Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Michael Piazolo FREIE WÄHLER vom 07.10.2014 Ministerialschreiben In einem offiziellen Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 29.09.2014 werden alle Direktoren der bayerischen Gymnasien über einen Beschluss der CSU-Fraktion in Kloster Banz zur Bildungspolitik ausführlich unterrichtet und der Eindruck erweckt, als handle es sich dabei schon um einen gültigen Regierungsbeschluss. Allein der Name CSU findet mehrfach Erwähnung. In aller Ausführlichkeit werden – insgesamt 7 Seiten – die Entscheidungen einer einzelnen Fraktion , der CSU, dargelegt. Meines Wissens gibt es in dieser Angelegenheit weder eine Entscheidung des Bayerischen Landtags (Legislative) noch einen Kabinettsbeschluss (Exekutive ). Es erscheint gewöhnungsbedürftig, dass die bayerische Bildungspolitik direkt aus der klösterlichen Atmosphäre einer CSU-Fraktionsklausur gestaltet wird und höhere Ministerialbeamte diese gleich umsetzen und weitergeben. Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist es üblich, Beschlüsse von Fraktionen bzw. Resolu- tionen aus Fraktionsklausuren durch offizielle Ministerialschreiben an Beamte des Freistaats Bayern weiterzugeben ? 2. Wie häufig ist in den vergangenen Jahren über Frak- tionsbeschlüsse der CSU direkt aus den Ministerien oder dem nachgeordneten Bereich an die Beamten des Freistaates Bayern – insbesondere an Lehrerinnen und Lehrer – berichtet worden? 3. Sind Ministerialbeamte bei der Ausarbeitung des CSU- Fraktionsbeschlusses dabei gewesen? a) Wenn ja, welche? b) Wenn ja, ist es üblich, dass Ministerialbeamte bei CSU-Klausurtagungen beteiligt sind? c) Werden bayerische Staatsbeamte angehalten, unmit- telbar nach CSU-Fraktionsbeschlüssen mit der ministeriellen Umsetzung ohne entsprechende Kabinettsbzw . Landtagsentscheidungen zu beginnen, wie es zumindest Seite 4 ff. des Schreibens nahelegt? Erläuterung zu Frage 3: „Mit dem Beschluss der CSULandtagsfraktion sind die wichtigen Pfeiler zur Weiterentwicklung des Gymnasiums klar benannt und mit Zielen dargestellt; nun steht die Aufgabe der konkreten Ausgestaltung, Umsetzung und Implementierung in die einzelne Schule und den konkreten Unterricht an.“ (S. 6, 2. Absatz des offiziellen ministeriellen Schreibens ) 4. Nachdem es in dem besagten Schreiben (Seite 4) heißt, dass es zu dem Fraktionsbeschluss (bzw. der Fraktionsresolution) noch keine „Ausführungsbestimmungen “ durch das Ministerium gibt, frage ich die Staatsregierung, ob sie sich in der Pflicht sieht, CSUFraktionsbeschlüsse per ministeriellen Ausführungsbestimmungen direkt umzusetzen? 5. Wer hat die Weitergabe des CSU-Fraktionsbeschlus- ses im vorliegenden Fall veranlasst? a) Ist Staatsminister Ludwig Spaenle über den Brief un- terrichtet worden beziehungsweise ist er von ihm veranlasst worden? b) Wie viele Mitarbeiter der CSU-Fraktion kommen oder kamen in den letzten 5 Jahren aus den Ministerien bzw. der nachgeordneten Staatsverwaltung bzw. sind von Fraktionsstellen dorthin gewechselt? 6. Wird über Beschlüsse anderer Fraktionen durch Minis- terien oder den nachgeordneten Bereich in ähnlicher Weise an die Beamten des Freistaates Bayern berichtet ? a) Wenn ja, wann? b) Wenn nein, warum nicht? 7. Wird auch über anstehende Volksbegehren durch das zuständige Ministerium berichtet? a) Sind die bayerischen Lehrerinnen und Lehrer über das vergangene Volksbegehren zur Wahlfreiheit G 9/G 8 mittels eines ministeriellen Briefs informiert worden? b) Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Inhalt? 