Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Herbert Woerlein SPD vom 17.11.2014 Verunreinigung eines Geländes in Dinkelscherben (Landkreis Augsburg) mit Quecksilberchlorid Eine ca. 2.500 m² große Fläche am Bahnhof von Dinkelscherben im Landkreis Augsburg wird derzeit von der DB saniert, weil sie hochgradig mit Quecksilberchlorid verseucht ist. Quecksilber(II)-chlorid ist eine farblose, kristalline, in Wasser im Vergleich zu anderen Quecksilberverbindungen recht gut lösliche, für Mensch und Umwelt hochgiftige Substanz (siehe H- und P-Sätze der EU-Gefahrstoffkennzeichnung ). In der örtlichen Presse (AZ vom 23 10.2014 und 25.10.2014) war zu lesen, dass auf dem Gelände von 1875 bis 1911 eine Kyanisierungsanstalt, also eine Firma, die Bahnschwellen und Telegrafenmasten mit Quecksilberchlorid imprägnierte, bestand. 1918 kaufte die Königlich-Bayerische Eisenbahn das Gelände auf. 1999 fand eine Überprüfung aller im Besitz der DB befindlichen Flächen bezüglich einer möglichen Belastung mit Schadstoffen statt. Dabei stellte sich heraus, dass die Fläche in Dinkelscherben betroffen ist. Laut Zeitungsartikel seien im Grundwasser Werte von mehreren Hundert Mikrogramm/l gemessen worden. Der Grenzwert liegt bei 1 Mikrogramm/l. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Warum wurden erst 2014 Sanierungsmaßnahmen unternommen , obwohl sowohl die DB als auch das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth schon 2000 von der Quecksilberchloridbelastung in Dinkelscherben wussten ? b) Welchen Meldepflichten (bitte Zeitpunkt und zuständige Stellen angeben) unterliegen einerseits die DB und andererseits das Wasserwirtschaftsamt bei Bekanntwerden einer ernst zu nehmenden Umweltbelastung ? c) Welche Grundstücke im Umgriff des Bahngeländes sind ebenfalls von einer Quecksilberchloridbelastung betroffen? 2. a) Welche Sanierungsmaßnahmen sind auf belasteten Grundstücken und im Umgriff erforderlich? b) Wer ist für die Feststellung/Untersuchung von belaste- ten Grundstücken im Umgriff zuständig? c) Wer trägt die Kosten, wenn es sich um Privatgrundstü- cke handelt? 3. a) Welche Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Bevölkerung müssen getroffen werden? b) Wer ist dafür zuständig? c) Wer bezahlt die Maßnahmen? 4. a) Wie hoch ist die aktuelle Quecksilberchlorid-Belastung im Boden der ehemaligen Kyanisierungsanstalt? b) Wie hoch ist die aktuelle Quecksilberchloridbelastung im Boden der Grundstücke, die sich im Umgriff des Altlastengeländes befinden? c) Wie hoch sind die aktuellen Quecksilberchloridwerte in angrenzenden Gewässern, einschließlich des Grundwassers ? 5. a) Sind die von der DB geplanten und bereits in der Aus- führung befindlichen Maßnahmen ausreichend, um einen dauerhaften Austrag von Quecksilberchlorid in das Grundwasser zu verhindern? b) Wie wird der Erfolg der Sanierungsmaßnahme überprüft ? c) Wie sieht ein mittel- oder langfristiges Monitoring der umliegenden Gewässer, einschließlich des Grundwassers , aus? 6. a) Mit welchen Maßnahmen wird die Gefährdung von Trinkwasserbrunnen und umliegenden Gewässern ausgeschlossen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Altlastenfläche an ein Grabengewässer angrenzt , eine Kontaktzone von 600 m zum festgesetzten Hochwassergebiet besteht und die Altlastenfläche in ihrer gesamten Breite im Zustrombereich des Trinkwasserbrunnens liegt? b) Mit welchen weiteren Stoffen sind das Grundwasser bzw. Gewässer im Umgriff der Altlastenfläche belastet ? c) In welchen Konzentrationen liegen diese Stoffe vor? 7. a) Wusste der Markt Dinkelscherben von der Quecksilberbelastung des Geländes, nachdem er den Bahnhof in Dinkelscherben vor wenigen Jahren von der DB erworben hat? b) Welche rechtlichen Möglichkeiten besitzt die Kommune gegenüber der DB? c) Durfte die DB die Immobilie überhaupt verkaufen? 