, allerdings ist sie sehr arbeits- und kostenintensiv und nicht überall durchführbar. Entscheidend ist hier der Zeitpunkt der Netzabdeckung im Flugjahr: – Bei Populationen, die nach dem Schlupf ausschwärmen und die Anlage verlassen (Reifungsfraß außerhalb der Anlage), soll das Netz erst zum Rückflug der begatteten Weibchen ausgelegt werden, um die Eiablage der Rückflieger im Boden zu verhindern (ausfliegen aber nicht mehr rückfliegen lassen). – Bei Populationen, die nach dem Schlupf nicht ausschwärmen und in der Anlage verbleiben (Reifungsfraß in der Anlage), soll das Netz zum Ausflug ausgelegt werden. Unter dem Netz entkräften sich die Tiere durch ihren Ausschwärmdrang , verbrauchen dabei sehr viel Energie und verhungern zum Teil. 3. Ist der Staatsregierung die biologische Methode mit dem insektenpathogenen Pilz Beauveria brongniartii bekannt und wie bewertet die Staatsregierung diese im Hinblick auf Wirksamkeit und Umweltverträglichkeit? a) Ist die Anwendung dieses Pilzes in Deutschland zugelassen? b) Wenn nein, warum nicht? Der bodenbürtige und insektenpathogene Pilz Beauveria brongniartii ist seit über 100 Jahren als wichtiger natürlicher Gegenspieler gegen Maikäferlarven bekannt. Auch die Puppen und fertig ausgebildete Käfer im Boden können infiziert werden. Je eine Firma in der Schweiz und in Italien haben Beauveria brongniartii-Präparate zur Bekämpfung von Engerlingen entwickelt und vertreiben sie mit den Produktnamen „Beauveria Schweizer“ bzw. „Melocont Pilzgerste “. Bei beiden Präparaten fungieren Gerstenkörner als Trägermaterial für Beauveria brongniartii. Einsatzbereiche sind Wiesen- und Ackerbauflächen. In der Schweiz wird das Pilzpräparat bei einer Neupflanzung durch eine Pflanzlochbehandlung oder auch großflächig mit dafür geeigneten Sämaschinen bis zu 10 cm tief in den Boden eingebracht. Aufwandmengen von 30–50 kg/ha werden dafür empfohlen. Es gibt unterschiedliche Aussagen zur Wirksamkeit des Pilzes Beauveria brongniartii. Entscheidend für einen Bekämpfungserfolg sind eine ausreichende Bodenfeuchtigkeit und kühle Temperaturen, da sich der Pilz nur dann längerfristig im Boden etablieren kann. Trocken -warme Flächen sind deshalb ungeeignet. Beauveria brongniartii ist insgesamt nicht sehr konkurrenzstark. Die beste Ausbringungszeit wäre deshalb im ersten Frühjahr nach dem Käferflug, sobald die Böden wieder befahrbar werden und die Engerlinge aus tieferen Bodenschichten bis ganz nach oben gewandert sind. Eine vorherige Probegrabung sichert den optimalen Einsatzzeitpunkt. Eine Behandlung als Pflanzlochbeigabe bei Neupflanzungen kann wirksam sein, jedoch weisen schweizerische Erfahrungen darauf hin, dass der Pilzeinsatz in Spezialkulturen insgesamt zu wenig effizient ist. Auch Versuchsergebnisse der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zeigten bereits in den Jahren 2002, 2004 und 2005 (2003 war Maikäferflugjahr) auf Grünlandflächen des Spessarts, dass der Verpilzungsgrad und damit eine erfolgreiche Dezimierung der Maikäfer nicht zufriedenstellend war. Es wurden dabei Mengen von 50 kg/ ha Melocont Pilzgerste in den Boden eingebracht. Der Wirkungsgrad lag bestenfalls bei knapp über 60 %. Wenn überhaupt, dann hat Beauveria brongniartii nur bei einem langfristigen mehrjährigen Einsatz eine ausreichende Wirkung. Die Pilzausbringung ist daher nicht geeignet, kurzfristig zu einer befriedigenden Reduzierung der Engerlinge bei vorhandenem starken Befall in Obstjunganlagen und Erdbeeren beizutragen. Die Toleranzschwelle liegt im Obstbau bei 1–2 Engerlingen/m². In Unterfranken treten aber Befallsdichten von deutlich über 10 Engerlingen/m² (zum Teil bis zu 100) auf. Insofern könnte wohl durch den Einsatz von Beauveria brongniartii allenfalls eine Linderung des Problems im Rahmen einer umfänglichen Bekämpfungsstrategie erzielt werden. Spezielle Kenntnisse zur Umweltverträglichkeit von Beauveria brongniartii liegen nicht vor. Zuständig für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist in Deutschland das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). In Deutschland ist kein vergleichbares Produkt zugelassen, da gemäß der Entscheidung der EU-Kommission vom 30. September 2008 Beauveria brongniartii nicht in Anhang I (Positivliste) der Richtlinie 91/414/EWG aufgenommen wurde und bestehende Zulassungen in den Mitgliedstaaten zu widerrufen waren. 