8. Sieht die Staatsregierung in dem ministeriellen Schrei- ben keine einseitige Werbung bzgl. einer Fraktion? a) Sind durch das Schreiben nicht die Grenzen der durch die Bayerische Verfassung vorgeschriebenen Gewaltenteilung verletzt? b) Plant die Staatsregierung, diese Praxis in Zukunft fortzusetzen ? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 27.02.2015 17/4869 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4869 Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 29.12.2014 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit der Staatskanzlei und den Staatsministerien wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Zur Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums, die Gegenstand des im Vorspruch zur Anfrage erwähnten Kultusministeriellen Schreibens (KMS) vom 29.09.2014 an die Schulleiterinnen und Schulleiter (oder Vertreter im Amte) aller Gymnasien und Kollegs in Bayern ist, hat das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMBW) im Frühsommer 2014 einen breit angelegten, ergebnisoffenen Dialogprozess ins Leben gerufen, zu dem zahlreiche Vertreter aus Schule, Gesellschaft, Kirche und Politik geladen waren. Auch die Landtagsfraktionen waren eingebunden. Als vorläufiger Abschluss dieses Prozesses fand am 21.07.2014 das Zweite Dialogforum statt. Die dabei vorgestellten Ergebnisse des bisherigen Dialogprozesses flossen anschließend in ein pädagogisches Gesamtkonzept zur Weiterentwicklung des Gymnasiums ein. Dieses Konzept stellte Staatsminister Dr. Spaenle als Vertreter der Staatsregierung auf der Tagung der CSULandtagsfraktion in Kloster Banz vor, wo es in eine Fraktionsresolution zum Thema einfloss. Diese wurde von Staatsminister Dr. Spaenle ausdrücklich begrüßt und als Basis für die weiteren konzeptionellen Überlegungen im Staatsministerium anerkannt. Über diese Resolution wurde seitens des StMBW zunächst in einer Pressemitteilung (Nr. 300/214 vom 25.09.2014), dann in besagtem KMS informiert, ehe auf dieser Gesprächsgrundlage der Dialog auf Verbands- bzw. Schulleiterebene fortgesetzt wurde. Nach Abschluss dieser Gespräche hat sich der Ministerrat in seinen Sitzungen am 18.11.2014 und am 09.12.2014 mit dem Themenkomplex der Weiterentwicklung des Gymnasiums befasst. Zur Thematik hat das StMBW bereits am 06.11.2014 einen Bericht erstattet, dem u. a. Dringlichkeitsanträge der Fraktionen der Freien Wähler und der SPD vom 14.10.2014 zugrunde lagen (Drs. 17/3363 und 17/3393); diese Anträge wurden damit einstimmig für erledigt erklärt. 1. Ist es üblich, Beschlüsse von Fraktionen bzw. Resolutionen aus Fraktionsklausuren durch offizielle Ministerialschreiben an Beamte des Freistaats Bayern weiterzugeben? Beschlüsse von Fraktionen bzw. Resolutionen aus Fraktionsklausuren werden üblicherweise nicht an nachgeordnete Stellen des Freistaats Bayern und die dort Beschäftigten weitergegeben. Beim KMS vom 29.09.2014 handelt es sich um eine begründete Vorgehensweise, insbesondere deshalb, weil Staatsminister Dr. Spaenle die Resolution der CSU-Fraktion vom 24.09.2014 zur Weiterentwicklung des Gymnasiums und die Darlegung des gesamten Dialogprozesses unter Einschluss der Mitwirkung aller Landtagsfraktionen als Basis für die weiteren konzeptionellen Überlegungen anerkannt hat. Daher wurde das oben beschriebene, in diesem Fall zur umfassenden Information und unter Berücksichtigung des gesamten Dialogprozesses begründete Vorgehen gewählt, da es den Schulleiterinnen und Schulleitern, an die als Dienststellenleiter vor Ort zahlreiche Fragen zur Zukunft des Gymnasiums herangetragen werden, nicht länger zugemutet werden konnte, ihre Kenntnisse über den aktuellen Stand ausschließlich über die Medien zu beziehen. Verschärft wurde der Bedarf nach der Weitergabe erläuternder Informationen dadurch, dass in den Medien stark divergierend, bisweilen verkürzt oder sogar unrichtig über den aktuellen Diskussionsstand berichtet wurde und daher auch entsprechende Nachfragen entstanden. 