Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 10.12.2013 Hausdurchsuchungen wegen Drogenbesitzes Laut Polizeibericht wurde im September 2013 in Kempten eine groß angelegte Durchsuchungsaktion von 33 Wohn- und Geschäftsräumen im Rauschgiftmilieu durchgeführt, wobei 28 Personen festgenommen wurden, die alle nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Dazu frage ich die Staatsregierung: 1. Wie viele Arbeitsstunden und Personalkosten wurden für den Einsatz inklusive seiner Vorbereitung und Aufarbeitung sowie der nötigen Überwachungs- und Recherchemaßnahmen benötigt? 2. Welche Kosten und wie viele Arbeitsstunden fallen im Rahmen dieses Einsatzes für die Staatsanwaltschaft und die Gerichte an? 3. Welche Strafbestände lagen bzw. liegen (aufgegliedert nach Anzahl der Personen) vor, welche Strafmaßnahmen sind von der Staatsanwaltschaft beantragt, und wenn bereits erfolgt, verhängt worden? 4. Wie viele Beamte welcher Einheit waren im Einsatz? 5. In wie vielen der 33 durchsuchten Wohn- und Geschäftsräume wurden die Beamten in welcher Form fündig? 6. Gab es in den letzten fünf Jahren vergleichbare Einsätze? Wenn ja, wie viele Beamte wurden jeweils eingesetzt, wie viele Objekte wurden jeweils durchsucht und welche Ergebnisse resultierten jeweils daraus? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 17.01.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: Vorbemerkung Von 2009 bis 2013 führte die Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben – KPI(Z) – des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West ein polizeiliches Ermittlungsverfahren gegen eine im Allgäu ansässige Gruppe von italienischen Staats- bürgern wegen des Verdachts von Verstößen gegen das BtMG u. a. (Ermittlungsverfahren „Marktplatz“). Aus diesem Verfahren ergaben sich weitere Ermittlungsansätze. Es wurde deshalb im März 2013 ein Anschlussverfahren wegen Verstößen gegen das BtMG eingeleitet. Das Ergebnis der Ermittlungen ergab den Verdacht, dass eine Vielzahl von Personen aus dem Raum Kempten in der Vergangenheit Rauschgift von ermittelten Zielpersonen abgenommen hatte. Die Sachbearbeitung hierzu übernahm die Kriminalpolizeiinspektion (KPI) Kempten. In diesem Zusammenhang durchsuchte die KPI Kempten mit unterstellten Kräften am 18. September 2013 insgesamt 30 Objekte. Mit einem Aufwand, der einem OK (Organisierte Kriminalität)-Verfahren regelmäßig immanent ist, führte das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West damit nacheinander zwei Ermittlungsverfahren gegen im Raum Kempten ansässige italienische Staatsbürger, die jeweils im Verdacht standen , u. a. in größerem Umfang mit Rauschgift zu handeln und Kontakte zu Personen aus dem Umfeld der mafiösen organisierten Kriminalität in Italien zu unterhalten. In Teilen bestätigte sich der Verdacht. Letztendlich waren die Ermittlungsverfahren geeignet, in der Allgäuer Rauschgiftszene und somit auch in Kreisen der im Fokus befindlichen italienischen Staatsangehörigen, eine erhebliche Verunsicherung hervorzurufen und damit einen nicht unerheblichen Erfolg in der OK- und Rauschgiftbekämpfung zu erzielen. 1. Wie viele Arbeitsstunden und Personalkosten wurden für den Einsatz inklusive seiner Vorbereitung und Aufarbeitung sowie der nötigen Überwachungs- und Recherchemaßnahmen benötigt? Eine exakte Anzahl der Arbeits-/Einsatzstunden für die Durchsuchungsmaßnahme einschließlich der Vor- und Nachbereitung konnte durch das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West nicht definiert werden. Als Schätzwert können etwa 1.360 „Mannstunden“ angenommen werden. Der Schätzwert ergibt sich aus folgenden Komponenten: – Vorbereitung/Objektabklärung/Erstellen Einsatzunterlagen , – Einsatzvorbereitung/Kräfteanforderung, – Abarbeitung/Anzeigenerstellung, – Einsatzdauer ca. sechs Stunden am Einsatztag bei 176 eingesetzten Beamten. Die Durchsuchungsmaßnahme bzw. das in Rede stehende Ermittlungsverfahren der KPI Kempten erforderte Personalkosten i. H. v. etwa 47.000 Euro. Bei dem genannten Wert handelt es sich um eine Pauschale, die anhand der Kräftezusammensetzung kalkuliert wurde. 2. Welche Kosten und wie viele Arbeitsstunden fallen im Rahmen dieses Einsatzes für die Staatsanwaltschaft und die Gerichte an? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.02.2014 17/451 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/451 Kosten und Arbeitsstunden bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften für einzelne Ermittlungsverfahren oder für einzelne Ermittlungsmaßnahmen werden nicht gesondert erfasst, sodass nähere Angaben dazu nicht gemacht werden können. 