8. a) Welche weiteren Flächen in Bayern sind ebenfalls mit Quecksilberchlorid belastet? b) Wie wurde dort die Bevölkerung informiert? c) Welche Sanierungsmaßnahmen wurden dort getrof- fen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 27.02.2015 17/4844 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4844 Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 17.12.2014 1. a) Warum wurden erst 2014 Sanierungsmaßnahmen unternommen, obwohl sowohl die DB als auch das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth schon 2000 von der Quecksilberchloridbelastung in Dinkelscherben wussten? Altlastenbearbeitung ist ein iterativer Prozess, dessen Schritte von der Erfassung über die Erkundung bis zur Sanierung in den Bodenschutz-Gesetzen vorgegeben sind. Bei komplexen Fällen (z. B. aufgrund der hydrogeologischen Situation ) kann sich dieser Prozess durchaus über mehrere Jahre erstrecken. Im vorliegenden Fall waren aufgrund der komplexen örtlichen Gegebenheiten bis 2006 mehrere Erkundungsphasen notwendig. Die danach erforderlichen ergänzenden Detailuntersuchungen , die Machbarkeitsstudien hinsichtlich der möglichen Sanierungsvarianten und die sich daran anschließende Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Vertrags mit der DB führten dazu, dass erst am 15. Januar 2014 mit den Sanierungsmaßnahmen begonnen werden konnte. b) Welchen Meldepflichten (bitte Zeitpunkt und zustänidge Stellen angeben) unterliegen einerseits die DB und andererseits das Wasserwirtschaftsamt bei Bekanntwerden einer ernst zu nehmenden Umweltbelastung? Gemäß Art. 1 des Bayerischen Bodenschutzgesetzes sind die Verantwortlichen im Sinne des Bundes-Bodenschutzgesetzes verpflichtet, konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt, unverzüglich der zuständigen Behörde mitzuteilen. Die DB als Grundstückseigentümerin kam ihrer Pflicht mit der Vorlage der orientierenden Untersuchung am 22. Dezember 2000 beim Landratsamt Augsburg nach. c) Welche Grundstücke im Umgriff des Bahngeländes sind ebenfalls von einer Quecksilberchloridbelastung betroffen? Auf Teilbereichen eines Grundstücks eines direkten Anliegers nördlich der Sanierungsfläche wurden nutzungsspezifische Prüfwertüberschreitungen für den Parameter Quecksilber (Wirkungspfad Boden-Mensch und Boden-Nutzpflanze) festgestellt. Es ist mittlerweile saniert, sodass derzeit keine Grundstücke im Umgriff mehr betroffen sind. 2. a) Welche Sanierungsmaßnahmen sind auf belasteten Grundstücken und im Umgriff erforderlich? Grundsätzlich fordert das Bodenschutzrecht, dass Maßnahmen zu ergreifen sind, sodass von dem Grundstück keine Gefahr mehr für die Schutzgüter menschliche Gesundheit , Grundwasser und Nutzpflanze ausgeht; dies können Dekontaminations- oder Sicherungsmaßnahmen sein. Im vorliegenden Fall wird gemäß dem öffentlich-rechtlichen Sanierungsvertrag vom 24. Mai 2014 und dem zugrunde liegenden Sanierungsplan vom 11. Juli 2012 im Kernschadensbereich eine Sicherung durch Einkapselung des Schadensherds durchgeführt. Nach der erfolgreichen Errichtung des Dichtwandsystems wird eine Oberflächenversiegelung aufgebracht werden, um einen weiteren Wassereintrag in den Schadensherd zu verhindern. Im Anschluss an diese Sicherungsmaßnahmen findet ein Grundwasser-Monitoring