Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24.11.2014 Durchsuchungsaktion bei rechtsextremem Onlineshop Laut Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West vom 4. November 2014 wurden bereits im Mai insgesamt acht Wohn- und Geschäftsräume wegen des „dringenden Tatverdachts von einer Vielzahl von rechtsgerichteten Propagandadelikten“ durchsucht. Bei dieser Aktion wurden – so die Pressemitteilung – „von rund 2.100 verschiedenen Tonträgern insgesamt über 23.500 Exemplare sichergestellt. Ebenfalls erfolgte die Sicherstellung von 5 TB digitaler Daten sowie diverser Gegenstände mit strafbaren Inhalten wie Patches etc., die vielfach eine den Nationalsozialismus verherrlichende, fremdenfeindliche oder antisemitische Haltung erkennen lassen. Bei der anschließenden Auswertung ergaben sich insgesamt 907 strafrechtlich relevante Taten.“ Die Durchsuchungsaktion sowie die ihr zugrunde liegenden Ermittlungen seien auf einen Hinweis über das Kontaktformular der Polizei von 2012 zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. In welchen Orten fanden die Durchsuchungsaktionen statt? 1.1 In welchen der durchsuchten Objekte wurden jeweils Gegenstände mit strafbaren Inhalten aufgefunden? 1.2 Wurde – über das Objekt im Raum Laupheim (Baden- Württemberg) hinaus – auch in anderen der durchsuchten Objekte Material angetroffen, das für Tonstudios typisch ist? 2. Nach welchen Delikten lassen sich die „insgesamt 907 strafrechtlich relevante[n] Taten“, die sich aus der Auswertung laut Pressemitteilung ergeben haben, untergliedern (Straftatbestände bitte einzeln auflisten)? 2.1 Wurden bei der Durchsuchungsaktion auch Waffen oder Sprengstoff sichergestellt (falls ja, bitte detailliert auflisten)? 3. Konnten Gegenstände aufgefunden werden, die auf einen Bezug zu den Gruppierungen „Skinheads Schwaben“ oder „White Power Schwaben“ hinweisen? 3.1 Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung darüber hinaus über eine Verbindung zwischen den Versandstrukturen bzw. der Gruppierung „Voice of Anger“ und den Gruppierungen „Skinheads Schwaben“ und „White Power Schwaben“ vor? 3.2 Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über eine Verbindung zwischen den Versandstrukturen bzw. der Gruppierung „Voice of Anger“ und anderen rechtextremen Gruppierungen vor? 4. Wann genau erhielt die Polizei den Hinweis, „dass über einen Onlineshop ein Pullover mit dem SS-Totenkopf vertrieben werde“? 4.1 Welche Erkenntnisse hatte die Staatsregierung über den Onlineshop, bevor der Hinweis auf einen Pullover mit dem SS-Totenkopf einging? 4.2 Weshalb wurden nicht bereits auf Grundlage dieser Erkenntnisse entsprechende Ermittlungen eingeleitet? 5. Wie lässt sich der lange Zeitraum zwischen dem Hin- weis von 2012 und der Durchsuchungsaktion im Mai 2014 erklären? 5.1 Welche Folgen haben das Ergebnis der Durchsuchungsaktion und insbesondere die „insgesamt 907 strafrechtlich relevante[n] Taten“ für den weiteren Betrieb des Onlineshops? 5.2 Wie schätzt die Staatsregierung die strafrechtliche Relevanz des derzeitigen Sortiments des Onlineshops ein? 6. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über den 31-jährigen Tatverdächtigen, insbesondere hinsichtlich seiner Verbindungen in die rechtsextreme Szene? 6.1 Wie oft wurde der Tatverdächtige in der Vergangenheit bereits aufgrund rechtsextrem motivierter Straftaten verurteilt? 6.2 Auf welchen in der Pressemitteilung erwähnten Erkenntnissen beruht die Einschätzung, dass der Tatverdächtige „eine Führungsfunktion bei einer regionalen Skinheadgruppierung innegehabt“ habe, und um welche Gruppierung handelt es sich? 7. Richten sich die in der Pressemitteilung erwähnten „13 Ermittlungsverfahren gegen weitere Personen“ gegen Kundinnen/Kunden oder gegen vermutliche Mitbetreiberinnen /Mitbetreiber des Onlineshops? 