Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christoph Rabenstein SPD vom 04.11.2014 Die Burschenschaft „Thessalia zu Prag in Bayreuth“ und ihr Mitglied Mario B. Die Burschenschaft Thessalia, die seit 1990 ihren Sitz in Bayreuth nahm, wird seit vielen Jahren in Zusammenhang mit neonazistischen Aktivitäten gebracht. So sollen Mitglieder am internationalen Treffen von Neonazis und ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS im belgischen Diksmuide teilgenommen haben und rassistisches Gedankengut, das letztlich zum sogenannten „Arier-Antrag“ beim Verbandstag des Dachverbandes Deutscher Burschenschaften führte, stammt von der Thessalia. Bekannte und bekennende Neonazis waren bzw. sind Mitglieder der Thessalia. Zu nennen sind hier der braune Publizist Jürgen Schwab, Anwalt Andreas Wölfel und vor allem Mario B., der engen Kontakt zur NSU hatte. So war B. bereits 1995 mit Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Tschäpe in Rudolstadt bei einer rechten Aktion beim Mahnmal für die Opfer des Faschismus aktiv. Im Februar 1996 demonstrierte er zusammen mit Wohlleben , Böhnhardt, Mundlos und K. beim „Hans-MünstermannGedächtnismarsch “ im unterfränkischen Aschaffenburg. Einen Monat später besuchte Mario B. Coburg und suchte dort das „Hilfskomitee Südliches Afrika (HSA)“auf. Anschließend reiste er nach Bayreuth in das Vereinshaus der Thessalia. Im Jahr 1998 flog er mit André K. nach Südafrika. K. räumte im NSU-Prozess ein, dass er mit B. drei Wochen in Südafrika war und dort nach einem Unterschlupf für das flüchtige NSU-Trio suchte, u. a. beim extremen Rechten Claus Nordbruch. Darum frage ich die Staatsregierung: 1. Welche Informationen hat die Landesregierung über mögliche rechtsextreme Verbindungen und Aktivitäten der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth (aufgelistet von 1990 bis 2014)? 2. a) Wurde Bayern von Thüringen informiert, dass der Rechtsextremist Mario B., der stellvertretender Leiter des verbotenen Thüringer Heimatschutzes war und enge Kontakte zu Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe pflegte, nach Bayreuth umzog, um dort ein Studium der Rechtswissenschaften zu beginnen? b) Wenn ja, wann wurde darüber informiert und wurde B. daraufhin auch vom Bayerischen Verfassungsschutz überwacht? 3. Trat Mario B. in seiner Zeit als Mitglied der Thessalia zu Prag in Bayern bei rechtsradikalen Aktivitäten in Erscheinung ? 4. Ist den bayerischen Behörden bekannt, ob NSU-Unterstützer Mario B. auch schon im Jahr 1998 Mitglied der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth war, als er die Flucht des NSU-Trios Zschäpe/Mundlos /Böhnhardt nach Südafrika geplant hat? 5. a) Ist den Behörden bekannt, dass bereits der bekannte Rechtsextremist Jürgen Schwab, der auch in Verbindung zum verbotenen Freien Netz Süd stand, lange Jahre (bis zu seinem Ausschluss im Jahr 2002) Mitglied der Burschenschaft Thessalia war? b) Wenn ja, wurde in dieser Zeit die Burschenschaft vom Verfassungsschutz beobachtet? 6. Nachdem die Burschenschaft Danubia in München – bei der auch Jürgen Schwab schon als Gastredner eingeladen war – aufgrund von Kontakten zur Münchner Neonaziszene beobachtet wird und sich in etlichen Verfassungsschutzberichten wiederfindet, frage ich die Staatsregierung, welche Rahmenbedingungen müssen konkret erfüllt sein, dass der Verfassungsschutz eine Burschenschaft beobachtet, und welche Burschenschaften sind in Bayern davon betroffen? 7. Wie bewertet die Bayerische Landesregierung die Tatsache , dass es augenscheinlich einen Rechtsruck in vielen Burschenschaften gibt – auch im Hinblick auf den von einigen Burschenschaften geforderten „ArierNachweis “? 8. a) War beim Eintritt in die Bundeswehr im Juli 1996 im oberbayerischen Traunstein den zuständigen Verantwortlichen bekannt, welche neonazistischen Aktivitäten Mario B. unternommen hatte? b) Wenn ja, warum durfte/konnte Mario B. eine Ausbildung zum Einzelkämpfer durchlaufen und ist er in seiner Zeit als Bundeswehrsoldat auffällig geworden – im Hinblick auf rechtsradikale Äußerungen? c) Wenn nein, wie kann in Zukunft verhindert werden, dass Personen mit einem rechten Hintergrund eine solche Ausbildung ausführen dürfen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.01.2015 17/4799 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4799 Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 04.12.2014 1. Welche Informationen hat die Landesregierung über mögliche rechtsextreme Verbindungen und Aktivitäten der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth (aufgelistet von 1990 bis 2014)? Der Beobachtungsauftrag des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV) ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG). Hiernach werden Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über Bestrebungen oder Tätigkeiten gesammelt und ausgewertet . Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. c) des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) handelt es sich bei Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung um politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss , die darauf gerichtet sind, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Politisch motiviert sind Verhaltensweisen dann, wenn sie ziel- und zweckgerichtet nach Machtanteilen bzw. nach Gestaltung des öffentlichen Lebens streben. Entscheidend ist das aktive (politische) Hinarbeiten mit dem Ziel der Beseitigung zumindest eines der Schutzgüter. Das Handeln der Akteure muss final auf das Ziel der Beseitigung oder des Außer-Geltung-Setzens des von der Rechtsordnung geschützten Rechtsgutes angelegt und beabsichtigt sein. Dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz liegen gegenwärtig keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte vor, dass die Aktivitas der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth durch Betätigung selbst in zurechenbarer, politisch ziel- und zweckgerichteter Weise, Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen oder außer Geltung setzen wollen. Der gesetzliche Beobachtungsauftrag des BayLfV ist bei der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth daher nicht eröffnet. Es erfolgt keine gezielte Erhebung von personenbezogenen Daten allein aufgrund der Mitgliedschaft in der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth. Soweit einzelne Mitglieder einer studentischen Verbindung sich in der rechtsextremistischen Szene bewegen, unterliegen diese dem Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes (vgl. auch Antworten auf Frage 3, 5 a und 5 b). In diesem Zusammenhang wird vom Verfassungsschutz intensiv geprüft, ob von solchen Personen – der Verbindung zurechenbare – Aktivitäten (z. B. die Organisation extremistisch geprägter Vortragsreihen) ausgehen und dadurch Anhaltspunkte für ein insgesamt extremistisches Gepräge der studentischen Verbindung erkennbar werden. Der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth zurechenbare Betätigungen von Einzelpersonen im rechtsextremistischen Bereich konnten bisher nicht nachgewiesen werden. 2. a) Wurde Bayern von Thüringen informiert, dass der Rechtsextremist Mario B., der stellvertretender Leiter des verbotenen Thüringer Heimatschutzes war und enge Kontakte zu Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe pflegte, nach Bay- reuth umzog, um dort ein Studium der Rechtswissenschaften zu beginnen? b) Wenn ja, wann wurde darüber informiert und wurde B. daraufhin auch vom Bayerischen Verfassungsschutz überwacht? Die Fragen 2 a und 2 b werden gemeinsam beantwortet. Eine Mitteilung der Landesbehörde für Verfassungs- schutz Thüringen, dass Mario B. nach Bayreuth umzog, ist aus dem Aktenbestand des BayLfV nicht ersichtlich. Da sich Mario B. in der rechtsextremistischen Szene Thüringens bewegte, unterlag er dem Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzbehörden . Im Rahmen des allgemeinen Informationsaustausches wurden daher durch die Landesbehörde für Verfassungsschutz in Thüringen auch Erkenntnisse zu Mario B. übermittelt. Er stand somit auch im Blickfeld des BayLfV im Rahmen der Beobachtung der rechtsextremistischen Szene in Oberfranken. 3. Trat Mario B. in seiner Zeit als Mitglied der Thessalia zu Prag in Bayern bei rechtsradikalen Aktivitäten in Erscheinung? 4. Ist den bayerischen Behörden bekannt, ob NSUUnterstützer Mario B. auch schon im Jahr 1998 Mitglied der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth war, als er die Flucht des NSU-Trios Zschäpe/Mundlos/Böhnhardt nach Südafrika geplant hat? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Mario B. war in der Zeit vom Wintersemester 1997/98 bis zum Sommersemester 2005 an der Universität Bayreuth eingeschrieben und seit 01.11.1997 unter der Anschrift der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth melderechtlich erfasst. Der Rechtsextremist Mario B. gehörte dem Thüringer Heimatschutz zur gleichen Zeit wie das NSU-Trio an. Seine rechtsextremistischen Aktivitäten entwickelte Mario B. in Thüringen, jedoch nicht im Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft bei der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth. Rechtsextremistische Aktivitäten von Mario B. bei der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth sind nicht bekannt. Die rechtsextremistischen Aktivitäten von Mario B. in Thüringen können der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth nicht zugerechnet werden. Dem BayLfV liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass die Wohnsitznahme von Mario B. beziehungsweise die Burschenschaft selbst in Zusammenhang mit seinen rechtsextremistischen Aktivitäten bzw. dem NSU gebracht werden kann. Am 25.10.2014 erklärte die Burschenschaft auf ihrem Facebook-Profil, dass Mario B. Mitglied der Burschenschaft war und verurteilte die Taten des NSU. 5. a) Ist den Behörden bekannt, dass bereits der bekannte Rechtsextremist Jürgen Schwab, der auch in Verbindung zum verbotenen Freien Netz Süd stand, lange Jahre (bis zu seinem Ausschluss im Jahr 2002) Mitglied der Burschenschaft Thessalia war? b) Wenn ja, wurde in dieser Zeit die Burschenschaft vom Verfassungsschutz beobachtet? Die Fragen 5 a und 5 b werden gemeinsam beantwortet. Der rechtsextremistische Publizist Jürgen Schwab war bis zu seinem Ausschluss im Jahr 2002 Mitglied der Burschenschaft . Die Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bay- Drucksache 17/4799 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 reuth war auch zu dieser Zeit kein Beobachtungsobjekt des BayLfV. 