zur Überwachung des Sanierungserfolges statt. Auf dem Nachbargrundstück (vgl. 1 c) wurde im Bereich der Kinderspielfläche (Sandkasten) eine Sicherung durch ein Geotextil eingebaut und im Bereich des Gemüsebeets ein Bodenaustausch durchgeführt. b) Wer ist für die Feststellung/Untersuchung von belasteten Grundstücken im Umgriff zuständig? Liegen der zuständigen Bodenschutzbehörde – hier dem Landratsamt Augsburg – Hinweise auf schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten vor, ergreift sie in Abstimmung mit den zuständigen Fachbehörden die zur Ermittlung des Sachverhaltes geeigneten Maßnahmen im Rahmen der Amtsermittlung. Die orientierende Untersuchung wird i. d. R. durch die Wasserwirtschaftsämter (hier durch die DB) durchgeführt, die weiteren Schritte (Detailuntersuchung bis Sanierung) durch den Verantwortlichen i. S. d. Bodenschutzrechts (hier durch die DB). c) Wer trägt die Kosten, wenn es sich um Privatgrundstücke handelt? Im Rahmen der Amtsermittlung (vgl. 2 b) werden die Kosten durch die öffentliche Hand beglichen, ab dann hat der Verantwortliche (hier die DB) die Kosten für Erkundung und Sanierung zu tragen. 3. a) Welche Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Bevölkerung müssen getroffen werden? Siehe Antwort zu Frage 2 a. b) Wer ist dafür zuständig? Siehe Antwort zu Frage 2 b. c) Wer bezahlt die Maßnahmen? Siehe Antwort zu Frage 2 c. 4. a) Wie hoch ist die aktuelle Quecksilberchloridbelastung im Boden der ehemaligen Kyanisierungsanstalt ? Im Gesamtbereich der ehemaligen Kyanisieranlage konnten einzelne lokale Belastungen von bis zu 95,1 mg/kg Quecksilber festgestellt werden. Im sogenannten Kernschadensbereich, der derzeit saniert wird, wurden Quecksilberbelastungen von bis zu 18.000 mg/ kg ermittelt. b) Wie hoch ist die aktuelle Quecksilberchloridbelastung im Boden der Grundstücke, die sich im Umgriff des Altlastengeländes befinden? Da das Grundstück bereits saniert ist (vgl. 1 c und 2 a) finden sich dort aktuell keine Quecksilberbelastungen. c) Wie hoch sind die aktuellen Quecksilberchloridwerte in angrenzenden Gewässern, einschließlich des Grundwassers? Nach den aktuellsten dem Wasserwirtschaftsamt Donauwörth vorliegenden Untersuchungen liegen die Quecksilberkonzentrationen im Grundwasser zwischen < 0,2 und 250 µg/l. Der unmittelbar nordöstlich an die Bebauung angrenzende Bahnwiesgraben wurde an jeweils zwei Messstellen Drucksache 17/4844 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 und der ca. 150 m weiter im Nordosten parallel verlaufende Seilermähdergraben an einer Messstelle im Rahmen der technischen Gewässeraufsicht vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth untersucht. Es wurden dabei folgende Quecksilberkonzentrationen gemessen: Messstelle Bahnwiesgraben 1: 0,1 bis 0,2 µg/l Messstelle Bahnwiesgraben 2: 1,1 bis 3,4 µg/l Messstelle Seilermähdergraben: < 0,1 µg/l 5. a) Sind die von der DB geplanten und bereits in der Ausführung befindlichen Maßnahmen ausreichend , um einen dauerhaften Austrag von Quecksilberchlorid in das Grundwasser zu verhindern? Die Schadstoffe werden durch eine Dichtwand eingekapselt und nach oben versiegelt. Damit wird ein Austrag von Schadstoffen wirksam unterbunden. Die Sanierungsmaßnahmen wurden durch einen Fachgutachter geplant und durch die zuständigen Fachbehörden bewertet. b) Wie wird der Erfolg der Sanierungsmaßnahme überprüft? Der Erfolg der Sicherungsmaßnahmen wird durch eine regelmäßige Beprobung des Grundwassers über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren überprüft werden. Die entsprechenden Berichte werden dem Landratsamt Augsburg sowie den zuständigen Fachbehörden zur Prüfung vorgelegt . c) Wie sieht ein mittel- oder langfristiges Monitoring der umliegenden Gewässer, einschließlich des Grundwassers, aus? Nach Abschluss der Sanierung sind die Oberflächengewässer nochmals zu untersuchen (siehe auch 5 b). 