8. Um welche in der Pressemitteilung erwähnten „zwei Internetdienstleister“, die bei der Durchsuchungsaktion betroffen waren, und „über welche die Geschäfte abgewickelt wurden“ handelt es sich? 8.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen dieser „Internetdienstleister“ zur rechtsextremen Szene? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 16.02.2015 17/4887 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/4887 Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 02.01.2015 Die Schriftliche Anfrage im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Justiz wie folgt beantwortet: 1. In welchen Orten fanden die Durchsuchungsaktionen statt? Die Durchsuchungen fanden in 87787 Wolfertschwenden, 87730 Bad Grönenbach, 88471 Laupheim (Baden-Württemberg ), 88483 Burgrieden (Baden-Württemberg), 38154 Königslutter am Elm (Niedersachsen), 02742 Friedersdorf (Sachsen) und 56410 Montabaur (Rheinland-Pfalz) statt. 1.1 In welchen der durchsuchten Objekte wurden je- weils Gegenstände mit strafbaren Inhalten aufgefunden ? Gegenstände mit strafbarem Inhalt wurden bei Durchsuchungen in Wolfertschwenden, Bad Grönenbach und Königslutter gefunden. Zudem wurden in Friedersdorf und Montabaur Daten gesichert. 1.2 Wurde – über das Objekt im Raum Laupheim (Baden -Württemberg) hinaus – auch in anderen der durchsuchten Objekte Material angetroffen, das für Tonstudios typisch ist? Bei den Durchsuchungen wurde, über das Objekt in Laupheim hinaus, kein Material aufgefunden, das für Tonstudios typisch ist. 2. Nach welchen Delikten lassen sich die „insgesamt 907 strafrechtlich relevante[n] Taten“, die sich aus der Auswertung laut Pressemitteilung ergeben haben , untergliedern (Straftatbestände bitte einzeln auflisten)? – 341 Straftaten der Volksverhetzung gem. § 130 StGB – 408 Straftaten des Verwendens von Kennzeichen verfas- sungswidriger Organisationen gem. § 86 a StGB – 22 Straftaten der verfassungsfeindlichen Verunglimpfung von Verfassungsorganen gem. § 90 b StGB – 58 Straftaten der Gewaltdarstellung gem. § 131 StGB – 60 Verstöße nach dem JuSchG – 17 Verstöße der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten gem. § 111 StGB – 1 Verstoß der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religi- onsgesellschaften u. a. gem. § 166 StGB 2.1 Wurden bei der Durchsuchungsaktion auch Waf- fen oder Sprengstoff sichergestellt (falls ja, bitte detailliert auflisten)? Bei der Durchsuchung wurden vier strafrechtlich nicht relevante Teleskopschlagstöcke aufgefunden. 3. Konnten Gegenstände aufgefunden werden, die auf einen Bezug zu den Gruppierungen „Skinheads Schwaben“ oder „White Power Schwaben“ hinweisen? Bei der Durchsuchungsaktion konnten keine Gegenstände aufgefunden werden, die auf einen Bezug zu den Gruppierungen „Skinheads Schwaben“ oder „White Power Schwaben “ hinweisen. 3.1 Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung da rüber hinaus über eine Verbindung zwischen den Versandstrukturen bzw. der Gruppierung „Voice of Anger“ und den Gruppierungen „Skinheads Schwaben“ und „White Power Schwaben“ vor? Es sind verschiedene Skinhead-Gruppierungen im Regierungsbezirk Schwaben bekannt. Diese haben sich zum größten Teil wieder selbst aufgelöst, so wie die „White Power Schwaben“, oder wurden verboten, wie die „Skinheads Allgäu 88“. Allgemein kann festgehalten werden, dass sich im rechtsextremistischen Bereich die subkulturellen Skinheads auf dem Rückzug befinden bzw. seit Längerem an Attraktivität verlieren, sodass heute nur noch ein kleinerer Teil der klassischen Skinheadszene zuzuordnen ist. Eine der letzten größeren Skinheadgruppierungen stellt in Bayern und dem Regierungsbezirk Schwaben „Voice of Anger“ (VoA) dar. Die 2002 gegründete Skinhead-Gruppierung VoA im Großraum Memmingen/Kempten ist eine überregional aktive Skinhead-Gruppierung in