2. Wie häufig ist in den vergangenen Jahren über Fraktionsbeschlüsse der CSU direkt aus den Ministerien oder dem nachgeordneten Bereich an die Beamten des Freistaates Bayern – insbesondere an Lehrerinnen und Lehrer – berichtet worden? Eine Abfrage unter den Landtagsbeauftragten der Staatskanzlei und der Ressorts über entsprechende Fälle der laufenden und letzten Legislaturperiode hat ergeben, dass es sich bei dem hier vorliegenden Fall um einen Einzelfall handelt . Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 3. Sind Ministerialbeamte bei der Ausarbeitung des CSU-Fraktionsbeschlusses dabei gewesen? a) Wenn ja, welche? Bei der Ausarbeitung anwesend, aber nicht beteiligt war der Landtagsbeauftragte für den Bereich Bildung im Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. b) Wenn ja, ist es üblich, dass Ministerialbeamte bei CSU-Klausurtagungen beteiligt sind? Es ist üblich, dass neben den Landtagsbeauftragten im Bedarfsfall Ministerialbeamte zur Begleitung der Kabinettsmitglieder des jeweiligen Hauses bei Klausurtagungen der Regierungsfraktion anwesend sind. Dies geschieht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Staatsregierung über die Teilnahme der Staatsbediensteten an Veranstaltungen von Landtag, Senat, Landtagsfraktionen, Parteien und Verbänden vom 11.05.1976 (vgl. dort insbes. Ziff. 2.2 Nr. 1). c) Werden bayerische Staatsbeamte angehalten, unmittelbar nach CSU-Fraktionsbeschlüssen mit der ministeriellen Umsetzung ohne entsprechende Kabinetts - bzw. Landtagsentscheidungen zu beginnen , wie es zumindest Seite 4 ff. des Schreibens nahelegt? Erläuterung zu Frage 3: „Mit dem Beschluss der CSU-Landtagsfraktion sind die wichtigen Pfeiler zur Weiterentwicklung des Gymnasiums klar benannt und mit Zielen dargestellt; nun steht die Aufgabe der konkreten Ausgestaltung, Umsetzung und Implementierung in die einzelne Schule und den konkreten Unterricht an.“ (S. 6, 2. Absatz des offiziellen ministeriellen Schreibens) Nein. Die in der Erläuterung zu Frage 3 zitierte Passage aus dem KMS vom 29.09. weist lediglich darauf hin, dass mit der Resolution der Regierungsfraktion erste Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Gymnasiums benannt sind. Wie darüber hinaus der dem KMS beigefügten Pressemitteilung des StMBW (Nr. 300/2014 vom 25.09.2014) zu entnehmen ist, wurde die Fraktionsresolution mit Staatsminister Dr. Spaenle abgestimmt, von diesem ausdrücklich begrüßt und als Basis für die weiteren konzeptionellen Überlegungen im Staatsministerium anerkannt. Dass letztlich nur Ministerrat Drucksache 17/4869 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 und Landtag über die Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums beschließen, versteht sich von selbst und wurde vom Staatsministerium in anderem Zusammenhang hinreichend betont. (Vgl. die Pressemitteilung des StMBW Nr. 284/2014 vom 12.09.2014: „Am Ende dieses Dialogs werden Ministerrat und Landtag mögliche Änderungen mit dem Ziel einer langfristig akzeptierten Lösung für ein zeitgemäßes Gymnasium beschließen.)“ 4. Nachdem es in dem besagten Schreiben (Seite 4) heißt, dass es zu dem Fraktionsbeschluss (bzw. der Fraktionsresolution) noch keine „Ausführungsbestimmungen “ durch das Ministerium gibt, frage ich die Staatsregierung, ob sie sich in der Pflicht sieht, CSU-Fraktionsbeschlüsse per ministeriellen Ausführungsbestimmungen direkt umzusetzen ? Nein. Der Begriff „Ausführungsbestimmungen“ ist im KMS vom 29.09.2014 daher bewusst in Anführungszeichen gesetzt . 