6. a) Mit welchen Maßnahmen wird die Gefährdung von Trinkwasserbrunnen und umliegenden Gewässern ausgeschlossen, insbesondere vor dem Hintergrund , dass die Altlastenfläche an ein Grabengewässer angrenzt, eine Kontaktzone von 600 m zum festgesetzten Hochwassergebiet besteht und die Altlastenfläche in ihrer gesamten Breite im Zustrombereich des Trinkwasserbrunnens liegt? Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten geht von der Altlast keine Gefährdung mehr aus (vgl. 5 a). Nach Aussage des Gesundheitsamtes des Landratsamtes Augsburg liegt in aktuellen Trinkwasseruntersuchungen der Wert für Quecksilber unter der Nachweisgrenze von 0.0001 mg/l (Grenzwert Trinkwasser 0,001 mg/l). Somit besteht auch hinsichtlich der Trinkwasserversorgung kein weiterer Handlungsbedarf. b) Mit welchen weiteren Stoffen sind das Grundwasser bzw. Gewässer im Umgriff der Altlastenfläche belastet? Außer der genannten Quecksilberbelastung weist das abstromige Grundwasser nach aktuellem Kenntnisstand keine bodenschutzrechtlich relevante Belastung durch andere Schadstoffe auf. Bei den Grabenuntersuchungen wurden lediglich leicht erhöhte Sedimentgehalte für Kupfer, Zink und Arsen festgestellt. c) In welchen Konzentrationen liegen diese Stoffe vor? Die Grundwasserkonzentrationen der o. g. Stoffe liegen unterhalb der Stufe-1-Werte des LfU Merkblattes 3.8/1. 7. a) Wusste der Markt Dinkelscherben von der Quecksilberbelastung des Geländes, nachdem er den Bahnhof in Dinkelscherben vor wenigen Jahren von der DB erworben hat? Erstmalige Informationen bzgl. der Bodenverunreinigungen und der anstehenden Sanierung erhielt der Markt Dinkelscherben am 19.04.2012. Der Markt hat den Bahnhof im Juni 2013 erworben. b) Welche rechtlichen Möglichkeiten besitzt die Kommune gegenüber der DB? Ob die Kommune ggf. privatrechtliche Ansprüche gegenüber der DB geltend machen kann, ergibt sich aus der Gestaltung des Kaufvertrags, der wiederum alleinige Angelegenheit von Grundstückskäufer und -verkäufer ist. Ob eine mögliche Belastung des zum Verkauf stehenden Grundstücks Teil der privatrechtlichen Vertragsverhandlungen war, entzieht sich der Kenntnis der Behörden. c) Durfte die DB die Immobilie überhaupt verkaufen? Eine öffentlich-rechtliche Beschränkung ist nicht bekannt, die Kommune handelt hier privatrechtlich. 8. a) Welche weiteren Flächen in Bayern sind ebenfalls mit Quecksilberchlorid belastet? Eine Auswertung des Bayerischen Altlasten-, Bodenschutzund Deponieinformationssystems (ABuDIS) ergab keine weiteren Flächen mit Quecksilberchloridbelastungen. Die Eintragung der Kontaminanten in die Datenbank ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Eine Abfrage nach in Verbindung mit Quecksilber-typischen Gewerben (z. B. Holz-, Bahnschwellen- und Mastenimprägnierung) ergab vier Flächen . Drei der Flächen befinden sich in orientierender Untersuchung , eine in Detailuntersuchung. Inwieweit die dort vorgefundene Quecksilberbelastung durch den Einsatz von Quecksilberchlorid verursacht wurde, ist nicht bekannt. b) Wie wurde dort die Bevölkerung informiert? Siehe Antwort zu Frage 8 a. c) Welche Sanierungsmaßnahmen wurden dort getroffen ? Siehe Antwort zu Frage 8 a.