Bayern. Die etwa 80 Mitglieder und Sympathisanten gehören drei Sektionen an. In Südbayern ist VoA die mit Abstand mitgliederstärkste Skinhead-Gruppierung. Nach Bewertung des BayLfV verfügt VoA über zahlreiche Kontakte zu verschiedenen Rechtsextremisten in Schwaben. Nach den Erkenntnissen des BayLfV ist davon auszugehen, dass sich nach Auflösung der Gruppierung „White Power Schwaben“ ein Teil der ehemaligen Mitglieder der Gruppe VoA angeschlossen hat. Eine Verbindung zwischen dem Versandhandel „Oldschool Records“ und „Voice of Anger“ besteht dahingehend, dass der Betreiber des Versandhandels zugleich die Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden der Gruppierung „Voice of Anger“ ausübt. Erkenntnisse über Verbindungen des Betreibers des Versandhandels zu den Gruppierungen „White Power Schwaben “ oder „Skinheads Schwaben“ über die Versandstrukturen hinaus liegen nicht vor. 3.2 Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung über eine Verbindung zwischen den Versandstrukturen bzw. der Gruppierung „Voice of Anger“ und anderen rechtextremen Gruppierungen vor? Bei der VoA handelt es sich um eine große und relativ lange bestehende Gruppierung von rechtsextremen Skinheads, die zu ihren Feiern auch ein überregionales Publikum anzieht . VoA verfügt über Kontakte zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen, auch außerhalb Schwabens. So trafen sich beispielsweise im März 2014 in einer ehemaligen Gaststätte in Apfeltrach (Lkr. Unterallgäu) ca. 60 bis 70 Skinheads , die sowohl aus der Region als auch überregional anreisten. Das Treffen, an dem sich die Gruppierung VoA maßgeblich beteiligte, war vorab unverfänglich als „Verlobungsfeier “ deklariert worden. Die relativ hohe Teilnehmerzahl und die überregionale Anreise der Teilnehmer zeigen, dass die Gruppierung VoA über Bayern hinaus erheblichen Einfluss in der rechtsextremistischen Skinhead-Szene hat. Es bestehen Erkenntnisse, dass der Betreiber des Versandhandels „Oldschool Records“ auch im Vorstand der Skinheadgruppierung „Voice of Anger“ aktiv ist (s. o.). Aus diesem Grund sind vielfältigste Verbindungen zur Gruppierung „Voice of Anger“ vorhanden. Darüber hinaus konnten Verbindungen zu bundesweiten (z. B. Hammerskins Stutt gart, diverse Kameradschaften), europaweiten (z. B. Schweiz und Liechtenstein) und vereinzelt weltweiten (Süd- Drucksache 17/4887 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 amerika/USA) Einzelpersonen und Gruppierungen der rechten Szene festgestellt werden. 4. Wann genau erhielt die Polizei den Hinweis, „dass über einen Onlineshop ein Pullover mit dem SSTotenkopf vertrieben werde“? Die Polizei erhielt den Hinweis am 21.03.2012. 4.1 Welche Erkenntnisse hatte die Staatsregierung über den Onlineshop, bevor der Hinweis auf einen Pullover mit dem SS-Totenkopf einging? Der Versandhandel ist seit dem Jahr 2008 bekannt und wird als rechtsextremistisch eingestuft. Der Versand produziert und gibt CDs verschiedener rechtsextremistischer Bands heraus. Neben der Musik einschlägiger Bands bietet der Versand noch eine breite Palette an szenetypischer Bekleidung und sonstigen Gegenständen an. Der Schwerpunkt des Versandes liegt allerdings auf der rechtsextremistischen Musik und damit verbundenen Produkten wie Bekleidung mit Bandaufdrucken. Strafbare Handlungen wurden bis dato nicht festgestellt. 4.2 Weshalb wurden nicht bereits auf Grundlage dieser Erkenntnisse entsprechende Ermittlungen eingeleitet ? Der Onlineshop wird zwar als rechtsextremistisch eingestuft , jedoch wurde bislang kein strafrechtlich relevantes Handeln festgestellt. 