4. Ist eine -Tage-Zulassung nach Art. 53 Pflanzenschutzgesetz zulässig? a) Ist es richtig, dass dies trotz EU-Nichtzulassung als sogenannte Notzulassung genehmigt werden kann? b) Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Gemäß Art. 53 (Notfallsituationen im Pflanzenschutz) der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates kann abweichend von Art. 28 ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen für die Dauer von höchstens 120 Tagen das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung zulassen, sofern sich eine solche Maßnahme angesichts einer nicht abzuwehrenden Gefahr als notwendig erweist. Gemäß § 29 Abs. 1 des Pflanzenschutzgesetzes vom 6. Februar 2012 obliegt die Zulassung nach Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 dem BVL. Dabei hat es u. a. die Anwendungsgebiete sowie die zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier und die zum Schutz von sonstigen schädlichen Auswirkungen, insbesondere auf den Naturhaushalt , erforderlichen Anwendungsbestimmungen festzusetzen und die erforderlichen Auflagen zu erteilen. Weitergehende Informationen können über die Adresse http:// www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/05_Fach meldungen/2013/Antrag_Notfallsituation.html?nn=1400938 abgerufen werden. 5. Ist es richtig, dass dieses Mittel im EU-Land Österreich zugelassen ist und wenn ja, warum? In Österreich war in diesem Jahr Beauveria brongniartii als Handelsprodukt „Melocont Pilzgerste“ gemäß Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 u. a. gegen Feld- und Waldmaikäfer im Obstbau und Weinbau mit 30–50 kg/ha mit max. drei Anwendungen/Jahr während der Vegetationsperiode zugelassen. Der Zulassungs-Zeitraum belief sich vom Drucksache 17/4418 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 1. Juli 2014 bis 28. Oktober 2014. Fragen der Zulassung liegen in nationaler Hoheit. Die österreichischen Entscheidungsgrundlagen sind nicht bekannt. 6. Plant Bayern zusammen mit Baden-Württemberg einen entsprechenden Antrag auf Zulassung beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit einzureichen und wenn ja, wann? Das Institut für Pflanzenschutz der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) hat hierzu bereits, ohne Beteiligung des Landes Baden-Württemberg, einen Antrag für eine Zulassung gemäß Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für das Jahr 2015 gestellt. Ob die Voraussetzungen für eine derartige Zulassung tatsächlich gegeben sind, ist derzeit noch nicht absehbar. 7. Ist es sinnvoll, durch Abspritzen des Waldrandes mit bestimmten Mitteln wie z. B. Rubitox die Mai- käfer davon abzuhalten, die Obstbäume zu befallen ? Die Bekämpfung der adulten Maikäfer während des Reifungsfraßes , der vornehmlich an Waldsaumrändern und an Hecken stattfindet, wird als sinnvolle Ergänzung in einer umfassenden Bekämpfungsstrategie beschrieben. Hierfür würde sich das Pflanzenschutzmittel NeemAzalT /S (Wirkstoff Azadirachtin) eignen, das dafür aber keine Zulassung hat. In den letzten Jahren wurde auf Antrag des Pflanzenschutzdienstes Baden-Württemberg vom BVL eine Zulassung für eine Notfallsituation, allerdings nur für Böschungsgehölze und Hecken ausgesprochen. Der nächstmögliche Einsatz wäre in Unterfranken im Maikäferflugjahr 2015. Das Institut für Pflanzenschutz der LfL prüft derzeit, ob hierfür ein gemeinsamer Antrag mit dem Pflanzenschutzdienst in Baden-Württemberg für die Behandlung von Waldsaumrändern und an Hecken gestellt werden kann.