3. Welche Strafbestände lagen bzw. liegen (aufgegliedert nach Anzahl der Personen) vor, welche Strafmaßnahmen sind von der Staatsanwaltschaft beantragt , und wenn bereits erfolgt, verhängt worden? Die Durchsuchung im September 2013 war Teil von Ermittlungsmaßnahmen gegen insgesamt 30 Beschuldigte. Von diesen standen 29 Personen im Verdacht, von weiteren, wegen gewerbsmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verfolgten Beschuldigten Kokain erworben zu haben, jeweils strafbar als unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Gegen eine Person bestand der Verdacht, zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch Vermittlung eines Verkaufsgeschäfts Beihilfe geleistet zu haben, strafbar als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 27 StGB. Gegen diese 30 Tatverdächtigen waren von der Staatsanwaltschaft gerichtliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen gem. §§ 102, 94 StPO sowie Anordnungen zur Durchführung einer körperlichen Untersuchung zur Entnahme einer Haarprobe gem. § 81a StPO erwirkt worden, die am 18. September 2013 gegen 28 Personen vollzogen wurden, zwei Personen waren nicht anzutreffen. Gegen fünf dieser 30 Personen konnte das Strafverfahren bereits durch rechtskräftige Verurteilung abgeschlossen werden; im Einzelnen wurden folgende Strafen vom zuständigen Gericht verhängt: – Geldstrafe von 30 Tagessätzen wegen unerlaubten Er- werbs von Betäubungsmitteln, – Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen wegen unerlaub- ten Erwerbs von Betäubungsmitteln in vier Fällen, – Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen unerlaubten Besit- zes von Betäubungsmitteln, – Geldstrafe von 30 Tagessätzen wegen unerlaubten Besit- zes von Betäubungsmitteln, – Geldstrafe von 30 Tagessätzen wegen unerlaubten Er- werbs von Betäubungsmitteln. Gegen weitere drei Personen wurde von der Staatsanwaltschaft der Erlass eines Strafbefehls beantragt, das gerichtliche Verfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen; beantragt wurden im Einzelnen: – Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen, – Geldstrafe von 20 Tagessätzen wegen unerlaubten Er- werbs von Betäubungsmitteln, – Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit einem Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz (wegen unerlaubten Besitzes einer Übungshandgranate). Ein Ermittlungsverfahren ist derzeit noch bei der Staatsanwaltschaft anhängig, ein polizeilicher Schlussbericht liegt noch nicht vor. Im Übrigen wurden zwei Ermittlungsverfahren gemäß § 31a BtMG (Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit und Besitz nur zum Eigenkonsum), 17 Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO (kein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage) und je ein Ermittlungsverfahren vorläufig gem. § 153 a StPO (Einstellung wegen Erfüllung von Auflagen) und § 154 f StPO (Einstellung wegen unbekannten Aufenthaltsortes) eingestellt. 4. Wie viele Beamte welcher Einheit waren im Einsatz? An der Durchsuchungsmaßnahme waren 176 Beamte beteiligt : – 62 Beamte der KPI Kempten, Kriminalpolizeistation (KPS) Kaufbeuren, KPS Lindau, KPI(Z) des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, KPI Memmingen, PI Kempten, – 17 Beamte des SEK Südbayern, – 92 Beamte der Bereitschaftspolizei und – 5 Diensthundeführer. 5. In wie vielen der 33 durchsuchten Wohn- und Geschäftsräume wurden die Beamten in welcher Form fündig? Sicherstellungen/Beschlagnahmen erfolgten in 15 Objekten (7 Handys, 2 Computer und Speichermedien, 1 PTB-Waffe, 1 Übungshandgranate, 1 Munition, geringe Mengen Haschisch , Marihuana, Kokain und Anabolika). 6. Gab es in den letzten fünf Jahren vergleichbare Einsätze ? Wenn ja, wie viele Beamte wurden jeweils eingesetzt , wie viele Objekte wurden jeweils durchsucht und welche Ergebnisse resultierten jeweils daraus? Zu Art, Umfang und Ergebnissen von solchen Einsätzen werden keine Statistiken geführt und es liegen auch keine spezifischen Erhebungen dazu vor. Entsprechende Angaben sind zu dieser Frage daher nicht möglich. Eine manuelle Einzelauswertung von Akten über einen Zeitraum von fünf Jahren würde – selbst bei eindeutiger Vorgabe genau definierter Suchparameter – einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand bedingen. Ungeachtet dessen hat das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West ergänzend Folgendes ausgeführt: Am 22. und 24. Mai 2012 fanden im vorgenannten Ermittlungsverfahren „Marktplatz“ ebenfalls im Bereich Kempten durch die KPI(Z) Schwaben Süd/West mit unterstellten Kräften in größerem Ausmaß Durchsuchungsmaßnahmen statt. Hintergrund war, dass die vorausgegangenen Ermittlungen zu einer Vielzahl von Beschaffern oder Abnehmern von Betäubungsmitteln geführt hatten. Zudem bestand der Verdacht, dass die Zielpersonen Kontakte zu Personen aus dem Umfeld der mafiösen organisierten Kriminalität in Italien unterhalten. Aufgrund der Anzahl der zu durchsuchenden Objekte wurden die Durchsuchungsbeschlüsse in zwei Einsatzphasen vollzogen. Am 22. Mai 2012 wurden 20 Objekte durchsucht und alle 13 Zielpersonen angetroffen. Eine Zielperson befand sich bereits in Haft. Gegen drei weitere Zielpersonen wurden die erwirkten Haftbefehle vollzogen. Die KPI(Z) Schwaben Süd/ West war mit unterstellten Kräften mit einer Stärke von 158 Beamten im Einsatz. Am 24. Mai 2012 wurden 19 Objekte, 5 davon in Baden-Württemberg, mit 124 Beamten durchsucht und dabei u. a. Kleinmengen Betäubungsmittel sichergestellt. Insgesamt wurden 39 Objekte durchsucht, vier Haftbefehle vollzogen und 11 Erkennungsdienstliche (ED-)Behandlungen durchgeführt. Bei den Zielpersonen handelte es sich mehrheitlich um Angehörige einer italienischen Gruppierung aus dem Raum Kempten sowie Abnehmer der Rauschgiftszene . Die Hauptzielperson wurde durch das LG Kempten am 26. Februar 2013 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.