5. Wie lässt sich der lange Zeitraum zwischen dem Hinweis von 2012 und der Durchsuchungsaktion im Mai 2014 erklären? Der Zeitraum zwischen der Anzeigenerstattung und der Durchführung der Durchsuchungen wurde benötigt, um die zur Erwirkung der Durchsuchungsbeschlüsse benötigten Erkenntnisse gewinnen zu können. Zu Einzelheiten können aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben gemacht werden. Hier darf angemerkt werden, dass es sich hier um zwei verschiedene Verfahren handelt. Das erste Verfahren, welches am 21.03.2012 bei der Polizei bekannt wurde, endete nach Abschluss der Ermittlungen mit einer Einstellung gem. § 153 Abs. 1 StPO durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Memmingen vom 03.04.2013 (Az. 113 Js 6792/12). Die aus diesen Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse führten zur Eröffnung des nun gegenständlichen Verfahrens. 5.1 Welche Folgen haben das Ergebnis der Durchsuchungsaktion und insbesondere die „insgesamt 907 strafrechtlich relevante[n] Taten“ für den weiteren Betrieb des Onlineshops? Das zuständige Gewerbeamt wurde von dem Verfahren in Kenntnis gesetzt. Eine Entscheidung dazu wird jedoch erst nach Abschluss des Strafverfahrens erwartet. 5.2 Wie schätzt die Staatsregierung die strafrechtliche Relevanz des derzeitigen Sortiments des Onlineshops ein? Der derzeit bekannte Bereich des Onlinehandels ist strafrechtlich nicht zu beanstanden. 6. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über den 31-jährigen Tatverdächtigen, insbesondere hinsichtlich seiner Verbindungen in die rechtsextreme Szene? Der Tatverdächtige ist dem BayLfV seit 2001 als rechtsextremistischer Skinhead bekannt. In der Folge nahm er an Veranstaltungen der rechtsextremistischen Skinhead-Szene in Schwaben sowie im benachbarten Baden-Württemberg teil. Des Weiteren ist er regelmäßiger Teilnehmer an Skinheadkonzerten . 6.1 Wie oft wurde der Tatverdächtige in der Vergangenheit bereits aufgrund rechtsextrem motivierter Straftaten verurteilt? Der Tatverdächtige ist bereits einmal wegen rechtsextrem motivierter Straftaten verurteilt worden. 6.2 Auf welchen in der Pressemitteilung erwähnten Erkenntnissen beruht die Einschätzung, dass der Tatverdächtige „eine Führungsfunktion bei einer regionalen Skinheadgruppierung innegehabt “ habe, und um welche Gruppierung handelt es sich? Die Erkenntnis wurde aus der Auswertung der sichergestellten Gegenstände/Daten im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens gewonnen. Bei der Gruppierung handelt es sich um „Voice of Anger“. Nach Informationen des BayLfV handelt es sich bei dem Tatverdächtigen um einen Führungsaktivisten der VoA. Diese Einschätzung ist vonseiten des BayLfV im Rahmen der Auswertung der Erkenntnisse erfolgt, zu denen auch Meldungen der örtlich zuständigen Polizeibehörden gehören. 7. Richten sich die in der Pressemitteilung erwähn- ten „13 Ermittlungsverfahren gegen weitere Personen “ gegen Kundinnen/Kunden oder gegen vermutliche Mitbetreiberinnen/Mitbetreiber des Onlineshops? Die in der Pressemitteilung erwähnten weiteren Ermittlungsverfahren richten sich weder gegen Kunden noch gegen Mitarbeiter des Tatverdächtigen. 8. Um welche in der Pressemitteilung erwähnten „zwei Internetdienstleister“, die bei der Durchsuchungsaktion betroffen waren und „über welche die Geschäfte abgewickelt wurden“, handelt es sich? 8.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen dieser „Internetdienstleister“ zur rechtsextremen Szene? Die Antworten zu den Fragen 8 und 8.1 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammengefasst. Es liegen keine Erkenntnisse vor, wonach Verbindungen vorgenannter Internetdienstleister zur rechtsextremen Szene bestehen würden. Bei diesen handelt es sich um allgemein zugängliche Dienstleister. Allerdings nutzen diese auch Rechtsextremisten, um miteinander zu kommunizieren , sich darzustellen oder auch mögliche Interessenten anzusprechen. Da es sich bei den Dienstleistern nicht um Beschuldigte, sondern um Zeugen handelt, kann der Firmenname nicht mitgeteilt werden.