5. Wer hat die Weitergabe des CSU-Fraktionsbeschlusses im vorliegenden Fall veranlasst? a) Ist Staatsminister Ludwig Spaenle über den Brief unterrichtet worden beziehungsweise ist er von ihm veranlasst worden? Staatsminister Dr. Spaenle sah es als notwendig an, die Schulen zu informieren (vgl. die Antwort zu Frage 1). Das am 29.09.2014 ergangene KMS selbst wurde Herrn Staatsminister vor Auslauf mit der Bitte um Billigung vorgelegt. Diese Billigung wurde erteilt. b) Wie viele Mitarbeiter der CSU-Fraktion kommen oder kamen in den letzten 5 Jahren aus den Ministerien bzw. der nachgeordneten Staatsverwaltung bzw. sind von Fraktionsstellen dorthin gewechselt ? Wie viele Mitarbeiter der CSU-Landtagsfraktion aus der Staatsverwaltung in den letzten fünf Jahren (Zeitraum Oktober 2009 – Oktober 2014) kommen bzw. kamen sowie von Fraktionsstellen dorthin gewechselt sind, ist nachstehender Tabelle zu entnehmen. Dabei ist zu beachten, dass darin – der Fragestellung entsprechend – die Gesamtzahl der Mitarbeiter, die im betreffenden Zeitraum für eine Tätigkeit bei der CSU-Landtagsfraktion beurlaubt waren, erfasst ist. Diese Beurlaubungen erfolgten jedoch in vielen Fällen nicht zeitgleich, sondern sukzessive. Bei der Zahl der Wechsel in die Staatsverwaltung sind ausschließlich Mitarbeiter erfasst, die nach Ende ihrer Beurlaubung in die Staatsverwaltung zurückkehrten; anderweitige Wechsel von Mitarbeitern der CSU-Landtagsfraktion in die einzelnen Ressorts erfolgten nicht. Geschäftsbereich (ggf. inkl. Vorgängerressorts ) Zahl der beurlaubten Mitarbeiter Okt. 2009 – Okt. 2014 Zahl der Wechsel in die Staatsverwaltung im selben Zeitraum („Rückkehrer“) StK 4 1 StMI 4 2 StMJ 7 4 StMBW 3 1 StMFLH 6 2 StMWi 3 2 StMUV 5 2 StMELF 2 1 Geschäftsbereich (ggf. inkl. Vor- gängerressorts) Zahl der beurlaubten Mitarbeiter Okt. 2009 – Okt. 2014 Zahl der Wechsel in die Staatsverwaltung im selben Zeitraum („Rückkehrer“) StMAS 2 2 StMGP – 1 6. Wird über Beschlüsse anderer Fraktionen durch Ministerien oder den nachgeordneten Bereich in ähnlicher Weise an die Beamten des Freistaates Bayern berichtet? a) Wenn ja, wann? b) Wenn nein, warum nicht? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 7. Wird auch über anstehende Volksbegehren durch das zuständige Ministerium berichtet? Das StMBW hat das von der Landesvereinigung FREIE WÄHLER Bayern e. V. initiierte und erfolglos gebliebene Volksbegehren „Ja zur Wahlfreiheit zwischen G8 und G9“ in Pressemitteilungen aufgegriffen (z. B. Nr. 102/2014 vom 03.04.2014 und 215/2014 vom 01.07.2014). a) Sind die bayerischen Lehrerinnen und Lehrer über das vergangene Volksbegehren zur Wahlfreiheit G 9/G 8 mittels eines ministeriellen Briefs informiert worden? Nein. b) Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Inhalt? Entfällt. 8. Sieht die Staatsregierung in dem ministeriellen Schreiben keine einseitige Werbung bzgl. einer Fraktion? Nein. a) Sind durch das Schreiben nicht die Grenzen der durch die Bayerische Verfassung vorgeschriebenen Gewaltenteilung verletzt? Nein. Besagtes KMS lieferte lediglich Zwischeninformationen zum gesamten Dialogprozess und zu konzeptionellen Überlegungen, die Staatsminister Dr. Spaenle als Grundlage für die weitere Arbeit anerkannt hat. Dienstliche Anweisungen wurden darin nicht erteilt. b) Plant die Staatsregierung, diese Praxis in Zukunft fortzusetzen? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Über besondere Einzelfälle wird anlassbezogen zu entscheiden sein.