6. Nachdem die Burschenschaft Danubia in München – bei der auch Jürgen Schwab schon als Gastredner eingeladen war – aufgrund von Kontakten zur Münchner Neonaziszene beobachtet wird und sich in etlichen Verfassungsschutzberichten wiederfindet , frage ich die Staatsregierung, welche Rahmenbedingungen müssen konkret erfüllt sein, dass der Verfassungsschutz eine Burschenschaft beobachtet, und welche Burschenschaften sind in Bayern davon betroffen? Bezüglich des Beobachtungsauftrages und der Beobachtung der Burschenschaft Danubia wird auf die Ausführungen zu Frage 1 verwiesen. Mit dem jährlich erscheinenden Verfassungsschutzbericht informiert das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr die Öffentlichkeit gem. Art. 15 BayVSG über tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten. Die Berichterstattung orientiert sich dabei insbesondere an den aktuell bedeutsamen extremistischen Organisationen und stellt keine abschließende Aufzählung sämtlicher, dem Beobachtungsauftrag unterliegender, extremistischer Gruppierungen und ihrer Aktivitäten dar, um den Verfassungsschutzbericht nicht unnötig breit, unübersichtlich und damit zur Information der Öffentlichkeit ungeeignet werden zu lassen. Außerdem gibt der Verfassungsschutzbericht einen Überblick über Tätigkeitsschwerpunkte des Verfassungsschutzes im jeweiligen Berichtsjahr und hebt bedeutsame Ereignisse des Berichtszeitraums , insbesondere extremistisch motivierte Straftaten, besonders hervor, bei denen ein entsprechend hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Die Aktivitas der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth und die Aktivitas der Burschenschaft Danubia unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Aktivitäten. So treten bei den Veranstaltungen der Aktivitas der Münchner Burschenschaft Danubia seit Jahren immer wieder Referenten aus dem rechtsextremistischen Bereich auf. Diese in Verantwortung der Aktivitas durchgeführten Veranstaltungen sind der Aktivitas zurechenbar und bieten im Übrigen den eingeladenen Referenten aus dem rechtsextremistischen Bereich ein Podium. Soweit einzelne Mitglieder einer studentischen Verbindung sich in der rechtsextremistischen Szene bewegen, unterliegen diese dem Beobachtungsauftrag des Verfas- sungsschutzes. In diesem Zusammenhang wird vom Verfassungsschutz intensiv geprüft, ob von solchen Personen der Verbindung zurechenbare Aktivitäten (z. B. die Organisation extremistisch geprägter Vortragsreihen) ausgehen und dadurch Anhaltspunkte für ein insgesamt extremistisches Gepräge der studentischen Verbindung erkennbar werden. Ob Erkenntnisse über die Aktivitäten der Aktivitas der Burschenschaft Danubia veröffentlichungsfähig und veröffentlichungswürdig sind, wird im Rahmen der Vorbereitung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2014 erneut geprüft. Hinsichtlich der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth ist eine Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht mangels Beobachtungsauftrag weiterhin nicht veranlasst . 7. Wie bewertet die Bayerische Landesregierung die Tatsache, dass es augenscheinlich einen Rechtsruck in vielen Burschenschaften gibt – auch im Hinblick auf den von einigen Burschenschaften geforderten „Arier-Nachweis“? Stehen z. B. die Aufnahmebedingungen in eine studentische Verbindung in Zusammenhang mit rechtsextremistisch zu bewertenden Vorstellungen, prüft das BayLfV mit der gebotenen Aufmerksamkeit, ob auch zurechenbare Aktivitäten entfaltet werden, aus denen sich im Sinne der gesetzlichen Aufgabenstellung zugleich Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ergeben. Sollten sich dahingehende Anhaltspunkte verdichten, so erfolgt die förmliche Beobachtung durch das BayLfV. 8. a) War beim Eintritt in die Bundeswehr im Juli 1996 im oberbayerischen Traunstein den zuständigen Verantwortlichen bekannt, welche neonazistischen Aktivitäten Mario B. unternommen hatte? b) Wenn ja, warum durfte/konnte Mario B. eine Ausbildung zum Einzelkämpfer durchlaufen und ist er in seiner Zeit als Bundeswehrsoldat auffällig geworden – im Hinblick auf rechtsradikale Äußerungen ? c) Wenn nein, wie kann in Zukunft verhindert werden, dass Personen mit einem rechten Hintergrund eine solche Ausbildung ausführen dürfen? Die Fragen 8 a bis 8 c betreffen den Aufgabenbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Hierzu können seitens der Bayerischen Staatsregierung keine Angaben gemacht werden.