Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BündniS 90/die Grünen vom 20.10.2014 Tödlicher Polizeieinsatz in ehekirchen Am 13. Oktober 2014 ist ein 54-jähriger Mann nach einer polizeilichen Zwangsmaßnahme von der Polizei im Krankenhaus verstorben. Ich frage die Staatsregierung: 1. Welcher Sachverhalt liegt diesem Polizeieinsatz zugrunde (z. B.: Genaue Umstände des Einsatzes, Verantwortlichkeit für die Einsatzplanung, Ablauf der Zwangsmaßnahme )? 2. Ist bei der Zwangsmaßnahme durch die Polizeieinsatzkräfte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden (Art. 4 PAG)? 3. Handelt es sich bei diesem Todesfall um einen „lagebedingten Erstickungstod“? 4. Wie waren die Polizeieinsatzkräfte über das angemessene polizeiliche Einsatzverhalten zur Verhinderung von Fällen des „lagebedingten Erstickungstodes“ bei Festnahmen geschult worden? 5. Wie bewertet die Staatsregierung diesen Todesfall im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Handelns ? 6. Welche Disziplinarverfahren und Ermittlungsverfahren sind nach diesem Todesfall eingeleitet worden? 7. Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus dem tödlichen Vorfall? Antwort des Staatsministeriums des innern, für Bau und Verkehr vom 28.11.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Bayer . Staatsministerium der Justiz wie folgt beantwortet: 1. Welcher Sachverhalt liegt diesem Polizeieinsatz zugrunde (z. B.: Genaue Umstände des einsatzes, Verantwortlichkeit für die einsatzplanung, Ablauf der Zwangsmaßnahme)? Nach Darstellung des Polizeipräsidiums OberbayernNord wurde die Polizeiinspektion Neuburg a. d. Donau am 13.10.2014 im Rahmen der Vollzugshilfe durch das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen mit der Vorführung des Betroffenen beim Gesundheitsamt beauftragt. Der Betroffene litt seit mehreren Jahren an einer psychischen Erkrankung (Schizophrenie). Um über erforderliche Maßnahmen nach dem Unterbringungsgesetz entscheiden zu können, sollte der Betroffene dem Amtsarzt beim Gesundheitsamt vorgeführt werden. Das Vollzugshilfeersuchen wurde durch das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen am 13.10.2014 per Fax an die Polizeiinspektion Neuburg a. d. Donau übermittelt. Im Anschluss erfolgte seitens des Landratsamtes im Rahmen eines Telefonates noch die Bitte um sofortigen Vollzug, da sich laut Mitteilung seiner gesetzlichen Betreuerin der Zustand des Betroffenen stark verschlechtert hatte. Mit diesem Kenntnisstand trafen die beiden mit der Durchführung der Maßnahme beauftragten Polizeibeamten der Polizeiinspektion Neuburg a. d. Donau gegen 12:30 Uhr am Elternhaus des Betroffenen, in dem er ein Zimmer bewohnte , ein. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich auch die Geschwister des Betroffenen sowie dessen gesetzliche Betreuerin vor Ort. Nachdem die beiden Beamten am 13.10.2014 das Wohnhaus betreten hatten und vom Betroffenen wahrgenommen wurden, verbarrikadierte er sich in seinem Zimmer im 1. Stock. Da er auf mehrmaliges Bitten und Auffordern, die Tür zu öffnen, auch unter Androhung von unmittelbarem Zwang, nicht reagierte, wurde durch die Beamten die Zimmertür eingetreten. Während beruhigend auf ihn eingeredet wurde, versuchte der Betroffene unvermittelt aus dem Zimmer zu flüchten. Die Beamten hielten den Betroffenen deshalb an beiden Armen fest und brachten ihn kontrolliert zu Boden. Er leistete dabei Widerstand und wollte sich ständig aus der Fixierung lösen. Es erfolgte nach Darstellung des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord keine Belastung des Oberkörpers des Betroffenen, sondern eine seitliche Fixierung. Nachdem der Betroffene nach der Fesselung keine Reaktion mehr zeigte, wurde durch die Beamten sofort mit Reanimationsmaßnahmen begonnen und der Notarzt alarmiert. Der Betroffene wurde unter laufenden Reanimationsmaßnahmen in das Klinikum Neuburg a. d. Donau eingeliefert, wo letztlich sein Tod festgestellt wurde. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.01.2015 17/4707 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode drucksache 17/4707 2. ist bei der Zwangsmaßnahme durch die Polizeieinsatzkräfte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden (Art. 4 PAG)? Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der getroffenen polizeilichen Maßnahmen ist Gegenstand des eingeleiteten Vorermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Ingolstadt. 3. Handelt es sich bei diesem Todesfall um einen „lagebedingten erstickungstod“? Als vorläufiges Ergebnis der am 14.10.2014 durchgeführten Obduktion wird ein „lagebedingter Erstickungstod“, begünstigt durch die bei der Obduktion festgestellten Vorerkrankungen und den Erregungszustand bei der Festnahme, festgestellt . Ein abschließendes Obduktionsergebnis liegt noch nicht vor. 4. Wie waren die Polizeieinsatzkräfte über das angemessene polizeiliche einsatzverhalten zur Verhinderung von Fällen des „lagebedingten erstickungstodes “ bei Festnahmen geschult worden? Bayerische Polizeibeamte werden regelmäßig im Rahmen des polizeilichen Einsatztrainings hinsichtlich der Thematik „lagebedingter Erstickungstod“ beschult. Die Ausbildung erstreckt sich von der Vermittlung theoretischer Kenntnisse über geeignete Festnahmetechniken bis zu regelmäßigen Erste-Hilfe-Schulungen. Im vierten Quartal 2009 stellte gerade diese Thematik innerhalb des Polizeipräsidiums Oberbayern -Nord ein Schwerpunktthema des polizeilichen Einsatztrainings dar, beide eingesetzten Beamten nahmen an der Fortbildung teil. Weiterhin war die Thematik Bestandteil der Trainingsblöcke in den Jahren 2012 und 2013, an denen die beiden eingesetzten Beamten ebenfalls teilgenommen hatten. 5. Wie bewertet die Staatsregierung diesen Todesfall im Hinblick auf die rechtmäßigkeit des polizeilichen Handelns? Die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen ist aktuell Gegenstand des anhängigen Vorverfahrens der Staatsanwaltschaft Ingolstadt. 6. Welche disziplinarverfahren und ermittlungsverfahren sind nach diesem Todesfall eingeleitet worden? Durch die Staatsanwaltschaft Ingolstadt wurde ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet, in dem beide betroffenen Polizeibeamten als Zeugen geführt werden. Gegen die eingesetzten Beamten ist kein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Zureichende Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen sind nach derzeitigem Stand nicht gegeben . 7. Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus dem tödlichen Vorfall? Die Staatsregierung bedauert zutiefst den Tod des 54-jährigen Betroffenen während einer polizeilichen Maßnahme. Ziel des Einsatzes war es, dem Betroffenen durch Zuführung zur amtsärztlichen Untersuchung Hilfe zukommen zu lassen. Vor diesem Hintergrund ist sein Tod als besonders tragisch anzusehen. Die eingesetzten Beamten handelten bewusst unter Berücksichtigung der Lerninhalte der umfangreichen Schulungen zum Thema „lagebedingter Erstickungstod“. Durch seitliche Fixierung der Arme und nicht durch direkte Belastung des Oberkörpers wurde versucht, den Betroffenen unter Kontrolle zu bringen. Die thematische Sensibilisierung ließ die Beamten auch sofort erkennen, dass umgehend Reanimationsmaßnahmen und eine notärztliche Versorgung des Betroffenen erforderlich sind. Die regelmäßige Schulung der Thematik „lagebedingter Erstickungstod“ wird auch weiterhin fester Bestandteil des polizeilichen Einsatztrainings (PE) in Aus- und Fortbildung sein. Hier werden auch die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Einsatz in Ehekirchen und dem tragischen Tod des Betroffenen einfließen.